Evenfall von 4FIVE ([Itachi x Sakura | non-massacre AU | dorks to lovers]) ================================================================================ Kapitel 5: Here's To Us ----------------------- . . Sakura erwachte mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend. Die Nachwirkungen des Chakraentzuges lasteten schwer auf ihren von der Bewusstlosigkeit abgestumpften Sinnen. Kopfschmerzen, Übelkeit, ein Ziehen im Magen, Gliederschmerzen und taubes Kribbeln in ihrem Inneren waren nur wenige Symptome, die sie vor dem ersten Augenaufschlag benennen konnte. Lichtsensibilität gleich danach. Sie kniff die Augen unter trägem Grummeln zusammen. Naruto hatte ihre erwachenden Bewegungen längst mitbekommen und seinen Griff um ihre Kniekehlen verstärkt. Sie ließ ihren Kopf seitlich auf seine Schulter rollen, sodass nicht länger ihr Kinn, sondern ihre Wange darauf lag. Ihr Kiefer pochte von der Druckstelle, die sich während Narutos holprigem Gang gebildet hatte. Ihr war egal, dass ihr Captain längst über ihr wiedererlangtes Bewusstsein im Bilde war. Sie wollte bloß noch fünf Minuten diese vertraute Nähe spüren, die sie mit keinem anderen Mann außer ihrem einzigen und besten Freund derart innig genießen konnte. Nach allem war es Narutos Verdienst, dass ihre Beziehung so eng geworden war. Es war lange her, seit sie angefangen hatte, mehr in ihm zu sehen als einen verblendeten Taugenichts voll unwillkommenem Tatendrang. Er hatte ihr die bösen Worte nie nachgetragen, ebenso wenig wie ihre eigene Verblendung, in der sie aus Prinzip fortwährend Partei für Sasuke ergriffen hatte. Uzumaki Naruto hatte sich den platonischen Platz in ihrem Herzen mühsam erkämpfen müssen, wie auch die Anerkennung des ganzen Dorfes. Egal wie sehr sie ihn verachtet hatten, er war sich treu geblieben; seinen Idealen, Maßstäben, Träumen und letzten Endes dem, was heute alle an ihm bewunderten. Sie war froh, seine beste Freundin zu sein. Zu seiner Familie zu gehören. Drei Minuten, länger konnte sie sich nicht dazu bringen, mit derart wohlwollenden Worten an den Mann zu denken, der sie nach wie vor kommentarlos trug. Ihre Finger tippten leicht gegen seine Brust, während ihre Beine sich anspannten und sie sich zwang, den brummenden Kopf in eine aufrechte Position zu bringen. »Lass mich runter.« »Wir sind bald da, Sakura-chan«, erklärte Naruto, eine subtile Aufforderung mitschwingend. »Du solltest dich noch etwas ausruhen. Unser jetziges Tempo könnte ein Problem für deinen Zustand sein.« Mit mehr Bestimmung spannte sie ihren Körper an, um ihm das ungesagte Gegenteil zu beweisen. »Ich bin Iryōnin, keine Invalide. Das sind sechzig Prozent andere Buchstaben. Wie lange war ich bewusstlos?« Sie schielte unbemerkt zu Itachi, um seine Reaktion zu testen. Sie war nicht vorhanden – er lief mit konzentriert nach vorne gerichtetem Blick schräg vor ihr. Hinter ihnen schloss Sasuke in einigem Abstand die Formation, in der sie sich schnell durch die westlichen Wälder bewegten. »Etwa dreißig Stunden«, rechnete Naruto. »Du hast diesmal mehr Chakra verbraucht als sonst.« »Jiraiya-samas internes System ist enorm komplex.« Sakura erinnerte sich vage an die vielen Verzweigungen, die sich darin befunden hatten. Es war ein Labyrinth für ihre geschulten Sinne gewesen. Sie hatte einst an Tsunade eine Heiljutsu durchführen dürfen; je mächtiger ein Shinobi war, desto verwobener waren die Bahnen des Energieversorgungssystems. Eine wahrhaft lästige Angelegenheit. Diffizil noch dazu. »Wird Ero-sennin wieder okay, Sakura-chan? Uchiha verlangt alle fünf Stunden eine Pause von unserem Laufschritt. Wir wären längst in Konoha.« »Wären wir nicht.« Sakura schlang sich ohne seine Erlaubnis aus seinem Halt, stieß sich von seinem Rücken ab und landete auf einem unter ihr hervorragenden Ast, von dem aus sie sich dem aktuellen Tempo anpasste. Es war lockerer Eilschritt; nichts, das sie nicht ein paar Stunden durchhalten konnte. Dreißig Stunden boten genügend Zeit, ihre Reserven zu regenerieren. Um zu laufen, brauchte sie ihr Chakra auch nicht unbedingt. Sie war physisch genügend trainiert, um mithalten zu können. In diesem Bewusstsein holte sie zu Itachi auf, auf dessen Rücken ihr bewusstloser Patient lag. Sie konnte ihr Chakra in seinem System arbeiten spüren – es fühlte sich seltsam an, wie eine außerkörperliche Erfahrung mit ihrer eigenen Physis erlebt. Kontrovers und in sich interessant, hätte sie Jiraiyas Gesundheit nicht sehr viel mehr beschäftigt. »Was kannst du über seinen Zustand sagen?«, wollte Itachi wissen. Erneut dieser Befehlston, der diesmal leider angemessen war. Er war verärgert, soweit konnte sie seine Stimmung beurteilen. Nein, nicht verärgert. Verstimmt? Es war eine eigentümliche Mischung, mit der er diese Frage stellte. Sie schüttelte ihre Neugierde zu seiner Person mit Mahnung an sich selbst ab. Uchiha Itachi war nicht ihre Liga. Mit derartigen Menschen wollte sie gar nicht erst mehr zu tun haben als unbedingt notwendig. »Nicht viel mehr als in Amegakure. Soweit ich es mit meinen begrenzten Möglichkeiten untersuchen kann, würde ich ihn als schwach, aber stabil beurteilen. Die Chakratransfusion hat ihr Nötigstes getan und wird ihn unter den Lebenden halten, solange sie nicht aufgebraucht ist. Ein paar Stunden noch, in denen wir uns lieber beeilen sollten.