Ich warte auf dich von LenjaKa ================================================================================ Kapitel 14: Zukunftspläne ------------------------- Mit der Zeit wurde Lenja nicht nur immer mehr zu einer jungen Frau, sondern entwickelte auch zusehends eigene Ansprüche an sich und ihr zukünftiges Leben. Natürlich hatte sie sich in der Regel bisher ohne großen Protest um die Belange im Haushalt ihrer Onkel und um die Erziehung von Ári gekümmert, doch konnte und sollte dies ihrer eigenen Meinung nach nicht der Sinn ihres weiteren Lebens sein. Sie wollte einer anderen Tätigkeit nachgehen; die eines richtigen Berufes. In den letzten Monaten und Wochen hatte die Zwergin sich bereits Stunde um Stunde mit diesem Gedanken beschäftigt. Immer wieder hatte sie über ihre bereits vorhandenen Fähigkeiten nachgedacht. Über die Vor- und Nachteile, die eine Berufswahl mit sich brachte. Hinzu kam die Problematik, dass sie eine Frau war. Und dies schränkte ihre Auswahlmöglichkeiten enorm ein. Für Lenja stand fest, dass sie sich auch weiterhin so gut es ging um ihren kleinen Bruder kümmern wollte. Es sollte eine Tätigkeit sein, die sie in direkter Nähe zum Erebor ausführen konnte, sodass ihr die nötige Zeit für ihre Familie blieb. Es sollte jedoch auch keine einfache Arbeit als Hilfskraft sein, denn dafür hatte sie nicht Stunde um Stunde unter Balins strengem Blick Dinge erlernt, die sonst nur den Jungs vorbehalten waren: die unterschiedlichsten Rechnungsarten, räumliches Zeichnen und Berechnung, Stoffunterscheidung, Grundlagen der Reaktion von Stoffen, Metallen und so weiter und so fort. Manchmal war Lenja in den Abendstunden über den Büchern, die ihr Onkel ihr gab, eingeschlafen. Aber die Tatsache, dass er sie später nach ihrem neuen Wissen prüfte, ließ schnell Fortschritte zu. Doch wollte sie sich nun diese Kenntnisse auch zu Nutze machen. Sie bescherten ihr Vorteile, die nur wenige junge Zwerge besaßen. Eines Tages wurde Lenja endlich bewusst, wie ihre Zukunft aussehen sollte. Noch gleich am selben Abend wollte sie mit Balin und Dwalin über ihre Pläne sprechen. Kaum, dass jene die Stube betraten in der Ári und seine Schwester sich befanden, begann das Mädchen über die begonnene Flechtarbeit an ihres Bruders Schopf hinüber von ihren Vorstellungen zu berichten. „Ich muss unbedingt mit euch beiden sprechen. Heute ist mir nun bewusst geworden, wie meine Zukunft aussehen soll“, begann Lenja das Gespräch und schaute kurz von Áris Strähnen auf. Balin schaute sie interessiert an während Dwalin sich ein Lachen nicht verkneifen konnte. „Was kommt jetzt, Kurze? Ich glaube nicht, dass du nun mit dem Wunsch Köchin zu werden aufschlägst, oder? Ich meine, so eine begnadete Köchin wie Jofrandá bist du nicht“, grinste Dwalin seine Nichte herausfordernd an. „Was nicht ist, kann doch noch werden, mein Bruder“, meinte Balin daraufhin tadelnd. Lenja schüttelte nur den Kopf. Auch Ári kicherte: „Onkel Balin, Onkel Dwalin, das wäre aber nicht so gut, wenn Lenja Köchin wird. Die armen Zwerge, die ihr Essen dann probieren müssten. Wisst ihr nicht mehr wie schlecht uns allen war als sie den Wildschweinbraten...aua! Du tust mir weh!“ „Entschuldige, du kleine Nervensäge. Da habe ich doch wohl eben die Strähne ein bisschen zu stark angezogen, was?