Evidence of Things unseen von Idris ([Stiles/Derek]) ================================================================================ Kapitel 3: ----------- Vorwort: Ups. Diese FF hatte ich ja ganz vergessen. XD Nur zur Erinnerung: Da es schon so lange her ist, dass ich das angefangen habe, spielt das ganze immer noch in Staffel 2! *gasp* (Jap, i know old times.) Derek ist immer noch der Alpha, Boyd und Erica sind noch am Leben etc etc. Viel Spaß beim Lesen - vielleicht äh erinnert sich der eine oder andere noch daran, dass diese Fic existiert. *hust* Ich date auch bald die anderen Sachen up. :-) In seinem Traum läuft er wieder durch den Wald. Er rennt und rennt; er stolpert über feuchten Boden und verzerrte Äste. Er sucht verzweifelt nach etwas und weiß nicht was es ist. Blut rauscht in seinen Ohren, und sein Herz hämmert. Er schmeckt Metall und Blut in seinem Mund und er weiß… er weiß, dass er zu spät kommen wird. Zu spät um… Mit einem erstickten Aufschrei schreckt Stiles hoch, als etwas Schweres auf seiner Brust landet. Die bedrohliche Schwärze seines Zimmers wirbelt um ihn herum, und es dauert einen Moment lang bis er sich daran erinnert wieso da ein Wolf auf seinem Bett ist. Ein Wolf. Auf seinem Bett. „Shit!“, japst er, sein Herz ein einsames Schlagzeugsolo in seiner Brust. „Shit, shit, shit. Gott. Ich bin wach… ich bin wach… geh wieder runter.“ Der Wolf winselt und legt eine Pfote auf seine Brust. Eine kalte Schnauze wird gegen seinen Hals gedrückt und es fühlt sich an, als ob er beschnuppert wird. Hätte Stiles es nicht besser gewusst, hätte er schwören können, dass sich die hektischen, kleinen Bewegungen beinah besorgt anfühlen. Zum Glück weiß Stiles es besser. Derek macht so etwas wie ‚besorgt‘ nicht. „Ist okay, ist okay.“ Er fährt sich nachdrücklich mit einer Hand über sein schweißnasses Gesicht und schiebt mit der anderen Hand die feuchte Wolfschnauze von sich weg. „Keiner will mich fressen. Es ist alles gut. Ich hab nur geträumt, Lassie.“ Der Wolf knurrt und ein rotes Funkeln leuchtet Stiles entgegen. „Lass den Alpha stecken, ja? Mein Zimmer, meine Regeln, Kumpel, das hatten wir schon. Und wenn ich dich Lassie nennen will, dann… woah woah, hey! Pack die Zähne wieder ein, ist ja gut.“ Seine Matratze wippt und er wird einen gefühlten halben Meter in die Luft geschleudert als der Wolf mit einem Satz wieder auf den Boden springt, der sich beinah beleidigt anfühlt. Stiles seufzt. Ausatmend lässt er sich wieder zurück in sein Kissen sinken und wendet den Kopf. Die roten Leuchtziffern seines Radioweckers verraten ihm, dass es sechs Uhr morgens ist und er in einer Stunde sowieso aufstehen muss. Er hat weniger als vier Stunden geschlafen. Phantastisch. Ein plötzlicher Gedanke kommt ihm und er nimmt seinen Arm vom Gesicht. Die zielsichere Art mit der der Wolf sich gerade bewegt hat… „Derek…?“ fragt er leise. Einen Augenblick ist es still. Dann hört er ein Rascheln neben seinem Bett, so als ob der Wolf sich fragend aufgerichtet hat. „Kannst du wieder…?“ Stiles zögert. „Ist wieder alles okay?“ fragt er leise. Die Stille, die ihm danach entgegen schlägt ist irgendwie auch eine Antwort. Die Stunde bis zum Weckerklingen liegt Stiles wach und grübelt. Er hat die Augen geschlossen und versucht seinen Atem ruhig und gleichmäßig zu halten, als ob er schläft, aber er hat das vage Gefühl, dass das absolut Niemanden der hier Anwesenden überzeugt. In seiner Brust sitzt ein heißes, schmerzhaftes Gefühl und es breitet sich aus wie Säure. Dereks großer, schwarzer Schatten sitzt neben seinem Bett wie ein Wachhund, den Kopf aufmerksam in Richtung Osten gedreht, als ob er auch ohne sein Augenlicht spüren kann, wo die Sonne aufgeht. Es sieht sehr dramatisch aus. So bleibt er auch sitzen als Stiles endlich aufsteht und ins Badezimmer marschiert um sich die Zähne zu putzen und sich kaltes Wasser unter die Arme zu spritzen. Und so sitzt er immer noch da, als Stiles zurückkommt und seinen Kleiderschrank aufmacht. (Wo er auch prompt beinah von einem Berg ungewaschener Klamotten begraben wird, den er vergessen hat zu waschen.) Derek bleibt sitzen wo er ist, wie eine große, tragische Wolfstatue. Er zuckt nicht mal mit den Ohren, ganz so als ob er es endlich geschafft hat, den Kanal auf dem Stiles sendet, endgültig auf stumm zu schalten. Mit einem Mal platzt Stiles der Kragen. Er hält so viel still schweigende, emotionale Anspannung nicht aus, okay? Er ist das nicht gewohnt. ER ist normalerweise derjenige, der Scott finster anschweigt, wenn sie sich streiten und dann knickt Scott in 5 Sekunden ein, weil er nicht aushält wenn Stiles böse auf ihn ist, und dann hält Stiles nicht aus, wenn Scott so geknickt aussieht und dann reden sie miteinander, Himmel Herrgott nochmal. Manchmal sind da auch Umarmungen und versöhnliches Schulterklopfen, aber soweit will Stiles ja gar nicht gehen. Mit nichts als Boxershorts bekleidet dreht er sich um. „Wir müssen reden“, fordert er. Wolf-Derek hebt überrascht den Kopf. Seine Ohren zucken wie immer wenn er versucht zu orten von wo aus Stiles mit ihm redet. Es ist nur eine winzig kleine Geste, aber sogar die tut Stiles irgendwo in der Brust weh, weil es eine der vielen Kleinigkeiten ist, die verraten, dass Derek eben nicht okay ist. Aufgebracht streift er sich ein T-Shirt über den Kopf. „Du kannst dich nicht jedes Mal gleich in einen Wolf verwandeln, wenn du unangenehmen Gesprächen aus dem Weg gehen willst!