Selfishness von Caity ================================================================================ Kapitel 6: Angelegenheiten -------------------------- Komm schon, einfach drücken. Einfach nur auf diesen kleinen Knopf mit dem grünen Hörer drücken und nach ein paar Sekunden seine Stimme hören. Das war doch nicht schlimm. Da war nichts dabei. Mit mir ringend lief ich kreuz und quer durch meine Wohnung, das Telefon in der Hand, die Nummer Piotrs auf dem Display. Es war jetzt bereits drei Tage her, dass ich bei ihm gewesen war und schon seit gestern wollte ich mich bei ihm gemeldet haben. Doch ich hatte mich einfach nicht dazu überwinden können. Und momentan war es die selbe Situation wie schon einige Male zuvor. Die Nummer verschwand von dem Display und ich musste sie wieder neu in dem eingespeichertem Telefonbuch suchen. Dann hielt ich meinen Daumen wieder über die Anruftaste und holte tief Luft. Jetzt aber. Einfach drücken. "Verdammt!", fluchte ich, schaffte es einfach nicht, war zu feige. Wütend auf mich selbst trat ich mit voller Wucht gegen mein Bett im Schlafzimmer, in dem ich gerade stand, und jaulte vor Schmerz auf. Ich kniff meine Augen zusammen, um vor Schmerz nicht umzukippen und merkte, wie ich mich kurz verkrampft hatte. Folge dessen war, dass ich aus versehen auf die Taste gekommen war. Schnell hielt ich mir den Hörer ans Ohr und lauschte. Es tutete bereits, zu spät um noch aufzulegen. Aufgeregt wartete ich, dass er abnahm, der Schmerz rückte in den Hintergrund. Nach gefühlten hundert Mal Tuten legte ich auf. Super, da war der Kerl nicht zu Hause. Kurz vor einem Ausraster legte ich schnell das Telefon beiseite und ging in die Küche. Erstmal einen Schluck Wasser zur Beruhigung. Ich werde es einfach später wieder versuchen, redete ich mir ein und nickte mir aufmunternd zu. Das Pech klebte mir an diesen Tagen förmlich am Rücken und ließ mich nicht mehr los. Das Training wollte auch nicht mehr ganz so klappen. Ständig rief mir unser Trainer zu, ich solle mich mehr konzentrieren und keine Löcher in die Luft starren, da davon die gegnerischen Stürmer sicher nicht aufgehalten werden würden. Ich hatte stumm genickt und nur noch Augen für den Ball gehabt. Ich nahm ein Klingeln wahr und stellte die Wasserflasche zurück auf den Küchentisch, sprintete - sofern es auf dieser kurzen Distanz ging - in mein Schlafzimmer und schnappte mir das Telefon von meinem Regal. "Ja?", fragte ich aufgeregt, ohne vorher zu schauen, wer der Anrufer war. "Hey Clemens. Ich bin zwar nicht Piotr, aber mein Name fängt auch mit P an, genügt das?", fragte die Stimme auf der anderen Seite und ich lachte auf. "Klar doch. Was gibt's, Per?" "Lust auf eine Runde Billard? Kam mir gerade so in den Sinn, haben wir doch schon länger nicht mehr gespielt." "Hm", überlegte ich, wollte eigentlich Piotr nachher noch versuchen zu erreichen. Doch den Abend mit Per zu verbringen hörte sich auch nicht schlecht an. "Wieso nicht. Wann denn?" "Na sobald du Lust hast", hörte ich ihn sagen und warf einen Blick auf meine Armbanduhr. "Sagen wir gegen sechs? Dann habe ich noch eine halbe Stunde mich fertig zu machen und hin zu fahren." "Okay, auch wenn du dich für mich nicht hübsch machen musst", meinte Per und ich sah sein breit grinsendes Gesicht förmlich vor mir. "Jaja. Also bis später dann." "Tschüß." Ich legte auf