Evenfall von 4FIVE ([Itachi x Sakura | non-massacre AU | dorks to lovers]) ================================================================================ Kapitel 9: Bad Illusion -----------------------   . .     Inuzuka Hana hatte schon öfters über Uchiha Itachi geflucht. Sie hatten ihr erstes Jahr auf der Akademie zusammen absolviert, bis dieser blöde Streber einige Monate nach dem ersten Schultag zum Genin erhoben worden war. Ja, sie hatte Itachi blöder Streber genannt und wenn er sie nach seiner Meinung über ihn gefragt hätte, hätte sie ihm genau das gesagt: er war ein blöder Streber. Diese Perfektion, die er sich anmaßte zu tangieren, war zum Kotzen! In Haruno Sakura, wer auch immer dieses Gör war, hatte sie eine Verbündete gefunden. Ihre offenkundige Skepsis ihm gegenüber war kaum zu übersehen. Nicht viele widerstanden dem attraktiven Klanerben; es waren meist Zivilistenmädchen, die heimlich für ihn schwärmten. Einige Kunoichis eiferten ihnen nach; es waren diejenigen, die in einigen Jahren auf dem Rang eines Chūnin aufhören würden, sich bei halsbrecherischen Missionen die Fingernägel abzubrechen. Yamanaka Ino, das ältere Hyūgamädchen, auf das ihr kleiner Bruder stand, ein paar aus den jüngeren Jahrgängen würden vielleicht nie die Chūninauswahlprüfung bestehen. Paradoxerweise war Uchiha Itachi bei Kunoichis eigentlich gar nicht richtig beliebt. Aus dem einfachen Grund, weil er ein blöder Streber war, der das Potenzial hatte, einem tierisch auf den Senkel zu gehen. Sie hatte irgendwann einmal – Kami behüte, es musste vor vier oder fünf Jahre gewesen sein – für Uchiha Izuya geschwärmt. Er war inzwischen zwanzig Jahre alt und hatte mehr Fans als Uchiha Sasuke. Vorwiegend aufgrund seiner offenen, freundlichen Art, die gleichzeitig durch das mysteriöse Uchihagen verwegen und geheimnisvoll anmutete. Nicht zu vergessen, dass sein Gesicht aussah, als haben die Götter selbst es aus weißem Marmor geschnitzt. Itachis Handwerk dagegen beschränkte sich auf den Kampf, was ihn zu keiner allzu guten Partie machte. Er war nicht ohne Grund eine Legende. Solange Hana ihn kannte – was immerhin schon zwei Jahrzehnte war – hatte sie ihn noch nie nicht trainieren oder eine Mission erledigen sehen. Trotzdem Itachi also so viel über ihr stand, hatte Hana nie aufgehört, ihn mit einem Suffix anzusprechen, das ihn daran erinnerte, dass sie um exakt siebenundfünfzig Tage älter war als er. »Hier teilt sich die Fährte, Itachi-kun.« Sie drehte sich rechtzeitig um, um sehen zu können, wie Sakuras Blick sich amüsiert aufhellte. Es war die Grenze zu einem dichten Waldstreifen, vor dem sie sich befanden. »In wie viele Richtungen, Hana-san?« Spielverderber. Dieser beschissene Poser. Selbst als er in den Kampf seiner Bruders mit dem Fuchsjungen eingegriffen hatte, hatte er es in perfekter Haltung getan. Nur seine Sharingan hatten gefehlt, um die Kunoichi, die er ungefragt gerettet hatte, in Schreikrämpfe zu treiben. »Zwei. Uns bleibt keine Wahl, als uns aufzuteilen. Haruno und ich könnten den rechten Weg nehmen, Shizune-senpai und du den linken. Mit etwas Glück und falls meine Nase mich nicht trügt, laufen sie am Ende der beiden Trampelpfade in siebzehn Kilometern wieder zusammen. Der Wind steht nicht günstig, um es konkret zu sagen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass der Geruch sich nicht weiter ästelt.« Itachi nickte. »Wir machen es so, wie Hana-san vorgeschlagen hat: zwei Teams, eine Iryōnin pro Einheit. Shizune-san, Sie gehen mit Hana-san und den Haimaru Sankyōdai –« Wie reizend, dass er immer wieder vergaß, dass auch sie eine Iryōnin war. Nur eine Veterinärin, aber immerhin. »– Sakura-san, du kommst mit mir.« »Ach, wirklich?«, riefen Hana und Sakura synchron aus. Sie sahen sich mit einer Mischung aus Verwunderung und Abschätzigkeit kurz an, ehe sie sich wieder ihrem Anführer zuwandten. »Möchte jemand meine Entscheidung anfechten?«, fragte er in die Runde, von der er sichtlich keinen Einspruch erwartete. »Shizune-san und Sakura-san sind in menschlichen Medizinjutsus versierter als du, Hana-san. Sie bilden die Grundlage der Aufspaltung. Mit deinen Ninken hast du mehr Schlagkraft, also solltest du der erfahreneren der beiden zugeteilt werden, damit ich die Fehler der anderen ausmerzen kann. Oder möchtest du diese Aufgabe übernehmen?« Unwillkürlich lachte sie hohl auf. Wie schön, dass sie nicht die einzige war, an der er kein gutes Haar ließ. Haruno war ebenso arm dran wie sie selbst. Mit dem Unterschied, dass sie es ihm Gegensatz zu Sakura nicht auf sich sitzen ließ. »Sperr' mal deine Lauscher auf, Itachi-kun«, fauchte sie. Ihre Ninken knurrten hinter ihr, als sie ihm einen bedrohlichen Finger auf die Brust setzte. »Ich bin mindestens genauso gut wie Haruno, verdammt, ich bin fünf Jahre älter als sie! Traust du mir etwa nicht zu, dieser Brillenschlange in den Hintern zu treten?« »Nein, das tue ich nicht.« Itachi drückte ihren Finger nach unten und trat einen Schritt zurück, um die geschäftliche Distanz wiederherzustellen. »Yakushi Kabuto ist kein beliebiger Shinobi, er ist Orochimarus rechte Hand, was nicht ohne Grund so sein wird. Wir müssen annehmen, dass er ein äußerst ernstzunehmender Gegner ist. Ich verbuche nur ungerne zwei tote Iryōnin, weil die eine sich überschätzt hat und ich nicht zur Stelle war, die andere zu verteidigen. Shizune-san kann Yakushi lange genug aufhalten, damit mich einer deiner Hunde verständigen kann. Zusammen schafft ihr es sogar, solange am Leben zu bleiben, bis Sakura-san und ich eingetroffen sind. Möchtest du nachrechnen, Hana-san? Was ist wohl effektiver? Eine Chūnin mit einer Jōnin mit drei Hunden und eine Jōnin mit einem ANBU oder zwei Jōnin und ein ANBU mit einer Chūnin?