Whispers in the Dark von Susilein (Ich werde derjenige sein, der zu dir hält.) ================================================================================ Kapitel 3: -----------   Die Dinge sind selten so wie sie scheinen. Öfter gibt es Hintertüren in einer Situation, Abweichungen des eigentlichen Problems oder Verzerrungen des eigentlichen Bildes. Man sieht etwas das so absolut Logisch erscheint, doch es war nicht so wie es zu sein scheint.   Leise, fast lautlos huschte er durch die Dunkelheit. Seine Schritte waren langsam und vorsichtig, nicht weil er durch die ausgeschalteten Lichter nichts sah sondern vor Müdigkeit. Er kannte jede Stufe in diesem alten Treppenhaus, jede kaputte Stelle auf den Boden oder an den Wänden war ihn vertraut sodass er mühelos im Dunkeln zu seinem Zuhause fand. Schließlich lebte Tobi hier bereits seit drei Jahren und war seitdem Täglich nachts in diesen Treppenhaus unterwegs. Stufe für Stufe spürte der Teenager wie seine Beine schwerer wurden, von bleierner Müdigkeit erfüllt wodurch er automatisch langsamer ging. Doch nicht nur die Müdigkeit nahm immer mehr Besitz von den Jungen, sondern auch die Gedanken um das geschehene beherrschten sein denken. Vater. Noch immer spürte Tobi seinen erbarmungslosen Griff um seinen Hals, sah den leeren Blick in seine Augen und spürte wie er ihm die Luft zum Atmen nahm.   Plötzlich stoppten seine Schritte als der Junge in der dritten Etage angekommen war und automatisch drehte er sich dort nach rechts.  Langsam schritt er auf einer alten Tür zu die mit so viel Graffiti beschmiert war sodass man kaum noch die ursprüngliche Farbe des Holzes erkennen konnte. Kein Name stand auf den Schild an der Defekten Klingel aber der Junge wusste auch so das er hier richtig war. Tobi war Zuhause. Ein erleichterter laut verließ seine Lippen ehe er den Wohnungsschlüssel aus der Hosentasche seiner Jeans zog. Er wollte ins Bett und schlafen.   „Tobi, bist du das?“ Leise, fast gehaucht ertönte die Stimme eines Mädchens in den leeren Hausflur. Ein schwacher Lichtschein erhellte augenblicklich das Innere des Gebäudes und die Dunkelheit um ihn herum verschwand. Der Schwarzhaarige hielt sekundenlang inne, seufzte leicht und sah dann mit einem milden lächeln hinter sich. Ein junges, etwa Sechzehnjähriges Mädchen trat leise aus der hinter ihm liegenden Wohnungstür hinaus. Sie trug nur ein schlichtes, hellgrünes Nachthemd und ihr langes, honigblondes Haar hing zu einen losen Zopf geflochten über ihre Schulter. „Hey Diana.“, begrüßte er sie mit einem Lächeln wobei er sich etwas mehr zu dem Mädchen herum drehte. Diese warf ihn, anstatt eines lächeln, einen fragenden Blick aus ihren schönen, grünen Augen zu. Tobi runzelte irritiert die Stirn doch ehe er etwas sagen konnte hatte die Blonde offensichtlich schon das entdeckt was sie vermutet hatte den sie trat mit nackten Füßen hastig aus der Wohnung hinaus und fasste den Jungen an einen Arm. Behutsam drehte sie den Jüngeren komplett zu sich herum und vorsichtig strichen ihre Finger die dunklen Flecken an seinen Hals entlang. Sein Würgemal. Der Schwarzhaarige zog scharf die Luft ein als der brennende Schmerz erneut aufflammte und sofort zog das Mädchen ihre Hand zurück. „Entschuldige…“, flüsterte sie leise doch Tobi schüttelte nur seinen Kopf, seufzte bekümmert und sah zu Boden. Die Blonde verstand und ohne noch etwas zu sagen schlang sie ihre Arme um den Jungen und zog ihn sanft an sich. Diana brauchte nicht zu fragen was geschehen war, sie selbst war ebenfalls schon oft an seiner Stelle gewesen.   Tobi hielt einen Moment ganz still, schien nicht mitzubekommen was gerade geschah ehe er ebenfalls seine Arme um das Mädchen legte und die Umarmung erwiderte. Nur einen kurzen Moment. Er spürte ihre schlanken Arme um seine Schultern, wie sie ihn hielt, ganz sanft und mir Vorsicht. Tobis Schultern sanken hinab und er ließ sich gegen das größere Mädchen fallen. Sofort verstärkte Diana ihren griff um den Jungen, hielt ihn fest und gab ihn den Halt den er brauchte. Brauchte um wieder etwas kraft zu schöpften damit es weiterging, irgendwie. Die Blonde begann sich sanft mit ihm in der Umarmung zu wiegen, langsam aber konstant, während sie leise eine Melodie vor sich hin summte, sanft und beruhigend.   Tobi schloss seine Augen erschöpft von den letzten Nächten, schmiegte seinen Kopf an die weiche Haut ihrer Halsbeuge und vergrub seine Finger in den Stoff ihres Grünen Nachthemdes. Dianas leises summen beruhigte sein inneres, bewirkte das sein Puls wieder langsamer ging, sein Atem ruhiger wurde und sich die Anspannung, die in den letzten Stunden auf ihn lastete, abnahm. So war es schon immer gewesen, schon bevor dies alles angefangen hatte. Es passierte etwas, irgendetwas was ihn aufwühlte, beunruhigte oder ihn angst machte und dann kam Diana. Sie schaffte es immer wieder ihn zu halten, mit ihrer sanften, fürsorglichen Art die er an seiner Halbschwester so liebte. Sie konnte mit ihrem lächeln jede seiner Laune heben, ihre Arme gaben ihm halt und ihre Stimme, sei sie leise summend oder offen und lauter beim lachen machten vieles leichter. Tobi war so froh das er sie hatte.   Nach einer Weile legte der Vierzehnjährige seine Hände auf ihre Arme und sofort hörte die Blonde auf zu summen. „Danke.“, flüsterte er leise an ihren Hals ehe er sich behutsam von ihr löste. Diana lächelte ihn an und strich den jüngeren durch den schwarzen Haarschopf. „Wirklich Brüderchen?