Ich warte auf dich von LenjaKa ================================================================================ Kapitel 15: Von Träumen und Geburtstagskindern ---------------------------------------------- Seit dem ersten und einzigen Wutausbruch ihres Onkels Balins an den sie sich überhaupt erinnern konnte, waren bereits einige Jahre ins Land gezogen. Lenja hatte am Ende doch noch bekommen, woran sie so fest geglaubt hatte: Sie durfte eine Lehre beginnen. Natürlich nicht die eines Schmieds, aber immerhin war ihr handwerkliches Geschick auch bei dieser anderen Berufung nicht minder gefordert. Mit Balins und Dwalins Hilfe hatte sie es wirklich vollbracht und durfte das Handwerk einer Goldschmiedin erlernen. Zu Beginn war ihr Meister zögerlich und wollte seinen Ohren nicht trauen als Dwalin versuchte ihm klar zu machen, dass Lenja durchaus Talent besaß und eine hervorragende Schülerin in diesem Bereich sein würde. „Meister Dwalin, du weißt ganz genau, dass Frauen nicht mit Metallen arbeiten sollten. Ihr Talent liegt einfach in anderen Bereichen“, sprach Hungstarri als der Zwerg ihn mit Lenja zusammen an seiner Arbeitsstätte aufsuchte. „Lass meine Nichte ihr Talent unter Beweis stellen“, versuchte Dwalin den Schmied zu überzeugen. „Lenja hat mir schon so oft in der Schmiede geholfen. Sie besitzt zwar nicht die Kraft eines Mannes. Dafür arbeitet sie sehr filigran und detailliert. Glaub mir, alter Freund, sie wird dich nicht enttäuschen. Die Kleine wird eine Meisterin ihres Fachs sein, wenn du ihr nur die Möglichkeit dazu gibst.“ Hungstarri betrachtete die junge Frau bei den Worten ihres Onkels neugierig. Er überlegte sichtlich, ob er ihnen Glauben schenken und seine wichtige Arbeit unterbrechen sollte. Er musste zugeben, dass Dwalins Nichte einen sehr entschlossenen Eindruck neben ihrem Onkel machte. Auch kannte er den Zwerg seit einer gefühlten Ewigkeit und wusste, dass er zwar gern die eine oder andere Rede schwang, aber bei einer solchen Angelegenheit sich keine Blöße geben würde. Das Mädchen hatte zudem einen ungewöhnlichen Schimmer in ihren grünen Augen, der selbst ihm als Unbekannten sofort auffiel. Er konnte es sich nicht wirklich erklären, doch schien die junge Frau eine Aura zu umgeben, der es keinesfalls an Neugierde oder Leidenschaft zu fehlen schien. Der Schmied schnaufte kurz auf und nickte dann zögerlich. „In Ordnung, deine Nichte soll ihre Chance bekommen. Lass sie mir einfach hier. Du kannst gegen Nachmittag wiederkommen. Bis dahin weiß ich sicher, ob deine Worte nur heiße Luft waren oder, ob die junge Dame hier doch für die Kunst der Schmuckherstellung geeignet ist.“ Und Hungstarri sollte sich nicht geirrt haben. Lenja befolgte jede seiner Anweisungen mit Bedacht und überzeugte ihn durchaus mit ihrer Fingerfertigkeit. So kam es, dass sie am nächsten Tag ihre Lehre beim Schmied begann. Sie war glücklich und stolz auf alles, was sie dort lernen durfte und was sie unter seinen wachsamen Augen selbst fertigte. Zu Beginn vernahm Lenja das ein oder andere Getuschel von anderen Zwergen, wenn sie sich auf zur Arbeit oder danach auf den Heimweg machte. Es stimmte: sie war die erste ihres Faches in Thrórs Königreich. Doch je mehr von ihren Fertigungen in Hungstarri Schmiede den Besitzer wechselten, umso mehr verstarb die Nachrede. Lenja, Balins und Dwalins Nichte, wurde für ihre Arbeit geschätzt und respektiert. Und zum ersten Mal in ihrem Leben war sie froh, sich nun auch in aller Öffentlichkeit mit ihrem Talent zu präsentieren. Wer hätte schon gedacht, dass eine junge Frau derartige Schätze fertigen konnte? Doch keiner außer Lenjas Familie ahnte, welche anderen Talente noch in ihr schlummerten. Die Zeit zog ins Land und so war Lenja nicht nur eine erwachsene Frau geworden, sondern stand kurz davor die begonnene Lehre mit Bravur abzuschließen. Hungstarri bot ihr an auch weiterhin in seinem Betrieb zu bleiben, wenn sie mochte. Und sie nahm dieses Angebot dankend an. Sie wusste, dass sie sich auf