Unvergessen von NaBi07 ================================================================================ Kapitel 1: Unvergessen ---------------------- Es war Spätherbst und Layla war wiedereinmal dabei ihre Großmutter zu besuchen. Sie ließ sich mit ihrem alten Fahrrad besonders viel Zeit, um den lauen Herbstwind und die vielen farbenprächtigen Blätter zu genießen. Der Herbst war schon immer ihre Lieblingsjahreszeit gewesen. Die Sonne wärmte ihr Gesicht und ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Endlich konnte sie ihn wiedersehen. Ihre Oma erwartete sie bereits mir ihrem Lieblingsgetränk. Sie feuerte ihre alte Lederjacke auf einen Haken der Garderobe und schob ihre Schuhe beiseite. Die heiße Schokolade zog sie bereits magisch an und schlug sie in ihren Bann. Sie ließ sich auf das alte Sofa sinken und atmete den köstlichen Duft ein. Ihr Blick schweift dabei, wie jedes mal, zu dem alten Portrait an der Wand. Lächelnd begrüßte sie ihren besten Freund. Sein Abbild hing da schon seit ihrer Kindheit und sie konnte sich das altmodische Wohnzimmer ihrer Oma nicht mehr ohne ihn vorstellen. Sie saugt den Anblick in sich ein und fragt sich zum tausendsten Male, warum der Junge mit dem blauen Regenschirm so süß lächelte. Seit sie alt genug war sich Geschichten auszudenken, hatte sie versucht hinter sein Geheimnis zu gelangen. Sie hatte sich die abenteuerlichsten Geschichten ausgedacht und aus ihm manchmal sogar einen mutigen Helden gemacht. Kichernd musste sie über sich selber lachen. Wie jung sie damals gewesen war. Mit zehn Jahren taufte sie ihn dann auf den Namen Bao, da er zu einem sehr engen Freund geworden war und er ihr leidtat, so ganz ohne Namen. Sie stellte sich vor, dass er genauso gerne lesen würde wie sie, seine dicke schwarze Brille ähnelte der ihren und vermittelte ihr das Gefühl von Verbundenheit. Layla hatte damals begonnen sich ein klein wenig in ihn zu verlieben. Doch diese Phase dauerte nicht lange an, da ihr bewusst war, dass der Junge nicht real war. Leider. Immer wenn sie ihre Großmutter nach ihm ausgefragt hatte,wich diese vom Thema ab und suchte sich schleunigst eine andere Beschäftigung, also blieb ihr nicht anderes übrig, als weiter zu phantasieren. Als sie dreizehn wurde starb ihr Vater bei einem Verkehrsunfall. Während dieser Zeit war Bao stets bei ihr. Ob in Gedanken, oder als Bild an der Wand. Sie erzählte ihm von ihren Sorgen, ließ sich von seinem Lächeln trösteten und schöpfte neue Kraft. Sie wuchs heran und wurde schnell erwachsen. Bao war dabei ihr steter Begleiter gewesen. Als sie sich das erste Mal verliebt hatte, erzählte sie es ihm als erstes. In ihrer Studienzeit bedauerte sie es daher umso mehr, Bao vernachlässigen zu müssen. Doch sie wollte unbedingt ihren Traum erfüllen und später einmal in einem Kunstmuseum arbeiten, dazu war ein Studium in einem Auslandscollege nötig. Layla lernte viel über das Interpretieren von Bildern und mit dieser neuen Fähigkeit machte sie sich, nach ihrem beendeten Studium, auf den Weg Bao zu besuchen. Sie betrachtete ihren alten Freund zum ersten Mal aus anderen Augen. Das Bild strahlte eine unglaubliche Wärme aus. Die feinen Pinselstriche zeugten von der Liebe zum Detail des Künstlers. Die Farben harmonierten perfekt, Scheinbar liebte der Maler sein Kunstobjekt sehr. Laylas Oma betrat den Raum und lächelte leicht, weil ihre Enkelin mal wieder das Portrait bestaunte. Sie selbst liebte diese Bild genauso sehr und beschloss endlich mit der Wahrheit herauszurücken. Sie fand, dass sich Layla dies verdient habe. Ihre Treue dem Bild gegenüber berührte die alte Frau und machte sie stolz. Die schmerzliche Vergangenheit holte sie wieder ein, doch der Junge hatte es verdient, dass man sich an ihn erinnerte. Sie setzte sich mit auf die Couch und stellte die Gebäckspezialitäten ab. „Willst du immer noch wissen, wer er ist?