Ich warte auf dich von LenjaKa ================================================================================ Kapitel 33: Und die Welt geht in Flammen auf -------------------------------------------- Noch am selben Abend hatte Lenja Thorin aufgesucht. Sie wusste, wo sie ihn finden konnte. Er war wie so oft in einer der Schmieden direkt am Fuße des Einsamen Bergs. Männer. Zwerge. Sollte sie doch einer verstehen. Immer waren sie mit ihren Waffen am Gange. Manch einem hätte doch fast eine Liebesbeziehung zu seiner Axt nachgesagt werden können, wenn man es nicht besser gewusst hätte. So betrat die Zwergin also die Schmiede in der sie Thorin auch gleich ausmachen konnte. Er schien an etwas anderem zu werkeln, was nicht wie eine Axt oder ein Schwert aussah. Auch herrschte eine kaum bekannte Ruhe. Normalerweise dröhnte es nur so, wenn Zwerge mit harten Schlägen auf die Metalle schlugen. Es war dann sehr schwierig auf sich aufmerksam zu machen, wenn man einem Schmied bei seiner Arbeit unterbrechen wollte. Dieses Problem blieb Lenja somit heute erspart. Kaum, dass sie den Raum betreten hatte, drehte der Zwerg auch schon seinen Kopf in ihre Richtung. Mit einem erschrockenen Blick versuchte er so unauffällig wie nur möglich seine Arbeit vor der Frau zu verstecken. Doch sie hatte es mitbekommen und ihre Neugier war nun geweckt. Der wahre Grund ihres Besuches konnte noch ein wenig warten. „Was hast du da?“, fragte sie neugierig. „Nichts. Was meinst du?“, versuchte Thorin so ruhig wie nur möglich zu klingen. „Das metallische Etwas hinter deinem Rücken“, sie versuchte einen Blick über seine Schulter zu erhaschen. „Nicht so neugierig, junge Dame. Es ist eine Überraschung. Ein Geschenk. Für dich.“ „Und warum schenkst du mir es dann nicht?“ „Weil es ein Hochzeitsgeschenk ist. Du musst dich also noch zwei Wochen gedulden.“ „Gedulden. Da wären wir bereits beim eigentlichen Thema“, begann Lenja und nahm seine rauen Hände in die ihren. Sein Blick verriet ihr, dass er nicht verstand. Wahrscheinlich dachte er jetzt, sie hätte kalte Füße bekommen und wollte ihn nun nicht mehr so schnell wie möglich ehelichen. Sie musste seine Unruhe wieder beseitigen. Sie lächelte ihn an: „Ich muss dir etwas sagen. Etwas wirklich Wunderschönes. Nur hatte ich bis jetzt irgendwie nicht gewusst, wie ich es machen sollte. Also, unterbrich mich jetzt einfach nicht und hör mir aufmerksam zu, ja?“ Er nickte nur still und in seinem Blick herrschte immer noch große Unwissenheit. Lenja holte Luft: „Gut, dann los. Du wirst Vater. Ich erwarte ein Kind, unser Kind.“ Thorin blinzelte kurz, schluckte, bevor er eine überforderte Lenja vor Freude in seine Arme riss. Kurz darauf ließ er ihr wieder den nötigen Raum zum Atmen und sah ihr tief in ihre grünen Augen. Seine Augen glitzerten. Sie wischte ihm eine Freudenträne aus dem Augenwinkel. Beide strahlten sich an. „Du machst mich zum glücklichsten Mann in ganz Mittelerde, Lenja. Ich kann dir gar nicht beschreiben, wie sehr ich mich freue. Mein Herz rast. Meine Knie werden weich. Ich kann es kaum erwarten, dass unser Kind das Licht der Welt erblickt. Du wirst eine fantastische Mutter werden, da bin ich mir ganz sicher“, sprach er bevor er sie zärtlich küsste. Die