“, fragte sie leise und als der Junge nickte lächelte sie sogleich strahlender. Wieder mal fiel Tobi auf wie unterschiedlich sie beide aussahen, wie anders. Dianas Haar war von Natur aus blond und wild gelockt, seine hingegen waren auch immer wilder aber glatt und schwarz. Ihre Augen waren ein dunkles grün, während seine in einem tiefen blau leuchteten. Und ihre Haut war wie Tag und Nacht, ihre hell und rosig, seine ein samtes Bronze. Niemand der sie begegnete konnte erkennen das sie Blutsverwandte waren , Halbgeschwister die nur zwei Jahre auseinander waren und sich trotzdem so nahe waren. Aber sie hatten schließlich nur einen gemeinsamen Erzeuger. Er. Tobi lächelte milde und drückte noch mal dankbar ihre Hand. Plötzlich hörte man Türen knarren und dann leise Schritte die über Holzboden schlichen. „Diana?“, fragte eine Frauenstimme verschlafen. „Wo bist du?“, sie klang besorgt. Die Angesprochene warf einen kurzen Blick zu der geöffneten Tür aus der die Stimme kam und sah dann wieder zu den Jüngeren. Hastig schlang sie nochmals die Arme um ihn, entließ ihn dann aber wieder und wendete sich zu der Tür hin. „Schlaf gut, Brüderchen.“, sagte sie leise, warf ihn noch eine Kusshand zu ehe Diana wieder in die Wohnung verschwand und die Tür schloss. Der Schwarzhaarige sah ihr schweigend nach ehe er seufzte und die andere Tür aufschloss damit auch er endlich hinein kam. Er wollte nur noch Duschen und dann ins Bett.   Kaum hatte er die Wohnungstür geöffnet kam ihm sogleich der Geruch von frisch aufgebrühten Thai Raming Tee entgegen und der Jasminduft dieses Getränks zog er tief in sich ein. Also war seine Mutter bereits Zuhause und wartete auf ihn. Tobi lächelte leicht und machte sich daran seine Turnschuhe abzustreifen, die Tür von innen abzuschließen und dann an der Badezimmertür vorbei Richtung Wohnzimmer zu tapsen. Es war ein kleines Wohnzimmer in welchen ein altes, von Wolldecken bedeckten Sofa, ein Sessel und ein schon leicht zerkratzter Holztisch standen. An der gegenüberliegenden Wand stand eine große, dunkle Schrankwand auf denen unzählige Fotografien standen. Der Blick des Jungen haftete sich sofort an die zierliche Gestalt die sich, als er das Zimmer betrat, anmutig vom Sofa erhob und sich zu ihm herumdrehte. Sira war eine bildhübsche, kleine Thailänderin, die, obwohl sie bereits einen Vierzehnjährigen Sohn hatte, noch mädchenhaft schlank war. Tiefschwarzes, hüftlanges Haar fiel ihr wie eine Flutwelle über die schmalen Schultern und dunkelblaue Augen schauten aus einem aparten Gesicht direkt in das seine.    Tobi wollte sie gerade begrüßen, wie jede Nacht, als er ihr verweintes Gesicht sah und inne hielt. Sie hatte wohl erst vor kurzen aufgehört, ihre Augen waren ganz rot und an ihren Handgelenken konnte er rot schrammen erkennen. Jemand hatte seine Mutter grob behandelt. Sira bemerkt seinen Blick, zog sofort die Ärmel ihres Cremefarbenen Morgenmantels lang und verbarg somit ihre Verletzungen. „Alles okay Schatz.“, erklärte sie mit ihr sanften Stimme während Sie ihren Sohn anlächelte. Der Junge runzelte besorgt die Stirn den die schrammen sahen schlimm aus, er wollte fragen was passiert war und wer das war aber er wusste das seine Mutter keine dieser Fragen beantworten würde. Es war eine unausgesprochene Vereinbarung die zwischen ihnen in den Jahren entstanden waren. Sie alle wussten was passierte, aber niemand von ihnen redete darüber. Kein Wort. Tobi schluckte leise, entschied sich aber dann Siras Wunsch, wie schon so oft, zu respektieren und die Sache nicht anzusprechen. „Hey Ma, riecht ja gut hier.“, meinte Tobi nur, woraufhin seine Mutter ihn einen dankbaren Blick zuwarf, sich sogleich wieder etwas mehr entspannend. „Ich habe Thai Raming Tee gekocht, trinkst du gleich noch ein Tasse mit mir?“ Er nickte sofort und zog sich seinen Pullover über den Kopf, was, wie immer, ein kleiner Kampf war, ehe er ihn gleich darauf auf die Kommode neben sich legte. „Ich spring nur schnell unter die Dusche.“, sagte Tobi ehe er sich umdrehte und in Bad, das vorne bei der Eingangstür lag, verschwand.   Sira sah ihm nach, wandte sich aber dann mit einem nachsichtigen lächeln der Kommode zu und nahm den Pulli hoch um ihn sogleich sorgfältig zusammenzulegen. Ihr Sohn war manchmal noch sehr chaotisch und warf seine Jack oder Pullover irgendwo herum die sie dann später aufräumen dürfte. Die Thailänderin lächelte warm den Tobi war noch immer ihr kleiner Junge. Ihr kleiner Junge den sie nicht schützen konnte. Ihr Lächeln erlosch augenblicklich. Die Zweiunddreißigjährige seufzte leise, drückte das zusammengelegte Kleidungsstück an sich und wendete sich wieder dem Sofa zu. Während sie sich auf ihren alten Platz setzte und den Pullover neben sich legte, viel ihr Blick auf die fein gearbeitete Teekanne, auf denen chinesische Blumenmalerin abgebildet waren. Die Frau fuhr geistesgegenwärtig mit den Fingern die Blüten entlang, die Halme der Pflanze und den Goldrand der Blätter, immer wieder. Sira seufzte erneut und ließ sich in die Kissen, die die Rückenlehne bequemer machen, sinken. Sie war ziemlich erschöpft von der Nacht, sie war wieder lang und anstrengend gewesen, jede Stelle ihres Körper tat weh und schien nach Erholung zu schreien. Aber Erholung würde es nicht geben. Als sich die Thailänderin ein schwarze Haarsträhne hinter Ohr strich fiel ihr Blick auf ihre Verletzungen, die rot schrammen von den letzten. Er hatte sie gefesselt und… Hastig kniff Sira die Augen zu und schüttelte energisch ihren Kopf um die Bilder, die ihr unweigerlich ins Gedächtnis kamen zu vertreiben. „Nicht jetzt...