“, bemerkte Lenja über die Äußerungen ihres Bruders. Ári schob beleidigt die Unterlippe nach vorn. „Wenn ich doch so eine schlechte Köchin bin, dann sollten die drei Herren ab heute selbst kochen. Vielleicht wäre das ja die beste Idee, wenn mein Essen den Mägen der Anwesenden hier nicht bekommt“, ergänzte die Zwergin trocken. „So war das ja nun auch nicht gemeint“, versuchte Dwalin seine Nichte zu beschwichtigen. „Hört, hört. Kann ich euch dann nun endlich erklären, was ich mir für die Zukunft vorstelle oder kommt noch so ein dümmlicher Kommentar von euch, hm? Falls ja, dann habt ihr nun die Zeit dazu“, brummte Lenja. „Nein, mein Kind. Du hast unsere volle Aufmerksamkeit, nicht wahr Dwalin?“, sagte Balin und fixierte seinen jüngeren Bruder mit einem strengen Blick, den dieser auswich. „Dann ist gut. Also, ich möchte unbedingt einen Beruf erlernen“, begann Lenja und wartete einen Moment bevor sie weitersprach. Dies hatte nicht nur einen dramatischen Effekt sondern sorgte in der Regel auch dafür, dass Dwalin ihr zuhörte. Im Gegensatz zu Balin hatte der Zwerg eine weniger ausgeprägte Gabe, was die Konzentration auf Gespräche anging. „Und das heißt, dass ich Schmiedin werden will“, fügte Lenja stolz hinzu während sie dieses Mal vom Flechten aufblickte und ihre beiden Onkel anschaute. Beiden entglitten die Gesichtszüge. „Kurze, beim besten Willen. Das ist nicht so einfach, wie du dir das wahrscheinlich vorstellst“, begann Dwalin zögerlich. „Da muss ich ihm Recht geben. Du kannst das nicht werden. Du bist schließlich eine Frau und das Schmieden ist Männersache“, pflichtete Balin seinem Bruder bei. „Natürlich kann ich das werden! Wieso habe ich denn sonst so viele Sachen bei dir lernen müssen, Balin? Soll das alles umsonst gewesen sein? Nein, so geht das nicht!“, protestierte Lenja und ließ wutschnaubend Áris Haarsträhnen abrupt los, die dem Kleinen ein wenig die Sicht nahmen. „Lenja, du weißt genau, dass das nicht geht. Du bist eine Frau. Und das bedeutet, dass du erst einmal von keinem Schmied in die Lehre genommen werden würdest und dann hätten wir noch das Problem mit der Kraft, die dir in den Armen fehlt“, sprach Balin bestimmend. „Aber..“, versuchte es die Zwergin mit einem Widerspruch und wandte sich hilfesuchend an Dwalin. „Nichts aber. Bitte, denk nach. Hast du jemals davon gehört, dass Frauen dem Schmiedehandwerk nachgegangen sind? Nein, denn das ist auch keine Aufgabe für euch. Schlag es dir also aus dem Kopf, Liebes. Ich kann es verstehen, wenn du jetzt erst einmal enttäuscht bist. Aber im Nachhinein wirst auch du feststellen, dass das die richtige Entscheidung gewesen ist. Wenn du gern einem Handwerk nachgehen magst, dann wäre die Schneiderei vielleicht etwas für dich. Was meinst du dazu, Lenja?“, führte der Zwerg seine Gedanken weiter aus. Lenja schnaubte verächtlich auf. Wieso wollte es denn keiner verstehen, dass sie es todernst mit ihrem Wunsch meinte? Hätten Balin und Dwalin denn nicht wissen müssen, dass sie niemals unüberlegt einen solchen Gedanken äußern würde? Ári lugte vorsichtig unter seinen wilden, dunklen Haarsträhnen hervor, wohl wissend, dass seine Schwester innerlich vor Enttäuschung zu kochen begann. Es sollte nicht lange dauern bis sie von ihrem Platz aufsprang und schnellen Schrittes im Raum auf und ab ging. Sie machte das sehr oft, wenn sie angestrengt nachdachte. Die Hände auf ihrem Rücken verschränkt schritt sie ihren imaginären Weg ab. Sie sprach nicht. Sie sah nicht vom Boden auf. Doch plötzlich blieb sie abrupt stehen und drehte sich mit einem Schwung in die Richtung von Dwalin. „Du hast es ihm nicht gesagt, oder?