Ich warte auf dich von LenjaKa ================================================================================ Kapitel 23: Klärungsbedarf -------------------------- Überrumpelt von ihren eigenen Gefühlen war Lenja nur körperlich bei der Arbeit anwesend. In Gedanken war sie abwechselnd bei ihrem Entwurf für den Arkenstein und den Ereignissen des gestrigen Nachmittags. Die Arbeit ging ihr dankenswerter Weise schneller und einfacher von der Hand als noch zuvor. Ihre trüben Gedanken über den Stein hatten sich zum größten Teil verflüchtigt. Zwar wollte sie ihm immer noch nicht einen solchen Wert wie Thrór zuordnen, doch sollte das auf Dauer nicht ihr Problem sein. Falls er sie für den Auftrag auswählen würde, dann sollte es eben so sein. Und was auch immer das Juwel für einen Einfluss auf ihn nehmen würde, das lag bereits jetzt schon nicht mehr in ihrer Hand. Hauptsache sie würde nach vollbrachter Tat endlich ihre Ruhe wiederfinden. Die andere Sache in ihrem Kopf ließ Lenja leider weniger Ruhe. Sie wusste nicht, ob sie sich freuen sollte, dass Thorin sie noch nicht in ihrer Arbeitsstube aufgesucht hatte. Um ehrlich zu sein, wusste sie auch nicht, wie sie ihm gegenüber treten sollte. Sie hatten sich zwar am Vortag geküsst, doch ihre trüben Gedanken über den Grund seines Verhaltens spielten eine gewaltige Rolle in ihrem Gefühlsstrudel. Mittlerweile war sich die Frau fast sicher, dass das tägliche Erscheinen des Prinzen nur ein einziges Ziel hatte. Und das hieß mit ihr zu spielen. Was sollte Thorin sonst für einen Grund gehabt haben täglich bei ihr mehrere Stunden zu verbringen, wenn nicht das? Es gab eindeutig spannendere und unterhaltsamere Dinge als einer Goldschmiedin bei der Arbeit zu zuschauen und sich von ihren Wutausbrüchen heimsuchen zu lassen. Er nahm viel auf sich nur um sie eines baldigen Tages auf sein Lager zu ziehen, durchfuhr es immer wieder ihre stürmischen Gedanken. Und um sich ihr immer weiter zu nähern, hatte er versucht ihr den Auftrag beim König schmackhaft zu machen. Dummerweise war sie auch noch direkt in seine Falle getappt! Nun besaß er einen halbwegs plausiblen Grund ihre Nähe zu suchen. Er konnte immerhin den Entwurf für das Juwel vorschieben, um bei ihr zu sein. Als Lenja wieder von ihren Skizzen aufsah, musste sie feststellen, dass ihre wilden Gedankengänge leider dafür gesorgt hatten, dass sie den Besucher in ihrer Arbeitsstube nicht eher wahrgenommen hatte. Mit ihren grünen Augen blickte sie direkt in die tief blauen ihres Gegenüber, der sich etwas über den Tisch gebeugt hatte und ihr mit einem Lächeln auf den Lippen entgegenblickte. Sofort senkte sie wieder ihren Blick. Sie wollte ihn dafür strafen, dass er es immer noch fertigbrachte sie an diesem Ort zu bedrängen. Sie versuchte so vertieft wie nur möglich in ihre Arbeit auszusehen. Natürlich wusste er nun, dass sie ihn bemerkt hatte. Dennoch wollte sie immerhin so tun als ob sie sehr beschäftigt war, um ihn auch ohne Worte die kalte Schulter zu zeigen. Sie sah keinen Bedarf über das zu sprechen, was sie wirklich bewegte. Lenja fühlte, das Thorin immer noch vor ihr stand. Bei Aule, war das ein hartnäckiger Zwerg! Es musste ihm ja unheimlich wichtig sein, sie in sein Bett zu zerren. Er machte keine Anstalten sich von ihr zu entfernen. Wahrscheinlich überlegte er, wie er dem Dummerchen nun entgegentreten sollte. „Du sprichst also nicht mehr mit mir?“, fragte Thorin mit einem nie zuvor dagewesenen Zögern in der Stimme. Keine Antwort von Lenja. „Und warum, wenn ich fragen darf?