und platzierte das Telefon wieder auf dem Regal vor mir. Von wegen hübsch machen. Ich musste mich nun mal ordentlich anziehen, denn ich hatte nicht vor, in Schlabberhose und weitem T-Shirt aus dem Haus zu gehen. Deshalb zog ich mir besagtes auch aus und eine Jeans und ein frisches Hemd an. Dann begab ich mich noch ins Badezimmer, schnappte mir mein Haargel und stylte mein Haar ein wenig. Zu guter Letzt noch ein paar Sprüher aus meinem Flakon und schon konnte es los gehen. Mit Schlüssen und Portemonai bewaffnet verließ ich die Wohnung und startete kurze Zeit später mein Auto. Die Fahrt führte mich zu Pers und meinem Lieblingslokal. Neben den paar Billardtischen konnte man dort auch Dart und andere Sachen spielen. Per und ich waren dort gerne gesehen, wir waren früher schon fast Stammkunden gewesen. Zehn Minuten zu früh parkte ich mein Auto vor dem Lokal und blieb noch eine Weile sitzen. Fünf vor sechs tauchte Pers Auto auf und ich stieg aus, schloss mein Fahrzeug mit einem Druck auf den Autoschlüssel ab und ging zu Per hin. "Hey", begrüßte ich den Großen, der gerade seine Fahrertür zudrückte. "Na", kam es zurück und er grinste mich an. Ich erwiderte das Grinsen und wir begaben uns Richtung Eingang. Die frühe Abendluft war recht kühl, aber trotzdem angenehm und ich nahm noch einen tiefen Atemzug, bevor es in das - zwar rauchfreie, jedoch gut besetzte - Lokal ging. ,_.,'*~*',._, "Zweimal eine große Cola, hier bitte", lächelte die Kellnerin uns an und stellte zwei Gläser mit der dunklen Flüssigkeit auf den Steh-Tisch neben dem Billardtisch, an dem wir uns nieder gelassen hatten. "Danke", lächelte Per zurück und sie verschwand wieder, jedoch nicht, ohne uns noch mal vorher zu mustern. Kichern widmete Per sich der weißen Kugel, die gerade zum Stehen gekommen war, nachdem ich sie mit einem kräftigen Stoßer gegen die anderen befördert hatte. "Und? Willst du mir nichts neues von Trotsche erzählen?" "Hä? Inwiefern?" Ich sah Per dabei zu, wie er sich etwas nach vorne beugte und mit seinen Augen die weiße Kugel fixierte. "Na ich hab gedacht du berichtest mir, wie du voran gekommen bist", erklärte er und stieß die Kugel an, sodass sie gegen eine weitere stieß und diese prompt in ein Loch kullerte. "Ach... Ich dachte wir sind hier um uns zu amüsieren und nicht um über mein Liebesleben zu reden." Er lachte auf und ich nahm es ihm nicht mal übel. Jedoch wollte ich ihn tatsächlich mal einen Abend nicht mit solchen Dingen zutexten, dass tat ich schon sonst oft genug. Obwohl, er hatte ja angefangen, indem er nachgefragt hat... "Okay, aber wenn es was zu erzählen gibt, kannst' ruhig damit rausrücken... ah verdammt!", fluchte Per, nachdem er eine weitere Kugel mitsamt der weißen eingelocht hatte. Ich grinste und machte mich daran, die Kugel herauszuholen und wieder auf dem Tisch zu platzieren. Billard war einfach super. Andere fanden diese Art von Beschäftigung sicher langweilig, aber ich nicht. Beim Billard musste man schon wirklich gut aufpassen und sein Köpfchen anstrengen, um auch einen ordentlichen Zug hinzukriegen. Sobald man auch nur einen Zentimeter falsch ansetzte, konnte die Kugel um einiges das Ziel verfehlen. Wie gesagt, ich mochte Billard. Während ich an meiner Cola nippte und Per bei einem seiner Züge zuschaute, spürte ich plötzlich mein Handy in meiner Hosentasche vibrieren. Schnell