den alten Zwerg verlassen und noch viel von ihm lernen konnte. Zudem konnte sie weiterhin, wenn auch nur unter strengen Auflagen ihres Onkel Balins, mit Dwalin den Waffenkampf trainieren. Sie wusste nicht, wie ihr Onkel es hinbekommen hatte seinen älteren Bruder in der Hinsicht umzustimmen. Nach dem heftigen Streit an jenem Abend an dem Lenja ihr Geheimnis lüftete, hatten die beiden Brüder noch lange miteinander diskutiert. Mal laut, dann wieder etwas leiser. Weder Ári noch seine Schwester wussten, was Dwalin mit seinem Bruder für einen Handel schloss. Was jedoch feststand, war, dass sie regelmäßig für mehrere Stunden mit Dwalin verschwand und fleißig an ihrer Ausdauer, Kondition und Stärke arbeitete. Und das alles unter dem strengen Blick Balins. „Ich weiß beim besten Willen nicht, wie Lenja es eines Tages ihrem zukünftigen Mann erklären will, wieso sie mit Waffen umgehen kann. Wahrscheinlich beherrscht sie die Kampfkunst bis dahin besser als ihr Auserwählter. Das soll aber euer beider Problem bleiben. Ich halte mich da raus. Es sollte euch beiden aber Bewusst sein, dass das noch zu unfassbaren Problemen führen kann.“ So oder so ähnlich sprach Balin seinem Bruder und seiner Nichte hin und wieder in ihr Gewissen. Er wusste, dass die beiden auch ohne sein Einverständnis ihren Weg weiterhin bestritten hätten. So sollten sie aber wenigstens nicht ganz ohne Tadel ihr Vorgehen ausüben können. Auch Balin konnte es sich selbst nicht recht erklären, wieso er dem Treiben seines Bruders und seiner Nichte nicht Einhalt gebot. Es ziemte sich nicht für eine Frau mit Waffen zu hantieren. Das stand außer Frage. Doch war er in sich gegangen und hatte überlegt, ob es Lenja nicht auch Vorteile brachte. Eine Frau, die sich beschützen konnte? Eine Frau, die im Notfall wusste, wie sie ihre Familie vor dem Bösen in Sicherheit bringen konnte? Hatte sie nicht schon einmal unter Beweis gestellt, dass eine große Kriegerin in ihr ruhte als sie mit Ári vor fast einem Jahrzehnt um beider Leben gegen ihren Vater kämpfte? Ásgrímur würde ihr zwar kein Leid mehr zufügen können, da er den anschließenden Konflikt mit Dwalin nur um wenige Stunden überlebt hatte. Doch wusste Lenja nichts davon. Dachte sie, dass sie eine Kriegerin werden musste, um sich auch in Zukunft gegen ihren Vater zur Wehr setzen zu können? Balin hatte den Verdacht, dass seine Nichte nur deshalb dermaßen fixiert auf das Erlernen von Kampfkünsten war. Erst überlegte er, ihr die Wahrheit über den Verbleib ihres Erzeugers zu sagen. Doch dann zögerte er. Wie würde sie dann zu Dwalin stehen? Und war es nicht vielleicht doch besser, wenn Lenja gegen alle anderen Ásgrímurs Mittelerdes gewappnet war, die ihr vielleicht noch auf ihrem Lebensweg begegnen sollten? So beließ es Balin dabei und überwachte kritisch die Fortschritte seiner Nichte. Schließlich sollte sie ja keine hauptberufliche Kriegerin werden. ** Es war Dwalins Geburtstag. Schon seit Tagen herrschte zwischen den Geschwistern Aufregung. Ári wollte seiner Schwester unbedingt bei den Vorbereitungen helfen. Auch wenn sie nicht die begnadetste Köchin war, backen konnte sie wie eine Meisterin. Und da ihr Onkel nichts lieber mochte als Lenjas mit Creme gefüllte Teigbällchen, verbrachte sie Stunde um Stunde mit ihrem selbsternannten kleinen Backgesellen in der Küche. Sie wusste schon, warum sie mehrere Portionen von den süßen Bällen formte. Kaum waren die ersten fertig, verschwanden sie auch schon in Áris Mund. Mit einem prüfenden Blick betrachtete sie ihren kleinen Bruder. „Waff if denn, loff?