« Für sie kam eindeutig zu oft das Wort 'Jōnin' vor, zu dem sie vor zwei Jahren erhoben worden war. Sie zischte abfällig, wandte sich jedoch wortlos ab und stellte sich zwischen ihre Ninken, die sie beruhigend hinter den Ohren kraulte. Das Temperament der Inuzukas war legendär; Itachi konnte froh sein, dass sie sich unter Kontrolle hatte. Schon damals hatte er das Talent gehabt, Respekt zu erhalten, wo auch immer er hinkam. »Von mir aus. Wenn Haruno und Shizune-senpai nichts dagegen haben, werde ich keinen Streit vom Zaun brechen wegen deinem fehlenden Vertrauen in mich. Würdest du nur bitte deinen Masterplan für uns Normalsterbliche wiederholen?« Itachi rollte mit den Augen, was sie als Sieg verbuchte. Ihm auf die Nerven zu gehen war eines ihrer Hauptanliegen, wann immer sie die seltene Gelegenheit bekam, ihn auf einer Mission unterstützen zu dürfen. »Recht herzlichen Dank für deinen unangemessenen Sarkasmus, Hana-san. Dein Beitrag rührt mich zu Tränen«, erwiderte er nicht minder sarkastisch. Wenn Itachi sarkastisch wurde, war es Zeit, aufzuhören. »Der Plan lautet wie folgt: wir folgen dem Pfad und halten nach Auffälligkeiten Ausschau. Am Ende der Gabelung, wenn die Wege zusammenlaufen, sammeln wir uns, um uns gegenseitig zu aktualisieren. Es gilt, jeden Kampf zu vermeiden. Sollten wir dennoch in einen solchen verwickelt werden, rufen wir sofort Hilfe. Hana-san durch ihre Ninken, Sakura-san durch die Kommunikationsjutsu, die sie in Kumogakure vor anderthalb Monaten benutzt hat. Unsere Mission lautet, Yakushi Kabuto zu verfolgen und in Gewahrsam zu nehmen, nicht zu töten. Beherzigt das bei etwaigen Manövern. Sollte ein Duett aus irgendeinem Grund aufgehalten werden, wartet das andere am Sammelpunkt hinter dem Waldstreifen bis Sonnenuntergang, danach sucht es sich ein Lager und kehrt im Morgengrauen dorthin zurück. Sollte bis Mittag immer noch keine Spur des fehlenden Teams sein, hat der Rückzug nach Konoha oberste Priorität. Alles weitere wird Hokage-sama entscheiden.« »So optimistisch wie eh und je, Itachi-kun«, brummte Hana wenig begeistert von diesem Vorschlag. Sie spürte Shizune an sich herantreten, die ihr aufmunternd zulächelte. Shizune schnalzte tadelnd mit der Zunge. »Eine Möglichkeit zu berücksichtigen, ruft sie nicht zwingend herbei. Wenn wir unsere Aufgaben gewissenhaft erledigen, werden wir erfolgreich sehen.« »Shizune-san hat recht«, stimmte Sakura von weiter hinten zu. Sie hatte vorhin mit den Zähnen geknirscht, was Hana nicht entgangen war, machte nun jedoch einen motivierten Eindruck. Mit Itachi zusammenzuarbeiten war immerhin die beste Lebensversicherung. »Natürlich habe ich das.« Die Älteste des Teams lachte verhalten. »Wir werden etwa vier Stunden brauchen, um den Wald zu durchsetzen. Ich wünsche euch viel Erfolg, Itachi-san, Sakura. Lass uns gehen, Hana-san.« »Ja, ja«, machte Letztere schulterzuckend und drehte sich im Weggehen um, um leger zu winken. »Bis später, Itachi-kun.«  . . Dass Itachi sich hatte provozieren lassen, war für Sakura eine neue Erfahrung. Es machte ihn menschlich, irgendwie, selbst wenn er bloß die Augen gerollt hatte. Erkenntnis Nummer zwei, Uchiha Itachi ließ sich nicht gerne in die Enge treiben. Hana hatte eine Reaktion heraufbeschworen, um die sie sie beneidete. Natürlich war sie älter, auf dem Rang eines Jōnin und kannte Itachi seit Jahren. Sie wusste wohl einfach, wo seine wunden Punkte waren. Sakura verspürte keine Todessehnsucht, also würde sie diese nicht drücken. Das Temperament eines Inuzukas ließ es nicht zu, Gnade vor Recht ergehen zu lassen, ebenso wenig wie man es ihnen verübeln konnte. Sie nervten einfach immer. Das stille Buhlen um Entscheidungsgewalt hatte auf Itachi in weiterer Folge keinerlei Auswirkungen gehabt. Er lief voran, seine Sharingan nicht aktiviert, und hielt ein angenehmes Lauftempo, mit dem sie mühelos schritthalten konnte. Er war um ein Vielfaches langsamer als ihr Maximum, was den Vorteil hatte, dass sie problemlos die Szenerie links von und hinter ihr im Auge behalten konnte. Itachi hatte den restlichen Bereich übernommen. So zogen zwei Stunden ins Land, während denen sie von Ast zu Ast über jene Bäume sprangen, die in einer wilden Allee den klar ersichtlichen Trampelpfad säumten. Zwei Stunden, in denen nichts passierte, bis Itachis Augen plötzlich rot wurden. Da er vor ihr war, konnte sie es nicht sehen, aber wie sich seine Nackenmuskeln anspannten, war ein untrügliches Zeichen für das Auftreten des Kekkei Genkai. Sakura holte neugierig auf. »Hast du etwas entdeckt, Itachi-san?« Er nickte. »Vierhundert Meter voraus, eine nicht unterdrückte Chakrapräsenz.« »Eine Falle?« »Eine Einladung.« Sie schnaubte amüsiert über diesen Wortwitz, der nicht witzig war. »Dann nehmen wir sie lieber an.« Ohne sie einer Antwort zu würdigen, erhöhte Itachi sein Tempo, sodass sie für den ersten Moment zurückfiel. In ihrer ursprünglichen Formation sprangen sie von den Bäumen, um im Unterholz weiterzulaufen. Dort konnten sie im Falle eines Hinterhaltes schneller agieren. Falls es einen Hinterhalt gab. Sakura bezweifelte es bis zu dem Zeitpunkt, an dem Itachi schlagartig stehen blieb. »Kabuto«, zischte sie und sog scharf Luft ein. Der weißhaarige Bastard, dem sie vor neun Jahren blind vertraut hatte, wagte es tatsächlich, in aller Seelenruhe auf dem breiter gewordenen Weg zu stehen, wo er geduldig auf sie wartete. »Uchiha Itachi«, entgegnete er, seine Brille geraderückend. In welchem falschen Paralleluniversum hatte sie erwartet, dass er sie neben Konohas berühmtesten ANBU bemerken würde? »Welch Überraschung.