« Er sah weiterhin geradeaus. Sakura konnte sich nicht davon abhalten, ihm einen Seitenblick zu schenken, dessen Sinn sie nicht recht definieren konnte. Sie erwartet etwas von ihm, das er ihrer Meinung nach zurückhielt. Nicht, dass sie sich anmaß, die Uchihas wie Bücher lesen zu können. Sasuke war ein Buch mit sieben Siegeln und Itachi war noch sehr viel spezieller. Aber sie konnte sehen, wenn ein Dōjutsunutzer etwas unterdrückte. Das war der Nachteil an Augentechniken: sie setzen sich in Fähigkeiten, Kampftechniken und vor allem Verhaltensweisen fest. Ihr lag eine provokative Aufforderung, seine Gedanken endlich auszuspucken, auf der Zunge. Itachi war nach wie vor der Leiter dieser Mission. Ihr direkter Vorgesetzter. Also schluckte sie es herunter und zählte, bis er von selbst damit anfing. … siebenunddreißig, achtunddreißig, vierzig, einundvier – »Sakura-san.« Da war es auch schon. »Ich hoffe, dir ist bewusst, dass deine Handlungen Insubordination waren. Ich dulde in meinem Team kein inadäquates Verhalten, ebenso wenig wie das Untergraben meiner Autorität. Ich werde diesen Umstand Hokage-sama im Zuge meines offiziellen Reports melden, sobald wir zurück in Konohagakure sind.« Sie versuchte, nichts darauf zu antworten. Sein Ruf eilte ihm weit voraus und seine Korrektheit war keine Überraschung. Ebenso wenig der daraus resultierende schwarze Punkt auf ihrer mentalen Gehorsamkeitsliste, den er aufklebte. Seit Sakura sich auf Narutos emotionale Bindung eingelassen hatte, hatte sich ihr Hang zur Missachtung jedweder Befehle zugunsten ihrer eigenen grandiosen – oder weniger grandiosen – Ideen nahe an sein Niveau angenähert. Letztendlich konnte sie nicht unglücklich über sein strenges Missfallen sein, wenn sie damit das Leben des engsten Vertrauten ihrer Lehrmeisterin gerettet hatte. Apropos. »Von mir aus kannst du es ihr auch gerne vorsingen, Itachi-san«, sagte sie schließlich, »Ich werde mich nicht für etwas rechtfertigen, das im Sinne unseres Auftrages war. Außerdem, wer denkst du holt ihr abends neuen Sake von ihrem Lieblingshändler, wenn alle anderen schon schlafen? Oder lässt ihre erbarmungslosen Schimpftiraden über sich ergehen, wenn die Goikenban auf ihren Nerven trampeln?« Zufrieden nickte sie. »Ich habe bei Tsunade-sama so viele Steine im Brett und ich habe keine Skrupel, diese Tatsache zu meinem persönlichen Vorteil zu nutzen. Tsunade-sama hätte es nicht anders gemacht.« Sakura hätte schwören können, Itachi hätte für einen kurzen Augenblick amüsiert gelächelt, doch dies war vermutlich mehr Wunschdenken als Wahrheit. Sie hatte sich früher auch oft eingeredet, Sasuke hätte sie angesehen, wenn sie im Unterricht etwas besonders gut gekonnt hatte. Pustekuchen! »Das hoffe ich. Ich wollte damit keineswegs deine Fähigkeit, richtige Entscheidungen zu treffen, kritisieren. Bloß den Mangel an Disziplin, der einen Chūnin von einem Jōnin unterscheidet.« Sakura wandte stur den Blick nach vorne, wo bald das Tor Konohas in Sicht kommen würde. Wie gerne hätte sie etwas maßlos Wortgewandtes erwidert, das ihn in den Grundfesten seines Hauptaspekts erschüttern würde. Leider – und dieses Leider verblieb gering, da sie es nicht gewagt hätte, einer Kapazität wie ihm einen Grund zu geben, seine Meinung von ihr noch weiter zu verschlechtern – blieb eine Eingebung für ein solches Gegenargument aus. Vornehmlich, weil es keines gab. Hätte sie sich eine Minute Zeit genommen, ihm ihre Behandlung zu erklären, hätte er zugestimmt und sie bräuchte sich nun nicht zu fragen, wie vermessen es gewesen war, zu denken, ihre freie Entscheidung stünde in einer annehmbaren Relation zu dem Befehlswort des Kommandanten. Und sie bräuchte sich nicht zu fragen, ob er diese eine von vielen Schwachstellen ihrer Person durchschaut hatte, die sie daran hinderte, mehr zu sein als bloß Chūnin. Weiter fand sie sich vor einer viel unangenehmeren Frage wieder: wenn Uchiha Itachi binnen zwei mittellanger Interaktionen eine ihrer größten Schwäche entlarvt hatte, wie viele mehr davon kannte er noch? Sie schauderte unwillkürlich. Itachis Sharingan mochte nicht wie das Byakugan durch Haut und Knochen sehen können, dafür konnte es etwas sehr viel Unwillkommeneres. Es reduzierte seine Kameraden, wenn er wollte, auf ihre Stärken und Schwachstellen. Für Sakura bedeutete dies nur eines: ihr Versuch, genau diese Stärken zu beweisen, war, obwohl oberflächlich geglückt, in Wahrheit nach hinten losgegangen. Sie hatte weder Lob, noch Anerkennung erwartet. Doch diese Erkenntnis hätte sie lieber nicht erfahren. . . Dass Itachi sie offensichtlich für fachlich kompetent, aber unwürdig als Mitglied seines elitären Teams erachtete, nagte mehr an ihr als sie zugeben wollte. Die restlichen zwei Stunden, die sie brauchten, um Konohas schützende Grenzen zu erreichen, beschäftigte sie sich mit der Eruierung der Eigenschaften, die die Shinobi in Itachis ANBU Team hatten. Shisui war ein leichtfüßiger Frauenheld mit mutwilligen Intentionen, kompromisslos seinen Dickschädel durchzusetzen. Yūgao war professionell, loyal und hintergründig. Sie hatte eine unbestreitbare Tendenz zur Befolgung jeder noch so unsinnigen Regel, die das breite Protokoll Konohas barg, wenn auch nicht so pathologisch wie Itachis Hang dazu – Sakura sympathisierte seit jeher mit weiblichen Minderzahlen in überwiegend männlichen Konstellationen, was auf die Mehrheit ihrer Bekannten zutraf. Zuletzt blieb Sasuke, der von keinem je gefragt wurde und zu allem bloß