“ sagt er. „Das läuft so nicht.“ Derek hebt die Lefzen und entblößt scharfe spitze Eckzähne. „Nein“, erwidert Stiles knapp. Derek grollt. Es ist ein dumpfes bedrohliches Geräusch tief aus seinem mächtigen Brustkorb. „Nein. Nein, das beeindruckt mich gar nicht, okay?“ Stiles zerrt sich seine Jeans hoch, sekundenlang beinah erschlagen von der Tatsache, dass er sich gerade einfach mal so vor Derek Hale umzieht. Wann ist es soweit gekommen? „Jetzt hör mir mal zu, du… du überdimensionales Pelzknäuel. Ich gehe jetzt nach unten und hole uns Kaffee. In Tassen, klar? Ich werde dir keinen Trinknapf hinstellen, das kannst du dir sofort aus dem Kopf schlagen! Und dann werden wir reden. Also… also verwandel dich gefälligst wieder zurück, während ich unten bin.“ Er marschiert aus dem Zimmer und stapft nach unten. Danach hyperventiliert er gefühlte 587 Minuten lang in der Küche, während er darauf wartet, dass die uralte Kaffemaschine endlich durchgelaufen ist. Oh Gott. Hat er gerade einen angepissten Werwolf verärgert und ihn als Pelzknäuel bezeichnet? Guter Plan, Stiles. Guter Plan. Gott, wieso hat er keinen Überlebensinstinkt wie normale Menschen?! Derek braucht doch keine Augen, um im Dunkeln seine Kehle zu finden und sie durchzubeißen. Das kriegt er auch sehr gut ohne hin. „Okay, hör zu“, sagt er, während er die Tür aufmacht. „Was ich eben gesagt habe… das war nicht so…“ Derek steht mit dem Rücken zu ihm am Fenster, und Stiles stolpert mitten im Satz beinah über die Teppichkante. Mit heißem Kaffee in der Hand. Derek hat seine Jeans übergestreift, aber sonst nicht viel anderes. Oben herum ist er sehr… sehr nackt. Matte Morgensonne betont jeden einzelnen Muskelstrang auf seinem Rücken und die geschwungene Linie seiner Schultern. Stiles starrt ihn an, während er sich heißen Kaffee von der Handoberfläche leckt. Dann zieht verpasst er sich innerlich eine Ohrfeige. Einen Blinden anzustarren, der sich nicht dagegen wehren kann, ist so was von nicht in Ordnung. Willkommen in der Vorhölle, Stiles Stilinski, wir haben dir einen Platz reserviert. „Ähm…“ Er räuspert sich verlegen. Derek dreht sich um. Sein Gesicht ist unlesbar und er hat die Arme vor der Brust verschränkt. „Ich habe… ich hab Kaffee geholt“, sagt Stiles überflüssig. Derek verdreht die Augen. „Das sagtest du. Ich bin vielleicht blind, aber ich bin nicht taub.“ „Oh. Sind wir schon an dem Punkt angekommen, wo wir Witze darüber machen können?“ Derek hebt vielsagend die Augenbrauen. „Alles klar“, übersetzt Stiles. „Du machst Witze. Ich mach keine Witze. Ist gebongt.“ Er kommt näher und überlegt wie er Derek am geschicktesten den Kaffee reichen kann, ohne dass es damit endet, dass er ihm aus Versehen die heiße Flüssigkeit über die Hose schüttet. Derek löst das Problem indem er fordernd die Hand ausstreckt, so dass Stiles ihm die Tasse nur noch geben muss. Stiles macht es mit dem Henkel voran, so wie sein Dad es bei ihm macht, damit er sich nicht die Finger verbrennt, und einen Moment lang flackert so etwas wie Überraschung über Dereks Gesicht. Schweigend nimmt er einen Schluck. „Du hast mir übrigens immer noch nicht verraten, was das für ein Ding im Wald war“, sagt Stiles. „Wo wir schon dabei sind so konstruktiv miteinander zu kommunizieren.“ Derek zuckt mit den Schultern. „Heißt das, du weißt es auch nicht?“ übersetzt Stiles. „Ich weiß, dass etwas im Wald ist, was die Tiere verschreckt hat“, sagt Derek ungeduldig. „In Beacon Hills bedeutet das selten etwas Gutes. Ich wollte nachsehen, was es ist.“ „Und deswegen dachtest du, es sei eine gute Idee MICH mitzuschleppen?“ „Du bist…“ Derek macht eine Handbewegung mit seiner freien Hand und sieht einen Augenblick so aus, als ob er nicht nur mit den passenden Worten, sondern gleich mit dem gesamten Konzept menschlicher Sprache ringt, wenn es darum geht Stiles zu beschreiben. „Du bist nicht komplett nutzlos wenn es darum geht Sachen zu recherchieren“, sagt er schließlich. Wow. Das ist beinah sowas wie ein Kompliment. Stiles ist so gerührt. Er wird ihm gleich vor lauter Rührung den Kaffee über den Kopf kippen. „Ich dachte, wenn du es zu sehen bekommst oder es fotografierst, kannst du rausfinden, was es ist und ob es eine Bedrohung darstellt.