Evenfall von 4FIVE ([Itachi x Sakura | non-massacre AU | dorks to lovers]) ================================================================================ Kapitel 11: Sweet Tooth -----------------------   . .     Es gab Momente, in denen Sakura froh war, Freunde zu haben. Dieser war keiner davon. Für sie war das Thema Itachi für heute abgehakt, nachdem ihre Freundinnen sich eine geschlagene Stunde lang darüber amüsiert hatten. Aus Ino sprach ein wenig Neid, den sie nur zu gut nachvollziehen konnte. Es musste schwer sein, zum ersten mal nicht bevorzugt zu werden. Normalerweise beachtete man Sakura nicht, wenn ihre blonde Freundin neben ihr stand. Mit ihrer lauten, chaotischen, auffälligen Art, die an ihr in den meisten Fällen durchaus reizvoll anmutete, wurde ihr sehr viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt als der ehrgeizige Iryōnin, die sich trotz ihres Temperament den Großteil ihrer Zeit zusammenreißen konnte. Wenn Sakura ehrlich war, schmeichelte Inos seichte Eifersucht ihrem Ego. Ino wusste das, weswegen sie Tenten dazu anstachelte, nahezu jedes Wort mit dem Buchstaben I unangemessen verführerisch zu betonen. Bislang hatte sich nicht gewusst, wie verführerisch 'Irritation', 'Information' und ganz besonders 'Itaration' klingen konnte, wobei Sakuras Einwand, 'Iteration' schreibe man mit E, geschweige denn, dass dieses Wort kein Mensch benutzen würde, in meisterhafter Perfektion ignoriert wurde. Sakura hätte gerne einen Tisch zersplittert, um ihre Ruhe wiederzuerlangen, doch gerade diese schien ihr heute nicht vergönnt zu sein. Just in dem Moment, als ihre beiden Freundinnen begannen, ein anderes Thema auszubreiten, betrat eine Gruppe Männer die Bar. Eine Gruppe Shinobi. Eine Gruppe gutaussehender] Shinobi, die sich über Trainingszyklen unterhielten. Sakura stöhnte. »Nicht das auch noch!« »Oh, das wird lustig!«, flötete Ino hocherfreut. Ihre blauen Augen flitzten unbeeindruckt über Naruto und hellten sich auf, als sie Sasuke, Shisui und Itachi höchstpersönlich erblickte. In ihrer Freizeitkleidung sahen sie weit weniger anbetungswürdig aus als in den maßgeschneiderten Uniformen, das Symbol des Uchihaklans reichte jedoch, um sie als die stattlichsten, begehrenswertesten jungen Männer in diesem Etablissement auszuweisen. »… wäre es also besser, deine Ausdauer durch Aufbau deines Trainingsplans zu maximieren, nicht nur durch gesteigerte Iteration.« »Oh, komm schon!«, zischte Sakura. Iteration? Ernsthaft?! Ehe sie sich versah, saß sie plötzlich zwischen Naruto und Sasuke, die sie dazu verdonnert hatten, einen Streit zu schlichten, der wohl seit ihrem Aufbruch andauerte. Manchmal waren Männer wirklich anstrengend. Itachi und Shisui hatten sich an einen anderen Tisch gesetzt, wo letzter Bekannte seinerseits getroffen hatte. Oh, wie sie sich dafür hasste, enttäuscht deswegen zu sein! Das war ja so … so … unpassend! »Wieso musstest du deinen Bruder mitnehmen?«, zischte Naruto zu seinem Kontrahenten, der abwehrend den Kopf schüttelte. »Was hätte ich tun sollen? Meine Mutter hat mich dazu gezwungen!« »Du bist manchmal so ein Baby! Kannst du nicht einmal 'nein' zu deiner eigenen Mutter sagen?« Sasuke funkelte ihn von der Seite böse an. »Du hast auch nichts gesagt! Wo liegt dein Problem? Er sitzt dort drüben und wird uns den ganzen Abend über nicht beachten! Sag' doch auch mal was, Sakura! Dieser Blödmann hier reagiert völlig über!« Sakura blinzelte, überrascht davon, sich direkt angesprochen zu finden. »Wenn man aus dem Namen Sasuke das S und das U rausnimmt, kommt dabei Sake raus. Ob das ein Zufall ist?« Zwei Köpfe schlugen gegen eine Tischplatte, dicht gefolgt von zwei hysterischen Lachanfällen, die von Tenten und Ino ausgingen. Plötzlich sah die ganze Bar auf ihren Tisch, an dem Ino sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischte. »Ach, Sakura, wie witzig du immer bist!«, rief sie übertrieben laut. Dann langte sie über den Tisch, packte ihre Freundin am Kragen, zog diese zu sich über den Tisch und senkte die Stimme zu bedrohlichem Flüstern. »Schnapp' ihn dir, sonst tue ich es! Das ist meine letzte Warnung.« Die beiden Köpfte, die vorhin gegen die Tischplatte geknallt waren, wandten sich ruckartig zu Sakura. Hellhörig die Ohren gespitzt, verfolgten sie eine leise Konversation, deren Sinn sie nicht verstanden. Das schnelle Wispern vermischt mit Todesdrohungen war schwierig zu verstehen, bis Naruto nicht mehr an sich halten konnte. »Um was genau geht es hier eigentlich?