“, fragte Lenja ihren Onkel. Dwalin blickte nervös zwischen seiner Nichte und seinem Bruder hin und her. „Ich..äh.. Lenja, es reicht jetzt mit diesem Theater! Können wir das nicht ein anderes Mal klären?“, versuchte der Zwerg sich aus der Situation zu retten, in die seine Nichte ihn zu drängen versuchte. Balin musterte die beiden mit einem verblüfften Gesichtsausdruck. Sein Bruder und seine Nichte hatten immer ein engeres Verhältnis zu einander gehabt, das stand außer Frage. Sie verbrachten auch im Laufe der Jahre immer mehr Zeit miteinander. Er hatte sie nie gefragt, was sie dann unternahmen. Er wollte es auch nicht unbedingt wissen. Zu Beginn war er zwar neugierig gewesen. Doch hatte die Ausgeglichenheit, die Lenja immer mehr umgab ihm Einhalt geboten. Hauptsache das Mädchen war glücklich. Er hatte seinem Bruder in der Hinsicht immer vertraut. Dessen Erziehung hatte dafür gesorgt, dass der Wildfang zusehends ruhiger wurde. So dachte der Zwerg jedenfalls bis zu diesem Moment. Doch Lenja wollte sich nicht so schnell geschlagen geben. Sie hatte einen wunden Punkt bei Dwalin ausfindig gemacht. Obwohl er auch sie in gleicher Weise betraf, war es nun an der Zeit die Geheimniskrämerei zu beenden. „Du hast wirklich nicht mit Balin darüber gesprochen. Hattest du Angst gehabt, dass er uns beide dafür tadeln würde? Hast du gedacht, dass er es unterbinden könne?“, begann Lenja erneut ihr Fragespiel. Dwalin schlug sich schützend seine Hand vor die Augen. Er wollte sich dem Blick seines älteren Bruders nicht aussetzen müssen. Dieser blickte ihn nun mit einem von Minute zu Minute größer werdenden verärgerten Blick an. „Kann mir jetzt einer von euch erklären, was hier zwischen euch beiden vorgeht? Über was redet ihr eigentlich?“, begehrte der Zwerg auf. „Los, Dwalin. Trau dich endlich!“, forderte Lenja. Ihr Onkel schüttelte nur kleinlaut den Kopf. Er versuchte angestrengt den Blicken seines Bruders und seiner Nichte auszuweichen. Was auch immer er Balin gegenüber nicht zugeben oder vielmehr erklären wollte, es musste etwas furchtbares sein. So dachte jedenfalls sein Bruder als er die Szenerie in der Stube betrachtete. Sonst war Dwalin nicht auf den Mund gefallen und hatte zu allem und jedem einen Kommentar auf den Lippen. Nur am heutigen Abend war er stiller als sein älterer Bruder es ihm je zugetraut hätte. „Wenn mein Bruder seinen Mund nicht auf bekommt, dann musst du es für ihn übernehmen, Lenja! Was in Durins Namen geht hier vor?