“ Mo~oment mal. „Du hast gedacht, es ist eine gute Idee mich nachts in den Wald zu schleppen, damit ich Monster recherchieren kann? Dir ist schon klar, dass ich wirklich vollkommen nutzlos bin, wenn es um Selbstverteidigung geht, oder?“ fragt Stiles. „Ich bin nur ein Mensch, und im Gegensatz zu anderen Menschen unseres gemeinsamen Bekanntenkreises, die mit Allison anfangen und mit Argent aufhören, bin ich enorm schlecht darin übernatürlichen Kreaturen in den Hintern zu treten. Also in welchem Universum klang das wie eine gute Idee?“ „Ich war doch dabei“, knurrt Derek unwillig und mit zusammengebissenen Zähnen. „Dir wäre nichts passiert.“ Oh. Okay? Oh… Versucht Derek ihm gerade auf seine unnachahmliche nette Art zu vermitteln, dass er Stiles vor bösartigen Kreaturen jeglicher Art beschützt hätte? Das ist… überraschend nett. Idiotisch, denn immerhin war Stiles im Endeffekt derjenige, der Derek gerettet hat (wie üblich), aber… nett. „Okay“, nuschelt Stiles und spürt zu seinem eigenen Ärger wie er rot wird. Was eigentlich auch keine Rolle spielt, denn Derek kann es ja sowieso nicht sehen. Andererseits gehört er einer übernatürlichen Superspezies mit Superkräften an und kann das vermutlich riechen. Falls er das kann, sagt er jedenfalls nichts. Auch nichts zu Stiles Herzschlag, der sicher eine Sekunde lang aus dem Takt gerät. Vorsichtig lehnt Stiles sich neben ihn an das Fensterbrett, nicht mehr als eine Handbreit Abstand zwischen ihnen, und sekundenlang trinken sie ungewohnt einträchtig Kaffee miteinander. Derek fletscht nicht mit den Zähnen und Stiles starrt ihm dafür nicht ihm nicht auf den Musculus Deltoideus. Der formschön ausgeprägt ist wie aus seinem Anatomielehrbuch und ja, das ist rein akademisches Interesse. Nichts weiter. „Ich muss gleich zur Schule“, verkündet Stiles schließlich und das Bedauern in seiner Stimme ist echt. Derek versteift sich. „Du kannst natürlich so lange hier bleiben“, ergänzt Stiles rasch. „Ich meinte damit nicht, dass du gehen musst, oder so.“ Vielleicht täuscht er sich, aber er hat das Gefühl beinah sehen zu können wie die gerade, harte Linie von Dereks Schulterpartie sich langsam wieder ein wenig entspannt. Hat er wirklich so wenig andere Möglichkeiten wo er hingehen und in Ruhe heilen kann? Das ist ein Gedanke, der so deprimierend ist, dass Stiles ihn gar nicht zu Ende denken mag. „Ich kann dir was zum Essen hochbringen. Und das Bad ist direkt nebenan. Wenn du Duschen willst oder…öhm… was auch immer Werwölfe im Badezimmer machen.“ Er winkt hastig ab, als Derek finster die Augenbrauen hebt. „Nein, beantworte das nicht.“ Derek nickt. Wow, er ist mal wieder ein Meister der nonverbalen Kommunikation. Nur kein Wort zu viel verschwenden. Stiles seufzt theatralisch. „Du könntest dich auch mal wieder rasieren“, sagt er, nur um anstrengend zu sein. „Ich kann dir meinen Rasierer leihen.“ Derek hebt die Augenbrauen. „Wozu brauchst du denn einen Rasierer?“ Stiles japst nach Luft. „Entschuldige mal!“ Empört wedelt er mit den Armen. „Ich bin keine zwölf mehr! Ich bin erwachsen!“ Derek rollt mit den Augen. „Ja sicher, Stiles.“ „Ich rasier mir die Brusthaare!“ „Klar.“ Okay zugegeben, vielleicht hat Stiles lediglich einen winzigen Flaum auf der Brust und drei Stoppeln am Kinn, aber das muss er Derek ja nicht auf die Nase binden. „Ich bin heute Nachmittag wieder da“, fährt er stattdessen fort. „Du musst so lange nur meinem Dad aus dem Weg gehen. Er schiebt eine Doppelschicht und sollte eigentlich erst heute Abend wieder auftauchen, aber manchmal kommt er zwischendurch kurz nach Hause, um was zu essen. Und dann wäre es nicht so cool, wenn er einen riesigen Wolf in meinem Bett entdeckt.“ Nach kurzem Nachdenken fügt er hinzu: „Wobei das definitiv besser wäre als die Alternative. Er mag nämlich Hunde. Aber fremde Männer in meinem Bett wird er garantiert erschießen.“ „Wieso sollte ich in deinem Bett liegen?“ „Oh mein Gott. Das war nicht der Punkt! Und du dürftest auf meinem Bett liegen, okay? Aber versuch wenigstens nicht auf das Kopfkissen zu haaren.“ Diesmal rollt Derek so hart mit den Augen, dass Stiles befürchtet, dass sie ihm jeden Moment aus dem Kopf kullern könnten. Aber etwas von der Anspannung ist aus seinem Oberkörper gewichen und als er Stiles die Tasse zurückgibt, sieht er beinah entspannt aus. Oder so entspannt wie Derek Hale überhaupt aussehen kann, was zugegebenermaßen nicht sonderlich viel ist. „Bis nachher“, sagt Stiles. „Und…“ Er zögert in seinem Türrahmen. Was sagt man in so einem Fall? ‚Gute Besserung?