Amen sagen durfte. Die gemeinsame Komponente war die bedingungslose Loyalität Konoha gegenüber. Vielleicht war es das. Sakura war nicht minder bedingungslos loyal, doch ihre Treue gehörte in erster Linie den Menschen, die sie liebte. Tsunade, Naruto, ihren Eltern. Zuerst kamen ihre Freunde, dann die Mission. Im Notfall beides kombiniert. Bislang hatten sie immer eine Lösung gefunden, mit der sie beide Bereiche retten hatten können. Doch wenn es hart auf hart ging, wusste sie, wem sie Vorrang geben würde. Izumo und Kotetsu waren jäh alarmiert, als sie ohne Anmeldung an dem Wächterhaus vorbeiliefen. Es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass man Tsunade informierte, sobald dies der Fall war. Aufgrund dessen war es nicht verwunderlich, dass die Hokage mit einem vollbemannten Operationsteam am Eingang zur Notaufnahme wartete. Sofort waren drei Iryōnin zur Stelle, die den bewusstlosen Sannin auf eine vorbereitete Trage legten. »Ist er stabil?«, fragte Shizune. Tsunade hatte sich längst mit einer Kohorte kreativer Flüche über ihren Freund gebeugt. »Sakura«, unterband sie die weiteren Anamnesefragen ihrer in beigefarben gekleideten Assistentin, »Du hast wieder mit Shōsen no Jutsu experimentiert. Darüber unterhalten wir uns später. Sasuke, Naruto, ihr seid entlassen. Itachi, ich erwarte einen vollständigen Bericht bis heute Abend. Du!« Sie wandte sich in betriebsamer Hektik ihrer Schülerin zu. »Du hilfst mir, diesen Blödmann zurück ins Reich der Lebenden zu bringen.« Auf ein Zeichen hin schoben die Helfer die Trage einen der vielen Gänge entlang und durch eine Tür hindurch, hinter der Sakura bereits einige Menschenleben verloren hatte. Diesmal nicht. Tsunade war eine Koryphäe und zu unbarmherzig, um dem Patienten ihre harte Strafe für seine Dummheit durch vorzeitiges Ableben zu erlassen. Sakura desinfizierte ihre Hände routiniert mit dem dafür vorgesehenen Mittel. Es war Krankenhausvorschrift, selbst wenn man durch Chakraösen arbeitete, ohne den Körper direkt zu öffnen. »Wie ist es geschehen?«, wollte Tsunade wissen. Sie krempelte ihre Ärmel hoch und entfesselte ihr zurückgehaltenes Chakra, das in einer konzentrierten Welle um sie schwebte, wo sie es für den Eingriff vorbereitete. Sakura, chakraarm von ihrer kompletten Auszehrung, beschränkte sich darauf, seinen Kreislauf durch das Lenken ihres eigenen Chakras darin konstant zu halten, während Shizune sich mit zwei ihrer Kollegen daran machte, oberflächliche Wunden sukzessive zu reduzieren. »Als ich kam, war Jiraiya-sama bereits bewusstlos. Ich nehme an, er verlangte seinem überanstrengten System für die finale Jutsu zu viel Kraft auf. Pain muss sie abgewehrt haben. Er hätte ihn getötet, hätten Itachi-san, Sasuke-kun und Naruto nicht eingegriffen. Ich war noch im Dorf, weil ich dachte, eine Spur gefunden zu haben –« Tsunade brachte sie mit einer Geste ihrer grün leuchtenden Hand zum Schweigen. »Später. Du hast nicht mehr genügend Chakra, um sein System zu reparieren, aber du weißt, wie man es stabilisiert, während ich es versuche?« Sakura biss sich auf die Unterlippe. Es war schwierig, denn sie musste ihr eigenes Chakra in exakt dem Maß aus Jiraiya ziehen, in dem Tsunade das ihre einführte. Eine Umpolung, die schnell schiefgehen konnte. Dies war eine der vielen Tücken, die diese Variante von Shōsen no Jutsu beherbergte. Jiraiyas Körper war zu schwach, um sein Chakra schnell genug zu reproduzieren, also musste ein anderes durch seine Kanäle geleitet werden, das die durch Überbeanspruchung dort entstandenen Schäden – Risse, Löcher, Perforationen – heilte. Dafür durfte der heilende Chakrastrom mit keinem anderen in Konflikt geraten. Sobald Tsunade fertig war, musste Sakura ihr entferntes Chakra retournieren, wo es die Neubildung aller nötigen Energieressourcen unterstützte, bis es aufgebraucht war. Dies stand in keinem Lehrbuch. Es war eine eigens entwickelte Methode, die auf keinem Schlachtfeld dieser Welt jemals Anwendung finden würde. Sie war unerprobt und hätte Tsunade von ihr verlangt, auf ihr eigenes Leben zu schwören, hätte sie gezögert, ob sie ein solch experimentelles Verfahren fehlerfrei durchführen konnte.  Itachis Schelte hallte durch ihren Kopf. Konoha vor Freundschaft. Das Dorf vor seinen Bewohnern. Dies war nicht das Prinzip eines Heilers. »Ja, Tsunade-sama.« . . Die Ruhe war so willkommen wie die Dusche, die sie endlich bekommen hatte. Diesmal hatte sie nicht den Fehler gemacht, Körperhygiene zugunsten einer Runde Schlaf schleifen zu lassen. Das letzte Mal war sie immerhin eine Woche lang nicht zu einer ordentlichen Dusche gekommen. Heute gönnte sie sich ein ausgiebiges Bad in der Badewanne ihrer Eltern, die nach einer Stunde ungeduldig gegen ihre Tür geklopft hatten, um sie zu verscheuchen. Der Dampf, den das heiße Wasser abgesondert hatte, war tief in ihre Haut eingedrungen und als Sakura ihr Gesicht prüfend im mannshohen Spiegel in ihrem Kinderzimmer betrachtet hatte, klatschte sie zufrieden in die Hände. Das Handtuch um ihren nackten Körper betonte ihre athletische Figur, die alles andere als weiblich, aber immerhin unter der Oberfläche muskulös war. Ein Argument, das ihre Mutter ihr hervorragend vorzuwerfen wusste. Sie verdrehte die Augen, warf das Handtuch beiseite und zog einige willkürlich gewählte Kleidungsstücke aus der Kommode, die sie schnell über sich streifte. Man wusste nie, wann ein zufälliger – oder auch weniger zufälliger – Shinobi seinen Weg an ihr Fenster fand, um sie hierhin oder dorthin zu bestellen. Manchmal tauchte auch Naruto in bekannter Spontanität in unpassenden Momenten auf, um sie zu nerven. Paranoid oder nicht, Sakura sah sich immer um, ehe sie irgendetwas tat. Die Fallen in ihrem Zimmer hielten Feinde zwar für einige Momente auf, nicht jedoch orangeleuchtende Plagegeister. Zufrieden mit dem Ergebnis ihres gewohnten blauen Rockes und einem senfgelbem Oberteil, an dessen Kauf sie sich beim besten Willen nicht erinnern konnte, ließ sie sich rittlings auf ihr Bett fallen, dessen weiche Decke sich um ihren nach parfümierter Kernseife duftenden Körper schlug. Tsunade hatte sie, ohne weitere Erklärungen zu fordern, nach Hause geschickt. Jiraiyas Operation war nach einigen kniffeligen Spitzen gut verlaufen; er würde vermutlich schon in ein paar Tagen sein Bewusstsein wiedererlangen. Seine vollständige Genesung würde sehr viel länger dauern. Wochen, wenn nicht Monate. Gnade ihm Gott, wenn die ehrenwerte Hokage ihn dann nicht wieder krankenhausreif prügeln würde. Grobe Fahrlässigkeit mit extremer Bescheurtheit hatte diese seine Mission genannt. Sakura bezweifelte, dass 'Bescheuertheit' ein linguistisch korrektes Wort war, aber die grimmige Intonation ihrer Meisterin hatte sie davon abgehalten, ihre Meinung über diesen Neologismus kundzutun. Sakura war, ohne es bemerkt zu haben, eingeschlafen. Das hieß, nach dem Aufwachen fühlte sie sich nicht, als habe sie neun Stunden Schlaf hinter sich. Etwas in ihr schrie danach, in ihrem Bett zu bleiben, bis die Sonne vollends untergegangen war. Nichtsdestoweniger hatte Tsunade einen mündlichen Report zusammen mit einem schriftlichen Protokoll über Sakuras Vorgehensweise in Amegakure bis zum Abend verlangt. Dieser brach langsam mit den schwindenden Sonnenstrahlen an. Sie wollte es lieber gleich hinter sich bringen. Dies war der Nachteil an Missionen, die frühmorgens endeten: die Fristen für Berichte waren sehr viel enger angesetzt. Wie nervig, hätte Shikamaru gesagt. Sakuras Pflichtbewusstsein hielt sie davon ab, dies auch nur zu denken. Nach allem, was sie sich bereits geleistet hatte, wollte sie den Rest lieber überkorrekt machen. Die Tür zum Büro der Hokage war, wie immer, sperrangelweit geöffnet. Bloß Sakuras eben genanntes Pflichtbewusstsein hielt sie davon ab, Kehrt nach Hause zu machen. Tsunades Standpauke konnte zwar nicht so schlimm sein wie Itachis, doch zwei Belehrungen an einem Tag waren schwer zu verkraften. Diese Tatsache nach hinten schiebend, nahm sie ihren Mut zusammen, betrat das ovale Zimmer und legte eine ausgefüllte Protokollvorlage auf den Schreibtisch. »Legen Sie los, Shishō.« »Itachi war eben hier«, sagte sie trocken, ohne von einem Bericht aufzusehen, den sie mit Argusaugen studierte. Er war lange und scheinbar ausführlich. Dieser Streber. »Detailliert wie immer. Aufteilung … Infiltrierung … wie zu erwarten: Akatsuki … Insubordination?« Sakura streckte verteidigend eine Hand von sich. »Das ist eine haltlose Anschuldigung!« Sie hatte geglaubt, die Lüge würde ihr schwerer von den Lippen gehen. »Das heißt, ich habe im Interesse meines Patienten gehandelt. Itachi-san hatte keine Befugnisse, über meine Handlungen zu entscheiden. Insofern war es kein Missachten direkter Befehle.« »Das sehe ich nicht so«, korrigierte Tsunade streng. Sie las den Bericht zu Ende, legte ihn ab und legte die Finger ineinander. »Welch Glück du hast, dass mir egal ist, was meine ANBU-Leute schreiben, solange die Mission erfolgreich war. Du hast Jiraiya unter selbstloser Aufopferung deiner eigenen Gesundheit lebend zurückgebracht. Dies war nicht der übergeordnete Sinn dieses Auftrages und wäre ich dabei gewesen, hätte ich dich erschlagen, ehe du dich für diese Maßnahme entscheiden konntest. Als Hokage maßregle ich dich, derartige Aktionen nicht zu wiederholen. Als Shinobi bin ich der Meinung, dass du das Wohl eines Einzelnen über das der Gruppe gestellt hast und ich bin schwer enttäuscht. Als Iryōnin finde ich es unverzeihlich, deine Gesundheit für einen Patienten wider unsere Grundsätze derart verraten zu haben.« Sakura stieß erleichtert Luft auf. »Als Freundin dieses perversen Schwerenöters danke ich dir von ganzem Herzen. Ich hätte nicht anders gehandelt. Aber –« Sie schlug ihre Faust auf den Tisch und verfinsterte ihren Blick. »– wenn du noch einmal so dumm bist, gebe ich dir erst wieder eine neue Mission, wenn du älter bist als die beiden Goikenban zusammen.« »Danke, Hokage-dono.« »Spar dir deine Höflichkeitsform für Momente, in denen ich nicht wütend über deine Leichtfertigkeit bin. Dich vor Itachi so aufzuführen – vor Sasuke noch dazu! Vor irgendeinem Uchiha, geschweige denn zwei!« Tsunade presste ihre Fingerspitzen gegen ihre Schläfe. »Diese Anhäufung unverschämten Talents glaubt jetzt schon, dass mir meine Shinobi auf der Nase herumtanzen. Weißt du, was dieser Pedant sagte, als er mir den Bericht gab?« »Ich bin unqualifiziert, launisch, ungehorsam und schwach?«, resümierte Sakura den Eindruck, den er von ihr haben musste. »Es sei möglicherweise klug, Naruto und dich einige grundlegende Richtlinien unserer Kodizes abschreiben zu lassen.« Sie unterdrückte ein erstauntes Lachen. Itachis Humor hätte kapriziös angemutet, wenn sein Vorschlag nicht als ernstgemeinter Rat gemeint gewesen wäre. Ein Uchiha machte keine Scherze. »Denken Sie, es würde helfen?