«, fragte er in die Runde. Für einen Moment war es ruhig, dann erhob Ino ihre Stimme. . . Damit, dass er gerade Yūgao mit Genma und Aoba hier treffen würde, hatte Itachi nicht gerechnet. Er hatte sich auf einen langwierigen Abend eingestellt, an dem er wie üblich Shisuis Flügelmann stellen würde müssen. Da er selbst nicht auf Flirts aus war, verzweifelte die Damenschaft regelmäßig an seinem Desinteresse, was für seinen lebhaften Cousin die ideale Grundlage bot. Itachi verurteilte diese Masche nicht – jede Frau, die auf ihn hereinfiel, obwohl sein Ruf wohlbekannt war, war selbst schuld – er hieß es aber auch nicht gut, derart für den Spaß seines besten Freundes missbraucht zu werden. Zumindest konnte er mit Yūgao und Aoba auf einer intellektuellen Ebene sprechen, während Genma und Shisui sich gegenseitig zufällig ausgewählte Frauen zuschanzten. Wenn er ehrlich war, wäre er lieber zu Hause geblieben. »Mit Nichten!«, protestierte Yūgao pathetisch mit einer endgültigen Geste gegen etwas, das Aoba gesagt hatte. Sie waren beide bereits angeheitert, was der leichte Rotschimmer auf ihren Wangen bewies. »Itachi, wir brauchen einen Schiedsrichter. Wie viele Shinobi denkst du, könnte ich mit einem Hieb meines Katanas erledigen?« Dies war wenigstens eine praktische Frage, die er beantworten konnte. In letzter Zeit hatte sich die Welt ja scheinbar gegen seine nüchternen Wesenszüge verschworen. »Welchen Rang haben sie?« Sie warf genervt die Arme in die Luft. »Das ist doch irrelevant!« »Ganz und gar nicht«, beharrte er eingängig. »Gegen zwölf Genin hättest du leichte Karten, aber zwölf Jōnin?« Yūgao zischte beleidigt. »Kommt darauf an, welche Generation. Gegen Kurenai oder Kakashi-san hätte ich wenig Chancen, aber die neuen … sie sprießen wie Pilze aus dem Boden. Mir gefällt diese Massenerhebung nicht.« »Welche Erhebung?«, fragte Aoba nach. Ehe sie antworten konnte, bestellte er bei der vorbeigehenden Kellnerin eine neue Runde für seine Freunde. Nachdem sie die Order mit einer leichten Verbeugung angenommen hatte, verschwand sie schnell hinter der Theke, ehe Shisui und Genma ihr neue Obszönitäten hinterherrufen konnten. Manchmal waren sie einfach nur peinlich. »Also?« »Hast du es nicht gehört?« Sie senkte ihre Stimme so weit, dass sie im Geplauder der anderen Gäste unterging. »Die Neuernennungen? Bei Hyūga Neji vor einem dreiviertel Jahr dachte sich noch niemand etwas. Gleichzeitig hätte Rock Lee allerdings eher den Tokubetsu Jōnin bekommen sollen. Binnen der nächsten neun Monate wurden insgesamt zehn Chūnin unter vierundzwanzig Jahren in den Rang eines Jōnin erhoben. In den letzten sechzehn Jahren wurden im Schnitt zwei Berufungen pro Jahr ausgesprochen. Das ist ein Anstieg von fünfhundert Prozent.« Itachi nickte anerkennend. Sie hatte ihre Hausaufgaben gründlich gemacht. »Gute Arbeit, Yūgao.« »Ich bin keine zwölf mehr«, versetzte sie sein Lob. Diese Frau konnte einfach keine Komplimente annehmen. »Es muss einen Grund dafür geben. Meiner Meinung nach lautet er Krieg.« »Was auch sonst? Konnten Shisui, Yamato-san und du etwas auf eurer Mission herausfinden?« »Nichts.« Yūgao verschränkte die Arme, kreuzte die Beine und kippte das Glas Sake, das die Kellnerin eben gebracht hatte, mit einem Zug hinunter. Weil sie ihren Captain kannte, trank sie seines gleich mit. Etwas ging ihr heute gegen den Strich; Itachi hatte keine Absicht, es zu hinterfragen. »Kawa no Kuni ist eine Sackgasse. Akatsukis Versteck wurde längst geräumt. Wenn du mich fragst, ist es eher unwahrscheinlich, dass sie ganz alleine intervenieren. Bedenkt man ihre geringe Anzahl, sind sie zu wenige, um sich um alle Nationen zu kümmern. Ihr Hauptziel sind nach wie vor die Jinchūriki. Ein Krieg zwischen den Shinobigroßmächten wäre ein netter Nebeneffekt, aber wozu? Was ist mit Kabuto? Wie man hört, habt ihr ihn nicht erwischt.« »Leider nein«, bestätigte er. »Uns kamen einige neue Entwicklungen in die Quere. Ein Spähtrupp hält weiterhin Ausschau nach Orochimarus Basis. Sobald sie diese gefunden haben, werden wir herausfinden, inwieweit Orochimaru in diese unklaren Machenschaften verwickelt ist. Dass er gemeinsame Sache mit Akatsuki macht, erscheint mir unwahrscheinlich. Beide Parteien verfolgen unterschiedliche Interessen. Orochimaru hat es lediglich auf Konoha abgesehen. Die restliche Welt interessiert ihn nicht.