‘ Vermutlich nicht. „Pass auf dich auf“, sagt er schließlich und überrascht stellt er fest, dass er es wirklich so meint. - Schule ist – wenig überraschend – ein einziger Alptraum, weil Stiles gefühlte Null geistige Kapazitäten aufbringen kann, um sich mit der Geschichte des Amerikanischen Bürgerkrieges, dem Aufbau der Leberzellen oder mathematischen Gleichungen mit drei Unbekannten auseinanderzusetzen. Er hat gerade ganz andere Probleme, okay? Da ist ein blinder Werwolf in seinem Zimmer, der nicht mit ihm darüber redet, was passiert ist und Stiles hat keine Ahnung wie er ihm helfen soll. Letzte Nacht und alles, was passiert ist, liegt ihm im Magen wie unverdautes Essen, das ihm die ganze Zeit wieder hochkommt und nein, das ist keine Metapher, die er fortführen sollte. Das, und er fühlt sich als ob er Freunde-Völkerball spielt, weil er den ganzen Tag Zickzacklinien läuft um den neugierigen Fragen auszuweichen, die nach ihm geworfen werden. Scott ist der Erste und natürlich - natürlich - ist seine erste Frage genau die, die Stiles nicht beantworten will. „Hey Alter.“ Er knufft Stiles freundschaftlich in die Rippen während er in seinem Spind nach seinem Geschichtsbuch kramt. „Sag mal hast du Derek gesehen? Isaac sagt, er hätte sich gestern Nacht mit ihnen treffen sollen und er ist nicht aufgetaucht.“ Zack, erster Ball. Scott ist der Schlimmste, weil Stiles einfach nichts vor ihm geheim halten kann. „Derek?“ wiederholt Stiles langsam, um Zeit zu schinden. „Derek Hale?“ „Kennst du noch einen anderen Derek?“ gibt Scott zurück. „Also ehrlich gesagt - ja. Da ist zum Beispiel ein Derek in meinem Mathekurs. Derek… Derek Bingleheimer.“ „Nein, Stiles“, sagt Scott geduldig und schiebt sich einen Bleistift hinter das Ohr, damit er die Hände frei hat für mehr Bücher. „Sie waren nicht mit Derek Bingleheimer verabredet.“ Als er versucht sich seinen Zirkel hinter das andere Ohr zu klemmen, hält Stiles ihn auf und nimmt ihm stattdessen die Bücher ab. Es passieren jedes Jahr schlimme Unfälle mit Leuten die sich ihren Zirkel ins Auge rammen, okay? Und Scott ist sehr unfallgefährdet. Oder war es wenigstens als er noch keine Werwolf-Superkräfte hatte, die ihm ein überdurchschnittlich gutes Gleichgewicht und phantastische Trittsicherheit beschert haben. „Wieso sollte ich Derek gesehen haben?“ fragt er schließlich. „Er und ich sind keine Freunde.“ „Dachte nur.“ Scott zuckt mit den Schultern. „Er taucht doch manchmal bei dir auf.“ Danach lässt er das Thema fallen, was gut ist, denn Stiles ist nicht sicher, wie lange er für sich behalten kann, dass Derek in seinem Zimmer sitzt. Und seit gestern nichts mehr SEHEN KANN. Es ist immer sein erster Impuls alles mit Scott auszudiskutieren, lang und breit und ausführlich, so lange bis die schlimmsten, absurdesten Probleme irgendwie handlich und lösbar aussehen. Aber er darf nicht. Er hat es versprochen. „Ist alles okay bei dir?“ fragt Scott auf dem Weg zum Unterricht, als Stiles zum dritten Mal eine Frage nicht beantwortet. Stiles nickt schuldbewusst. „Ja. Ich bin nur…“ Er reibt sich nachdrücklich über das Gesicht, bevor er zugibt: „Ich hab nicht so gut geschlafen.“ Wenigstens das ist nicht gelogen. Sekundenlang ruht Scotts Blick auf ihm, sacht und besorgt, als ob er raus hört, dass mehr dahinter steckt. Aber er bohrt nicht. Er nickt und schiebt Stiles kommentarlos den Kakao entgegen, den er sich gerade vom Kiosk geholt hat und fährt mit der Hand über Stiles‘ angespannten Rücken. Scott ist der Beste. Eine Sekunde lang macht Stiles den Mund auf und es liegt ihm auf der Zunge zu fragen, was ihn tatsächlich die ganze Zeit beschäftigt. ‚Denkst du, man kann das Beste im Sinn haben und trotzdem alles falsch machen, katastrophal, unrettbar, irreparabel falsch und es nie wieder gut machen?‘ Aber er würgt es hinunter und schluckt und schluckt, bis die Frage schwer und bitter in seinem Magen ruht. Die anderen sind auch nicht besser. Boyd wirft ihm brütende Blicke durch die Cafeteria hinweg zu, als ob er Stiles persönlich für Dereks Verschwinden verantwortlich macht. Großer Gott. Da droht man einmal jemand umzubringen und sofort ist man der Hauptverdächtige, wenn Derek verschwindet? Das ist so… wertend. So verurteilend. Ernsthaft, das ist nicht nett. Isaac schreibt ihm kleine Zettel in Biologie, die zielsicher auf seinem Tisch landen. ‚Falls Derek bei dir auftaucht, sag ihm er soll sich melden???‘ Stiles seufzt und schreibt nicht zurück. Wieso denkt alle Welt, dass ER weiß, wo Derek sich aufhält? Nur weil er ihn einmal, ein einziges Mal in seinem Zimmer vor der Polizei versteckt hat, heißt das doch nicht, dass Stiles permanent über seinen Aufenthaltsort informiert ist. Er weiß selbst nicht, was er davon halten soll, dass er gleichzeitig als der Hauptverdächtige und die beste Informationsquelle angesehen wird. Was sagt das bitte schön über seine Beziehung zu Derek aus? Und dann ist da noch Erica. Erica ist die Brutalste. Sie erwischt ihn nach der fünften Stunde vor der Jungentoilette. Aus dem Nichts springt ihn an und presst ihn ruckartig gegen die Wand. „Grrr!