« Tsunade konnte ihr eigenes erstauntes Lachen nicht zurückhalten. Es entfuhr ihr in hohlem Schnauben. »Ich habe Vertrauen, dass du nachdenkst, bevor du etwas tust. Bei Naruto ist Hopfen und Malz verloren. Und doch …« Sakura lächelte milde. »Und doch wird er eines Tages Hokage werden und alle dagewesenen mit seiner Güte, Gefühlsbereitschaft und seinem Mut in den Schatten stellen.« Sie zuckte beim zweifelnden Blick ihrer Meisterin die Schultern. »Hinatas Worte, nicht meine. Sie neigt zur Glorifikation, wie Sie wissen.« Tsunade antwortete nicht, sondern betrachtete ihre Schülerin eingehend. »Du siehst noch immer geschafft aus. War die Mission auch nicht zu viel für dich? Ein Chūnin ist normalerweise nicht für S-Rang Aufträge vorgesehen.« »Ich bin hier, nicht wahr?« Die Hokage nickte und schickte sie mit einer Geste fort. »Geh lieber, ehe ich mir eine Strafe für dich ausdenken kann. Nimm dir morgen frei, den Rest der Woche will ich dich im Krankenhaus sehen. Ich erwarte drei ANBU Teams und zwei Genineinheiten samt ihren Ausbildnern zurück. Laut Protokoll, Sakura«, rief sie ihr eindringlich in Erinnerung, als wäre es Sakuras Schuld, dass es niemand befolgen wollte, »Wird jeder untersucht. Ich möchte am Ende der Woche neunzehn Krankenblätter in der Listenablage vorfinden.« Sakura verbeugte sich knapp. Es war zwecklos, sich zu rechtfertigen, wenn sie ungeschoren davongekommen war. . . »Und?« Naruto lehnte an der Wand des Ganges vor dem Haupteingang, den sie entlangeilte, ehe Tsunades Verstand eine angemessene Bestrafung ausarbeiten konnte. Sie fragte sich schon lange nicht mehr, wie er sie ständig fand. In diesem Fall war es nur logisch, dass sie irgendwann Bericht erstatten musste; beeindruckend war sein Gespür für zeitliche Abstimmungen. Vielleicht hatte er auch einfach nichts Besseres zu tun, als stundenlang irgendwo zu stehen, um auf seine Zielpersonen zu warten. Andererseits hatte sie ihn beim Hereinkommen nicht gesehen – »Sakura-chan?« Sie schüttelte den Kopf und streckte sich. »Alles in bester Ordnung. Hoffen wir einfach, nie wieder eine Mission mit den ANBU machen zu müssen. Jedenfalls nicht mit jenen, die Uchiha im Nachnamen heißen, sonst sind wir unseren Status schneller los, als uns lieb ist.« »Hat Uchiha wirklich gepetzt?«, fragte Naruto verwundert. Er verfiel in lockeren Spazierschritt, neben dem sie die Hauptstraße entlang stadteinwärts schlenderten, wo die Sonne kurz vor dem Untergehen ihre langen Schatten warf. »Man nennt es Melden und Itachi-san hat recht. Wir sind zu anarchisch. Nicht, dass wir es ändern könnten, aber wir sollten zumindest an unserer Selbstdisziplin arbeiten.« »Ja, ja, morgen«, verbannte er diesen Vorschlag aus der Konversation. »Wollen wir uns noch auf ein paar Gläser Sake zusammensetzen?« Sakura hatte nicht übel Lust, sofort umzufallen und ihr Nachtlager hier am Straßenrand aufzuschlagen. Neun Stunden Schlaf waren eine Menge, bemessen an ihrem regulären Pensum, doch ihre Chakrareserven waren immer noch nicht wiederhergestellt, was es schwierig machte, Kraft für soziale Interaktionen zu schöpfen. »Komm schon«, drängte Naruto, der ihr Zögern bemerkte, »Es ist doch die Tradition unseres Teams!« Das hatte seine Richtigkeit, wie sie sich eingestehen musste. Seit sie in der Lage waren, legal Alkohol zu trinken, hatte es sich bei Team Sieben – dem neuen, verbesserten Team Sieben, in dem kein arroganter Uchiha Sasuke mitmischte – eingebürgert, nach jeder erfolgreich ausgeführten Mission noch am selben Abend in einer bestimmten Bar mit ein paar Gläsern Sake anzustoßen. Oder auch ein paar mehr. Sie verengte skeptisch die Augen zu Schlitzen. »Du willst doch bloß ein Date mit mir.« »Quatsch!« Er hob unschuldig die Arme. »Sasuke meinte, er würde mitkommen.« Sakura blieb schlagartig stehen. »Noch ein Grund mehr, nicht mitzukommen, wenn du mich fragst. Naruto, ich habe keine Lust, mich mit Sasuke-kun an einen Tisch zu setzen und darauf zu trinken, welch tolles Team wir doch auf dieser Mission waren. Das waren wir nicht. Wir waren fürchterlich! Ein unkoordinierter Haufen ahnungsloser Hampelmänner, die einander nicht einmal leiden können.« Nicht minder unschuldig faltete Naruto seine erhobenen Arme zu einer Entschuldigung. »Komm schon, Sakura-chan, lass' mich nicht im Stich! Alleine würde ich ihm den Schädel einschlagen, das weißt du!« Wie herrlich, dass er sie als Puffer missbrauchen wollte. Es funktionierte auch noch. »Von mir aus. Dieses eine Mal, weil du mein Freund bist und Sasuke-kun sich aus unerklärlichen Gründen dazu bereiterklärt hat.« Bestimmt stemmte sie die Arme in die Hüften. »Aber wehe ihm, er kommt mir blöd. Dann fliegt er schneller durch die Wand, als ihm lieb ist.