Welt schien stehengeblieben zu sein. Die beiden Zwerge strahlten sich wieder an. Thorin griff hinter seinen Rücken. Er hob das gut gehütete Geschenk von der Werkbank und reichte es Lenja. Ein Armband aus Mithril hielt er in Händen. „Eigentlich wollte ich es dir ja erst in zwei Wochen schenken. Aber da du mich bereits jetzt schon zum glücklichsten Zwerg weit und breit machst, möchte ich, dass du es schon heute trägst. Bei jedem weiterem Kind, was du mir schenkst, werde ich es um ein Detail ergänzen. Und ich hoffe, dass dem ersten noch ganz viele Geschwister folgen werden.“ Lenja lachte: „Jetzt klingst du aber stark nach Ári! Bis zur Geburt des ersten bleibt noch ein wenig Zeit und dann sehen wir weiter. Im Moment bin ich aber erst einmal glücklich.“ Sie lehnte ihren Kopf an seine Brust und betrachtete das feine Armband an ihrem linken Handgelenk. „Und ich erst. Ein sehr fruchtbarer Boden, wenn du mich fragst. Vor Freude könnte ich dir gleich noch ein zweites Kind machen“, gab der Zwerg mit einem Lachen zu. „Thorin!“, schalt Lenja ihrer Liebe, zog an einem seiner Zöpfe und stimmte mit einem Lachen ein. ** All dies ereignete sich vor einer Woche. Ári hatte ihr es zu Beginn ein wenig übel genommen, dass er doch nicht der erste war, dem sie die Neuigkeit unterbreitete. Aber er freute sich dann doch sehr schnell, bald Onkel zu werden. Der kleine Springzinsfeld erzählte den ganzen Tag, was er dem Zwergenbaby alles beibringen wollte sobald es erst einmal auf der Welt sei. Lenja konnte nur lächelnd den Kopf darüber schütteln. Dass sie bald nicht mehr daheim bei ihm sein werden würde, war dem Kleinen nicht bewusst. Sie hatte oft versucht mit ihm darüber zu sprechen. Doch irgendwie schien Ári nicht richtig begreifen zu können oder zu wollen. Sie wusste auch nicht, wie sie selbst es verkraften würde, ohne ihn zu leben. Ihn nicht jeden Tag um sich zu haben. Da sie ihren Beruf ab nächster Woche wohl aufgeben müsste, da es sich nicht schickte als Prinzessin zu arbeiten, hätte sie viel Zeit für ihren kleinen Bruder übrig gehabt. Sie hatte bereits mit Thorin geredet, ob es nicht besser sei Ári bei ihnen großzuziehen. Zu einem genauen Ergebnis waren sie noch nicht gekommen. Er befürwortete es, doch die letzte Instanz war wohl Thrór. Und der hatte sich eben noch nicht geäußert. Nachdenklich saß Lenja über einer Brosche. Die Zukunft würde viele Veränderungen bringen, da war sie sich sicher. Sowohl positive als auch negative. Sie konnte ihrem Schicksal nicht entrinnen. Es bedeutete für sie alle eine Umstellung. Und doch würde sie ihre Familie nicht verlieren. Sie waren alle im Erebor. Dennoch blieb eine gewisse Unruhe. Die Angst, die Furcht vor dem neuen Leben. Dies war normal, doch es fiel ihr schwer sich von diesen Gedanken zu lösen. Sie musste sich auf ihre geliebte Arbeit konzentrieren. Solange sie noch Goldschmiedin war, sollte sie ihre Zunft auch richtig ausführen. Lenja zuckte zusammen. Hungstarri war soeben in ihre Werkstube gerannt und rang nach Atem. Dass dieser alte Zwerg überhaupt noch so schnell laufen konnte, überraschte sie. Doch sein Gesichtsausdruck versetzte ihr einen Stich ins Herz. Er rang nach Luft und Fassung. Draußen vor ihrem Fenster herrschte helle