« Mit einem 'Hm' ließ Yūgao diese These fallen. Daran, dass sie ihre Nasenflügel blähte, konnte er sehen, dass sie ihm nicht zugestimmt hätte, hätte sie die Zeit dazu gefunden, doch ein hysterisches Lachen unterband ihre Korrektur seiner Annahme. Jemand am Tisch seines Bruders schien einen köstlichen Scherz gemacht zu haben, oder sie hatten in den vergangenen zwanzig Minuten bereits genügend getrunken. Itachi schickte einen flüchtigen Blick durch die Bar, an deren Ende Yamanakas laute Tochter aufgesprungen war. Sie hatte Sakura an sich gezogen und schien ihr mit etwas zu drohen. Itachi ignorierte den Impuls, die Stirn in Falten zu legen. Seit wann hatte er einen Beschützerinstinkt? Er war normalerweise überaus protektiv, wenn es um sein Team ging. Er würde sich eher foltern lassen, als Sasuke, Shisui und Yūgao kampflos dem Feind zu überlassen. Sakura war nicht Teil seines Teams. Das irritierte ihn. Das Gelächter war längst verebbt und er wandte sich wieder seinen Kameraden zu, die in eine neue sinnlose Diskussion über etwas verfallen waren, das ihm egal war. Es vergingen keine zwanzig Sekunden, bis erneut jemand am lautesten Tisch des Lokals schreiend aufsprang. »Mein Bruder?!« Es war Sasuke, neben dem Sakura puterrot angelaufen war. Ihr blonder Teamkollege lag quer über dem Tisch, sich lachend den Bauch haltend. Die beiden Mädchen auf der anderen Seite kicherten verhalten. »Du hast was?!«, kreischte Sasuke weiter, ohne die seichteste Bemühung um Diskretion. Es war Sasukes verwirrter, in Ratlosigkeit übergehender Blick, der Itachis Aufmerksamkeit erregte. Er wanderte zwischen seinem Bruder und seiner ehemaliger Teamkamerdin hin und her, immer ratloser werdend, bis sein Gesicht ein ungesundes Maß an Verstörung angenommen hatte. »Sasuke-kun, setz' dich wieder hin!«, befahl Sakura peinlich berührt. Ihre Wangen glühten, als sie aufstand und ihn zwingen wollte, Folge zu leisten. Er ließ sich in seinem Schock nicht beirren. Seine Hand wehrte die ihre gröber als nötig ab. Itachi runzelte die Stirn. »Du!«, blaffte sein Bruder Ino an. Diese hob abwehrend die Arme vor die Brust. »Wieso musstest du mir das sagen?« »Weil du gefragt hast!«, rechtfertigte sie sich beleidigt von seiner offenen Anschuldigung. »Sasuke-kun«, mischte Sakura sich erneut ein. Sie stand noch immer, »Mach keinen Aufstand! Es ist nicht, was du –« »Ach nein?!« »Wenn du mich zu Wort kommen lassen würdest, könnte ich erklären –« Er packte sie an den Schultern und schüttelte sie, als sei sie im Inbegriff, eine sagenhafte Dummheit zu begehen. »Für Erklärungen ist es zu spät, Sakura! Wie konntest du?«, wetterte er aufgebracht. Seine Entrüstung wandelte auf dem schmalen Grat zwischen ehrlicher Empörung und nicht allzu ernst gemeinter Verzweiflung. Sakura befreite sich ruppig aus seinem Griff. Sie wich seinem neuen Versuch, sie zu ergreifen, geschickt aus, nahm sein Gesicht zwischen ihre Finger und drückte seine Wangen zusammen, bis er aussah wie ein Kugelfisch. Mit ihrer anderen, diesmal chakrainfundierten Hand, pinnte sie ihn an die Wand, sodass er ihr nicht entkommen konnte. »Ob du es glaubst oder nicht, es gibt Dinge, die dich nichts angehen! Wenn du deine Neugierde schon nicht zügeln kannst, lass Leute, die mehr wissen als du, gefälligst ausreden!« »Lasch misch losch!«, forderte Sasuke. Mit einem Ruck drängte er sie ab. »Das geht mich sehr wohl etwas an! Was denkst du, wer du bist?!« Das war zu viel. Diese Konversation war viel zu schnell von rauem Spaß in bitteren Ernst übergegangen. Sogar von der Distanz konnte Itachi sehen, wie Sakuras Geduldsfaden mit seinem närrischen kleinen Bruder riss. Pling. »Was denkst du, wer du bist, du minderbemittelter Uchiha?!« Er reagierte instinktiv. Mit zwei kräftigen Schritten durchsetzte er den Raum, gerade rechtzeitig um sie festzuhalten, ehe sie ihre erhobene Faust in Sasukes wütendes Gesicht schmettern konnte. Naruto hielt auf der anderen Seite Sasuke fest, der nicht minder aggressiv die Zähne gebleckt hatte. Während Naruto sichtliche Mühe hatte, seinen schwarzhaarigen Freund in Zaum zu halten, hatte die vergleichsweise zierliche Kunoichi ihrem humanen Gefängnis nichts entgegenzusetzen; was sie nicht davon abhielt, sich in ihrer Rage heftig zu wehren. Nach der Panne in Ta no Kuni wusste Itachi, wie viel Kraft sie aufbringen konnte, wenn sie wollte. Denselben Fehler zweimal zu machen lag nicht in seiner Natur. Der enge Hebel presste ihren Rücken so stark gegen seine Vorderseite, dass er jeden einzelnen ihrer angespannten Muskeln spürte. »Lasst mich los!«, keifte Sasuke, sich noch immer erbittert gegen Narutos Griff wehrend. Diesem waren inzwischen zwei andere Shinobi zu Hilfe geeilt. Die Worte seines Bruders ließen Itachi nur noch mehr die Stirn kraus ziehen. »Lass mich ja nicht los«, zischte Sakura, »Sonst läuft dieser Tölpel Gefahr, von mir gehörig verprügelt zu werden!« »Tsk.