« Dass sie Sasuke niemals schlagen könnte, selbst wenn sie es wollte, war ihr mehr als nur schmerzlich bewusst. Angeberischer Bastard. Irgendwann würde sie schon darüber hinwegkommen, dass er Team Sieben im Stich gelassen hatte. Bis dahin begnügte sie sich damit, sich stumm zu wünschen, er gäbe ihr Öl für ihr Feuer. . . Dass die Bar gut besucht war, war kein Wunder. Es passierte nicht selten, dass ankommende Teams, die dasselbe Ritual pflegten, sich überschnitten. Die Kneipe, die sie über die Jahre hinweg liebgewonnen hatten, hatte sich auf Shinobi spezialisiert. Man wusste, wie man mit betrunkenen Ninjas umzugehen hatte, kannte die meisten Namen und noch viel wichtiger, die Namen ihrer Vorgesetzten. Dass die Bar gut besucht war, war demnach tatsächlich kein Wunder. Dass ausgerechnet – ausgerechnet – drei Uchihas fein säuberlich an einem Tisch saßen, als habe man sie dort für die Damenwelt drapiert, war das wahre Wunder. Ein grauenhaftes Wunder. Sakura schluckte. Sie sah in ihren legeren Freizeitsachen aus, als habe sie den lieben langen Tag in antriebsloser Lethargie im Bett verbracht; ein Umstand, den diese Petze – pardon, Captain Uchiha Itachi – still bekritteln würde. Zu ihrer Erleichterung sah er nicht auf, als sie die Bar betraten. Ganz anders sein Bruder, der zu schön für dieses Etablissement war. Die Augen jeder Frau klebten an ihm. Ekelhaft. Naruto, der diesen Umstand ohne Überraschung bemerkte, drehte auf dem Absatz um. »Niemand hat erlaubt, dass er Uchiha und den anderen Kerl mitnimmt. Wie sollen wir ihn abfüllen, wenn zwei Anstandswauwaus daneben sitzen?« »Wir schaffen das schon«, versprach Sakura. »Der andere Kerl ist übrigens Uchiha Shisui-san und ich wäre dir sehr verbunden, wenn du die beiden zumindest höflich adressierst. Ich möchte nicht auch noch wegen Unhöflichkeit gegen Höherstehende belangt werden.« Sie seufzte tief, als sie Ino mit einem vollgefüllten Bierkrug an der Theke stehen sah. »Geh' vor, Naruto. Ich werde mit der ersten Runde Sake in ein paar Minuten zu euch kommen.« Einverstanden drängte er sich durch die Menge, an deren Ende er sich auf einen der freien Plätze auf der Bank Sasuke gegenüber fallen ließ, wobei er Shisui dicht an die Wand drängte, um für Sakura den Platz neben ihm freizuschaufeln. Bewundernswert, dass er mit seinem Mangel an Respekt vor Autoritätspersonen noch kein Disziplinarverfahren abbekommen hatte. Was auch immer Itachi und Shisui hier wollten, sie sahen nicht aus, als seien sie auf Sasukes Bitte hier. Er wirkte eher genervt von der Anwesenheit seines Bruders, der während Shisuis Anekdote keine Miene verzog. Sakura erkämpfte sich ihren Weg zur Bar mit ihren Ellenbögen, für deren Einsatz sie drei Mal gerügt wurde. Zuletzt von jener Person, die sie angesteuert hatte. Ino fuhr mit erhobenem Zeigefinger herum, die Wangen gerötet vom Alkohol. »Du Penner, wie oft soll ich dir noch sagen, ich bin nicht dein Fli – Sakura!« Sie breitete die Arme aus, um sich ihrer Freundin an den Hals zu werfen. »Wie schön, dass du gekommen bist! Hast du ein Geschenk mitgebracht? Ich dachte, du wärst dieser schnöde Typ dort, der mir dauernd einen ausgeben will.« Sakura durchforstete fieberhaft ihren mentalen Kalender. Ino hatte heute nicht Geburtstag. Ihre Begleiter, Shino, Shikamaru, Chōji und Hinata, ebenfalls nicht. Ehe sie etwas Verlegenes darauf erwidern konnte, hatte Hinata ihr Dilemma bemerkt. »Du weißt es noch gar nicht? Shikamaru-kun wurde gestern zum Jōnin erhoben. Ist das nicht toll?« Erschlagen von dieser Neuigkeit, brauchte sie einige Sekunden, bis sie die Information verarbeiten konnte. Es stand außer Frage, dass Shikamaru ein Genie war. Seit er inoffizieller Anführer eines relativ beständigen Teams, bestehend aus Shino, Ino und manchmal Hinata, geworden war, wurden seine Leistungen öfters diskutiert als die anderer talentierter Chūnin. Trotzdem. Erst Lee und Neji, dann Naruto, jetzt Shikamaru – wer kam als nächstes? Ino? »Gratulation«, brachte sie schließlich heraus. Es war ehrlich gemeint, wenn auch verkrampft ausgesprochen. Der Beglückwünschte störte sich nicht daran, sondern ließ sie Ino gegenüber auf dem Hocker sitzen, wo diese ihre Hand nahm. »Darf ich mich zu euch setzen, Sakura-chan?«, schnurrte sie ungewohnt versöhnlich, was Sakura hellhörig werden ließ. Ino war nicht der Typ, der ohne Neckerei freundlich war. Schon gar nicht mit einer Verniedlichung eines Namens. »Wieso?« »Meine lieben Teamkameraden wollen schon nach Hause und … dieser Uchiha ist heiß«, schwelgte sie, sich durch die offenen blonden Haare streichend. »Welcher?« »Na, alle!« »Von mir aus.« Sakura wusste, dass ihre Freundin ihre Zustimmung nicht brauchte, um ihrer Libido zu folgen. Wenigstens sah sie gut aus, war geschminkt und trug ein nettes schwarzes Top, das Vorzüge betonte, die von Sakura ablenkten. Sie wollte weder das Ziel von Itachis weiterführenden Belehrungen, noch Shisuis Flirtversuchen werden. Niemand, der etwas auf sich hielt, ließ sich ernsthaft auf Shisui ein. Er war Mitglied eines Klans, der keine Außenstehenden in der Familie duldete. Also begnügte er sich, absichtlich, mit kurzlebigen Affären. Ino hatte gute Karten, eine davon zu werden. Wenn Sakura geglaubt hatte, sie könne sich mit ihren Anhängseln einfach so an 'ihren' Tisch setzen, hatte sie sich gewaltig getäuscht. Shisui machte seinem Ruf alle Ehre und stand in einer ausholenden Geste auf, um die beiden Frauen zu hofieren, was Ino in offenkundige Entzückung versetzte. Sakura hingegen hoffte, dass die mittelgroße Flasche Sake mit den fünf Gläsern sie nicht als geizig erscheinen ließ. Selbst mit ihrer letzten S-Klasse Mission konnte sie keine weiten Sprünge machen. Hoffentlich würden die ersten beiden Gläser Sasuke Spendierhose anziehen, sonst würde dies ein kurzer Abend werden. Die drei ungebetenen Gäste waren nicht eingeplant gewesen. »Wie fachmännisch. Ganz die Meisterin«, kommentierte Sasuke abfällig von der Seite, als sie begann, fünf mitgebrachte Gläser nach der allgemein beherrschten Begrüßung zu füllen. »Bist du auf Streit aus?