« »Wohl kaum.« Itachi machte sich nicht die Mühe, seinen Stand zu festigen. »Warte noch, Sakura-san«, unterbrach er sie, ohne sie anzusehen, als sie im Inbegriff war, eine graue Rauchwolke zu beschwören, um das zweite Team zu verständigen. »Aber du sagtest –« Sie brach ab. Stattdessen wandte sie sich wieder Kabuto zu. »Was willst du hier?« »Ein wenig plaudern. Fragen, wie es euch so geht. Hast du die Chūninprüfung inzwischen geschafft, Sakura-chan? Wie man hört, machst du dich gut als Schülerin der ehrenwerten Hokage, der Spielerin und Säuferin Tsunade –« Sakura machte unwillkürlich einen Schritt auf ihn zu, wurde jedoch von Itachis Arm aufgehalten. Sie bleckte wütend die Zähne. »Dass du es wagst, ihren Namen in deinen dreckigen Mund zu nehmen, du Made!« »Na, na, wer will denn gleich Anstand und Etikette verlieren?« Kabuto schnalzte mehrmals hintereinander bedauernd mit der Zunge. »Ich fragte mich schon, wer so dreist sei, mich zu verfolgen. Orochimaru-sama warnte mich davor, allzu leichtfertig mit meinem Abstecher in Shimo no Kuni zu sein. Wie es scheint, hatte er recht. Andererseits komme ich nun in den Genuss, die legendären Fähigkeiten des legendären ANBU Captain Uchiha Itachi hautnah zu erleben. Wie … reizvoll.« Er schob sich erneut die Brille die Nase hoch, ehe er nach vorne preschte und einen gezielten Angriff auf Itachi abgab. Dieser sprang zur Seite, schleuderte im Sprung zwei Shuriken auf den Angreifer und setzte mit einem Katonjutsu nach, das Kabuto mit chakrageladenen Handflächen wegwischte. »Chakraneutralisation. Sehr praktisch, um körperfremdes Chakra im eigenen System zu vaporisieren, kann aber auch durchweg gewinnbringender eingesetzt werden.« Sakura hatte nie gedacht, ihre Augen könnten zu langsam für etwas sein. Die Schnelligkeit, mit der Itachi vor seinem Gegner auftauchte und ihm die Klinge seines Katanas – wann hatte er es aus der Scheide gezogen? – an die Kehle hielt, war selbst mit ihren scharfen Augen nicht im Detail zu betrachten. Auch nicht die geschmeidige Bewegung, in der Kabuto sich darunter hinweg duckte, seinen Bedroher umrundete und ihm den Griff seines Kunais in den Rücken rammte. Es entstand ein schneller Reigen, dem sie nur schwer folgen konnte, bis sie sich plötzlich in Kabutos Visier befand. Ihr gellender Panikschrei, der panischer wirkte, als er war, hallte durch die stummen Wälder. Beinahe hätte er sie mit chakrainfundierten Fingerspitzen getroffen. Wo zum Teufel war Itachi? Sakura hatte keine Zeit, sich umzusehen. Ihr Ausweichmanöver hatte ihr bloß wenig Spielraum für Reaktionen gelassen, den sie sofort ausnutzte, indem sie einen Teil ihres Chakras in ihrer Faust bündelte und zuschlug, bevor Kabuto sich umdrehen konnte. Er krachte in den trockenen Erdboden, der aufbrach und seine Brocken hoch in die Lüfte schoss. Puff. »Ich krieg' die Krise von dieser Kawarimi!«, fluchte sie laut. Diese Basistechnik war die nervigste, die ihr jemals untergekommen war. Hinter ihr tauchte Kabuto höhnisch lachend auf; ein Fehler. Als sie das medizinische Chakra spürte, das er gesammelt hatte, tauchte sie unter seiner Attacke hindurch und sprang auf einen robusten Ast, der unter ihrem Schwung bedrohlich knarrte. Er barst nach verdächtigem Wippen, sodass sie im letzten Moment auf einen anderen ausweichen musste, der genau in der Linie ihres Angreifers lag – der Scheißkerl hatte ihr eine Falle gestellt! Mit grünleuchtenden Händen sprang er auf sie zu und riss sie zu Boden. Für einen Moment erstickte der Aufprall auf dem harten Waldboden ihren Schrei. Sie wusste, was er vorhatte. Unter Iryōnin war es tabu, mit medizinischem Chakra die Tenketsu zu verstopfen. Es war absolut tödlich, wenn man nur ein paar der vielen wichtigen Punkte gezielt traf. Jeder zweitklassige Arzt kannte mindestens fünfzehn davon, Kabuto vermutlich über zweihundert. Plötzlich wurde er von ihr gerissen. Sakura erhaschte einen kurzen Blick auf zwei sharinganrote Augen, in denen verdächtig viel Schwarzanteil lag. Itachi rammte ihm seine Faust ins Gesicht, was Kabuto nach rückwärts taumeln ließ, doch er fing sich schnell wieder und formte seine Fingerzeichen zu einer unbekannten Jutsu. Ohne ihm Handlungsfreiraum zu lassen, riss Itachi ihn von den Füßen, versuchte es zumindest, denn der Iryōnin wich aus, zückte vier Shuriken und warf sie. Dreien konnte sein Ziel ausweichen, das vierte traf ihn in die Brust. Sakura keuchte erschrocken auf. Sie wusste, dass der ANBU-Panzer stark genug war, um ein paar läppischen Wurfsternen standzuhalten; nichtsdestoweniger sah es furchtbar aus, wie Itachi sich unbeeindruckt die spitze Waffe aus der Brust zog und sie achtlos auf seinen Gegner zurückschleuderte, den sie verfehlte. Nicht minder furchtbar sah es auch, als er einen Feuerball auf ihn spie, dessen sengende Hitze sogar sie im Abseits in Schweiß ausbrechen ließ. Sie hob ihren Arm schützend vors Gesicht; nun wusste sie, wieso die ANBU Armschienen trug. Vom Rand des Geschehens aus Fluchte sie, als Itachi seinen Gegner nur um Haaresbreite verfehlte. Jeder ihrer Muskeln zuckte, ihr ganzer Körper ruckte unentwegt nach vorne, um eine Lücke zu finden, durch