“, flüsterte sie leise zu sich selbst, wie eine Art Beschwörung die ihr dabei half wieder einen kühlen Kopf zu bekommen. Sie hatte jetzt keine zeit um sich wegen diesen Bildern noch dreckiger zu fühlen als sie es sonst schon immer tat. Ihr Sohn würde sonst nämlich nicht schweigen wie vorhin und ihre unausgesprochene bitte akzeptieren sonder Nachbohren. Und sie wüsste nicht was dann passieren würde. Ein leises schluchzen entwich ihrer Kehle und unwillkürlich sammelten sich Tränen in ihren Augen wodurch sie aufschreckte und diese seufzend wegwischte. Sie konnte doch nicht schon wieder weinen, Tobi konnte jederzeit wieder aus der Dusche kommen und er sollte sie nicht so sehen. Er hatte sie schon so oft in den letzten Jahren weinen sehen. „Verflucht...“   „Was ist verflucht?“, fragte Tobi in diesen Moment während er sich neben ihr aufs Sofa Plumpsen lies. Er war frisch geduscht, das Haar noch feucht und er trug nur eine Boxershorts und ein altes, verwaschendes T-Shirt. Sie hatte überhaupt nicht gehört dass die Dusche nicht mehr rauschte und ihr Junge längst fertig war. Sira lächelt traurig und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, traurig weil er sie schon wieder so sehen musste. Sie konnte ihr Kind nicht mal davor schützen. „Meine Gedanken.“, sagt sie schlicht, atmet nochmals tief durch ehe sie die Teekanne nahm und ihnen beide Tee einschenkte. Schluss mit der Heulerei. Tobi beobachtete sie besorgt dabei, er mochte es nicht wenn seine Mutter weinte, sei es wegen ihm oder etwas anderes. Der Vierzehnjährige ignoriert seine Teetasse als sich seine Mutter eine nahm und behutsam, da der Tee noch sehr heiß war, daran nippt und kuschelt sich auf ihren Schoß.   Sira zuckte erschrocken zusammen und verbrannte sich prompt an ihren Tee. Irritiert sah sie auf ihren Sohn der mit seinen Oberkörper auf ihren Oberschenkeln lag, den Kopf sacht an ihren Bauch gekuschelt, wie früher als er noch ganz klein war. Früher, bevor es begonnen hatte, lag oder saß Tobi öfter an seine Mutter gekuschelt. Einfach so ohne Grund. Sira stellte vorsichtig ihren Tee zurück auf den kleinen Tisch ehe sie erneut ihren Sohn betrachtete. Behutsam berührte sie sein Haar, ganz leicht da sie nicht wusste wie er reagiere würde. Seit damals gab es so eine nähe nur sehr selten, weil sie alle so verwirrt waren von allem was geschah und jede Berührung so schmerzhaft unangenehm. Sie alle wussten wieso. Sanft streichelte Sira durch sein Haar als sie bemerkte wie sich der Junge nähe an sie schmiegte und die Augen schloss. Lächelnd legte sie den andern  Arm um seine Schultern und begann leise vor sich hinzusummen. Immer wieder die gleiche Melodie, sanft und beruhigend war sie, voller unausgesprochene liebe und sorge. Es war das Wiegenlied das sie früher immer Tobi vorgesungen hatte als er noch klein gewesen war und nur schwer einschlief. Nichts hatte damals geholfen, weder das man ihn Stundenlang in den Armen wiegte, Musik oder so ein Spielmobile hatten geholfen. Nur dieses Lied hatten ihn damals erfolgreich ins Land der Träume begleiten können, immer nach kürzester Zeit. Die Frau lächelte warm und begann leise den Text zu singen, die Worte in ihrer Muttersprache gesprochen die sie, seit sie in Amerika wohnte, nur noch selten verwendete.   Tobi lauschte schweigend der Stimme seiner Mutter, dessen ruhigen und sanften Klang als sie das Wiegenlied sang. Es war lang her dass sie das gesungen hatte, ihm schien es Jahre her zu sein. In einem anderen Leben hatte sie ihm das sehr oft vorgesungen. Damals. Der Dreizehnjährig seufzt lautlos und fasste vorsichtig nach ihre Hand die ihm durchs Haar strich und zog sie neben sich. Er hört wie die Frau kurz inne hielt, offensichtlich einen Moment irritiert über diese Handlung, ehe sie leise weitersang. Der Vierzehnjährige berührte zaghaft ihr Handgelenk, ganz vorsichtig schob er Stück für Stück den Ärmel des Morgenmantels hoch, dabei genau spürend wie seine Mutter begann leicht zu zittern. Schweigend betrachtet er die roten schrammen auf ihrer Haut, das Zeichen der allnächtlichen Gewalt die ihr angetan wurde.  Eine der wenigen die man nach außen hin sehen konnte, denn eigentlich versteckten sie die Wunden viel zu gut als das man sie erkennen konnte. Und die Verletzungen in ihren Inneren konnte man so oder so nicht sehen, weil niemand in einen hineinsehen konnte. Selbst sie untereinander konnten nie das volle Ausmaß der Verletzungen begreifen die sie alle tief in sich verborgen hielten. Weil sie es selbst nicht begreifen konnten. Schmerz, Scham und die tausenden von fragen in ihren Kopf die niemand beantworten konnte. Weil sie niemanden fragen konnten, da sie auf sich alleine gestellt waren. Niemand war da der sie beschützen könnte, niemand an denen sie sich wenden konnten und der dem allen hier ein Ende bereitet. Tobi schloss die Augen. Sie waren alleine.   ~   Er nahm einen Zug, schmeckte den altbekannten Geschmack und spürte augenblicklich das vertraut gefühlt der Endspannung in sich. Er hielt den Qualm einen Moment in seinen Lungen, genoss das leichte brennen ehe er das ungesunde Zeug wieder ausstieß. Rauchen hatte ihn seit je her beruhigt, egal wie stressig sein Job war oder wie viel nerven ihn seine Familie immer kostete. Er nahm ein Zug seiner geliebten Glimmstängel und eine entspannte ruhe durchzog Enrico. Seit er damals mit Fünfzehn angefangen hatte war es so. Der Italiener bezweifelte das dies so gesund war aber das war ihm gelinde gesagt ziemlich egal, besonders jetzt. Enrico nahm noch einen Zug und lehnte sich in seinen Liegestuhl zurück, wohl wissend dass er gerade beobachtet wurde. Er befand sich auf der Dachterrasse seines Apartments in der 32. Etage die wahrlich riesig war und auf denen neben einer gemütlichen Außensitzecke und dem Liegestuhl noch ein Whirlpool war. Sehr Schick. Aber neben ihm selbst befand sich auch noch sein Partner hier, der, seit etwa einer Stunde, vor sich murrend und grübelnd hin und herlief. Konnte der sich nicht langsam mal beruhigen? Er nervte gelinde gesagt gerade.   „Brady, hör auf umzurennen und setz dich hin.“, meint Enrico genervt und klopfte auf den Liegestuhl neben sich um den Jüngeren endlich mal dazu zu bewegen das er aufhörte auf seiner Terrasse kreise zu rennen. Der Blond blieb auch sogleich stehen, warf den Italiener einen mürrischen Blick zu und kam dann tatsächlich vor sich hin meckernd auf seinen Partner zu. „Ich versteh nicht wieso du hier so entspannt herumsitzt und eine qualmst!“, begann der Jüngere sofort woraufhin der andere mit den Augen rollte. „Lass das Augenverdrehen!“, meinte Bradlay entrüstetet über diese Reaktion. „Du bist manchmal echt wie ein Kind, wie wäre es mal mit etwas mehr Ernsthaftigkeit?“ „Ich bin ernst.“, erwiderte der Italiener seelenruhig und goss dem anderen ein Glas Cola ein um es ihm kurz darauf zuzuschieben. „Setz dich, Brady.“ „Nenne mich nicht Brady! Du weißt dass ich das nicht leiden kann.“ Aber nach dieser Erklärung nahm der Polizist endlich im Liegestuhl Platz, auch wenn er auf den Rand sitzen blieb und sich nicht so entspannt zurücklehnte wie sein Partner. „Jaja, ich weiß, ich weiß.“ Enrico klang eher belustigt als ernsthaft so wie der andere es verlangt hatte aber so war er eben. Bradlay brummt missmutig, nahm dann aber schnell ein Schluck von der Cola um nicht wieder gleich loszukommen. „Also, was ging da vorhin ab? Warum hast du ein Stricherkind mitgenommen?“, fragte er nun wieder ruhig, darauf hoffend das man jetzt mit Enrico vernünftig reden konnte. Er wollte immer noch eine triftige Erklärung für dessen verhalten. Das amüsierte grinsen auf den Gesicht des Italieners erlosch augenblicklich und er wirkte plötzlich ziemlich abweisend. „Nur so.“, erwiderte er knapp und winkte ab um zu zeigen dass damit das Thema für ihn erledigt war aber davon ließ sich der Blonde nicht beirren. Er kannte Enrico schließlich schon eine Weile um zu wissen das da was nicht 'nur so' war. „Ich kenne dich lange genug um zu wissen dass du nichts 'Nur so' machst, Partner.“, erklärte der Fünfundzwanzigjährige schlicht, warf den andren einen missmutigen Blick zu und verschränkt die Arme vor der Brust. „Also? Was war mit dem Jungen, das du ihn nachdem du ihn gesehen hast, mitnehmen musstest?“   Enrico verzog missmutig das Gesicht als Antwort, nahm nun sein Glas Cola und trank in paar Schlücke um noch etwas Zeit zu gewinnen. Weil er keinen Schimmer hatte was er sagen sollte. Beziehungsweise wie viel er Bradley erzählen sollte obwohl er selbst kaum Ahnung hatte. Er wusste nicht wirklich warum er den Jungen mitgenommen hatte, okay er wollte ihn treffen, schon sein halbes Leben lang aber er wusste nur theoretisch warum. Von der Praxis hatte er vorher keine Ahnung gehabt. Es war nur diese starken Gefühle gewesen, dieses verlangen den Jungen bei sich zu haben, ihn nur in der Nähe zu haben. Das konnte er aber schlecht seinem Partner erzählen, der würde dann nur noch mehr rumspinnen. Enrico stieß einen Seufzer aus und vergrub sein Gesicht in den Händen. Das war doch alles Mist. „Ich weiß es nicht, okay? Ich hab keine Ahnung warum ich ihn vorhin mitgenommen habe. Ich weiß nur das ich ihn, nachdem ich ihn sah, ihn plötzlich nur bei mir haben wollt und ende.“, meinte der Italiener nachgebend. Der andere bekam große Augen und sah den Älteren geschockt an nach dieser Erklärung. „Nein verdammt!“, fuhr Enrico ihn genervt an. „Nicht deswegen! Ich steh weder auf Männer noch auf kleine Jungs!“ „Dann Pass doch mal auf wie das Klingt!“, warf der Jüngere ein, erleichtert das es nicht so war.  Enrico sah ihn böse an, da versucht er das seinen Freund zu erklären und der fing schon wieder mit dem Mist an. Bradlay verschränkte die Arme vor der Brust und erwiderte den bösen Blick des anderen. „Dein Englisch ist manchmal echt miserabel. Da musst du besser aufpassen wenn du so was sagt sonst denkt man ja sonst was.“ Enrico verdrehte die Augen. „Wenn ich eine Predigt wegen meiner Milliarden von Fehlen will ruf ich meine Mamma an.“ „Die scheinst du ja schon ewig nicht mehr Kontaktiert zu haben wenn du so ein Blödsinn machst wie kleine Jungs mit zu dir zu nehmen.“, warf sein Partner ein. Die Mundwinkel des Italieners sanken hinab, da hatte sein Partner nämlich ziemlich Recht. Mit seiner Mutter hatte er seit bestimmt 3 Monaten nicht telefoniert. „Aber du musst doch zugeben dass das eine selten dämliche Idee war.“, erwiderte Bradlay und zog fragend eine Augenbraue hoch. “Oder?“ Der Italiener stieß einen Seufzer aus und ließ nach einen 'Ich weiß nicht' den Kopf hängen. „Ich weiß es wirklich nicht… aber… „ „Aber was?“, fragte sein Partner dazwischen da er nicht verstand warum der Ältere plötzlich so verunsichert war. Enrico verunsichert oder irritiert über sich selbst zu sehen war etwas so exotisches das Bradlay überlegte ob dieses Gespräch hier gerade wirklich stattfand. Der Andere kam ihm heute Nacht sehr seltsam vor, also seltsamer als sonst.   Enrico schwieg, lehnte seine Stirn gegen seine gefalteten Hände und ließ das Treffen in der Nacht mit dem Jungen nochmals Revue passieren. Sie hatten zwar nur am Ende ein paar Worte miteinander gewechselt aber das bloße zusammen sein hatte sich so gut angefühlt und so verdammt richtig das sie beieinander waren. Weil sie zusammen gehörten, wie zwei Teile einer Sache die nur zusammen Komplett war. Er hätte nie gedacht dass es so stark war. „Aber es hatte sich richtig angefühlt.“, erklärte der Braunhaarige entschieden und hob den Kopf um in die nächtliche Stadt zu sehen. „Und ich würde es immer wieder tun.“ Bradlay klappte nach dieser Ansage erst mal der Mund auf und er starrte seinen Freund und Partner nur geschockt an. Das konnte doch nicht sein ernst sein! „Wieso!?