Aufregung. Sie konnte Schreie hören. Wildes Durcheinander. Menschen, Zwerge alle liefen sie vor etwas davon. Noch bevor der Zwerg sich verständlich machen konnte, hörte die Frau den langgezogenen Laut der Hörner. Sie sprang von ihrem Platz auf. Es wurde zum Alarm gerufen! Der Wind ließ die Fensterscheiben erzittern. Ein Heulen, wie es nur ein schwerer Sturm verursachen kann, ließ sie zusammenfahren. Doch der Blick zum Himmel ließ keine Wolken erkennen. Was bei Mahal ging hier vor? „Drache, keuchte Hungstarri, sie sagen, ein Drache greift den Erebor an!“ „Ári!“, stieß Lenja heraus. Der Zwerg hielt sie am Arm fest als sie aus der Tür heraus sturmen wollte. „Geh nicht! Wenn es wirklich ein Drache ist, sind sie alle verloren“, er klang flehend. „Ich muss. Ich muss ihn finden“, war alles, was der alte Zwerg von ihr vernahm bevor sie sich panisch losriss. Lenja rannte. Sie musste ihren Bruder finden. Sie musste in den Erebor. Sie hatte den Kleinen am Morgen zu Rimma gebracht. Die Zwergin war eigentlich Hebamme. Doch da sich in der letzten Zeit eher wenige kleine Zwerge ankündigten, half sie Lenja gern mit der einen oder anderen Kinderbetreuung aus. Die Zwergin war seit Kurzem mit Glóin liiert und neben ihrer Schönheit eine herzliche Seele. Ári mochte sie. Sie wusste ihren Bruder bei der anderen Frau sicher. Doch die jetzige Situation ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Ihr Herz schlug wild. Es hämmerte. Eine Hitze lag in der Luft. Es war zwar Sommer, doch dies war keine normale Wärme. Rauch stieg aus dem Einsamen Berg auf. Zwerge liefen ihr entgegen. Keiner schien sie zu bemerken. Alle waren sie mit sich selbst beschäftigt. Frauen mit Kindern. Männer. Alte. Junge. Alle waren sie dabei um ihr Leben zu laufen. Sie war die Einzige, die in eine andere Richtung lief. Schwefelgeruch lag in der Luft. Die imposanten Tore des Erebors waren aus den Angeln gehoben. Ein Drache! Es musste wirklich ein Drache sein. Kinder riefen verzweifelt nach ihren Eltern. Leblose Körper lagen auf ihrem Weg. Zwerge mit starken Verbrennungen krochen der Frau entgegen. Sie alle zeugten von einem schrecklichen Geschehnis. Doch nirgends konnte sie Ári oder Rimma sehen. Geröll lag ihr im Weg als sie in den Erebor rannte. Auch von Thorin war keine Spur zu finden. Dwalin, Balin! Wo waren sie alle? Tränen der Angst und des Schmerzes liefen heiß über Lenjas Wangen. Sie durfte sie nicht verlieren. Sie konnte sie nicht an dieses Ungeheuer verloren haben! Sie kletterte über heißes Geröll. Sie wollte in den rechten Gang laufen. In die Richtung, wo Rimma wohnte. Totenstille lag in der einst so glorreichen Zwergenstadt. Tod und Verderben hielt sie nun fest in der Hand. Krachend fielen Steine aus der Decke zu Boden. Lenja konnte noch im letzten Moment ausweichen. Sie rief in Panik Áris Namen. Sie musste ihren Bruder finden. Er durfte nicht tot sein. Er musste hier doch noch irgendwo sein. Sie schrie ihre Verzweiflung aus sich heraus. Ihre Angst halte von den Wänden wieder. Sie hatte das Gefühl zu ersticken. Der Weg vor ihr war versperrt. Geröll hatte sich aufgetürmt. Wieder überkam sie der Schmerz der Verzweiflung. Völlig entkräftet rief sie Áris Namen und sackte unter heftigen Tränen