die sie in diesen Kampf einsteigen konnte. Es war unmöglich. Sie sah dem wilden Tanz zu, erkannte alle Bewegungen. Ungeduldige Frustration breitete sich in ihr aus. Irgendwie musste sie doch helfen können! Sie würde erneut den Befehl ignorieren und Hilfe holen. Ihre Finger formten das erste Fingerzeichen. Itachi indes war durch den Feuerwirbel auf Kabuto zugeschossen und hatte ihn in einen brutalen Schlagabtausch verwickelt, dem Sakura wie schon zuvor nicht folgen konnte. Irgendwann, es fühlte sich an wie Stunden, mussten aber weniger als zwei Minuten gewesen sein, stoben sie mit solchem Schwung auseinander, dass sie in weitem Abstand voneinander entfernt auf der Erde nach hinten schlitterten. Das zweite Fingerzeichen war vollendet. Endlich erkannte sie auch Itachis Augen – zu spät. Instinktiv spürte sie, was er vorhatte. Und wie fatal es sein würde, die Tsukuyomi auf Kabuto anzuwenden. Nicht minder instinktiv stürzte sie mit einem rauen, erstickten Schrei nach vorne zwischen die Fronten. Bis zuletzt hatte sie nicht geglaubt, sich rechtzeitig dazwischen werfen zu können. Bis zuletzt hatte sie damit gerechnet, Itachi in weniger als einem Sekundenbruchteil schreiend auf dem Boden vorzufinden, gegeißelt durch seinen eigenen Leichtsinn, den er ihr immer vorhielt. Bis zuletzt war sie dumm genug gewesen, nicht zu Ende zu denken. Dann traf die Tsukuyomi sie und entführte sie in eine Welt aus Schwarz und Blut. . . Der Mond in dieser Welt war schwarz. Pechschwarz. Albtraumschwarz. Als Sakura die Augen öffnete, spürte sie ihren Körper wie durch Watte. Die Farben, das Blutrot des Himmels, wirkten aufgesetzt und falsch, dabei wusste sie auf eigenartige Weise, dass sie in einer Genjutsu gefangen war. Sie versuchte sie aufzulösen; vergebens. Es hätte sie schockiert, wäre die Tsukuyomi derart leicht zu umgehen. Die Welt um sie herum wirkte gestellt, konstruiert auf der Basis eigenbrötlerischer Ideen: zerschlagene Ruinen prangten wie Mahnmale aus dem schwarzen Boden, Kreuze wurden von Wind umschmeichelt, der sie erbeben ließ. Es war kein Zittern vor Kälte. Der Wind berührte sie. Sakura schlang die Arme um sich und sah sich um, als suche sie einen Ausgang. Dass es diesen nicht gab, war vorherzusehen gewesen. Die Szenerie entfachte panische Angst in ihr, gepaart mit einer Paranoia, die sie in Wahrheit nicht hatte. Leise Stimmen säuselten ihren Namen, umspielten ihre Ohren, bis eine Hand ihre Wange streifte. Ruckartig fuhr sie herum, bloß um nichts zu sehen. Das hügelige Feld, auf dem sie sich befand, war menschenleer. Bloß die körperlosen Stimmen verrieten ihr die Anwesenheit von etwas. Gänsehaut schlich sich über ihre Arme, Beine und in weiterer Folge ihren Rücken hinab, über den jemand zu streichen schien. Erneut zuckte sie zurück, im Augenwinkel eine dunkle Gestalt erblickend. Als sie sie erfassen wollte, verschwand die schemenhafte Silhouette. Dein Fleisch … wisperten der Stimmenchor, aus dem eine männliche Stimme markant hervorstach. Itachis Stimme. Vermutlich. Dein Blut … dein Herz … als Pfand … für dein Leben … Die Gänsehaut an ihren Gliedern verstärkte sich. Die Stimmen drangen ihr durch Mark und Bein und als jemand sie von hinten umarmte, begann sie panisch zu schreien. Sie befreite sich wild um sich schlagend aus der unsichtbaren Liebkosung, die kalt und unnatürlich gewesen war, als läge eine dunkle Aura um sie. »Verschwinde!«, schrie sie aus voller Kehle. Mit kräftigen Schritten auf wackeligen Beinen rannte sie in eine zufällig gewählte Richtung. Nach einigen Metern taumelte sie, als sich plötzlich der Erdboden vor ihr zu einer unüberwindbaren Schlucht auftat. Sie strauchelte und fiel hin, den Abgrund beinahe hinab. Im letzten Moment konnte sie sich nach links abrollen, wo sie keuchend auf ihrem Rücken landete. Etwas schnürte ihr die Luft zu; etwas, nein, jemand, der seine Hände fest um ihren Hals gelegt hatte. Vor Sakuras geweiteten Augen formte sich eine Gestalt, ein Mann, dessen scharlachrote Augen sie gierig anstarrten. Seine Finger drückten fester an ihre Kehle, sodass sie kaum mehr Luft bekam. Sie versuchte zu schreien, doch der erstickte Schrei kam einem lauen Luftzug gleich, der gegen einen Orkan ankämpfen musste. In ihren Schultern versetzte es ihr einen Stich, der sich ihre Wirbelsäule entlang spiralförmig nach unten zog, bis er über ihrem Steißbein nach vorne in ihren Bauchraum wanderte. Ihr wurde bereits schwarz vor Augen, doch das Blut, das an ihren Händen klebte, als sie den Schmerz berührte, konnte sie deutlich vor sich sehen. Itachis Iriden begannen sich zu verdrehen, sein Gesicht verzog sich zu einer grässlichen Fratze, das eher einer Maske ähnelte als seinem schönen Antlitz. Plötzlich ließ er sie los, richtete sich zu seiner vollen Größe auf und zog ein Schwert, das er über sie erhob. »Bitte nicht …«, wisperte sie, die offene Wunde schützend zusammenhaltend. Dass sie sich in einer Genjutsu befand, war angesichts des durchweg realen Schmerzes längst vergessen. Sie krümmte sich unter dem Versuch, wegzukriechen, doch ihre Beine hingen an ihren Hüften wie leblose Accessoires. Das Flehen brachte nichts, also schrie sie aus vollem Hals. Itachi – oder eher dieses itachiähnliche Ding – warf jäh sein Schwert weg. Seiner statt tauchten Speere um Sakura herum auf, die Spitze voran direkt auf sie gerichtet. Der Moment, als der erste ihr Fleisch durchbohrte, war der schrecklichste. Ein zweiter setzte nach, ein dritter und vierter, bis neun Speere im Kanon auf sie einstachen. Sie hielt die Augen fest zusammengepresst, versuchte mit den Armen die Waffen abzuwehren, doch sie fuhren durch ihre Paraden hindurch, als seien ihre Unterarme immaterielle Nichts. Auch der Körper der itachiähnlichen Gestalt wurde ignoriert, als diese sich vor sie kniete und ihre Hände auf ihre Schultern legte, die blutüberströmt unter den letzten Fetzen ihrer Kleidung hingen. Ihr fortwährendes Geschrei war in ihren Ohren längst verstummt, obwohl ihre Kehle bewies, dass sie es aufrechterhielt. Wir wollen dein Blut, raunte es, ehe es sich auf sie stürzte. Sakura wurde zu Boden gepresst, die Speere hieben weiter auf sie ein. Sie schrie und schlug um sich und schrie und versuchte sich irgendwie aus der Attacke zu befreien, unter der es sie begrub. »Hör auf!