“, fragte der sie dann immer mit vollem Mund, worüber sich Lenja herrlich amüsierte. Trotz der widrigen Umstände hatten es die Geschwister dann doch geschafft mehrere Ladungen Teigbällchen herzustellen und ihren Onkel am Nachmittag damit zu überraschen. Gemeinsam schlugen sie sich die Mägen voll. Kaum waren alle süßen Dinger verschwunden, machte sich über die drei eine Müdigkeit breit, die nur von Balin durchbrochen wurde. Typisch, dachte sich Lenja. Schließlich hatte er ja am wenigsten von der Nascherei abbekommen. „Dwalin, wolltest du nicht langsam los? Wolltest du den heutigen Abend nicht zusammen mit ein paar anderen Zwergen in der Schänke verbringen? Ich für meinen Teil habe leider noch etwas anderes zu tun“, bemerkte der Zwerg als er seinen Bruder, seinen Neffen und seine Nichte mit seligen Gesichtern sich die Bäuche reiben sah. „Stimmt ja. Ich werde langsam alt. Wie gut, dass du mich daran erinnerst, Bruderherz“, sprach der Angesprochene und rappelte sich mit vollem Bauch von seinem Platz auf. Er streckte sich ausgiebig, packte ein paar Dinge zusammen, gab Ári einen Handschlag zum Abschied und Lenja eine innige Umarmung. „Dann genießt ihr beiden am heutigen Abend die freie Zeit von euren beiden Onkeln“, sprach Dwalin und verließ das gemeinsame Heim Richtung Schenke. Balin sah ihm nach. „Vielleicht wäre es besser, wenn du ihn am späten Abend dort einsammeln könntest, Lenja. Er wird es nicht lustig finden, wenn ich dich ihm hinterher schicke, aber dann können wir auf jeden Fall sicher sein, dass er auch in seinem baldigen Zustand den Weg nach Hause finden wird.“ „Aber Balin, ich kann ihn dort nicht abholen! Er wird doch bestimmt nicht mit mir mitkommen wollen. Und überlege doch, dort sind nur Männer! Ja, die eine oder andere Schankmagd wird auch anwesend sein. Aber ich bin nicht aus demselben Holz geschnitzt, wie die. Ich bin Goldschmiedin und habe keine Nerven aus Stahl, wenn mich ein Betrunkener übel von der Seite belästigen sollte. Ich meine...Balin!“, begehrte Lenja verzweifelt auf als ihr Onkel ihr die Hand auf die Schulter legte. „Du schaffst das schon, Kind. Er wird auch auf dich hören. Wenn er nicht auf dich hört, dann weiß ich nicht, auf wen er dann noch hören sollte. Und außerdem wird sich keiner trauen dich einfach so zu belästigen. Sie sind nicht lebensmüde, wenn dein Onkel im Raum ist. Glaube mir! Er kann einiges vertragen, doch wird er immer noch so klar bei Verstand sein, dass er mitbekommt, wenn ein Mann dir zu nahe kommt. Du bist sein größter Schatz. Und damit wird er auch im benebelten Zustand noch ein wachsames Auge auf dich haben. Also, keine Widerrede. Du gehst ihn gegen Mitternacht holen. Ich würde es ja selbst tun, doch habe ich eine wichtige Mission zu erledigen. Und damit noch eins klar ist: Ári, du bleibst schön daheim! Lenja wird das auch allein schaffen. Wer mit Äxten kämpft, der bekommt auch seinen Onkel aus der Schenke nach Hause“, sprach der Zwerg und verschwand mit einem Lächeln auf den Lippen so schnell wie sein jüngerer Bruder vor ihm das Heim. Lenja wurde aus ihrer Starre gerissen als sie hinter ihrem Rücken Áris Gelächter vernahm. Sie verdrehte ihre Augen, fuhr sich durch ihre rotbraunen Haare und drehte sich zu ihm um. Ihr kleiner Bruder kugelte sich förmlich vor Lachen auf dem Stubenboden. „Was ist denn daran wieder so lustig, du kleiner Troll?“, fragte Lenja entnervt. Ári unterbrach für einen Augenblick sein Gekicher: „Na ja, jetzt musst du auch noch einen anderen Kampfstil lernen. Und zwar den der Frauen!“ Der Zwerg prustete wieder los. Seine Schwester schüttelte nur den Kopf und atmete tief durch. „Was soll mir das jetzt sagen, Ári?“ „Du weißt nicht, wie Frauen kämpfen? Ich sage es dir: wenn dir einer von den Kerlen zu nah kommen sollte, dann holst du ordentlich mit der Hand aus und knallst ihm eine saftige Ohrfeige. Das ist der Kampfstil einer Frau!“, sprach der Kleine todernst. „Woher willst du denn wissen, wie Frauen kämpfen?“, fragte Lenja ihren Bruder verwirrt. „Onkel Dwalin hatte doch neulich so ein blaues Veilchen um das eine Auge. Da habe ich ihn gefragt, wo er das her hat. Und dann hat er mir von der Kampftechnik berichtet“, führte Ári weiterhin stolz aus. „So so“, dachte sich die Zwergin mit einem breiten Lächeln. „Dann weiß ich ja wenigstens, dass ich nicht die einzige Frau bin, die in welcher Art auch immer, kämpft.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)