zusammen. Sie kniete am Boden. Sie hatte das Gefühl den Halt unter ihren Füßen verloren zu haben. Sie würde ihn nie wiedersehen. Nie wieder sein Lachen hören. Ihn nie wieder in ihre Arme schließen können. Doch dann hörte sie etwas. Zuerst dachte sie, sie hätte es sich nur eingebildet. Doch dann war es erneut zu hören. Jemand rief ihren Namen! Es war seine Stimme! Ári rief nach ihr. Ganz leise und dumpf hörte es sich an. Er war hinter dem Geröll! Die Tränen nahmen ihr fast die Sicht. Sie begann ihren verzweifelten Kampf gegen das Gestein. Schon nach kurzer Zeit bluteten ihre Hände. Die Kanten hatten sie rissig gemacht. Doch sie spürte keinen Schmerz. Sie musste ihren Bruder retten. Sie musste Ári freibekommen! Nach einer Ewigkeit hatte sie genügend Platz geschafft. An der rechten Seite des Gangs war das Loch im Schutt nun groß genug, dass sie ihn sehen konnte. Ruß verschmierte sein Gesicht. Doch er schien unverletzt. Hinter ihm konnte sie Rimma sehen. Sie hielt sich mit schmerzendem Blick den Knöchel. Als sie Lenja erblickte, liefen auch ihr die Tränen der Freude über das Gesicht. „Kommt schnell!“, forderte die Zwergin die beiden Verschütteten auf. Ári war schnurstracks durch das Loch geschlüpft. Nur Rimma hatte sich den Knöchel verstaucht oder gebrochen. Doch mit ein wenig Mühe hatte Lenja sie auch aus ihrem Gefängnis befreit. Sie hakte sie unter und so schnell es mit der Verletzten möglich war flohen die drei Zwerge aus dem Ort des Grauens. Lenja zitterte. Ob vor Schwäche oder vor Anspannung wusste sie nicht. Sie hörte nichts mehr. Ári stand vor ihr und deutete in eine Richtung. Doch sie konnte ihn nicht verstehen. Sie folgte seinem Fingerzeig. In naher Ferne sah sie Thorin und etwas weiter vor ihm den König. Sie vernahm immer noch nichts. Sie hatte das Gefühl jeden Moment mit Rimma im Arm zu stolpern. Und dann sah sie hoch. Auf dem Felsen zu ihrer Rechten sah sie Elben. Die Waldelben waren gekommen. Thranduil saß auf einem Hirsch und um ihn herum standen seine Soldaten. Doch sie bewegten sich nicht. Keiner kam ihnen zu Hilfe. Keiner schien den Erebor-Zwergen helfen zu wollen. Stattdessen gab der König den Befehl zur Umkehr. Lenja war als ob sie rote Haare gesehen hatte. Tauriel war das letzte an das sie dachte bevor ein heftiger Schmerz ihren Unterleib durchfuhr und sie in Ohnmacht zu Boden fiel. ** Unter Schmerzen öffnete Lenja ihre Augen. Wo war sie? War das wirklich geschehen? Ein vorsichtiger Blick zur Seite holte sie wieder in die Realität. Sie lag in einem provisorischen Zelt, welches zu zwei Seiten offen war und mitten in freier Natur stand. Am Stand der Sonne konnte sie festmachen, dass es bereits zum Abend dämmerte. Wieder durchfuhr sie ein Schmerz und ließ das Blut in ihren Adern gefrieren. Ihr Unterleib! Jetzt erst bemerkte sie den zusätzlichen Stoff zwischen ihren Schenkeln. Tränen rannen über ihr Gesicht als sie die Farbe wahrnahm. Blutrot. Nein, das konnte nicht wahr sein! Rimma hatte bemerkt, dass Lenja wieder bei Bewusstsein war. Langsam schritt sie selbst unter Schmerzen auf die aufgelöste Zwergin zu. Auch sie hatte Tränen in den Augen. Sie setzte sich zu ihr und nahm den Kopf der Anderen in ihre Arme. Sie sprach nicht. Das brauchte