«, fragte sie unverhohlen, ihm das erste Glas reichend. »Keineswegs. Naruto meinte, es wäre eine Tradition, die man nicht brechen dürfte. Es bringe Unglück.« »Seit wann bist du abergläubisch, Sasuke-kun? Und wenn du es bist, solltest du auch wissen, dass es Unglück bringt, teamfremde Personen einzuladen. Brauchst du deinen Bruder als Beschützer?« Das zweite Glas gehörte Naruto, das dritte Shisui, der es zuvorkommend an Ino weiterreichte. »Das ist meine Schuld«, räumte zweiter ein. »Er geht nie aus, aber als ich hörte, dass Sasuke in so reizender Gesellschaft sein würde, musste ich uns beide einfach mitbringen. Ich hoffe, niemand hat etwas dagegen?« Tsk. Eine Frage, die man gar nicht zu seinen Ungunsten beantworten konnte. Sakura schob ihr vorletztes Glas in Itachis Richtung, der es jedoch musterte, als wisse er nichts damit anzufangen. Prüfend roch sie an ihrem Exemplar. Hatte er etwas an ihrer Auswahl auszusetzen, weil es nicht das teuerste Produkt der Karte war? Sasuke und Shisui nahmen es ohne Einwand nach den anderen auf. »Auf was trinken wir?«, fragte Ino in die Runde. »Auf schöne Frauen«, entschied Shisui. Wie abgedroschen. Ino erfreute es. »Auf wunderbare Gesellschaft«, korrigierte die angetrunkene Blondine. Noch abgedroschener. Naruto stieß mit dem Rand seines Glases gegen alle anderen erhobenen. »Auf das, auf das wir immer trinken. Uns und wie gut wir sind!« Mit einem Zug tranken sie ihre Gläser leer und knallten sie auf den Tisch zurück, wie es sich nach Hochprozentigem gehörte. Itachis Exemplar war nach wie vor unberührt, was Sakura nicht entging. Sie saß ihm gegenüber neben Naruto auf der einen und Ino auf dem zugestellten Stuhl auf der anderen Seite. Wenn er sich schon nicht in dieser niederen Gesellschaft zu amüsieren wusste, hätte er lieber gleich zuhause bleiben sollen. Es war ihr unangenehm, nach seiner Schelte an seinem Tisch zu sitzen. Umgekehrt. Egal. Ohne es zu merken, hatte sie ihr Glas erneut gefüllt und prostete ihm zu. »Darauf, dass meine Trinkgewohnheiten kompromissloser sind als meine Kunoichiqualitäten«, rief sie mit Unterton in die Runde, in die alle außer er mit einstimmten. Nicht, dass es eine Rolle spielte, auf was man anstieß. Sie hätten auch auf rote Elefanten und lila Socken getrunken. »Falls du mir Vorwürfe machen willst, Sakura-san, ist dies kaum der richtige Ort dafür«, erwiderte Itachi plötzlich. »Ich bereue meine Entscheidung keineswegs. Du hast über meinen Kopf hinweg entschieden, was tödlich hätte enden können.« »Hat es aber nicht«, erwiderte sie stur. Was zwei Gläser Sake ausmachen konnten. Ihr Herz pochte vor Aufregung, er könne zu einer neuen Predigt ansetzen, doch glücklicherweise entschied Itachi, dass es Zeit war, dieses Thema ad acta zu legen. Sie wagte nicht, erneut auszuholen, weil dieser übertalentierte Snob recht hatte. Ausgesprochen hätte sie es niemals. Sie war nicht Naruto, der sagte, was ihm auf der Zunge lag. Auch nicht, wenn dieser übertalentierte Snob ihren Sake nicht zu schätzen wusste. Ino war nach ein paar Gläsern Alkohol ganz anders. »Na, na, Itachi-kun«, gurrte sie betont tadelnd, »Das ist noch lange kein Grund, Sakuras Sake zu verschmähen! Sie hat einen guten Geschmack! Das Zeug schmeckt wirklich gut.« »Ino!«, zischte Sakura mahnend und zog ihre Freundin am Oberarm zurück, als diese dabei war, sich dicht zu Itachi zu lehnen. »Ich bin mir sicher, ihr Geschmack ist nach jahrelangem Training unter Hokage-sama äußerst erlesen«, gab er zu, »Aber ich trinke keinen Alkohol.« Ino blinzelte ihn an, als käme er vom Mond, brach in Gelächter aus und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, während sie allen anderen eifrig nachschenkte. »Ja, ja, tun wir alle nicht.« Sie kippte ihr drittes Glas in Folge mit einem erheiterten Lächeln auf den Lippen. Naruto und Sasuke waren auf ihrer anderen Seiten bereits wegen irgendeiner Nichtigkeit in einen Disput verfallen, den Shisui verzweifelt zu lösen versuchte. Indes fragte Sakura sich, seit wann sie derart voreingenommen war. Natürlich, er war ein Uchiha. Waren nicht alle Uchihas arrogant und eingebildet? Sie stieß erneut mit Ino und diesmal Sasuke an, der eifrig dabei war, seinen Rückstand aufzuholen. Dass Naruto entsetzt bemerkte, an letzter Stelle zu sein, ließ ihn nicht minder motiviert nachschenken. Die entspannte Atmosphäre, die durch zunehmenden Promillepegel immer harmonischer wurde, wurde bloß durch Itachis stoische Präsenz gestört, die ein jeder außer Sakura und Ino zu ignorieren schien. Letztere war währenddessen hin- und hergerissen, welchem wunderbaren Uchiha sie ihre Aufmerksamkeit schenken sollte. Shisui hatte mit Naruto und Sasuke eine Diskussion über ein neues Waffenformat begonnen, sodass ihr letzten Endes nach Itachis Desinteresse an schlichtweg allem nichts weiter übrigblieb, als mit Sakura zu reden, die wiederum unbemerkt ihr Augenmerk auf Itachi gerichtet hielt. Sie wollte wissen, wieso er hier war. Spionierte er sie alle aus? Betrieb er Feldforschung am gemeinen Volk? Wusste er sich nicht gegen Shisui zu verteidigen oder war ihm einfach nur langweilig? Er wirkte so fehl am Platz, umrahmt von angeheiterten einfachen Shinobi, die regelmäßig ihre Bierkrüge erhoben, zu Musik johlten und auf Tischen tanzten. Es war nicht seine Welt, das sah sie ihm an. Die aristokratische Ausstrahlung, sein wie in Stein gemeißeltes glattes Gesicht, diese wandelnde Perfektion