«, kreischte sie. »Hör auf! Hör endlich auf!« »Sakura-san!« Die Hände, die sich um sie schlingen wollten, fühlten sich grausam real an, ebenso die Stimme, die sie anschrie. »Hör auf!« Sie schlug weiterhin um sich, die Augen fest zusammengepresst, um das Blut nicht sehen zu müssen. Plötzlich dockte ihre Faust an etwas, das sich anfühlte wie Fleisch. Es wurde nach hinten geschleudert, prallte gegen einen Baum, dessen Rinde in tausend Einzelteile barst. Sakura raffte sich schreiend auf, die Hände über den Kopf geschlagen. Ihr rauer Schrei hielt immer noch an. Sie bekam nicht einmal mit, wie jemand auf sie zustürmte, sie niederriss und etwas brüllte. Erst als er es schaffte, sie mit seinen Armen zu fesseln, war sie gezwungen, ihre Fäuste sinken zu lassen, denn er drückte sie so fest an seine Brust, dass er ihr keinen Spielraum für eine einzige Bewegung ließ. Ihr Schrei erstickte an dem Stoff seiner Kleidung, der schal und faserig schmeckte. Sie wagte nicht, ihre Augen zu öffnen. Zu groß war die Angst, eine fremde Realität zu sehen. Selbst die starken Arme, die sie immer noch gefangen hielten, um weiteren Schaden zu vermeiden, vermochten ihr kein Gefühl der Sicherheit zu geben; im Gegenteil: ihr Körper bebte weiter in seinem Gefängnis, das ihr jede Chance zur Verteidigung raubte. Sie zitterte und wimmerte wie ein verletztes Reh, das von einem tollwütigen Wolf niedergerungen worden war. »Es ist vorbei.« Die Stimme, klar und deutlich, holte sie endlich aus ihrer blinden Panik. Sie war bestimmt, unnachgiebig und sachlich. Itachis Stimme. Er hielt sie fest wie ein Kleinkind, das einen Wutanfall bekommen hatte. Widerwillig versuchte sie sich zu befreien. »Hast du dich beruhigt?«, fragte er. Erst nachdem Sakura nickte, entließ er sie und stand auf, um die Umgebung zu sondieren. Kabuto war weg. »Wie lange war ich in der Genjutsu gefangen?« Sie schämte sich für ihre fahrige, zittrige Stimme, konnte sie jedoch nicht festigen. Prüfend tastete sie ihren Bauch ab. Er war unberührt. »Fünf Sekunden, vielleicht sechs. Ich deaktivierte sie sofort als ich merkte, dass sie dich getroffen hatte. Es wird bald dunkel werden. Ich würde mich ungerne mit einer eingeschüchterten Kunoichi durch einen finsteren Wald bewegen. Wir werden ein Lager hier in der Nähe aufschlagen und morgen zum Sammelpunkt weiterreisen.« Sakura nickte benommen. Ihr Herz raste von den Nachwehen der Tsukuyomi, was es schwierig machte, klare Gedanken zu fassen. Deshalb reagierte sie auch nicht, als Itachi sich vor sie stellte und ihr eine Träne aus dem Gesicht wischte. Sie konnte ihn nicht ansehen, zuckte unter der Berührung leicht zusammen. Seine verzerrte Grimasse schwebte noch immer vor ihren Augen. Wenigstens wusste sie nun, warum die Uchihas derart gefürchtet waren. Das Sharingan war eine nicht zu unterschätzende Waffe, die mit der Angst der Menschen spielte. Sie wusste, dass das Wispern im Inneren der Illusion willkürlicher Blödsinn gewesen war, der sie hatte verunsichern wollen. Dennoch hallten sie in der Stille des Waldes in ihren Ohren wider. Ihr Fleisch, ihr Blut, ihr Herz als Pfand für ihr Leben. Es machte Sinn, dennoch wusste sie nichts damit anzufangen. Neue Gänsehaut überkam sie. Es war eine Illusion gewesen. Eine sehr überzeugende, aber dennoch nur eine Illusion. Sie durfte nicht anfangen, sie allzu ernst zu nehmen. . . Wie schwierig es war, diesem Vorsatz zu folgen, stellte sich in der Nacht heraus, die schlagartig über sie hereinbrach. In ihrem Traum wanderte Sakura über einen verzerrten Friedhof, der in unwirklichen Komplementärfarben erschien. Die Stimmen sangen ein Gedicht, das sie aus ihrer Kindheit kannte. Irgendwann blieb sie stehen, als ein Funkeln in einer zerschlagenen Vitrine ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie ging an einer hohen Pendeluhr vorbei, um die tausende bunte Glasscherben lagen, von denen sie eine aufhob. Sie betrachtete sie im Licht, das von nirgends zu kommen schien. Als sie sich daran schnitt, schlug die Uhr zwölf. Schwarzes Blut quoll aus dem Ziffernblatt, das sich zu einem Strudel verdrehte, dahinter schwoll leises Kichern zu ohrenbetäubendem Gelächter an. Sakura sah an sich herab, ihre Beine waren an den Boden gekettet worden, ihr Herz schlug und als sie an ihren Hals fasste, klaffte ein blutiges Loch, wo ihre Luftröhre sein sollte. Vor ihr stand Itachi, die dunklen Augen funkelten im schwachen Mondlicht – sie waren das gewesen, was Sakura zuvor in der Vitrine entdeckt hatte. In den Klauen hielt er etwas Langes, Fleischiges. Sakura strampelte und schrie durch ihren rauen Hals. Schweißgebadet fuhr sie auf, eine Hand an ihr rasendes Herz gepresst. Ihr Stand war unsicher im Dunkel der Nacht, das in seiner Schwärze bedrohlich auf sie wirkte. Verdammt, sie war eine Kunoichi, kein Hasenfuß! Ihre bebenden Finger strafte diese Wahrheit Lüge. Das einzige, das ihr Schutz zu bieten vermochte, war paradoxerweise derjenige, dem sie diese Albträume zu verdanken hatte. Er saß auf der anderen Seite des Lagerfeuers und starrte in die tanzenden Flammen. »Du wurdest verletzt«, bemerkte sie, bloß um irgendetwas zu sagen. Da sie ohnehin schon stand, umging sie die Feuerstelle und setzte sich neben Itachi. Die Wunde war tief, aber keineswegs lebensbedrohlich. Kabuto musste ihn erwischt haben, als er sie hatte einfangen wollen. Er war ihretwegen verletzt worden. Wann sie wohl begonnen hatte zu schreien? »Schone deine Kräfte.