“ Ihre Augen leuchten gelb. „Au, au, au!“, jault Stiles, als sein Hinterkopf schmerzhafte Bekanntschaft mit dem Beton macht. „Was soll das d-… Hey! Vorsicht mit den Klauen, Lady, das tut doch weh. Oh mein Gott, ich bin doch kein Beutetier, jetzt fahr die Zähne wieder ein. Was willst du überhaupt?“ „Du riechst nach Derek“, zischt Erica. Ihre Finger sind in seinem Hemd verkrallt. Ihre Krallen haben den Stoff durchbohrt und hinterlassen Löcher in dem roten Karomuster. Phantastisch. Wenigstens hat er geistesgegenwärtig eine Farbe gewählt wo man potentielle Blutflecken nicht so gut sehen kann. „Was?“ stammelt Stiles wenig intelligent. „Ich bin frisch geduscht, das kann überhaupt nicht… wieso sollte ich nach Derek riechen?“ „Weiß ich doch nicht.“ Sie runzelt die Stirn. Dann schießt ihr Kopf vor und sie vergräbt ihr Gesicht an seiner Halsbeuge. „Oh mein Gott“, sagt Stiles hysterisch. „Wo sind wir hier? In Twilight? Nimm gefälligst die Beißerchen aus meinem Nacken, oh Gott! Pfui! Aus, Lassie! Aus!“ „Ich hab nicht gebissen.“ Stirnrunzelnd lässt sie ihn wieder los und Stiles streift verärgert sein Hemd glatt. „Aber du riechst nach ihm!“ Es klingt anschuldigend. „Dafür gibt es eine sehr gute Erklärung“, sagt Stiles und hebt seinen Rucksack auf, der ihm bei ihrer Attacke von der Schulter gerutscht ist, um ihn wie ein Schutzschild vor seine Brust zu halten. „Ach ja?“ „Ich rieche nach eurem Alpha, weil…“ Stiles macht ausschweifende Handbewegungen, während seine Gedanken rasen und er fieberhaft nachdenkt. Nicht verraten, dass Derek blind und verwundbar ist. Nicht verraten, dass er Derek bei sich im Zimmer versteckt. Nicht verraten, dass Derek ihn mitgeschleift hat auf der Jagd nach einem bösartigen Staubsauger-Monster, von dem er immer noch nicht genau weiß, was es war. Nicht verraten, dass… Guter Gott, was kann er überhaupt sagen??? Was ist harmlos genug, dass er es verraten kann? „Kaffee“, platzt es aus ihm heraus. „Was?“ „Ich rieche nach ihm… weil wir uns gestern getroffen haben. Zum… Kaffee trinken. Wir haben Kaffee getrunken. Genau. Und wir wollten keine große Sache daraus machen. Weil… es keine ist.“ Ericas Augenbrauen schießen so weit nach oben, dass sie beinah in ihrem Haaransatz verschwinden. „Was?“ Stiles hat einen Augenblick von ‚oh shit?‘ als sie ihn erneut packt und sein Hinterkopf schon wieder gegen die Wand gedonnert wird. „Au! Au, man, Erica, nicht doch. Das darf doch nicht…“ „Datest du etwa Derek?“ faucht Erica. „Wa-?“ Perplex starrt Stiles sie an. Er kann praktisch spüren wie seine Kinnlade zu Boden fällt. Okay bei näherer Überlegung sind ihm auch schon mal bessere Ausreden eingefallen. Viel bessere. „Nein?“ „Oh mein Gott!“ faucht Erica und lässt ihn los. „Du hattest ein Date mit Derek!“ Sie klingt wütend und fassungslos zugleich. Zu spät, viel zu spät erinnert Stiles sich daran, dass Erica irgendwann mal total verknallt in ihn war. Und dass sie sehr darunter gelitten hat. Zumindest hat sie das behauptet, auch wenn es ihm irgendwie schwerfällt, das zu glauben. „Tut mir leid?“, stammelt er. Nein halt. „Warte. Nein! Ich meine, es tut mir nicht leid. Mir muss auch gar nichts leidtun, denn da ist rein gar nichts zwischen…“ „Hah!“, macht sie. „Hah.“ Sie wirft ihr lockiges Rauschgoldengelhaar zurück wie eine wütende Amazonenkriegerin und wendet sich ab. „Vergiss es, mehr will ich gar nicht wissen!“ Und damit stolziert sie von dannen. Mit offenem Mund starrt Stiles ihr hinterher. Oh shit. Oh man. Oh nein. Jetzt ist er definitiv dran. Er ist tot. Er ist sowas von tot. Wenn Derek erfährt, dass Stiles das Gerücht in die Welt gesetzt hat, dass sie miteinander ausgehen… ausgerechnet. Phantastisch. Großartig. Absolut begeisternd. Wieso ist seinem Gehirn auf die Schnelle keine noch dümmere Ausrede eingefallen?! Sowas wie ‚hey, Derek und ich müssen uns jetzt heimlich treffen, weil wir TERRORISTEN sind, die unseren nächsten ANSCHLAG planen‘?! Ugh. Den Rest des Tages ist er damit beschäftigt all seinen Freunden und ihren Blicken auszuweichen, Scotts besorgten Blicken, Isaacs und Boyds brütenden und Ericas vorwurfsvollen. Vermutlich ist es sein Glück, dass Allison noch krankgeschrieben ist wegen ihrer Mutter und dass Lydia nach allem was mit Jackson passiert ist auch noch nicht wieder in der Schule aufgetaucht ist. Lydia hätten ihn nach zwei Minuten intensivem Verhör soweit, dass er ihr alles gestehen würde. Alles. Angefangen vom Kennedy Attentat. Andererseits wären Lydia und Allison aber auch seine beste Ansprechpartnerinnen, wenn es um Recherche für übernatürliche Wesen geht. Die eine liest altlateinische Bücher zum Frühstück und die andere hat praktisch als Jobbeschreibung ‚Übernatürliche Wesen in den Hintern treten‘. Er würde sie so gerne einweihen. Er würde Scott so gerne einweihen. Aber wenn er das macht, dann macht