“ Layla traute ihre Ohren kaum und nickte eifrig. Endlich war es soweit. Endlich lüftete sich Baos Geheimnis. Gespannt lauschte sie den Worten. „Dieser Junge hat mir vor vielen Jahren das Leben gerettet“ begann, die von den Jahren gebeutelte Frau. „Damals war ich noch jünger als du Heute bist. Wie du sicher gehört hast, war ich sehr kränklich gewesen und musste um mein Überleben kämpfen. Meine Herz war seit meiner Geburt schwach und bereitete mir große Probleme. Nach meinem siebzehnten Geburtstag wurde ich in ein Krankenhaus gebracht, dass mir helfen sollte ein Spenderherz zu finden. Es war eine sehr einsame Zeit gewesen. Meine Eltern mussten das Geld für meinen Aufenthalt verdienen. Ich weiß noch, wie ich oftmals am Fenster gesessen habe und dem Regen zusah, wie er die Welt benetzte. Eines Tages, als die Sonne hell durch die Wolkendecke schien, beobachtete ich draußen die Menschen, wie so oft zu jener Zeit. Ich weiß nicht mehr genau was ich alles gesehen habe, aber dieser Junge war mir sofort ins Auge gefallen. Er spazierte mit seinem leuchtend blauen Regenschirm im Sonnenschein herum und wirkte so glücklich und beschwingt. Ich beneidete ihn. Von da an hatte ich jeden Tag nach ihm Ausschau gehalten. Leider ohne Erfolg. Mein Zustand verschlechterte sich damals Schlagartig und ich kämpfe um mein Leben. Mein Herz konnte einfach nicht länger durchhalten. Ich sehnte mich so sehr danach den Jungen mit dem Regenschirm wiederzusehen. Plötzlich geschah das Wunder. Die Ärzte hatten ein geeignetes Spenderherz gefunden. Das war meine Rettung gewesen. Als ich mich besser fühlte, setzte ich alle Hebel in Bewegung, um herauszufinden, wer mein Leben gerettet hatte. Ich musste viel Zeit investieren, doch schlussendlich war es der Zufall, der mir die Lösung meines Rätsels schenkte. In einer alten Galerie, die bald schließen sollte, entdeckte ich dieses Kunstwerk. Ich erkannte den Jungen sofort wieder. Sein Lächeln und sein Regenschirm strahlten mir entgegen. Das Bild wirkte so lebendig, dass mit die Tränen kamen. Der Besitzer der Galerie erklärte mir, dass das der Sohn des Künstlers gewesen sei. Leider hatte er ein Problem mit der Lunge und durfte ganz selten nach draußen gehen. Nur wenn die Sonne schien und kein Wind wehte, verließ er das Haus. Weil er aber den Regen liebte und sich nichts sehnlicher wünschte, als einmal im Regen spazieren zu gehen, hatte er sich diesen Regenschirm gekauft und ihn immer mitgenommen, wenn er spazieren war. Sein Vater hatte den Jungen an solch einem Tag porträtiert. Er habe bewusst einen dunklen Hintergrund gewählt, ganz so, als ob es wirklich regnen würde, um seinem Sohn eine Freude zu bereiten. Der Mann erzählte mir auch, dass der Junge leider nicht überlebt hatte. Seine Lunge wäre plötzlich, ohne Vorwarnung, kollabiert. Doch dafür konnte sein Herz einem anderen Patienten das Leben retten. Der Junge hatte sich vor seinem Tod gewünscht, dass er mit seinem Tod einem anderen helfen zu können. Wenigstens diesen Wunsch wollte ihm sein Vater erfüllen. Die Zeit, in der der Junge gestorben war, passte perfekt zu meinem OP Termin. Darum war ich mir ziemlich sicher, dass er mein Spender war. Damals kaufte ich das Bild und nun ehre ich so meinem namenlosen Spender“ endete die Oma ihre Erzählung. Mit einem Taschentuch wischte sie sich die Tränen aus den Augen, die ihr ungewollt entwischten. Layla hatte ebenfalls mit den Tränen zu kämpfen. Sie war von Baos Geschichte zutiefst berührt. Am Ende war er doch ein Held gewesen. Da hatte sie als Kind also doch nicht so falsch gelegen. Sie trank einen Schluck von ihrem Kakao und schwor, dass sie ihn ebenfalls in Ehren halten würde. Bis in alle Ewigkeit. Unvergessen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)