« Ohne sie anzusehen, drückte er ihre Handfläche weg, um die bereits heilendes Chakra floss. »Das Chakra meiner Tsukuyomi hängt noch in deinem System fest. Bis es verschwunden ist, solltest du lieber kein Chakra konzentrieren.« »Was würde dann passieren?« Nun sah er sie an und zuckte die Schultern. »Im besten Fall nichts. Im schlimmsten Fall verstärkt es möglicherweise die Albträume oder führt zu Panikattacken. Ich musste die Nachwirkungen dieser speziellen Genjutsu noch nie mit ansehen. Normalerweise leben ihre Opfer nicht mehr, weil sie während ihrer Starre der ein oder andere Kunai durchbohrt.« »Welch glorreiche Aussichten.« Sie fröstelte ob seiner endgültigen Worte. Dass er sich entschuldigte, hatte sie nicht erwartet, immerhin war sie selbst an diesem Dilemma schuld. Theoretisch hätte sie sich nicht in die Schusslinie werfen müssen. Theoretisch. Aufgrund ihrer Handlung standen eine Menge ungeklärter Fragen zwischen ihnen. »Ich hätte deine Impulsivität nicht für so stark ausgeprägt gehalten, dass du dumme Fehler begehst. Spontane Handlungen konnte ich zumindest ansatzweise verstehen, aber derartige Aktionen sind nicht nur unüberlegt, sondern auch dämlich und im schlimmsten Fall hätte Kabuto dich getötet, wenn ich nicht schnell genug gewesen wäre, dich vor seiner Attacke zu schützen.« Sakura musste sich regelrecht dazu zwingen, ihn anzusehen, so intensiv ruhte sein fragender Blick auf ihr. Er würde ihre Beweggründe nicht direkt erfragen, dazu war er viel zu stur. Zumindest schätze sie ihn so ein. Sie seufzte ein neues Schaudern weg. Hoffentlich hielt sich dieser Zustand nicht über die nächsten Tage. »Du kannst dich bei mir bedanken«, meinte sie schlicht. Es hätte gelassener gewirkt, wäre sie nicht unwillkürlich ein Stück an ihn herangerückt, um die trostspendende Wärme des Feuers zu suchen. Das jedenfalls redete sie sich ein. »Inwiefern?«, wollte Itachi wissen. Er machte glücklicherweise keine Anstalten, abzurücken. »Unter dem Deckmantel seiner letzten angewandten Techniken hatte Kabuto zwei passive Jutsus aktiviert. Die eine ist ziemlich simpel, aber für jemanden ohne fortgeschrittene medizinische Ausbildung unmöglich zu erkennen. Ich bemerkte es, als ich nach einem Leck in eurem Kampf suchte. Diese simple Jutsu ist eigentlich mehr ein Handgriff, der es seinem Anwender erlaubt, körperfremdes Chakra zu polarisieren und zu reflektieren.« »Ich wäre in meiner eigenen Tsukuyomi gefangen worden?« Sakura lachte hohl. Von einem genialen Gehirn hätte sie weniger profane Schlussfolgerungen erwartet. »So einfach funktioniert es nicht. Es ist kein Reflektionsschild per se, sondern funktioniert eher als Chakrakatalysator. Kabuto wäre in der Lage gewesen, das Chakra deiner Technik zu bündeln, durch eine Art Phantomkeirakukei mit seinem eigenen zu versetzen und es in umgekehrte Richtung zurückzuschicken. Jeder Iryōnin kann es, allerdings würde nicht einmal Tsunade-sama wagen, derart mächtige Attacken dafür zu benutzen. Man kann sich schnell übernehmen und sich selbst dabei schädigen.« »Ich verstehe. Und die zweite Jutsu?« »Ich bin nicht sicher, wie genau sie funktioniert, aber sie basiert in jedem Fall auf einer Art Lebensverbindungstechnik.« »Eine was?«, hakte Itachi nach. Sein Interesse schmeichelte ihr, auch wenn sie wusste, dass es nicht ihrer Person, sondern ihrem Wissen galt. »Es ist etwas, das kaum jemand durchführen kann. Tsunade-sama kann es vermutlich, vielleicht auch Shizune-san in einer abgeschwächten Ausprägung. Es ist auch etwas, das niemand durchführen will. Früher wurde es oft für Geiselnahmen verwendet. Versierte Iryōnin können ein Band zwischen sich und einer beliebigen Person knüpfen, das ihre Leben direkt aneinander bindet. Sobald der Chakrafluss in einem Körper versiegt, versiegt auch der im anderen Körper.« Itachi nickte beeindruckt. »Das klingt mir wie eine sehr effektive Technik. Wieso ist sie nicht verbreitet?« »Weil –« Sakura strich sich eine Strähne ihres wirren Haares zurück, die ihr vor die auf ihn gerichteten Augen gefallen waren. »– sie ziemlich viele Nachteile birgt. Zum einen muss man der Person sehr nahe kommen. Man braucht ihr Blut und einen schwachen, gebrochenen oder aber willigen Geist, um die geistigen Blockaden umgehen zu können. Solche Techniken funktionieren nur bei Leuten, die Kontrolle über ihr Chakra haben. Shinobi also. Gerade diese Menschen haben jedoch selten schwache mentale Barrieren. Wir werden darauf trainiert, uns zu kontrollieren. Ninjas zu entführen ist ein durchweg unvorteilhaftes Unterfangen. Sie sind stark, wehren sich und wenn man nicht gerade jemand äußerst Wichtiges erwischt, der oft stark ist und somit für die Technik nicht infrage käme, kann man kaum Lösegeld erpressen.