Derek die Drohung, die seine Zähne und Stiles‘ Nacken beinhaltet, sicher irgendwann doch noch wahr. Mit einem Dumpfen Seufzen lässt er den Kopf auf die Arme sinken. Gott, wieso ist das Leben so schwer? Wieso sind Menschen so kompliziert? Wieso sind Werwölfe so kompliziert? - Die Schule ist endlos. Wenn jemand Stiles versichert hätte, dass es physikalisch tatsächlich möglich wäre, dass die Zeit in seinen Unterrichtsräumen langsamer vergeht als auf dem Rest des Planeten, er hätte es geglaubt. Er starrt auf die Zeiger der Uhr, die wie festgeklebt auf dem Ziffernblatt zu ruhen scheinen und sich kaum von der Stelle bewegen. Er fühlt sich panisch, aufgelöst und zappelig, und er rutscht auf seinem Stuhl hin und her, als hätte ihm jemand Ameisen in die Unterhose gekippt. Das war keine gute Idee mit der Schule. Er hätte einfach schwänzen sollen. Er hätte zu Hause bleiben sollen. Am Ende boxt er seinen Weg durch die nach draußen strömende Menge und rennt über den Parkplatz zu seinem Jeep, als ob er von bösartigen Dämonen gehetzt wird. Er weiß selbst nicht, wieso er sich so getrieben fühlt, sich zu beeilen und so schnell wie möglich zurück nach Hause zu kommen. Es ist der Gedanke an Derek, der ganz allein in seinem Zimmer sitzt, im Dunkeln, und darauf wartet, dass er wieder heilt. Der sich so verwundbar fühlt, dass es absolut niemand wissen darf, dass der große böse Alpha nichts mehr sehen kann. Niemand außer Stiles. Er fühlt sich wie die Schutzrüstung, die Derek sich ausgesucht hat, in einem Moment der Schwäche. Ausgerechnet Stiles, der nichts kann und nichts hat und nichts ist, außer einer großen Klappe und Sarkasmus, eingewickelt in 147 Pfund blasser Haut und zerbrechlichen Knochen. Vielleicht ist es nur Dereks Paranoia, die ihn angesteckt hat, aber mit einem Mal macht er sich Sorgen, wer es alles herausfinden könnte, dass Derek angreifbar ist und wer alles versuchen könnte diese Gelegenheit zu nutzen. Peter. Jäger. Andere Werwölfe. Oder… Was ist wenn die seltsame Kreatur aus dem Wald zurückkehrt, um ihr Werk zu vollenden und ihm das Leben auszusaugen? Oh Gott. Ooooh Gott. Beinah überfährt Stiles eine Katze, die ihm vor das Auto läuft und er macht einen schlingernden Bogen. Seine Reifen quietschen. Sein Herz rast. Daran hat er überhaupt nicht gedacht. Das Vieh hatte schon einmal großen Appetit auf Derek, was sollte es davon abhalten ein zweites Mal aufzutauchen und ihn diesmal komplett auszusaugen? Und Derek kann nicht mal was sehen! Es sind all diese Gedanken, die Stiles dazu bringen das Gaspedal ganz nach unten durchzudrücken und wie ein Berserker nach Hause zu heizen. Als er endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit nachhause kommt, geht am Horizont bereits die Sonne unter. Sein Haus sieht dunkel und verlassen aus, als ob sich keine Menschenseele darin aufhält. In keinem einzigen Fenster brennt das Licht. Oh Gott. Stiles fällt halb aus dem Auto in seiner Hast zur Haustür zu kommen. Er rennt die paar Schritte bis zur Tür über den Rasen. Seine Hände zittern, als er versucht den Schlüssel in das Schloss zu kriegen. „Derek?“ ruft er , als er in den Flur stolpert. Achtlos landet sein Rucksack auf dem Boden. „Derek!“ Sein Herz hämmert schmerzhaft gegen seine Rippen. „DEREK?“ Eine Schrecksekunde lang ist er davon überzeugt, dass Derek weg ist. Es ist alles so leise hier und so dunkel, dass er sich gar nicht vorstellen kann, dass hier noch jemand sein könnte. Vielleicht hatte er keine Lust mehr darauf noch länger von Stiles herumkommandiert zu werden. Vielleicht ist ihm klar geworden, dass er ohne Stiles niemals in diese Lage gekommen wäre. Vielleicht ist ihm klar geworden, dass Stiles ihn auch nicht beschützen kann. Vielleicht ist jemand gekommen und hat… Er ist weg. Derek ist weg. Gegangen. Geflohen. Oder entführt worden. Oder… Aber dann hört er ein lautes Geräusch von oben, das klingt als ob etwas umfällt, und dann hastige Schritte, die sich nähern. Vor Erleichterung wird ihm ganz schummerig. „Derek?“ wiederholt er krächzend. Derek stürzt die Treppe hinunter. Offensichtlich hält er es dabei nicht für notwendig die Stufen zu benutzen; er springt in einem einzigen, langen Satz nach unten und kommt so heftig auf, dass der Dielenboden unter Stiles Füßen wackelt und Stiles haltsuchend nach der Wand greift. Dereks Krallen sind hervorgeschossen und seine Augen leuchten rot. „Oh Gott sei Dank…“, haucht Stiles und spürt wie die Wellen an Adrenalin in seinem Köper langsam wieder abflauten. Derek ist hier. Nicht ausgesaugt. Nicht weggelaufen. Derek ist immer noch hier. „Gott…“ Er reibt sich über das Gesicht und versucht seinen rasselnden Atem zu beruhigen. „Stiles?“ Derek klingt aufgelöst. Seine Zähne sind gefletscht und er wirbelt herum, als ob er versucht einen unsichtbaren Angreifer zu orten. „Stiles! Was ist passiert?