« Sasuke gab seinen Widerstand auf, woraufhin ihn die drei Männer losließen. Egal was Ino verraten oder behauptet hatte, es schien ihm gehörig gegen den Strich zu gehen. »Mach' doch was du willst«, fügte er abfällig hinzu. Fast schon automatisch langte seine Hand nach dem Tablett, das eine Kellnerin vor der Eskalation hatte servieren wollen, leerte die fünf darauf befindlichen Gläser, setzte sie wieder ab und ließ sich auf der anderen Seite des Tisches neben Ino nieder, den bohrenden schwarzen Blick endlich von Sakura nehmend. Auch sie hatte aufgehört, sich gegen Itachis festen Griff zu wehren, weil es sinnlos war, gegen eine Übermacht zu revoltieren. Seine Nähe war ihrer Konzentration nicht gerade förderlich. Sie schickte Schauer über ihre Haut, die er hoffentlich als Nachwirkungen der Tsukuyomi interpretieren würde. Als er sprach, war seine tiefe Stimme direkt an ihrem Ohr. Sie intensivierte ihre Wahrnehmung seiner rauen Hände an ihrer nackten Haut, was sie trocken schlucken ließ. »Kann ich dich loslassen, ohne den Tod unschuldiger Menschen auf mich nehmen zu müssen, Sakura-san? Meinen neugierigen Bruder eingeschlossen? Ich bin sicher, er hat es nicht so gemeint.« »Wenn du wüsstest, Aniki. Sie hat –« »Halt deine vorlaute Klappe«, unterbrach sie ihn, das plötzliche unerwünschte Fehlen von Itachis Berührung mit Geraderücken ihres Nackens kaschierend. Sie warf sich neben Naruto, Arme verschränkt, die leeren Sakegläser argwöhnisch beäugend. »Und bestell eine neue Runde, nachdem du diese so freimütig in deinen Rachen geschüttet hast, Sasuke.« Dies war der Abend, an dem sie ihn zum letzten Mal mit einem Suffix angesprochen hatte. . . Der Abend wurde immer länger. Der Sake floss nach dem Zwischenfall reichlich, zumindest für alle anderen. Für Sakura war der Alkoholfluss kurz nach Sasukes Ausbruch versiegt. Heute war es besser, nüchtern zu bleiben, sonst hätte der Uchihaklan bald ein Opfer zu beklagen. Opfer war genau das richtige Wort für diesen störrischen Esel, der sich plötzlich einbildete, sich für ihr Leben zu interessieren. Sasuke hatte kein Recht, sich in ihre Privatsphäre einzumischen. Sie war eine erwachsene Frau, die unter niemandes Fuchtel stand. Schon gar nicht war sie Uchiha Sasuke irgendeine wahnwitzige Form von Rechenschaft schuldig. Eingebildeter Gockel. Kurz vor Mitternacht gestattete sie es sich zum ersten Mal, einen Blick zu Itachis Tisch zu riskieren. Dass sie verliebt war, bestritt sie vehement. Eine gewisse physische Anziehung konnte sie hingegen nicht abstreiten. Sein Körper, sein Geruch, seine Hände, seine Augen, das alles machte sie auf einer bestimmten Ebene wahnsinnig. Ob Inos Rat womöglich doch nicht verkehrt war? Sollte sie den Versuch wagen, Itachi zu verführen? Nein, das konnte sie nicht. Sakura war ein ehrlicher Mensch. Wenn sie mit jemandem schlief, würde sie es aus Liebe tun. Ihre vorangegangenen erotischen Erfahrungen waren rar, aber vorhanden. Jeden aus dieser überschaubaren Menge an Männern hatte sie auf eine einzigartige Weise in diesen Wochen geliebt. Es war bloß nicht für die Ewigkeit geschaffen gewesen. Sie würde ihre Überzeugungen nicht über Bord werfen, bloß weil sie ihre Triebe nicht unter Kontrolle hatte. Sie wollte sich wieder abwenden, da erhoben sich Itachi und Shisui. Genma war bei einer hübschen Zivilistin an der Theke gelandet, Yūgao versuchte den schlafenden Aoba erfolglos von seinem Stuhl zu ziehen. Sie wehrte die von den Uchihas angebotene Hilfe dankend ab und zerrte stattdessen fester. Sakura schmunzelte über die Szene zwischen den dreien, die so vertraut und harmonisch wirkten. Ganz anders als bei ihr, Naruto, Sasuke und Sai. Es gab immer Zwist. Ob sie in ein paar Jahren auch ruhiger sein würden? Sie hoffte es zum Segen all ihrer noch vorhandenen Nerven. »Er verlässt die Bar«, informierte Ino sie. Sollte sie jemals den Drang verspüren, sich weiterzubilden, würde Sakura ihr eine Ausbildung zur Sekretärin nahelegen. »Das, liebe Ino, sehe ich.« »Dann mach was! Sasuke ist mit Naruto und Tenten beschäftigt, also geh Itachi-san nach, bevor er verschwindet! Los, sonst tu ich es!« Mit gehörigem Schwung schubste sie Sakura von der Sitzbank und drängte sie mit ihren Blicken hinaus. Protest war sinnlos, zumal Sakura keiner eingefallen wäre. Wie in Trance lief sie auf die Straße in die kühle Nachtluft hinaus, die ihre überreizten Nerven traf. Dort ging er, ihr bereits den Rücken zugedreht mit seinem Cousin plaudernd. Noch hatte sie die Chance, nach Hause zu gehen. Niemand würde es je erfahren. Sie hatte die Rechnung ohne ihre Füße gemacht, die sich selbstständig in Bewegung setzten. »Itachi-san«, sagte sie. Ihre Stimme hob sich von der stillen Nacht ab. Es war unhöflich, jemanden im Gespräch zu unterbrechen, vor allem jemanden seines Ranges, noch dazu, wenn sie keine Ahnung hatte, was sie sagen sollte. Aus der Not heraus entschied sie sich für die erstbeste Ausrede, die ihr einfiel. »Das Mangekyō Sharingan. Ich habe recherchiert, leider lässt sich nichts über die Funktionsweise des normalen Stadiums herausfinden. Es wäre von Vorteil, sie zumindest in ihren Grundzügen zu kennen.