“ Was wollte er überhaupt damit erreichen? Was sollte dieses Fragespiel? Er merkte doch, dass die Zwergin nicht im Geringsten daran dachte ihren Mund aufzumachen. Lenja vernahm ein Seufzen. Da es nicht ihr eigenes gewesen war, musste es von Thorin stammen. Sollte er doch in seinem Elend schmoren bis in alle Ewigkeit. Sie bekam er jedenfalls nicht in seine Kammer. Da konnte er es noch so sehr versuchen wie er wollte. Sie wollte sich ihre Unschuld nicht von so einem dahergelaufenen Zwerg nehmen lassen. Mit einem Ruck war das Pergament zwischen ihren Händen verschwunden. Lenja kniff unweigerlich ihre Augen zusammen. Dieser hohle Zwerg! Hatte er ihr doch nun wirklich den Entwurf aus den Händen entrissen nur damit sie ihn ansah. Er wollte sie dazu zwingen mit ihm zu sprechen. Ganz seiner eingebläuten königlichen Natur entsprechend wollte er ihr seine Macht demonstrieren. Aber sie wollte ihm diesen Gefallen nicht tun. Wenn er es für die richtige Idee hielt, dann sollte er doch tun, was er wollte. Sie würde ihn weiterhin mit ihrer kalten Schulter strafen. Wer zu diesem niederträchtigen Spiel rief, sollte nun sehen, was er davon hatte. Lenja stand von ihrem Stuhl auf, sah Thorin, der das Pergament in Händen hielt direkt in die Augen, hob ihre linke Augenbraue etwas an, ging in die rechte Ecke des Raumes nahm ihren grünen Umhang in die Hand, warf ihn sich über ihre Schultern, nahm einen Holzkorb und trat auf den verwirrt drein blickenden Zwerg zu. „Wenn ich zurückkomme, dann bist du weg“, sprach sie bevor sie die Türe hinter sich schloss. Kaum war die Zwergin vor die Schmiede getreten, stellte sie bereits fest, dass dieser Fluchtversuch keine gute Idee gewesen war. Es regnete vor den Toren des Erebors und das leider nicht zu knapp. Wenn sie sich nun auch noch unterkühlte, dann hatte Thorin das ebenfalls zu verantworten. Aber immerhin war sie ihm nicht im Liebesrausch um den Hals gefallen. Diese Blöße hatte sie sich nicht gegeben. Andere Frauen wären da wahrscheinlich nicht sehr zimperlich gewesen. Also gut, dann auf hinunter nach Thal. Sie musste sowieso noch ein paar Besorgungen für den nächsten Tag machen. Warum also nicht gleich? Sollte der hochwohlgeborene Prinz doch machen was er wollte. Sie hatte keine Lust mit ihm über ihre echten Gefühle zu sprechen, wenn dem Herrn nur nach spielen mit ihr war. Auf dem Marktplatz war durch den Regen weniger Treiben als sonst. Bude um Bude reihte sich aneinander. Die verschiedenfarbigen Baldachine gaben sonst immer ein fröhliches Farbenspiel ab. Heute wirkten sie wenig freundlich. Passend zu Lenjas Laune wirkte der Platz rau, traurig und verlassen. Vielleicht würden die Gemüsehändler ihr bei dem schlechten Umsatz wenigstens einen guten Preis machen. Immerhin war sie eine willige Kundin, die ihre Vorräte aufzufüllen hatte und momentan nicht sofort in ihre Arbeitsstube zurückkonnte. Beim Gedanken an den Grund verzog sie unweigerlich das Gesicht. Von einer Bäuerin hatte sie soeben Kartoffeln und einen Kohl erstanden. Die Menschenfrau war sichtlich erleichtert, dass sie trotz des schlechten Wetters immerhin noch ein paar ihrer Güter verkaufen konnte. Als die Zwergin sich zum Gehen umdrehte, hätte sie fast vor Schreck ihren Korb fallen gelassen. Sie verdrehte die Augen. Warum war er ihr nur gefolgt? „Ein vortreffliche Wahl, wenn du mich fragst“, begann Thorin sein einseitiges Gespräch. „Dich fragt aber keiner“, durchbrach Lenja für einen kurzen Moment ihr Schweigen bevor sie ihre kalte Miene von vorhin wieder aufsetzte. „Ob du es glaubst oder nicht, ich kann genauso hartnäckig sein, wie du es bist. Ich lasse dich solange nicht in Ruhe bis du mir nicht gesagt hast, was wieder einmal in deinem hübschen Kopf vorgeht.“ Allein für das „hübsch“ hätte Lenja ihm eine Ohrfeige verpassen können. Sie atmete tief ein und aus bevor sie unbeirrt den Weg zurück zur Schmiede einschlug. Der Regen hatte zugenommen. Ihre Kleider waren bereits auf halber Strecke durchtränkt. Und immer noch nicht hatte sie Thorin abschütteln können. Es wurde langsam aber sich zur Zerreißprobe. Seine und ihre Sturheit waren einander ebenbürtig. Seine Anwesenheit und dieses abscheuliche Nass von oben sorgten für eine ungemütliche Gesamtmischung in ihrem Inneren. Er regte sie auf, der Regen regte sie auf, alles regte sie auf! Ihre Schmerzgrenze war eindeutig überschritten worden. Mit einem Ruck blieb Lenja stehen und sah in das triumphierende Gesicht des Prinzen. „Verschwinde und lass mich endlich in Ruhe! Spiel deine Spiele mit Zwerginnen, die es kaum erwarten können, dass sie ihre Schenkel für dich öffnen können! Damit du eins weißt: meine bleiben bis in alle Ewigkeit für dich geschlossen! Such dir eine andere Dumme!