“, verlangte der Blonde zu wissen. Er sah wie sich der andere wieder ihm zuwandte, sein Gesicht zeigte sein Altbekanntes schiefes lächeln und er zuckte mit den Schultern. „Weil es eben so ist.“ Bradlay stieß einen frustrierten Laut aus und er vergrub nun sein Gesicht in den Händen. Das konnte doch nicht wirklich sein Ernst sein!   ~   Warmer Dampf stieg aus seiner Tasse empor während er mit langsamen Bewegungen den, inzwischen nicht mehr ganz so heißen Kakao umrührte. Die morgige Sonne schien leicht durch das Fenster in die kleine Küche und Tobi gähnte herzhaft. Es war zwar bereits halb Acht aber der Vierzehnjährige war trotzdem Hundemüde, schließlich war er erst gegen Drei Uhr ins Bett gekommen. Der Teenager war froh dass heute Freitag war, denn dann konnten er und seine Mutter ab Morgen wieder etwas länger schlafen. Für die Nächte hingegen gab es kein Frei, genauso wie es keine Feiertage oder Ferien gab. Sira betrat wieder die Küche, fertig angezogen in Jeans und einen hellgrünen T-Shirt mit dem Logo des Blumenladens in dem sie tagsüber Arbeitete um sie beide über die Runden zu bringen. „Tobi iss dein Toast, du musst gleich los.“, bat seine Mutter ihn seufzend, nahm ihre Tasse schwarzen Tee und setzte sich neben ihn an den kleinen Tisch. Der Junge verzog unmotiviert das Gesicht, nahm aber sein Toast mit Nutella und begann zu essen. „Morgen wird ausgeschlafen, okay? Nur noch heute.“, versuchte ihn Sira aufzumuntern während sie ihr einziges Kind liebevoll ansah. Von diesen kam nur ein 'hmhm', während er sein Frühstück verspeiste, dabei aber etwas erfreuter wirkte. Wochenende!   Ein Blick auf die Uhr am Backofen verriet Tobi das er sich beeilen musste, schnell trank er seinen Kakao aus und verließ die Küche um sich fertig zu machen. Sira lächelte leicht und nippte an ihren Tee der ihr hoffentlich den nötigen Energiekick für den heutigen Tag verschaffte. Die Frau war ziemlich kaputt. Die Thailänderin hörte ihren Sohn im Bad klappern und Wasser rauschen, dann wie er in sein Zimmer stürmte und dort herumkramte. Ihr Lächeln wurde wärmer. Dann knallte die Zimmertür zu, sie hatte ihm schon so oft erklärt das Türen klinken besaßen, und er kam zurück in die Küche gestürmt. „Bis nachher, Ma.“, verabschiedete sich der Junge wobei er ihr einen Kuss auf die Wange drückte. „Bis nachher, mein Kleiner.“ Dann stürmte Tobi wieder aus der Küche heraus und kurz darauf knallte die Wohnungstür ins Schloss. Wie immer.   „Diana!“ Tobi klopfte zweimal energisch an die Nachbartür und beugte sich dann vor um besser lauschen zu können. Da es früh morgens war, war es im Gebäude sehr ruhig und der Vierzehnjährige konnte hören wie im Badezimmer, das direkt neben der Wohnungstür lag, das Wasser rauschte und hektisches Geklapper. Kurz darauf ertönte ein zweistimmiges 'Gleich' und der Junge lehnte sich wieder mit mürrischem Gesichtsausdruck zurück. Jeden morgen dasselbe, Mutter und Tochter brauchten ewig auf den Bad um sich fertig zu machen und deswegen kamen die Kinder häufig zu spät zur Schule. Konnte seine Halbschwester nicht mal eher ins Bad? Tobi beschloss unten vor dem Haus zu warten, vielleicht war ja auch bereits Lucas unten und die beiden konnten etwas miteinander quatschen. Der Schwarzhaarige sah nochmals auf die Wohnungstür vor ihm, dann lief er die Treppen hinab und verließ das Haus.   Die Nebenstraße vor dem Haus lag ruhig, fast friedlich da. Es war niemand zu sehen, nur an manchen Ecken lagen Müllsäcke, ein paar Ratten rannten dort auf der Suche nach Nahrung herum und ansonsten wirkte Watts am morgen Menschenleer. Tobi blinzelte leicht als er die helle und leere Straße sah. Auch wenn er jeden Morgen aus dem Haus ging und dieses Bild täglich sah erstaunte es den Vierzehnjährigen immer wieder von neuen das Watts, welche in der Nacht eine Hochburg von Kleinkriminellen, Drogendealern, Straßengangs und Prostitution war, Tagsüber so ruhig und harmlos wirkte. Am helllichten Tag sah man auf den Straßen hier hauptsächlich nur Einwanderer, Obdachlose oder sie selbst, die Professionellen wenn sie nicht arbeiten mussten. Und in der Nacht trauten die Tagesleute sich kaum aus dem Haus.   Tobi schüttelte seufzend den Kopf und wandte sich dann nach rechts und hoffte das Lucas da war und nicht ebenfalls noch bei sich Zuhause das Bad blockierte. Das Gesicht des Schwarzhaarigen erhellte sich als er an der Ecke des Wohnhauses, aus dem er getreten war, einen großen, etwa Siebzehnjährigen Jungen entdeckte der lässig, mit dem Rücken zu ihm, an der Wand angelehnt dastand. Tobi strahlte und ging auf ihn zu um den Älteren zu begrüßen und um zu fragen warum der andere so abseits dastand. Wenn man sich nicht gezielt auf der Suche nach Jemanden umsah konnte man den anderen nicht sehen, so versteckt stand er an der dunklen Ecke. Komisch. Als der Halb-Thailänder näher kam hielt er jedoch plötzlich inne als er erkannte dass der große Jugendliche an einer Zigarette zog und dann den Rauch ausstieß. Der Schwarzhaarige lachte leise. Das erklärte natürlich warum Lucas so versteckt dastand, er wollte wohl nicht das man ihn von den Fenstern des Hauses aus rauchen sehen konnte denn seine Mutter würde ihn dafür definitiv die Ohren langziehen. Seine Mutter wusste zwar das ihr fast volljähriger Sohn rauchte, fand dies aber nicht so gut und wenn sie ihn beim rauchen erwischte lag sie ihm regelmäßig mit Krankheiten die Zigaretten verursachten in den Ohren. Und Lucas tat alles um unnötigen Stress zu vermeiden. Typisch.   Als er das Lachen hörte wendete Lucas den Kopf leicht bis er den Jüngeren erkennen konnte und sofort erschien ein Lächeln auf dem Gesicht des Siebzehnjährigen. „Morgen Zwerg.