« Er sah sie abschätzig an, was sie noch unsicherer machte. »Der Aufbau des Sharingans ist ein Familiengeheimnis. Damit kann ich dir nicht helfen.« »Ja, ja!« Shisui klopfte ihm grinsend auf die Schultern. Es war kein betrunkenes Grinsen, eher eines jener Art, die Ino an den Tag legte, wenn sie mehr wusste als der Rest. Es schürte Sakuras Nervosität nur noch weiter, bis er endlich fortfuhr. »In Sakura-senseis Fall kannst du doch eine Ausnahme machen, Itachi. Immerhin macht sie sich extra die Mühe …« Er wurde leiser, als er realisierte, dass er keine Ahnung hat, um was es ging. »… dir irgendwie zu helfen.« »Gut. Was möchtest du wissen?«, fragte Itachi unverwandt. »Könnten wir dieses Gespräch vielleicht nicht zwischen Türe und Angel führen? Ich würde mir sehr gerne einige Notizen machen –« »Keine Notizen.« Sie seufzte rau. Beinahe hätte sie bei all ihrer unziemlichen Wollust vergessen, wie frustrierend dieser spezielle ANBU Captain war. »Also schön, keine Notizen. Wenn du darauf bestehst, schlage ich vor, wir gehen essen. Auf leeren Magen kann ich nicht gut arbeiten. Es wäre auch für dich von Nachteil, wenn du alles zweimal erklären müsstest. Ich lade dich ein.« Itachis Blick wurde skeptisch, als vermute er eine Falle hinter ihrer Einladung, konnte jedoch keine entdecken. Nach kurzem Zögern nickte er zustimmend. »Einverstanden. Wohin möchtest du gehen? Nachdem du bezahlst, überlasse ich dir die Wahl.« Sakura hob amüsiert eine Augenbraue. »Wie großzügig, Uchiha-sama«, neckte sie sarkastisch. Es dauerte einen Moment, bis er sich damit abgefunden habe, veralbert zu werden, dann schenkte er ihr den Anflug eines Lächelns. Sie erwiderte es strahlender und setzte sich in Bewegung, die Straße in die andere Richtung hinab Richtung Zentrum. Er folgte ihr auf gleicher Höhe in angepasstem Schlendergang. »Ich kenne ein wunderbares Lokal nahe dem Hokageturm. Es ist zwar nur ein kleines Straßengeschäft, aber sie servieren verboten gute Dangos.« »Ich esse nichts Süßes. Schon gar kein illegales.« Im ersten Moment wollte sie ihm erklären, dass sie einen Scherz gemacht hatte, erkannte jedoch die Veränderung in seinen Augen. Ach, also waren sie inzwischen dabei angekommen, sich gegenseitig zu verschaukeln? Wie auch immer, sie wiegelte seinen Einwand mit einer ausschweifenden Geste ab. »Jeder isst Süßes. Wenn du schon dabei bist, Ausnahmen zu machen, kannst du diese auch noch riskieren. Hast du wirklich noch nie Süßspeisen gegessen? Was ist das für ein Leben ohne Desserts?« »Ein gesundes«, erwiderte er schlicht. »Manchmal macht Okāsan Mochi. Allerdings kam ich seit siebzehn Monaten nicht mehr dazu, sie zu essen.« »Mit Mochi kann ich nicht dienen, aber du wirst von den Dangos begeistert sein!« . . Shisui blickte den beiden Gestalten nach, die langsam in der Dunkelheit hinter dem beleuchteten Straßenteil vor der Bar verschwanden. Sie hatten ihn ignoriert; einfach stehenlassen. Er hatte die Hand noch zum Abschiedsgruß erhoben, den sein werter Cousin nicht einmal wahrgenommen hatte. Itachi hatte schon immer nur Augen für das Wesentliche gehabt. . . »Zweimal Bancha, zweimal An-Dango, einmal Mitarashi-Dango bitte. Ach was, morgen ist mein freier Tag. Noch einmal Botchan-Dango für's Auge.« Der Besitzer des Straßenlokals klatschte freudig in die Hände über seine späte Kundschaft. Sakura schmunzelte, als er mit für diese Uhrzeit ungewöhnlichem Enthusiasmus die nahezu perfekt gerundeten Bälle aus mochiko auf einen Teller gab. Hätte sie diesen Enthusiasmus nur auch bei Itachi gesehen, der unbeeindruckt davon neben ihr an der Theke Platz genommen hatte. Was nicht war, konnte noch werden. Sie fischte ihr Portemonnaie aus der Tasche ihres Rockes, klappte es auf und sah – Sie erstarrte in ihrer Bewegung zu einer Salzsäule, das aschfahle, geschockte Gesicht hinter dem Vorhang ihrer Stirnfransen langsam an peinlich berührtem Rotton gewinnend. »Ist alles in Ordnung, Sakura-san?« Es kostet sie einige Überwindung, den Kopf zu schütteln. Wie unsagbar beschämend konnte dieser Abend noch werden? Hatte sie nicht noch groß posaunt, ihn einladen zu wollen? Eine nette Idee; im Nachhinein mit leerem Geldbeutel allerdings eher schwierig umzusetzen. Der Koch stellte den vollgefüllten Teller  vor sie und markierte damit die Grenze zu ihrem vollständigen Unwohlsein. Sie hatte sogar noch geprotzt und viel zu viel bestellt. Von den teureren Gerichten auf der Karte obendrein. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Geld den Besitzer wechselte, der Koch zufrieden nickte und sich für üppiges Trinkgeld bedankte. Verwundert sah sie von ihrem Teller zu Itachi, der die darauf liegenden Speisen argwöhnisch inspizierte. »Danke«, murmelte sie, doch er schüttelte den Kopf. »Für vieles, aber nicht dafür«, wandte er ein, einen Spieß mit den dreigefärbten Botchan-Dango aufnehmend. »Grün ist mit grünem Tee gefärbt, rosa mit Anko, gelb mit Eigelb, ist das korrekt?« Immer noch verblüfft nickte Sakura. Sie hatte nicht vor, sich mit abwiegeln zu lassen. »Ich möchte, dass du meinen Dank annimmst.« Dass sie, nachdem sie bereits so unhöflich gewesen war, ein Gespräch zwischen zwei Älteren zu unterbrechen, nun auch noch ihrem unfreiwilligen Gastgeber Befehle erteile, setzte sich in ihrem Unbewusstsein als unangenehmes Gefühl in der Magengegend fest. Andererseits hatte er sie nie anders erlebt als launisch, laut und sowas wie direkt. Wenn er auf seine Kompromisslosigkeit beharrte, beharrte sie auf ihrer Beharrlichkeit, die sie sich mit jedem störrischen Patienten angeeignet hatte. »Er ist nicht nötig«, sagte er nach einer längeren Pause. »Als Uchiha bin ich es gewohnt, Erwartungen zu erfüllen.« Sakura wandte sich schnaubend ab. »Ich habe nicht erwartet, von dir ausgehalten zu werden, Itachi-san. Bis zu meinem Haus sind es bloß fünf Minuten. Ich werde es dir auf jeden Fall zurückzahlen –« Der plötzliche Anflug eines Lächelns auf Itachis sonst so stoischem Gesicht machte sie nur noch verlegener. »Sakura-san, ich möchte dich gerne einladen. Du machst dir die Mühe, meine Fehlsichtigkeit zu korrigieren. Ein paar Dangos kann ich durchaus erübrigen. Du hast es vielleicht vergessen, aber ich bin ein Uchiha. Wir sind reich.« Sie verdrehte die Augen, ehe sie nachdenklich einen Schluck ihres grünen Tees nahm. Seine dürftige Erklärung hallte in ihren Ohren wider, als stecke mehr dahinter. Uchiha Itachi sagte selten etwas ohne Grund. »Die Erwartungen im Klan sind hoch.« Eine Feststellung. »Erzähle mir davon.« Ein Befehl. Überraschenderweise leistete er in ruhigem, tiefem Tonfall Folge. »Die Erwartungen im Klan sind tatsächlich sehr hoch. Ich bin mir nicht sicher, ob man mehr von mir als Erben oder mehr von Sasuke, dessen Vorlage ich bin, erwartet. Es ist unser Prinzip, danach zu streben, was die Familie vorgibt. Für Erwartungen, die erfüllt werden, haben wir keinen Dank übrig.« »Da ich nicht erwartete, dass du bezahlst, kannst du meinen Dank also annehmen?«, resümierte sie. Dass dies kaum dasselbe war, war ihnen beiden klar. »Es geht dabei weniger um deine persönliche Erwartungshaltung, sondern vielmehr um die Grundcharakteristika unserer Gesellschaft. Ich habe Geld wie Heu, du nicht. Es wird im Allgemeinen erwartet, dass jemand mit gefülltem Geldbeutel jemanden mit leerem Geldbeutel einlädt.« Sakura steckte sich einen Dango in den Mund, bloß um sich eine zynische Antwort zu verkneifen. Das Süß in ihrem Mund verhinderte eine Beschwerde ob seiner Annahme, sie sei pleite. Inzwischen wusste sie, dass er es nicht so meinte. »Für meine Begrifft kommt das Wort 'erwarten' viel zu oft vor. Ich …« Sie senkte ihren Blick. »Wir sind gar nicht so verschieden. Es sind Erwartungen, die uns zu dem machen, was wir sind. Ich bin nicht unglücklich darüber, dass man Dinge von mir verlange, die ich mir selbst niemals zugetraut hätte, denn es macht mich stark. Aber es ist falsch, das Leben eines Familienmitglieds kontrollieren zu wollen, bloß weil er das Pech hatte, als erster in einen Klan geboren worden zu sein.« »So schlimm ist es nicht«, wehrte er ab, den Dango noch immer ungekostet in der Hand haltend. »Ich lasse mich nicht in meinen Entscheidungen beschneiden, selbst nicht von den Ältesten. Meine Loyalität gilt Konoha, dem ich als Shinobi diene. Ich bin kein Diener meiner Familie, sondern der Erbe. Sollte ich mich weigern, müssten sie auf Sasuke zurückgreifen, das wissen sie genau. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob das Recht des Familienoberhauptes nach meinem Verzicht nicht auf Asuka-chan übergehen würde.« Sie verstand die Botschaft, die dahinter steckte. Sasuke war ein ausgezeichneter Shinobi, aber er war keine Respektsperson, die einen Klan anführen konnte. Itachi würde ihm diese Bürde niemals freiwillig antun. Und Asuka schon gar nicht. Zufrieden aß sie den restlichen Dangospieß auf und legte das leere Stäbchen auf den dafür vorgesehenen zweiten Teller. »Wieso ist dein Vater derart vernarrt in seine Nichte? Er hat ganz Konoha gedroht, uns zu Suppe zu verarbeiten, sollte ihr etwas geschehen.