sie auch nicht. Lenja wusste was die Situation bedeutete. Sie wurde erneut und immer wieder von Weinkrämpfen geschüttelt. Wie ein Kind hielt Rimma Lenja im Arm und strich ihr über den Rücken in der Hoffnung sie beruhigen zu können. Doch niemand konnte sie beruhigen. Sie hatte ihr Kind verloren. Das Geschöpf ,was sie jeden Morgen mit Übelkeit bedachte. Das Wunder, welches sie in inniger Liebe mit Thorin gezeugt hatte. Warum? Warum hatte Mahal es ihr genommen? Warum wurde sie bestraft? Sie hatte doch niemandem etwas getan! Durch den Schleier der Tränen hatte sie Thorin nicht wahrgenommen als er unter die Plane trat. Rimma stand wacklig auf und ließ die beiden allein. Der Zwerg setzte sich zu ihr nieder. Seine Augen waren bereits rot umrandet. Sein Kinn begann zu wackeln bevor auch er zusammen mit Lenja in Tränen den frühen Verlust des gemeinsamen Kindes betrauerte. Sie wusste nicht, was ihr mehr Schmerzen bereitete. Ihr verlorenes Kind zu betrauern oder den Mann, den sie liebte so außer sich zu sehen. Sie hatte noch nie einen Zwerg weinen sehen. So bitterlich, so voller Schmerz. Sie wusste, dass nach dem Tod ihrer Mutter Balin und Dwalin auch gerötete Augen hatten, doch nie hatte sie die beiden Brüder mit Tränen des Verlustes auf den Gesichtern erblickt. Und nun saß Thorin neben ihr und weinte. Er weinte, wie ein kleiner Junge. Und sie beweinte ihren Verlust mit ihm. Nach vielen Minuten hatten sie sich vorübergehend wieder etwas gefangen. Ganz in ihrer Nähe hörte sie Dwalin mit Balin sprechen. Auch Áris Stimme vernahm sie. Doch keiner ihrer drei Lieben klang glücklich. Thorin schien gemerkt zu haben, dass Lenja an ihre Familie dachte und rang sich zu einem kleinen Lächeln durch. „Ihnen geht es allen den Umständen gut. Neben ein paar Kratzern ist ihnen nichts passiert“, bemerkte er während er mit zitternder Hand durch ihre Haare fuhr. „Gut“, flüsterte Lenja. „Rimma meint, du kannst bereits wieder aufstehen, wenn du dich stark genug fühlst“, versuchte er so normal wie nur möglich zu klingen. „Es tut mir so leid“, überkam es sie wieder. Thorin gab ihr mit Tränen in den Augen einen Kuss: „Es ist nicht deine Schuld. Mahals Wege sind manchmal unergründlich und furchtbar schmerzhaft.“ Er atmete tief durch bevor er Lenja zurückließ. ** Wenig später hatte sich Lenja erhoben. Die Blutung war versiegt. Rimma hatte sich davon noch einmal persönlich überzeugt. Dennoch fühlte sie sich immer noch nicht gut. Sie musste erst einmal verarbeiten, dass sie ihr Kind verloren hatte. Das Kind der Liebe, das nicht das Licht der Welt erblicken durfte. Vorsichtig schnürte sie sich ihre Stiefel als mit einem Schlag ein tobender Thorin vor ihr stand. Ohne reagieren zu können, hatte er seine Hände um ihren Hals gelegt und ihr damit fast jegliche Luft zum Atmen abgeschnürt. „Was hast du gemacht?“, knurrte er und in seinen Augen stand nur noch purer Hass. Lenja röchelte. Selbst wenn sie gewollt hätte, hätte sie ihm unter diesen Umständen niemals antworten können. Balin war hinter dem wild gewordenen Zwerg in das Zelt gestürmt und riss ihn von seiner Nichte los, die sich in Panik über den Hals fasste. Er hätte sie fast erstickt! Warum? Angst stand auf ihrem Gesicht geschrieben. Angst vor dem Mann, den sie so liebte. Doch was war geschehen? Der Hass blickte ihr entgegen als Thorin zu ihr rüber sah. Er bebte vor Wut. „Er hatte recht! Du bist nichts weiter als eine miese kleine Dirne! Lässt dich von ihm besteigen und willst mir dann das Balg auch noch unterjubeln! Zum Glück ist es verreckt!