« »Auf wen können diese Verbindungen sonst angewendet werden?« Sie hob zwei ihrer Finger. »Shinobi müssen zwar stundenlang oder sogar über Tage gefoltert werden, aber es ist möglich. Dann sind da noch jene, die zwar Kontrolle über ihr Chakra haben, aber noch nicht gefestigt sind.« »Kinder.« »Korrekt.« Sakura blickte prüfend auf ihre Fingerspitzen. Sie hatte sich schon öfters gefragt, ob sie dazu imstande wäre, eine Jutsu anzuwenden, die auf Lebensverbindungen basierte. Es gab einige interessante Behandlungsmethoden, die auf diesem Ansatz fußten, aber inzwischen waren sie unter seriösen Ärzten verpönt. Es schickte sich nicht, sich von einem Patienten abhängig zu machen. Heutzutage gab es gewinnbringendere Methoden. Itachi riss sie mit seiner Frage aus ihren Gedanken. »Kabuto hatte eine solche Jutsu aktiviert?« »Ja. Hättest du ihn getötet, wäre das andere Ende des Bandes ebenfalls gestorben.« Er zuckte die Schultern. »Kollateralschäden lassen sich manchmal nicht vermeiden. Du hast die Mission sabotiert, um den Feind zu retten.« »Tsk«, machte sie nachdenklich. In gewissen Punkten hatte er recht. Andererseits … »Solange wir nicht wissen, an wen Kabutos Leben gekoppelt ist, sollten wir ihn nicht töten. Mit etwas Glück hängt Orochimaru daran. Aber was, wenn nicht? Mit großem Pech hat er sie zwischen Sasuke-kun und sich gesponnen. Man bekommt nicht mit, wenn jemand eine dieser Jutsus ausführt. Sie kann über Jahre unentdeckt bleiben, bis man plötzlich stirbt. Kabuto hatte im Wald des Schreckens ausreichend Möglichkeit, Sasuke-kun oder Naruto oder auch mir die Jutsu aufzudrücken. Wir alle waren damals sehr verängstigt, als Orochimaru auftauchte und er kam uns als vermeintlicher Verbündeter nahe genug, um sie auszuführen. Ich werde die Schuld für das Leben, das daran gebunden ist, nicht auf mich nehmen. Selbst wenn es eine willkürliche Person ist, weil er etwas ausprobieren wollte, wäre es nicht fair. Ich finde es schrecklich, unschuldige Menschen in diese Angelegenheit hineinzuziehen.« »Das liegt in der Natur der Sache«, sagte Itachi, ohne weiter auf die Möglichkeit, seinen Bruder bedroht zu wissen, einzugehen. Die Chancen standen gering, aber Sakura hatte irgendein Argument gebraucht. Solange die kleinste Chance bestand, war es gerechtfertigt. »Ja, aber –« »Sakura-san.« Sein Tonfall war eine sanfte Warnung. »Wenn du derartige Gefühle nicht in den Griff bekommst, würde ich mir an deiner Stelle überlegen, ob eine Vollzeitanstellung im Krankenhaus nicht passender wäre.« Unwirsch winkte sie ab, diesen ridikülen Vorschlag beiseiteschiebend. Niemals würde sie den Außendienst aufgeben! Er wusste es, was ihren Themenwechsel weit weniger eckig machte, als sie sich erhofft hatte. »Seit wann ist dein Mangekyō Sharingan nicht mehr hundertprozentig präzise?« Überrascht hob er eine Augenbraue. »Sieh mich nicht so an! Denkst du ich wüsste nicht, dass du mich niemals unbeabsichtigt getroffen hättest, wenn die Präzision maximal gewesen wäre? Es ist beeindruckend, dass du es immer noch derart gut kontrollieren kannst bei dem Grad der Trübung, die ich ausmachen konnte, ehe du mich abgeschossen hast. Einmal auf jemanden gerichtet, verfehlt die Tsukuyomi eigentlich nie ihr Ziel. Es macht mir ein wenig Sorgen. Ich habe viel mit Shairngan und Byakugan zu tun, aber diese Krankheit ist mir noch nie untergekommen.« »Es ist keine Krankheit.« Sie wehrte ab. »Per Definition ist alles, das nicht der Norm entspricht, eine Krankheit. So wie deine zwanghafte Selbstdarstellung, die im Gegensatz zu Sasuke-kuns nervigem Narzissmus notorische Perfektion vorspielt. Was ich damit sagen möchte, ist, dass du es auf jeden Fall beobachten musst. Ich würde gerne nachforschen, ob sich etwas dagegen tun lässt.« Ehe sie erklären konnte, dass es keine Gefälligkeit war, sondern ihre reine Neugierde, machte ihr Herz plötzlich einen so starken Sprung, dass es ihr schmerzhaft gegen den Brustkorb drückte. Die Einbildung der Stimmen huschte durch ihren Kopf, Gänsehaut ließ sie die Arme um sich schlingen und den Kopf zwischen ihre Knie bergen. Das Zittern und entnervte Wimmern war peinlich, doch sie konnte es nicht stoppen. Ehe sie sich versah, war es wieder vorbei. Itachi war aufgestanden, um auf Abstand zu gehen; Abstand zum einzig menschlichen Wesen in ihrer Reichweite war das letzte, das sie nun ertragen konnte. Sie erhob sich mit wackligen Knien und stellte sich direkt vor ihn. Viel zu dicht, um ihnen beiden genügend persönlichen Freiraum zu bieten. »Bilde dir nichts darauf ein, Itachi-san«, brummte sie betont unbeeindruckt. »Das ist nur eine physiologische Reaktion.« »Ich bin überrascht, dass du es derart locker wegsteckst«, gab er offen zu. »Normalerweise hat man Angst vor mir.« »Normalerweise wendest du die Tsukuyomi ja auch auf Gegner an, die du töten willst. Außerdem habe ich sehr viel Übung mit dem Sharingan. An wem denkst du, hat Sasuke-kun seine Genjutsus ausprobiert? Dieser blöde Mistkerl spielte bei Trainingskämpfen schon immer unfair. Seine Illusionen sind zwar kein Vergleich zu deinen, aber bloß deswegen werde ich dich nicht geringer schätzen. Und Angst habe ich vor dir schon gar nicht.