« Itachis rauer Seufzer erstickte im Keim, als er sich von dieser emotionsgeleiteten Reaktion abhielt. Irgendwann würde sie ihn schon bei einer erwischen. »Asuka-chan ist die Tochter seiner älteren Schwester. Da es in wohlhabenden Familien nicht üblich war, sich selbst um das leibliche Wohl seiner Kinder zu kümmern, war sie für ihn seit seiner frühesten Kindheit wie eine Mutter, da sie sich liebevoller um ihn kümmerte als die Amme. Er ikonisiert sie auch heute noch aufgrund ihrer strengen Persönlichkeit, ihrem eisernen Willen und ihrer Unnachgiebigkeit. Sie ist eine Uchiha durch und durch. Hätte sie auf das Recht der Erstgeborenen bestanden, bin ich mir nicht sicher, ob mein Vater als erstgeborener Sohn eine Chance gegen sie gehabt hätte. Ihre einzige Tochter ist darum wie ein eigenes Kind für ihn. Asuka-chan sieht meiner Tante in ihren jungen Jahren außerdem sehr ähnlich. Hinzu kommt, dass wir sehr dicht aneinander wohnen, was die Grenzen der einzelnen Zweige leicht verwischen lassen kann. Otōsan wollte außerdem immer schon ein Mädchen.« Mit Sasuke hat er ja nicht weit gefehlt. Es lag ihr so schmerzvoll quälend auf der Zunge, dass sie einen Dango nachstopfte, dessen Pendant er immer noch nicht angerührt hatte. Sie stupste es lächelnd mit ihrem eigenen Spieß an. »Wenn du sie schon bezahlt hast, solltest du sie auch essen. Sie beißen nicht, weißt du?« »Dessen bin ich mir bewusst.« »Itachi-san? Du solltest dringend lernen, Spaß zu verstehen. Ein Witz hat noch niemanden umgebracht.« Sie steckte sich die Süßigkeiten in den Mund und seufzte wohlig. »Ich verstehe bloß nicht, weshalb Asuka-chan ein Anrecht auf die Führung hätte, falls du stirbst, was, wenn wir ehrlich sind, eher unwahrscheinlich ist. Sie ist weder männlich, noch Mitglied der Hauptfamilie.« Endlich biss er von einem dem dreifarbigen Botchan-Dango ab, kaute, entschied und schluckte. »Du vergisst, dass die Regeln des Klans keine Gesetzte, sondern Traditionen sind. Wir streben nach Stärke, insofern ist es logisch, dass der Stärkste die Führung beansprucht. Das derzeitige Oberhaupt steht unter der Fuchtel von Asuka-chans Mutter, die den Rat schnell überzeugen könnte, ihr eigen Fleisch und Blut, die Tochter der Anführerin im Geiste, sei eher dazu in der Lage, den Klan zu führen als der zweitgeborene Sohn der Hauptfamilie. Über meine Ansprüche lässt sich nicht diskutieren, überschlägt man jedoch die Rechte einer ersten Tochter und eines zweiten Sohnes, betritt man eine Grauzone, zumal Asuka-chans Schwester immer noch Mitglied des eigentlichen Blutstammes ist. Wäre Sasuke ein Mädchen geworden, bin ich mir sicher, dass Asuka-chan die Stellung meines Vaters geerbt hätte.« »Ihr seid ein kompliziertes Gefolge«, brummte Sakura. Sie hatte bereits zwei Drittel des Tellers gegessen, den sie ihrem Gastgeber entschuldigend zuschob. »Iss lieber auf, sonst tue ich es. Diese Kalorien abzutrainieren wird mich meine gesamte Freizeit kosten. Wenn sie nicht so gut schmecken würden, wäre mein Leben leichter. Wie kannst du dich nur so zusammenreißen?« »Jahrelanges Training«, antwortete er, als habe sie eine ernstgemeinte Frage gestellt. »Ich esse aus Überzeugung nichts Süßes, um überflüssige Fettansammlungen zu vermeiden. Es drückt die Muskeln zusammen, macht den Körper schwerer und lässt einen an Agilität einbüßen.« Er zog mit den Zähnen das letzte Bällchen von dem Holzstab, das er wie ein Senbon mit höchster Präzision auf den Teller zurückschnippte, wo es Sakuras zuvor unordentlich hingeworfene Stäbchen zu einer parallelen Ordnung drapierte. »Das bedeutet nicht, dass ich sie nicht essen würde, wenn ich könnte.« »Angeber«, zischte sie amüsiert und verwirrte die von ihm hergestellte Ordnung rein aus Prinzip mit ihrem letzten Stäbchen wieder zu gewohnter Unordnung. »Ich würde nicht sagen, dass Süßigkeiten die Wurzel des Bösen sind. Wenn man sich damit etwas Gutes tun kann, ist es sogar empfehlenswert, sich ab und an etwas zu gönnen. Die kleinen Freuden des Lebens machen es doch erst lebenswert. Wenn man dadurch ein wenig glücklicher wird, gibt es nichts gegen kleinere Sünden einzuwenden.« »Sofern sie nicht Überhand nehmen, hast du damit recht.« Sakura nickte zufrieden mit sich. Es schien fast so, als habe sie ihn verführt. Nicht auf eine der Arten, die Ino vorgeschlagen hatte, aber wenn sie ihm mit ihrer Perspektive einen Denkanstoß gegeben hatte, konnte sie zumindest einen kleinen Sieg für sich verbuchen. Itachi mochte intelligent, gerissen, überlegt und entschlossen sein, Kreativität war jedoch keine seiner Stärken. Er sprach von Grauzonen, dabei war er ein Schwarz-Weiß-Denker. Wie pathetisch. »Wieso bist du zur ANBU gegangen, anstatt Konohas Exekutivgewalt beizutreten?