hatte doch nichts in der niederen Welt von einfachem Spaß verloren. Ein Uchiha wusste sich gewiss eleganter zu beschäftigen; ein Gedanke, den Shisui sofort mit einem großen Schluck Bier widerlegte. Welcher perfide Grund mochte wohl hinter Itachis Anwesenheit stecken? Es dauerte nicht lange, bis die zweite Flasche Sake zur Hälfte geleert war und die Stimmung zusehends heiterer, aber auch unkontrollierter wurde. Irgendwann fand Sakura sich zu einem leeren Stuhl sprechend und Ino an Itachis Seite sitzend, wo sie versuchte, ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Diese Schnapsdrossel war schlimmer als Tsunade! Letztere wurde bedingt durch jahrelanges Training wenigstens nicht derart schnell betrunken. Sakura ließ das Opfer von Inos Flirtversuchen einige Minuten schmoren um zu beobachten, wie er mit dieser Situation umging. Okay, sie war längst nicht mehr nüchtern und bis sie realisiert hatte, was ihre beste Freundin im Inbegriff war zu tun, brauchte es länger als gewöhnlich. Dies bescherte ihr einen amüsanten Anblick: Itachi, wenn auch mit unveränderter Miene, wich zum ersten Mal vor etwas zurück. Interessant. Ino hatte es binnen weniger Stunden geschafft, ihn in die Enge zu treiben. Trotzdem er sich sichtlich unwohl fühlte, war sein abwehrender Griff um ihre Schulter, mit dem er sie wegdrückte, beeindruckend geradlinig. Seine Bewunderin ließ sich davon keineswegs abschütteln. Nach ihrem zweiten erfolglosen Versuch, einen Scherz zu machen, zeigte Sakura Erbarmen, obwohl er es ihrer Meinung nach nicht verdient hatte. Sie stand auf und zog ihre Freundin am Top auf die Bank Itachi gegenüber; sie selbst setzte sich als Puffer zwischen sie und Itachi, der keine Anstalten machte, ihr zu danken. »Möchtest du mir nicht über den Jungen erzählen, mit dem du letztens ausgegangen bist, Ino?« Sie warf Itachi einen Seitenblick zu. Dieser hatte sich – weiterhin ohne ein Wort des Danks – in ein Gespräch mit Shisui geflüchtet und seinen Platz mit Sasuke getauscht, sodass er möglichst weit weg von Ino saß. Arme Ino. Ihr schien es allerdings wenig auszumachen. »Oh, er war traumhaft! Groß, stark, aber nur Chūnin.« Die Blondine zeigte mit dem Daumen nach unten. »Seit ich Iryōnin bin, musste ich meine Ansprüche natürlich hochschrauben. Ernsthaft, was will ein dreiundzwanzigjähriger Chūnin von mir? Das habe ich ihm deutlich gemacht.« »Du bist so herzlos, Ino.« Sie machte eine wegwerfende Geste. »Papperlapapp! Er hat es gut aufgenommen. Du solltest übrigens auch anfangen, auszugehen, Riesenstirn. Wann willst du sonst mit Dates beginnen? Wenn du tot bist?« Sakura schlug ihr leicht gegen die Schulter. »Ich bin einundzwanzig und habe nicht vor, bald zu sterben! Nenn' mich nicht Riesenstirn, Sch –« Sie zügelte ihr Temperament schweren Herzens. Sie hatte vor Itachi ihre inkompetente Seite gezeigt, da wollte sie nicht auch noch ihre kindisch-vulgäre nach außen kehren. Seit wann bedeutete ihr seine Meinung etwas? Ach ja, seit sie darauf versessen war, ihre Zweifler zu eliminieren. Eine Eigenschaft, die ihr ziemlich auf die Nerven fiel. Sie hätte sagen können, was sie wollte, Itachi sprach mit Shisui über eine gemeinsame Mission. Fachlich kompetent wie ein Briefing, was sie ein weiteres Glas Sake trinken ließ. Machte die ANBU nie Feierabend? »Was sagst du da, Teme?«, brüllte Naruto plötzlich. »Die Wahrheit, Dobe!«, keifte Sasuke zurück. Um was auch immer es ging, es schien ihm ernst zu sein. »Beweise es!« »Wie du willst! Sakura-chan, drei Gläser! Randvoll! Dir Armleuchter zeige ich, wie man Sake trinkt!« »Das will ich sehen, du … du … Naruto!« Dass Sasuke kein Schimpfwort für seinen größten Konkurrenten einfiel, war Beweis genug, dass er betrunken genug war, einer solchen Herausforderung auch noch zuzustimmen. Um was es bei dieser Kontroverse tatsächlich gegangen war, würde keiner der Anwesenden jemals erfahren, zumal die Betroffenen selbst es bis zum nächsten Morgen vergessen haben sollten. Sakura tat, wie ihr geheißen worden war, füllte die drei bestellten Gläser und schob sie in die Mitte. Sie war überrascht, als ihr Teamkamerad ihr das dritte zurückschob. »Was soll das?«, erkundigte sie sich irritiert. »Du machst natürlich mit, Sakura-chan!«, entschied er. »Wer könnte gewinnen, wenn nicht du? Du bist immerhin Tsunade-obaachans beste Schülerin!« Auf derartige Attribute reduziert zu werden, war auf eigenartige Weise kränkend. Sie war doch nicht wie Tsunade! Vielleicht war sie annähernd so brutal, schlagfertig und ließ ihrem Temperament manchmal zu weiten Auslauf, doch sie war – ach, was machte sie sich vor? Sie nahm ihre Waffe für diese Schlacht auf. »Wenn jemand das Glas hebt, muss man mit demjenigen anstoßen und trinken. Das ist die einzige Regel«, erklärte Naruto leicht schunkelnd. Wann Itachi, Shisui und letztendlich Ino gegangen waren, hatte Sakura nicht mitbekommen. Irgendwann, mitten in der Nacht, trat sie mit Naruto auf die Straße. Zwischen ihnen hing Sasuke, sternhagelvoll, unverständliches Kauderwelsch brabbelnd. »Lass ihn uns lieber nach Hause bringen«, schlug Naruto vor. Sie stimmte zu. Sie hatten das Wetttrinken zwar gewonnen, doch hätte man ihr vorher gesagt, dass der Preis darin bestand, einen betrunkenen Uchiha nach Hause zu hieven, hätte sie dankend abgelehnt. Nun war es zu spät. Sie hatten definitiv die Arschkarte gezogen. . . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)