“, begrüßte er den Anderen der sofort, nach der wenig schmeichelhaften Bezeichnung ‘Zwerg’,aufhörte zu lachen und den Freund tödlich beleidigt ansah. „Ich bin kein Zwerg!“, widersprach der Jüngere während der Andere auf ihn zuging und seinen Arm auf den Kopf des deutlich Kleineren Ablegte. “Gegen mich wirst du immer ein Zwerg sein.“ „Gegen dich ist jeder ein Zwerg! Kann ja nicht jeder 1,90m groß sein.“ Der Ältere lachte daraufhin nur und zerwuschelte den schwarzen Haarschopf. Lucas war eine Person die auf die meisten anderen Menschen eher abschreckend wirkte da er sehr groß war und dazu noch von Natur aus sehr Breitschultrig und muskulös. Mit seinen Stahlgrauen Augen und den hellbraunen, kurzen Haar wirkte er immer kalt und aggressiv, wie jemand den man niemals alleine im Dunkeln begegnen wollte. Aber diese Leute hatten keine Ahnung was für ein Mensch Lucas war. Der Siebzehnjährige war eine dieser Personen mit einem absolut netten Wesen der weder Mensch noch Tier in irgendeiner Weise etwas antun würde. Er hatte eine Engelsgeduld und bewahrte eigentlich immer einen kühlen Kopf wenn andere schon am durchdrehen waren und er zog Tobi regelmäßig aus jedem Mist. Lucas war der beste Freund den man sich nur wünschen konnte. „Pass bloß auf das ich deiner Mutter nicht stecke das du dich morgens nur so schnell vom Acker machst weil du dringend eine Kippe brauchst.“, drohte der Schwarzhaarige murrend seinem Freund während er versuchte seine Haare, die nun in alle Himmelsrichtungen abstünden wieder zu ordnen. Dauernd zerstörte sein Kumpel seine Frisur. Lucas grinste nur und nahm noch ein Zug von seiner Zigarette.   Plötzlich ertönten hastige Schritte aus dem Treppenhaus des Gebäudes und der Siebzehnjährige hob den Kopf um gerade noch zu sehen wie Diana aus dem Eingang gestürmt kam. Sie sah sich um, entdeckte die beiden Jungs und kam schnell auf sie beide zu. „Verdammt, das wird knapp.“, sagte die Blonde mit einen frustrierten Blick auf ihre Armbanduhr, faste den Riemen ihrer Umhängetasche fester und begann die Jungs zu scheuchen. „Los jetzt, wir kommen sonst zu spät!“ Lucas hob nur eine Augenbraue, beschloss aber wie so oft lieber nichts zu sagen während sich Tobi zu seiner Schwester herumdrehte und sie mürrisch ansah. „Wenn du nicht ständig so ewig lange im Bad vor dem Spiegel brauchen würdest wäre es auch mal weniger Knapp.“, erklärte der Jüngere entschieden. „“Was treibst du da überhaupt so lange?“ „Mich schminken, natürlich. Ein Mädchen muss doch hübsch anzusehen sein.“ „ Man sieht nur nichts. Das ist verschwendete zeit wenn du danach immer noch aussiehst wie sonst.“ Diana sah ihn bitterböse an. Sie schminkte sich nur leicht, das stimmte. Rosafarbener Lidschatten und Wimperntusche, Kajal und etwas Lippglos reichten ihr völlig aber schon alleine morgens ihre Haare machen und Klamotten aussuchen brauchte eben seine Zeit. Und die Sechzehnjährige war auch in einem Alter wo ihr ihr eigenes Aussehen immer wichtiger wurde. Die beiden Halbgeschwister sahen sich so an, wie sich nur streitende Geschwister immer ansahen, tief beleidigt und trotzig.   Lucas verdrehte leicht genervt die Augen und beschloss, bevor es mal wieder in einer hitzigen Diskussion endete, dazwischen zu gehen denn sonst würden sie heute gar nicht zum Unterricht kommen. „Schluss jetzt ihr zwei, wir schaffen es sonst wirklich nicht mehr rechtzeitig.“ Tobi und Diana sahen sich noch einen Moment schweigend an ehe der Junge mit den Schultern zuckte und ein 'Sorry' murmelte woraufhin das Mädchen versöhnlich lächelnd nickte. Stimmte, für Streitereien fehlte ihnen die Zeit wenn sie die erste Stunde nicht verpassen wollten. Lucas bot der Blonden Gentleman like den Arm an was diese sofort erfreut annahm und sich nach einem angedeuteten Knix bei ihm unterharkte. Der Großgewachsene Junge grinste leicht und dann gingen sie, Tobi voraus die Nebenstraße herunter.   Langsam kam nun Leben auf den leeren Straßen von Watts. Überall konnte man nun auch andere Leute, vorzugsweise Kinder, sehen die die Mietshäuser verließen und die in dieselbe Richtung liefen. Sie alle sahen ebenfalls ziemlich müde und erschöpft aus und viele hatten Blessuren an ihren Körpern. Schrammen an den Beinen und Armen, überall blaue Flecken und auch einige hatten Würgemale oder Fesselspuren die sie allerdings hervorragend versteckten, sowie einer der Jungen auch eine verarztete Platzwunde am Kopf hatte. Diese Kinder waren alle gleich. Sie gingen tagsüber brav zur Schule, lernten, machten Hausaufgaben und danach hatten sie Freizeit und konnten Spaß haben.  Doch nachts gingen sie alle auf den Straßenstrich, der ein paar Gassen weiter war, anschaffen und verkauften ihren Körper für Geld an vorwiegend ältere Männer.  Und was diese mit ihnen taten war unaussprechlich. Und der Vater von Tobi und Diana, Jayden Armstrong, der dies hier ins Leben gerufen und sich mit der Zeit mit anderen Zuhältern zusammengetan hatte, holte nach jeder Nacht von den Strichern das Geld ab.  Sie selbst hatten nichts davon und ihre Mütter, die ebenfalls jede Nacht anschaffen gehen mussten, mussten tagsüber ganz gewöhnliche Arbeiten nachgehen um für ihren Lebensunterhalt zu sorgen.  Würden sie sich weigern zu diesen Männern nachts zu gehen oder einfach nicht auftauchen… sie alle hatten schon mehr als einmal erfahren was dann geschah. Sie alle waren mal ganz normale Leute gewesen, normale Familien die einfach aus ihren alltäglichen Leben herausgerissen wurden und mit Gewalt dazu gezwungen wurden. Gewalt welche seit diesen Tag an dem es vor drei Jahren begann einen großer Teil ihres Lebens ausmachte. Ein Leben das nun anderen gehörte, den sie waren ihre Sklaven.   