“ „Was…?“ Stiles macht den Mund auf und gleich wieder zu. „Äh…was…? Nein, ich…“ Er stockt. Jetzt wo Derek in einem Stück, und äußerst kampfbereit, vor ihm steht, fühlt er sich dämlich. Wie ein Idiot. Denn es ist ganz offensichtlich, dass Derek ihn nicht braucht, um auf sich aufzupassen. „Stiles?“ Es klingt scharf. Derek ist in die großen Schritten bei ihm und packt seinen Arm. Es ist eine einzige, so zielsichere Bewegung, dass Stiles hoffnungsvoll zu ihm aufsieht. „Alter? Kannst du wieder sehen?“ fragt er im selben Augenblick, als Derek wild hervorstößt: „Bist du verletzt?“ „Was? Nein, wieso sollte ich…“ Eilig schüttelt er den Kopf, als Dereks Griff fester wird. „Ich bin nicht verletzt“, beteuert er. „Ich bin vollkommen unbeschädigt. Ich schwöre es. 100% Originalzustand.“ „Wieso hast du so geschrien?“ fragt Derek. Und dann, ein wenig leiser: „Dein Herz rast. Was ist passiert?“ Er hat den Kopf zur Seite geneigt, als ob er versucht alles aufzusaugen, was er an Informationen bekommen kann, Stiles pumpenden Herzschlag, den Geruch nach Adrenalin, und das Pfeifen in seinen Lungen. Der fehlende Geruch von Blut scheint ihn zu beruhigen, denn sein Gesichtsausdruck verliert einen Teil seiner Intensität, und er sieht vor allem verwirrt aus. „Ich habe nicht geschrien“, protestiert Stiles indigniert. „Ich habe gerufen, okay? Das ist was ganz anderes.“ Dereks Augen werden schmal, als ob er ihm nicht glaubt, aber dann lässt er ihn los und weicht ruckartig einen Schritt zurück. „Heißt das du kannst wieder…?“ wiederholt Stiles. „Nein.“ „Oh.“ Er lässt die Arme sinken. „Sorry. Ich dachte…“ „Wieso hast du gerufen?“ bohrt Derek. „Es klang als wärst du in Gefahr!“ Gleich darauf presst er verärgert die Lippen zusammen, als ob er das nicht hätte sagen wollen. „Ich war nicht in Gefahr“, murmelt Stiles. „Aber äh danke. Dass du… gekommen wärst. Falls es so… gewesen wäre. Das war… schnell.“ Derek rollt mit den Augen. „Ach, vergiss es“, knurrt er. Er macht Anstalten sich abzuwenden und zurück nach oben zu marschieren. „Warte!“ rutschte es aus Stiles heraus. Zu seiner Überraschung bleibt Derek wirklich stehen. Stiles seufzt und atmet tief durch. Er predigt sehr gerne über Kommunikation, aber die Wahrheit ist, dass genau das auch nicht unbedingt seine starke Seite ist. Vielleicht muss er Derek zuliebe auch langsam anfangen über seinen Schatten zu springen. Kompromisse und so. „Wir hatten beide einen beschissenen Tag“, sagt er langsam. „Und eine beschissene Nacht. Ich hab den ganzen Tag damit verbracht für dich zu lügen und das war nicht einfach, weil derzeit vier besorgte Werwölfe nach dir suchen, nur damit du es weißt, und eine davon ist eine sehr wütende Werwolf-Lady mit Aggressionsbewältigungsproblemen. Und ich… also, mir ist klar, dass wir keine Freunde sind. Und dass du nur hier herum hängst aus Mangel an besseren Alternativen. Aber vielleicht… ich weiß nicht… vielleicht können wir einen Abend lang so tun, als ob wir uns nicht permanent an die Gurgel gehen wollen? Nur einen Abend. Ich finde, das hätten wir verdient. Und morgen… morgen können wir uns vielleicht zusammen setzen und versuchen etwas mehr herauszufinden? Irgendetwas was dir weiterhilft?“ Derek dreht sich um. „Okay?“ sagt er vorsichtig. Es klingt fragend, als sei er nicht ganz sicher, worauf Stiles hinaus will. Stiles wedelt mit den Armen. „Ich meine, wenn du… wenn du eh schon hier bist, müssen wir doch nicht schweigend in meinem Zimmer hocken und getrennt vor uns hinleiden! Dann könnten wir uns auch… ich weiß nicht… Popcorn holen und einen Film angucken.“ „Einen Film gucken“, wiederholt Derek. Stiles zuckt schuldbewusst zusammen. „Okay ja, das war vielleicht nicht… ich suche uns einen raus mit vielen Dialogen. Wo man nicht viel sehen muss. Einverstanden?“ Derek ist einen Augenblick lang still. Schließlich nickt er zögernd. „Macht es dir was aus, wenn ich mich zurück verwandele?“ fragt er schließlich und Stiles ist so perplex, dass er ÜBERHAUPT fragt, dass er sekundenlang nicht weiß, was er darauf antworten soll. „Ich heile schneller in Wolfsform“, sagt Derek rasch, als müsste er sich dafür rechtfertigen. Ein bisschen schuldbewusst denkt Stiles an seinen Ausbruch heute Morgen zurück, wo die Worte ‚überdimensionales Pelzknäuel‘ gefallen sind. Das war definitiv keine seiner Sternstunden. „Klar, mach ruhig. Guter Plan. Ich zieh so lange meine Jogginghose an.