“, verlangte Balin zu wissen. „Nun ja, wie soll ich es dir sagen, Onkel Balin. Mein Wunsch kommt nicht von ungefähr... meine Liebe zum Metall geht schon etwas länger als du wahrscheinlich je vermuten konntest“, begann Lenja nun fast so kleinlaut wie Dwalin sich zu fühlen schien. Der Mut hatte sie beim Anblick ihres Onkels verlassen. Balin legte den Kopf etwas schief. Was wollte seine Nichte ihm damit sagen? Auch Ári hob eine Augenbraue. Dies aber vielmehr, weil er auf die Reaktion seines Onkels gespannt war. Er wusste, welches Geheimnis Lenja und Dwalin verband. Auch er war ein Teil jenes Bundes, der sich schon vor mehreren Jahren geschlossen hatte. Nur hatte ihn damals keiner fragen können, ob er sich diesem Bündnis anschließen wollte. Er war zu jenem Zeitpunkt noch nicht einmal den Windeln entwachsen. „Ich höre“, sprach Balin und drängte Lenja damit weiterzusprechen. „Wie soll ich sagen... ich hatte schon öfter Schwerter und Äxte in der Hand als es jemals einer Frau zustehen sollte“, sagte Lenja und zog aus Furcht vor der Reaktion ihres Onkels den Kopf ein. Balin rührte sich nicht. Er war bleich im Gesicht geworden. Seine Augen huschten von Lenja über Dwalin, der sich auch geduckt hatte, wieder hin zu seiner Nichte. Nur langsam schien er zu begreifen, was Lenja ihm eigentlich sagen wollte. „Also, Dwalin hat mir das Kämpfen beigebracht. Ich bin zwar noch nicht perfekt, aber ich lerne stetig dazu. Und dann dachte ich mir jetzt: die Schmiedekunst zu erlernen würde auf dem Weg dorthin helfen“, beendete die Zwergin schüchtern ihre Erklärung. Jetzt war auch bei Balin endgültig der Groschen gefallen. Verärgert sprang er von seinem Platz auf. Er schüttelte nur den Kopf und blickte Lenja an: „Das kann doch nicht dein Ernst sein! Habt ihr beiden nichts Besseres zu tun als hinter meinem Rücken solchen Unfug auszuhecken? Seit Jahren geht das schon? Was hast du dir dabei überhaupt gedacht, Dwalin? Oder hast du überhaupt gedacht als du einem Mädchen, deiner eigenen Nichte, solche Flausen in den Kopf gesetzt hast? Wenn das jemand mitbekommt, was ihr hier im Stillen getrieben habt, dann...dann...“ Der Zwerg rang sichtlich nach Luft. Lenja hatte ihren Onkel niemals zuvor in ihrem Leben derart außer Sich vor Wut gesehen. Sein ganzer Körper bebte vor Wut. Mit einer wilden Handbewegung scheuchte er Ári und seine Schwester aus der Stube, dessen Tür mit einem lauten Knall ins Schloss fiel. Die Geschwister blieben wie angewurzelt vor der Tür stehen. Ári griff nach Lenjas Hand als sie aus dem Inneren der Stube Balins immer lauter werdende Stimme vernahmen. Sie verstanden beide nicht jedes Wort, dennoch reichten die Wortfetzen aus, um sich ein Bild über die Enttäuschung und die Wut ihres Onkels zu machen. „Ich habe ihn noch nie so gesehen“, durchbrachen Áris Worte die Stille. „Ich auch nicht“, antwortete Lenja und konnte den Blick nicht von der Tür nehmen hinter der nun auch Dwalin sich wieder gefangen zu haben schien. Sie konnte seine Stimme hören, die verzweifelt versuchte die Situation zu erklären. „Du, Lenja“, begann der kleine Zwerg und drückte die Hand seiner Schwester. „Was denn, Ári?“ „Vielleicht sollte sich Balin mal anschauen, wie gut du kämpfst. Dann hat er bestimmt weniger Angst. Du bist wirklich gut“, sprach der Junge und strahlte Lenja von unten herauf an. „Und außerdem brauche ich eine große Schwester, die mich vor allem Übel verteidigen kann. Von Onkel Balins Geschichten weiß ich, dass du mir schon einmal das Leben gerettet hast als ich noch ein Säugling war. Und wenn du nun kämpfen könntest, wie ein Mann, dann bräuchte ich nie wieder Angst zu haben, denn du bist bei mir.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)