hatte ich das Glas abgestellt. Das Gerät herausholend stellte ich auch den Stab beiseite und drückte dann den Knopf zum Annehmen. "Ja?" "Hey, hier ist Piotr." "Oh, hey, warte mal einen Moment." Ich nahm das Handy vom Ohr und blickte zu Per, der bereits mitbekommen hatte, dass ich angeklingelt worden war. Er formte mit dem Lippen ein stummes "Piotr?" und ich nickte. Da es mir hier drinnen zu laut zum Telefonieren war, deutete ich mir einem Nicken zu der Tür und Per machte eine einladende Geste mit der Hand, deutete so, dass ich ruhig raus gehen sollte. Ich lächelte ihm kurz zu und verschwand dann nach draußen. Dabei nahm ich wieder das Handy ans Ohr und sagte Piotr, dass ich nun reden könnte. "Du hattest angerufen?", fragte er mich und ich erinnerte mich wieder daran, wie ich versucht hatte, mich zu überwinden, bei ihm anzurufen. Und als es dann endlich geklappt hatte - wenn auch aus Versehen - war er nicht da gewesen. "Ja genau. Warst du weg?" "Ja, ich war mit 'nem Freund unterwegs. Der hat sich ein neues Sofa gekauft." "Ah. Wollte mich noch mal für letztens Entschuldigen, weil ich so plötzlich los musste." "Ach, da konntest du doch nichts für..." "Und fragen, ob wir den Tag nicht nachholen wollen?" Er machte eine Pause. War das nun schlecht zu deuten? Gerade wollte ich noch etwas sagen, da kam er mir zuvor. "Ja klar, wieso nicht. Hattest du schon was beabsichtigt, so Zeit und Ort mäßig?" "Ich hätte mal wieder Lust, mir Hamburg ein wenig anzugucken. Vielleicht können wir uns ja irgendwo treffen und dann die Stadt unsicher machen?" Ich spürte einen frischen Windhauch auf meinem Gesicht und genoss die Tatsache, dass ich noch ungehindert mit ihm plaudern konnte. Nach meinem Geständnis würde das sicher nicht mehr so sein. Ich hatte mich an die Hauswand gelehnt und lauschte seinem leisen Lachen auf meine Aussage hin. "Super, dann ist das abgemacht. Und wann?" "Wann hast du denn Trainingsfrei, oder zumindest nur vormittags Training?" "Hm. Morgen hab ich Nachmittagstraining, aber übermorgen hätte ich Zeit." Ich überlegte, wie war das bei uns mit den Trainingszeiten? "Da kann ich leider nicht. Wie sieht's mit dem Tag darauf aus?" "Da habe ich nur Vormittags Training. Also Freitag?" "Ja genau, Freitag." "Gut..." "Jap... Naja, ich muss dann auch wieder... Per wartet auf mich", meinte ich fast schon nuschelnd und vielleicht mit ein wenig zu viel Traurigkeit in der Stimme. Aber das würde Piotr eh nicht heraushören. "Oh, ja dann legen wir wohl lieber auf. Grüß ich schön von mir, ja?" "Klar, werd ich machen. Dir noch einen schönen Abend." "Danke, dir auch. Tschüss." "Ciao." Nach einem zufriedenen Nicken schob ich mein Handy zurück in meine Hosentasche und ging wieder in das Lokal hinein. Vom weiten sah ich Per, der an dem Billardtisch lehnend gerade seine Cola leer trank. Bei diesem Anblick machte ich einen Umweg zur Theke und bestellte uns zwei neue Getränke. Dann ging ich zu meinem großen Freund zurück, um ihm sogleich zu berichten, was anstand. Er würde mich sonst eh wieder ausquetschen. Solange, bis er jedes einzelne Wort wusste, das ich mit Piotr gewechselt hatte. "Gute Idee mit dem Treffen in der Stadt. Ist ein neutraler Ort, da fühlst du dich sicher nicht so bedrängt." "Und ich kann schnell abhauen, sobald ich es ihm gesagt habe", meinte ich auf Pers Kommentar hin und grinste