“ Er sprintet die Treppe hoch. Da Derek ihn sowieso nicht sehen kann, kann Stiles genauso gut in seinen bequemsten Sachen hier herumlungern. Es ist ja nicht so, als ob das hier wirklich ein Date ist. Auch wenn Erica das jetzt vermutlich denkt. Während er sich umzieht, denkt er darüber nach, wie er Derek das jetzt verklickern soll. ‚Hey sorry, um dein Geheimnis zu wahren, war ich gezwungen diese geniale Lüge in die Welt zu setzen. Sie ist so brillant und glaubwürdig, dass es garantiert niemand jemals anzweifeln wird. Denn wer ist noch nicht auf die Idee gekommen, dass du und ich…‘ Okay… eher nicht. Andererseits hat Derek jetzt wirklich genug auf der Platte, da braucht er nicht auch noch ein dämliches, komplett an den Haaren herbeigezogenes Gerücht über sein Liebesleben. Er wird es ihm morgen erzählen. Genau. Morgen ist gut. Morgen ist besser als jetzt. Als er wieder ins Wohnzimmer kommt, steht ein großer, schwarzer Wolf neben der Couch und hat abwartend den Kopf schief gelegt. Seine Ohren zucken aufmerksam in Stiles Richtung. „Du kannst ruhig hochkommen“, sagt Stiles, während er sich in seine Lieblingsecke fallen lässt und neben sich auf die Couch klopft. „Ich diskriminiere keine Wölfe.“ Derek gibt ein schnaubendes Geräusch von sich, als ob er das stark anzweifelt. Aber er springt mit einem Satz auf die Couch, der Stiles einen gefühlten halben Meter in die Höhe schleudert. „Hey!“ japst er. „Nicht cool!“ Er sucht sich eine Comedy Serie aus, weil da tatsächlich überwiegend geredet wird und Derek vermutlich keine Bilder braucht, um mitzukommen. Das ist so nett und sozial von ihm, es ist unglaublich. Derek kringelt sich neben ihm zusammen wie eine Bretzel, den Kopf auf die Hinterläufe abgelegt. Er hat ein Ohr aufgeklappt und lauscht dem Fernseher. Seine Augen sind geschlossen. Er sieht seltsam friedlich aus. Zögernd versenkt Stiles eine Hand in dem weichen Fell, direkt auf Dereks Nacken. Derek zuckt zusammen und sämtliche Nackenhaare richten sich auf. Aber er knurrt nicht und fletscht keine Zähne. Er gibt nur ein leises Brummen von sich, das klingt wie das raspelnde Schnurren eines riesigen Säbelzahntigers. Als er nach fünf Sekunden immer noch keine Finger verloren hat, wagt Stiles ganz langsam und vorsichtig seine Hand zu bewegen. Er weiß nicht, ob es wirklich eine gute Idee ist, Derek zu streicheln, nur weil er aussieht wie ein überdimensionales wolfiges Plüschtier. Es ist immer noch Derek. Und er hat sehr scharfe Zähne. Aber es war ein langer Tag für Stiles und vermutlich auch für Derek. Alles ist irgendwie konfus und beunruhigend, und Dereks Fell ist warm und kuschelig und es ist seltsam beruhigend ihn zu streicheln. Vielleicht sieht Derek das genauso, denn er lässt es wortlos geschehen. „Wir kriegen das schon hin“, wispert Stiles. Derek antwortet nicht. Aber er gibt einen tiefen Seufzer von sich und rutscht ein wenig näher zu Stiles heran. Sie schaffen die erste Folge und einen Teil der zweiten und dann fallen Stiles langsam die Augen zu. Es ist nicht seine Schuld. Aber Derek strahlt in dieser Form genug Wärme aus um einen mittelgroßen Betrieb mit Energie zu versorgen, und Stiles hat letzte Nacht sehr wenig Schlaf gehabt. Es ist warm und gemütlich und er fühlt sich gerade ausnahmsweise so, als ob er nicht jeden Moment von irgendetwas Bösem attackiert und gefressen werden wird. Niemand kann ihm übel nehmen, dass er einschläft. Er wacht von einem tiefen, grollenden Geräusch wieder auf. Stiles fühlt sich sehr warm und kuschelig und angenehm bettschwer. „Stiles“, sagt eine ruhige Stimme. „Stiles.“ „Noch zehn Minuten, Dad…“, nuschelt er. „Stiles. Wach auf.“ „Hm?“ Er blinzelt schläfrig. Neben ihm grummelt es erneut, wie Donnergrollen über den Bergen, das ein herannahendes Gewitter ankündigt. Als er die Augen aufmacht, schwimmt eine sehr vertraute Figur in Polizeiuniform in seinen Fokus. Stiles reibt sich über die Augen und rutscht an der Couchlehne entlang ein Stück nach oben. Es ist nicht ganz einfach, weil etwas Schweres auf seiner Brust ruht. „Dad, was…?“ Er stockt mitten im Satz und reißt die Augen auf. Sein Dad hat eine Waffe auf ihn gerichtet. Wieso hat sein Dad eine Waffe auf ihn gerichtet?! „Stiles, beweg dich nicht“, befiehlt sein Vater scharf. Er hat eine Hand an dem Funkgerät an seinem Gürtel und mit der anderen hat er seine Dienstwaffe gezogen, die er gerade in Stiles Richtung hält. „Äh… aber Dad, was machst du denn…?“ Es dauert einen Moment, bis Stiles registriert, dass das schwere Gewicht auf seiner Brust Derek ist. Er hat die Zähne gefletscht und sich über Stiles aufgebaut wie ein schützender Wall aus Fell und Muskeln. Sämtliche seiner Nackenhaare sind steil aufgerichtet und er knurrt. Es sieht sehr bedrohlich und sehr beunruhigend aus, und ein Teil von Stiles ist nur froh, dass wenigstens seine Augen nicht rot leuchten. Aber ihm ist klar, wie das jetzt aussehen muss. Als ob ein wildes Tier in ihr Haus eingedrungen ist und Stiles zu seinem Abendessen erkoren hat. „Beweg dich nicht“, befiehlt sein Vater erneut. „Ich werde jetzt…“ „Oh mein Gott! Bitte Dad, erschieß ihn nicht!“ rutscht es Stiles heraus, während er sich panisch aufrichtet. Fortsetzung folgt Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)