“ „Wie sprichst mit mir? Was soll das?“, Lenja hatte ihre Stimme trotz der Verzweiflung wiedergefunden. „Wie ich mit dir spreche? Wie soll ich sonst mit einer Professionellen reden? Woher kennt Thráin wohl dein Muttermal auf deiner linken Brust? Hast du eine Idee? Und wieso hast du nicht geblutet als ich dich entjungfert habe? Richtig! Du hast dich auch mit ihm vergnügt! Du bist nichts weiter als Dreck!“ Die Zwergin hatte das Gefühl jeden Augenblick dem Erstickungstod nahe zu sein. „Woher er das weiß? Wenn du dich richtig erinnerst, hat er mich fast geschändet! Und wenn du mich dermaßen erregst, sodass ich nicht unter Schmerzen bluten muss, wie ein Schwein auf der Schlachtbank, dann weiß ich auch nicht, was dich daran zweifeln lässt mich eigenhändig entjungfert zu haben!“ Balin zwischen den beiden Zwergen wusste nicht, was geschehen war. Hasserfüllt blickten sich die ehemals Liebenden entgegen. Thráin hatte zuvor Lenjas Fehlgeburt unter den schändlichsten Bemerkungen kommentiert. Und was danach geschah, war eben passiert. „Wenn du so sehr an meiner Liebe zu dir zweifelst, dann helfe ich dir gerne nach“, Lenja griff nach dem Armband aus Mithril. Sie riss es von ihrem Handgelenk und warf es vor Thorins Füße. Blitzschnell drehte sie sich um und griff nach einem Messer. Ehe jemand reagieren konnte, hatte sie sich die langen Haare schulterlang abgeschnitten. Sie schmiss sie ihm mit den folgenden Worten ebenfalls vor die Füße: „Ich enthebe dich deinem Versprechen, was du mir gegeben hast. Du bist wieder frei. Ich werde meinen eigenen Weg ohne dich gehen. Wenn du eines Tages wieder zur Besinnung kommen wirst, ist es bereits zu spät. Den Fehler wirst du nie wieder korrigieren können. Möge das Geschlecht Durins in Qualen untergehen.“ Ohne ein weiteres Wort ging Lenja unter der Plane hinaus an die kühle Luft. Sie sah Dwalin mit Ári. Beim Anblick ihrer kurzen Haare klappte ihm der Mund auf. Sie hatte es getan. Sie hatte sich gegen das Eheversprechen entschlossen. Und wie es im Brauch üblich war, zeigte sie nun jedem Zwerg, dass sie ihre Liebe noch vor Eheschließung schmerzhaft verloren hatte und auch nie wieder an einer neuen interessiert sei. Er schluckte als er seine Nichte zu sich kommen sah. „Gib mir Ári“, war alles, was sie sagte. Wie in Trance gehorchte ihr Onkel. Sie nahm ihren Bruder auf den Arm, nahm sich eine Decke und steckte sich ein kurzes Schwert an den Gürtel. Sie drehte sich ein letztes Mal um: „Pass gut auf dich und Balin auf. Möge Mahal euch in Zukunft auch weiterhin gnädig sein!“ ** Schon sehr bald vernahm Lenja nur noch Dunkelheit und Stille um sich und Ári. Sie hatte das provisorische Lager der heimatlosen Zwerge verlassen. Wohin sie ihr Weg führen würde, wusste sie nicht. Doch was sie wusste, war, dass sie an diesem Tag nicht nur ihre Heimat sondern auch die Liebe ihres Lebens verloren hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)