ihn schief an. Er schüttelte nur den Kopf. "Wieso nicht? Besser als mir eine Schimpftirade oder so anhören zu müssen." "Du glaubst doch nicht allen ernstes, dass er das machen würde? Da schätz du ihn falsch ein..." "Nein, aber ich weiß nun mal nicht, wie er sich in solchen Situationen verhält. Jeder hat doch eine Seite, die sein Umfeld nicht unbedingt kennt, oder? Zum Beispiel hätte ich nicht gedacht, dass du so schlecht spielen kannst." Ich lachte herzhaft. Tatsächlich war heute nicht Pers Tag. Schon zum zigsten Mal hintereinander hatte er keine seiner Kugeln eingelocht. Ich hingegen war schon fast fertig mit meinen. "Haha, sehr witzig", nuschelte er und entfernte sich vom Tisch, sodass ich freie Bahn hatte. Ich legte mich mit meinem Oberkörper etwas auf die Tischkante und legte meinen Stab an. Mit konzentriertem Blick und der Zungenspitze im Mundwinkel stieß ich die weiße Kugel an und schaute ihr dabei zu, wie sie losrollte. Das gewünschte Ziel traf sie zwar, jedoch kullerte dieses nicht dorthin, wo es sollte. Schulterzuckend wendete ich mich wieder Per zu, der nun an der Reihe war. Der Abend war rasch vorbei und bald schon war es Zeit wieder aufzubrechen. Draußen war es bereits stockduster und Per und ich standen vor seinem Auto. Er hatte bereits die Fahrertür geöffnet und lehnte nun daran, blickte mich fröhlich an. "Danke für den Abend", meinte ich an meinen besten Freund gewand und hielt ihm eine Hand zum Einschlagen hin. Er schüttelte nur schmunzelnd den Kopf, schlug ein und zog mich dann noch zu einer kurzen Umarmung zu ihm. "Wir sehen uns morgen. Beim Training", waren seine letzten Worte und mit einem Winken stieg er ein. Ich verabschiedete mich, schloss seine Autotür und begab mich dann zu meinem Fahrzeug. Leise Geräusche und Stimmen drangen noch vom Lokal in mein Ohr, bevor auch ich einstieg und vom Parkplatz fuhr. Die Nacht würde ich sicher besser schlafen können als zuvor. (Flashback) »Der Kleine unschuldige Trochowski also«, kicherte Per, während wir den Weg in die Kabinen einschlugen. Das heutige Training war beendet und Per hatte endlich was er wollte: Den Namen der Person, die ich mehr mochte als mir lieb war. »Nun tu mal nicht so als wäre er ein kleines Kind«, meinte ich und boxte dem Großen leicht in die Seite. »Aber er ist kleiner, jünger und... naja unerfahrener als du«, erwiderte Per breit grinsend und ich konnte nur den Kopf schütteln. Er war echt einmalig. Da wusste er es endlich, hatte es durch Zufall erfahren, und nun machte er sich über mich lustig. »Ist das so abwegig?« »Kann ich nicht beurteilen«, meint Per schulterzuckend. »Ich steh' nicht auf Kerle. Obwohl... der Trotsche ist schon so ein süßer Fratz.« Er lachte auf und ich blieb stehen. Genervt blickte ich ihn an, als er ebenfalls zum Stehen kam und sich fragend zu mir umdrehte. »Mach nur so weiter und bald erzähle ich dir nie wieder etwas über mich und mein Privatleben.« Überrascht sah ich ihn die Augenbrauen heben. Na, kapierte er endlich, dass ich bei diesem Thema keine Scherze verstand? Abwehrend hob er die Hände und nuschelte ein »Sorry«. Ich schüttelte nur den Kopf und ging weiter, zog ihn automatisch am Ärmel mit, damit er dort keine Wurzeln schlagen musste. »Und wehe du schaust ihn komisch an, wenn wir ihn das nächste Mal sehen!« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)