« Itachi öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, ließ es nach kurzer Überlegung jedoch bleiben. Stattdessen legte er eine tröstende Hand auf ihre Schulter, wo sie unendlich lange Augenblicke verweilte, ehe er sie wieder entfernte und an ihr vorbei in den Wald ging, um die provisorischen Fallen, die sie vor Angreifern schützen sollten, sicherheitshalber noch einmal zu überprüfen. . . Die Fallen waren für seine Verhältnisse stümperhaft. Einige Genjutsus hingen über dem Laub, verbunden mit Schnüren, deren Bewegung sie auslöste. Hie und dort waren Kunai und Kibakufuda in Baumkronen versteckt. Er hatte getan, was in den wenigen Minuten, die er seine zitternde Kameradin hatte alleine lassen können, in seiner Macht gestanden hatte. Sie zwei Stunden später zu überprüfen, war unnötig, hätte es ihm nicht die Flucht aus dieser Konversation ermöglicht. Itachi kannte sich eloquent und entschieden, wenn es um Missionen ging. Doch Sakura war in persönliche Themen abgedriftet, bei denen er sich unwohl fühlte. Es war ein eigenartiges Gefühl, ihr Chakra zu fühlen. Es war mit seinem verwoben; sich selbst in einem fremden Körper zu erspüren, war berauschend. Diese Verwobenheit von zwei Chakren, die in ihrem Körper pulsierte, war völlig anders als jene, die er Wochen zuvor bei Jiraiya ausgemacht hatte. Langsam wusste er nicht mehr, was er von ihr halten sollten. Nein. Er wusste zu gut, was er von ihr halten sollte. Haruno Sakura war eine überdurchschnittlich gute Kunoichi, eine herausragende Iryōnin, die Schülerin der Hokage und Sasukes Teamkameradin. Mehr oder weniger. Sie hatte den Mut, ihm zumindest ansatzweise Kontra zu geben, allerdings auf eine ganz andere Art als Sasuke, der ihn ständig grundlos zu einem physischen Kräftemessen herausforderte, Hana, die nicht minder grundlos versuchte, ihn durch rhetorische Spitzen aus der Reserve zu locken, oder Yūgao, die ihren Widerstand gegen ihn durch ihr höheres Alter und ihren damit einhergehenden breiteren Erfahrungsschatz behauptete. Sakura agierte auf einer sehr viel subtileren Ebene gegen ihn, ohne respektlos zu sein. Oh ja, sie wusste genau, dass er besser war als sie. Und doch begann sie langsam, sich aufzurichten. Itachi schmunzelte, als er einen Faden adjustierte. Sicherheitshalber spannte er zwei weitere über die Fläche nahe des Rastplatzes. Man konnte nie vorsichtig genug sein. Kabuto war zwar geflohen, konnte jedoch immer noch zurückkommen. Er konnte Sakura nicht beschützen und gegen Kabuto kämpfen. Sein Schmunzeln wurde zynisch. Langsam verstand er, wieso Sasuke immer lautstark über dieses Mädchen geflucht hatte. Wenn man sie einmal im Kopf hatte, bekam man sie nicht so schnell wieder heraus. Sich seinen Weg durch das Gestrüpp schlagend, in dessen Schutz sie ihr Lager aufgeschlagen hatten, wischte Itachi sein Gesicht blank. Es war unnötig, denn als er wiederkam, schlief Sakura bereits. Wie unvorsichtig dieses Mädchen – diese Kunoichi – nein, diese Frau doch war. Einzuschlafen, wenn niemand da war, der sie verteidigen konnte. Oder war sie nur unvorsichtig, weil sie darauf vertraute, dass er sie beschützen würde; weil sie ihm vertraute? Neugierig trat er an ihre schlafende Gestalt, deren Brustkorb sich unter der ruhigen Atmung rhythmisch hob und senkte. Haruno Sakura war fürwahr keine Schönheit. Im Vergleich zu Frauen wie Yūhi Kurenai, Yamanaka Ino oder den Frauen des Uchihaklans, war ihre Haut nicht eben genug, ihre Wimpern zu kurz, ihre Brüste zu klein, ihre Taille zu breit und ihre Muskeln zu definiert. Und doch konnte er ihr ein bestimmtes Maß an Attraktivität nicht absprechen, dass sich in seinem Fall auf ihrer Fähigkeit, Felswände mit bloßen Fäusten zu sprengen, gründete. Sie war nicht schön, aber … sie hatte sich gegen seine Familie ausgesprochen, versuchte sein Ego zu parieren, versuchte mit aller Kraft, gegen ihn anzukommen. Dieses Wettrennen, das sie mit sich selbst ausfocht, ging nicht gegen ihn. Sie bemühte sich nicht wie alle anderen, ihn zu überholen – ein Ding der Unmöglichkeit, wenn er ehrlich war. Viel eher wollte sie Schritthalten, um den Anschluss nicht zu verlieren. Was viel interessanter war: vor ihm gab sie sich angriffslustig. Hinter seinem Rücken sang sie Loblieder auf ihn. Dieser Charakterzug, den er bei allen Kami nicht einordnen konnte, verwirrte ihn. Wie schaffte sie es, ihn aus seiner geregelten Bahn zu werfen, in der er seit Jahren ungestört roulierte? Sie war nicht schön, aber … reizvoll. Und sie vertraute ihm. Vertrauen war etwas, das er nicht oft geschenkt bekam. Es machte ihn stolz, in ihrer Meinung derart weit oben zu stehen, selbst nach diesem Malheur, in das sie sich gebracht hatte. Insgeheim fragte er sich, ob es ihn störte, dass sie nach dem Erlebnis in der Tsukuyomi keine Angst vor ihm hatte. Störte es ihn, dass sie ihn nicht fürchtete? Dass sie so leichtsinnig war, ihm zu vertrauen? Genervtes Raunen folgte seinem Kopf, den er ruckartig hängen ließ. Nun, wo ihn keiner sah, konnte er seine stramme Haltung für einen Moment aufgeben, das kontrollierte Gesicht grimmig verziehen und die Nase rümpfen, während er Sakuras Brustkorb beobachtete. Die repetitive Bewegung hatte etwas Beruhigendes, das seine Augen schwer werden ließ. Er schob die Müdigkeit zur Seite und wandte den Blick in die Umgebung ab. Nun stellte sich die Frage, wie weit er Sakura treiben konnte, ohne sie zu verletzen. Er wusste um seine Wirkung auf Frauen, sie würde keine Ausnahme bilden. Letztendlich war sie eine Kunoichi, deren Fähigkeiten, Vertrauen und Bewunderung er wertschätzte. Mehr als diese wohlwollende Anerkennung konnte er ihr nicht geben. »Tsk«, machte er abwehrend. Seit wann machte er sich Gedanken um etwas, das nicht seine Mission oder den Klan betraf? Lächerlich. Einfach lächerlich.     . . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)