Tobi wollte gerade, gefolgt von Lucas und Diana nach links in eine kleine Seitengasse einbiegen um auf die große Straße zu kommen, wo auch nachts der Straßenstrich war als ihm plötzlich jemand aus eben dieser Gasse entgegenkam. „Ihr seid spät.“, kam es von einem etwa Dreizehnjährigen Mädchen, wobei sie ihre Arme in die Seite gestemmt hatte.  Sie war klein, ein bisschen mollig und ihr Sommersprossiges Gesicht wurde von Kinnlangem, rotem Haar umrahmt. „Entschuldige Laura, Diana hat so ewig gebraucht.“, erklärte Tobi. „Dann lasst sie nächstes mal da.“, bemerkte ein Gleichaltriger Junge mürrisch der neben der Rothaarigen aus der Gasse trat und die Arme vor der Brust verschränkte. Leon war ebenfalls Dreizehn, Rotbraun und mit gelangweiltem Gesicht unterwegs, wie jeden Tag zu jeder Zeit. Tobi grinste entschuldigend. Diana sah Leon schmollend an. „Du kannst ruhig mal ein bisschen netter zu mir sein Leon.“, meinte sie beleidigt. Der Angesprochene warf ihr einen typisch gelangweilten Blick zu als Zeichen das er überhaupt nicht einsah wieso er zu ihr nett sein sollte. Wozu auch? Die Blonde steckte ihm die Zunge heraus. „Hallo? Wir sind immer noch zu spät dran, kannst du demzufolge dein Genörgel auf später verschieben, Bruder?“, fragte Laura während sie den anderen in die Seite Pikste. Laura war Leons jüngere Zwillingsschwester und war die einzige die ihn auch mal anzicken dürfte oder mal eine Kopfnuss verpassen dürfte ohne das sofort was zurückkam. Demzufolge war Laura auch die einzige die relativ oft die nette Seite ihres Bruders erlebte oder der auf ihre Worte hin aufhörte zu nörgeln. So auch jetzt denn nach ihren Worten warf der Andere seiner Schwester nur einen Seitenblick zu, brummte leicht zustimmend und vergrub dann seine Hände in den Hosentaschen. Leon war ruhig gestellt. Tobi lächelte leicht als Laura nun zu ihm kam und seinen Arm umfasste um sich sogleich an den Schwarzhaarigen zu schmiegen. Die Rothaarige strahle ihn an. „Ich dachte wir sind spät dran? Also hört auf rumzuturteln, sonst wird mir gleich schlecht.“, gab Leon nun doch noch genervt dazu woraufhin ihm seine Zwillingsschwester beleidigt die Zunge herausstreckte. „Schluss jetzt!“, ging nun Lucas dazwischen und unterbrach somit die Alltäglichen Streitereien zwischen den Zwillingen damit sie nun endlich mal loskamen. „Wir müssen weiter, schon vergessen?“, fragte Diana belustigt den eigentlich fand sie die Situationen immer sehr amüsant zwischen den drei Kleineren. Laura die ein bisschen in Tobi verknallt war, Leon der immer dazu seine nicht geraden netten Bemerkungen abgeben musste und Tobi, der nicht wusste was er machen sollte. Daraufhin warf Leon den Älteren nur einen mürrischen Blick zu ehe er sich umdrehte und losging woraufhin sich Lucas und Diana sofort anschlossen. „Ey, wartet auf uns!“, rief Laura hinterher, nahm Tobi an der Hand und sie rannten schnell den anderen Hinterher.   ~   „Das ist alles nur deine Schuld!“, meinte Bradlay grimmig, aber von der anderen Seite kam nur ein genervtes Seufzen.  „Das hast du mir nun schon zum zwanzigsten Mal gesagt, Partner. Langsam hab ich es auch verstanden“, meinte Enrico gelangweilt.  Die beiden Polizisten saßen in ihrem Büro des Morddezernats, in der Hauptzentrale des Police Department von Downtown, an ihren Schreibtischen die mit den Rücken zueinander standen. In der Mitte dieser Tische stand noch ein kleines Bücherregal welches als zusätzliche Ablagefläche genutzt wurde und worauf sie eine kleine Mauer aus verschiedenen Büchern über die Polizeiregeln, Justizvorschriften, Fingerabdruckmappen und die Akten der letzten Sträflinge gestapelt hatten.  „Trotzdem kann man es dir gar nicht oft genug sagen! Wegen dir dürfen wir beide nun mehrere Berichte für die anderen schreiben und danach Streifendienst in Watts schieben.“, meinte der Blonde schlecht gelaunt denn schließlich hatte er heute nach dem Dienst noch etwas vor, was er nun wegen dem anderen Absagen dürfte. Und das was er nach dem Feierabend vor hatte wäre tausendmal schöner als dieser Papierkrieg den Bradlay gerade erledigte und danach noch Streife fahren. Und das ausgerechnet in einen der Problematischsten Stadtviertel von ganz L.A Der Fünfundzwanzigjährige sah von seinem Computer auf und war den Italiener ihm gegenüber einen bösen Blick zu. „Nur weil du mich überredet hast bei dir zu übernachten haben wir heute früh verschlafen und sind zu spät gekommen. Und dazu konnten wir den Captain auch keine positiven Untersuchungsergebnisse von gestern vorlegen.“  Denn Bradlay hatte sich auf Enricos Worte verlassen das er sie weckten würde den der Handy Akku des Jüngeren war leer gewesen und somit unbrauchbar. Aber der Italiener hatte sein Handy nach der Weckfunktion automatisch ausgeschaltet, sich wieder umgedreht und weitergeschlafen. Demzufolge waren sie vier Stunden zu spät zur Frühschicht erschienen. Logischer Weise war ihr Captain Stinksauer.  Der Schwarzbraunhaarige verdrehte nur genervt die Augen und tippte ebenfalls einen Bericht, dabei ignorierte er seinen Partner der ihm immer wieder böse Blicke zuwarf. Klar, er konnte die miese Laune seines Freundes verstehen denn Enrico war auch nicht gerade scharf drauf diese ganzen Berichte für seine Kollegen zu tippen und danach noch die vier Stunden Streife in Watts zu fahren, aber es war eben nicht mehr zu ändern. Und sein Partner ging ihn gerade ziemlich auf die Nerven und er sehnte den Feierabend herbei.   Plötzlich wurde mit einem Rattern ihre Bürotür aufgeschoben und ein Älterer, bereits ergrauter Mann schaute zu ihnen herein. „Seid ihr endlich fertig? Ihr sollt jetzt nicht bis zum Feierabend an den paar Berichten hocken. Der Streifendienst wartet bereits auf euch“, meinte der Grauhaarige.  „Captain Beacker, das sind zehn Berichte!