« Er schnippte sein zweites Stäbchen weg, diesmal weniger angeberisch. Es fiel auf eine zufällige Stelle des Tellers. »Dort wäre mein Talent verschwendet gewesen. Außerdem mag ich es nicht 'Uchiha-sama' genannt zu werden. Wieso willst du all diese Dinge über meine Familie wissen?« Ertappt zuckte sie die Schultern. Sie könnte irgendeine Ausrede erfinden, doch wenn er schon einmal falsch lag, wollte sie gerne seine Reaktion darauf beobachten. »Nicht über deine Familie. Über dich«, korrigierte sie ihn lächelnd. »Du bist immerhin Sasukes großer Bruder, wir waren zusammen auf einigen Missionen und nachdem ich in den Genuss deiner stärksten Technik gekommen bin und du in den meiner Faust, sind wir doch sowas wie Freunde, oder?« »Das war bei weitestem nicht meine stärkste Technik.« Itachis dunkle Augen blitzen einen Moment rot auf; so kurz, dass sie nicht sicher war, ob er die Sharingan tatsächlich mit Absicht aktiviert hatte. Sein ernster Blick enthielt eine Warnung. Uchihas sprachen mit ihren Augen; Itachi war ein Meister darin. Sie fröstelte unwillkürlich, als er sprach. »Ich kann sehr viel zerstörerische Jutsus anwenden. Gegen meine Feinde und auch gegen meine Freunde.« Sakura blinzelte. Es war klar, auf was er hinauswollte. Er verlangte eine Entscheidung. Ob unbewusst oder bewusst, wagte sie nicht zu beurteilen. Klar war jedenfalls, dass er sie vor eine Wahl stellte, bei der er ihr alle Freiheiten ließ. Sie konnte ihn fürchten, wie so viele andere, nun, da sie verstanden hatte, wie tödlich er sein konnte. Die Erinnerungen an die Tsukuyomi waren der Beweis, dass er sie mit einem Augenzwinkern vernichten konnte. Oder sie konnte einen Schritt weiter gehen. Ignorieren, was ihr Angst machte. Sich ihm stellen, nicht zurückzuweichen, bis es ihr keine Angst mehr machte. Als sie seinen nackten Unterarm mit ihren Fingerspitzen berührte, durchfuhr sie erneut dieser köstliche Schauer, den er nicht zu verspüren schien, wofür sie ihn am liebsten umgebracht hätte. »Du bist nicht so furchteinflößend wie du denkst, wenn du einen An-Dango in der Hand hältst.« Es war eine Lüge, für die er dankbar nickte. »Welche ist deine stärkste Jutsu? Die Tsukuyomi ist schon äußerst imposant. Ich kann mir nur schwer vorstellen, etwas Grausameres zu erleben. Dabei war ich kaum eine Stunde darin gefangen.« »Sei lieber froh, dass du es nicht kannst. Es gibt da draußen viel zu viel Dunkelheit. Ich möchte nicht wissen, wie viel Abscheulichkeit Akatsuki in sich trägt. Im Vergleich zu den Dingen, die sie den Jinchūriki auf ihre Feldzug gegen alles Gute und Rechte antun, ist eine Stunde in der Tsukuyomi harmlos. Du hast nicht gesehen, wie Nii Yugitos Körper aussah, als man sie fand.« Sakura zog ihre Hand zurück, um einen Schluck von ihrem Tee zu nehmen, der verwaist am Rand der Theke gestanden hatte. Er war inzwischen kalt, was ihr vor Augen führte, wie lange sie bereits hier saßen. Und wie lange sie schon mit Uchiha Itachi in ein Gespräch vertieft war. »Ich las die Berichte, die mir Tsunade-sama gab«, erklärte sie, die Finger an die kalte Tasse gelegt. »Aschefarbene Haut, weit aufgerissene Lippen, als habe sie stundenlang geschrien, und ein Entsetzen in den Augen, das bei trüben Iriden nicht vorzufinden sein dürfte. Es ist grausam, was Akatsuki ihr angetan hat. Ihr höheres Ziel ist gewiss noch grausamer. Jede neue Mission hat etwas mit ihnen zu tun. Darum möchte ich nicht auch noch in meiner Freizeit darüber reden. Ich sehe jeden Tag den Tod, ob im Krankenhaus oder auf Aufträgen. Beim Essen darüber zu sprechen, macht es noch schwerer.« »Wir sind Shinobi«, wandte Itachi ein. »Unser Beruf wird immer primär sein. Wir wurden nicht zu Werkzeugen Konohas, um in Bars zu trinken und mit Freunden zu lachen, sondern um unserem Land zu dienen.« Sakura schüttelte den Kopf. »Das mag schon stimmen, aber müssen wir deswegen alles andere wegschmeißen? Ist es uns deshalb verboten, in Bars zu trinken und mit Freunden zu lachen oder Dangos mit Kollegen zu essen? Wir führen ein sehr tristes Leben, farblos bis auf Blutrot, aber sind wir darum weniger Menschen? Ich finde deine Fähigkeit, dich völlig auf das Leben als Shinobi einzulassen, bewundernswert, aber ich kann es nicht. Und wenn ich es könnte, würde ich alle daran setzen, es nicht zu tun. Es gibt noch so viel mehr, das uns ausmacht, als Chakra und Fingerzeichen. Nach allem sind wir noch Menschen mit Träumen, Wünschen, Emotionen und Verlangen. Niemand würde es dir nicht nachsehen, würdest du dich einmal im Leben hemmungslos betrinken.« Sie lachte amüsiert über diesen Gedanken. »Ich würde dich sogar nach Hause bringen, wenn es soweit ist.« Itachis Schmunzeln war das erste, das er ihr jemals geschenkt hatte. »Ich nehme dich beim Wort, Sakura.«   . . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)