“, schimpfte die Zwergin und stapfte kurz darauf davon. Es regnete nun wirklich in Strömen. Ob sie wollte oder nicht, sie musste sich irgendwo unterstellen. Sie besaß zwar keine allzu große Wasserphobie wie Dwalin, doch hasste sie es von Regen durchnässt zu werden. Mittlerweile war sie bald nass bis auf die Haut. Eigentlich sollte es dann auch keinen Unterschied mehr machen auf direktem Weg ins Warme zu gelangen, oder nicht? Oder sollte sie nicht vielleicht doch die direkte Heimreise antreten? Immerhin hätte sie dort Wäsche zum Wechseln und würde einer Verkühlung entgegenwirken. Lenja kam an einem Waldstück vorbei; ein ihr allzu bekanntes Stücken vor den Toren des Erebors. Sie musste unwillkürlich an die schreckliche Nacht denken als sie dort mit Ári auf dem Arm Schutz vor ihrem Vater suchte. Tauriel. Was wohl aus dem Elbenmädchen geworden war? Hatte es sie überhaupt in Realität gegeben oder hatte ihr geschundenes Herz diese Person nur erfunden, um das damalige nächtliche Martyrium zu überstehen? Ein kräftiger Griff packte die junge Frau an ihrem linken Handgelenk und zog sie unter den Schutz der Laubbäume. Der Korb fiel ihr aus der Hand als sie sich kaum später mit dem Rücken gegen einen Baumstamm gepresst wiederfand. Thorin stand vor ihr. Seine blauen Augen hatten einen dunkleren Ton angenommen. Sie funkelten sie scharf an. Sein Körper wenige Zentimeter von ihrem entfernt, bebte vor Anspannung. Sein Griff schmerzte. Sie wusste nicht, was er mit ihr vorhatte. Er schien wenig darüber erfreut zu sein über das, was sie ihm noch eben an den Kopf geworfen hatte. Seine Atmung beschleunigte sich. Er schien selbst für einen kurzen Augenblick zu zögern. Doch dann drückte er Lenja stärker gegen die Borke ohne, das diese sich aus seinem Griff winden konnte. Blitzschnell drückte er ihr seinen Mund auf ihre Lippen. Unweigerlich drückte die Frau ihre Oberschenkel enger zusammen. Sie hatte Angst, dass er ihr nach dieser ersten Ankündigung auch noch mehr antun würde. Was hatte er nur vor? War das die Retourkutsche für ihre lautstarke Entscheidung ihn nicht an sich heran zu lassen? Fordernd suchte seine Zunge Einlass in Lenjas Mund. So gut sie konnte, versuchte sie sich dagegen zu wehren und ihren Kopf weg zu drehen. Aufgrund des geringen Erfolges ließ Thorin von ihrem Mund ab und widmete sich nun einer delikateren Region: Lenjas Ohrmuscheln. Ihr Herz rutschte ihr fast in die Hose als ihr Gewahr wurde, wohin sich sein Mund bewegte. Sein warmer Atem ließ sie unweigerlich erschaudern und als sich seine Lippen dem höchsten Punkt näherten, wäre sie vor Entzücken fast in die Knie gegangen. Ohne sich selbst unter Kontrolle halten zu können, entfuhr der Zwergin ein Seufzen. Kaum ihrem Mund entkommen, erschrak sie selbst über ihre Reaktion. Ihr Körper verlangte automatisch mehr von dem, was Thorin dort mit ihr veranstaltete, doch ihr Verstand schien sich aus der Reserve nun zu Wort melden zu wollen. Der Zwerg küsste ihren Hals abwärts und bewegte sich gefährlich auf ihren kaum vorhandenen Ausschnitt zu. Doch mit einem unvorhersehbaren Ruck von einer auf die andere Sekunde ging er mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden. Lenjas Verstand hatte dafür gesorgt, dass sie dem Prinzen ihr Knie in den Unterleib gerammt hatte. Thorin krümmte sich vor Schmerz auf dem weichen Waldboden. Mit einem verzweifelten Blick traf er den nun wieder zur Entschlossenheit zurückgekehrten Lenjas. „Falls du es wirklich ernst mit mir meinen solltest und mich nicht nur an einem Ort wie diesem hier ins Gebüsch reißt, um dich an mir zu vergehen, dann nimm all deinen Mut zusammen und bitte noch am heutigen Abend Balin und Dwalin um die Erlaubnis mir den Hof zu machen“, sprach die Zwergin, atmete kurz durch und ging dann schnellen Schrittes mit ihrem Korb durch den strömenden Regen heim. Sie hätte nach dieser Situation keine ruhige Minute bei der Arbeit gehabt. Sie konnte auch daheim an ihrem Entwurf weiterarbeiten. Und bei Einem war sie sich mehr als sicher: Thorin würde nicht kommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)