“, warf Bradlay beleidigt ein, denn schon allein ein Bericht konnte bis zu einer Stunde dauern je nach Umfang des Dienstes. „Das ist mir doch egal, macht Tempo!“, widersprach sein Vorgesetzter ihm nur und zog dann sofort wieder die Tür zu.  Bradlay sah ihn grimmig hinterher ehe er wütend zu seinem Partner gegenüber sah, der gelangweilt abwinkte.  „Ich weiß, ich weiß. Ich bin schuld und ich gebe dir nach dem Dienst ein Bier aus“, murmelte er, ehe er seine Zigarette die er die ganze zeit über im Mund hatte im Aschenbecher auf seinem Schreibtisch ausdrückte und sich dann eine neue ansteckte.  Berichte schreiben und danach Streifendienst mit einen schlecht gelaunten Partner, der Tag war so beschissen wie der letzte aufgehört hatte.    ~   Lautes Schulklingeln hallte durch die leeren Flure der Middelton School, die direkt im Herzen von Watts lag. Die Schule war schon sehr alt, die Wände des Gebäudes waren von unzähligen Rissen bedeckt und überall hatten schon viele Teenager ihre kreative Ader über hässliches Graffiti an den Wänden ausgelassen. Aber niemand störte sich hier daran den dieser Stadtteil hatte kaum Geld weswegen Renovierungen unvorstellbar waren.  Schließlich steckte die Stadt keine Kosten in so ein Viertel. Also lebten sie alle damit und versuchten das Beste daraus zu machen, schließlich hatten sie wenigstens gute Lehrer die bemüht waren den Schülern ein besseres Leben durch Wissen zu ermöglichen.    Eine Klassenzimmertür wurde aufgestoßen und Leon verließ mit gelangweilter Miene den Raum, gefolgt von Tobi der leicht grinste und Laura, die in den Raum zurück den Mittelfinger zeigte. „Und wehe ich sehe euch Montag schon wieder im Nachsitzraum!“, kam es wütend aus eben diesen Raum und ein Vierzigjähriger, braunhaariger Mann sah aus der Tür, fixierte die drei Kinder mit bösem Blick.  Die Drei waren ihn wie fast jeden Nachmittag auf die Nerven gegangen. „Aber Mr. Jackson, wir müssen doch jeden Tag schauen, ob ihre Perücke ordentlich sitzt“, meinte der Schwarzhaarige mit amüsiertem Grinsen, wobei er auf das Haarteil des Lehrers starte. Besagter Lehrer starrte ihn nur genervt an, während das einzige Mädchen in der Gruppe anfing zu lachen. „Außerdem, dass sie heute keine Spermaflecke auf der Kleidung vom letzten Techtelmechtel haben“, meinte die Rotblonde kichernd und ihr Bruder sah nun ebenfalls zu dem Mann. „Und dass sie keine Sexmagazine unter ihrem Schreibtisch versteckt halten“, meinte er gelangweilt und zog dabei drei dieser besagten Hefte unter seiner Jeansjacke hervor.  Der Lehrer wurde kalkweiß im Gesicht, was seine bereits recht auffälligen Falten noch mehr hervorhob und starrte nur geschockt Leon an, während Tobi und Laura nur in schallendes Gelächter ausbrachen. Dem Mann stieg dann die Zornesröte ins Gesicht und er riss seinen stillen Schüler nur aufgebracht die Magazine aus der Hand. „Verschwindet oder ich mach euch Beine!“, brüllte er wütend und der Schwarzhaarige sowie das Mädchen lachten nur belustigt, ehe sie den Schweigsamen am Handgelenk packten und dann zu dritt aus der Schule rannten.   „Leon, du bist einfach klasse!“, sagte seine Zwillingsschwester nach Luft schnappend wobei sie sich ihren Bauch hielt. Der Junge zuckte nur mit den Schultern und meinte:„Ich weiß.“ Tobi klopfte ihn daraufhin nur lachend auf die Schulter und schnallte sich seinen Rucksack über die Schultern. „Wer wird denn da eingebildet werden?“, fragte er belustigt und der Braunhaarige hob unbeeindruckt eine Augenbraue. „Na ich“, meinte er schlicht und der Schwarzhaarige und seine Freundin lachten erneut los.  Leons Worte und dieses total gelangweilte Gesicht dazu war einfach immer wieder zum Lachen, egal dass sie sich mittlerweile alle schon seit sie klein waren kannten und miteinander Spaß hatten. Nach einer Weile noch leises Gekicher und Gelächter beruhigten sich die Kinder wieder und Tobi lehnte sich an die Schulmauer. Die drei waren auf den Schulhof gerannt der bereits leergefegt war, aber es war ja bereits nach Fünfzehn Uhr und der reguläre Unterricht war seit fast einer Stunde vorbei. Nur Sie drei müssten mal wieder Länger bleiben da sie, wie öfter, im Unterricht gestört hatten. Ihre Mütter würden ihnen wieder mal die Ohren lang ziehen wenn die Schule sie benachrichtigten. „Lucas und Diana haben in einer viertel Stunde Schluss, wollen wir noch auf sie warten?“, fragte der Schwarzhaarige nach einen Blick auf sein Handy und sah dabei zu seinen Freunden. Leon zuckte nur mit den Schultern, wie immer eigentlich wenn man ihn was fragte.  Laura hingegen nickte lächelnd mit dem Kopf. „Klar, wir gehen zusammen nach Hause.“, meinte sie zustimmend und ihr Bruder lehnte sich daraufhin neben seinen Freund an die alte Mauer, die fast noch ramponierter aussah wie die Schule. Diese Gegend hier gehörte aber trotz allem immer noch zu einer der besseren in Watts, schon alleine weil hier die öffentlichen Einrichtungen standen. Lucas und Diana gingen beide auf die High School, die neben ihrer Middelton School gebaut worden war und wo die drei nach den bald kommenden Sommerferien ebenfalls zur Schule gehen würden. Die beiden Schulen teilten sich sogar einen riesigen Schulhof zusammen, sodass die älteren und jüngeren Schüler der beiden Schulen immer wieder zusammen Pause hatten. Was äußerst praktisch war.   Plötzlich kam ein schwarz-weißer Polizeiwagen um die Ecke gefahren der in einigen Meter Entfernung von den drei Kindern am Straßenrand hielt. Die Beifahrertür wurde geöffnet und Bradlay stieg aus um danach sofort die Tür wieder zu schließen.  „Gott, was für ein Scheiß! Parkkontrolle an den Schulen in Watts, auf was für ein Mist kommt der Captain denn noch?“, fragte er genervt und zog sich seine schwarze Polizeimütze vom Kopf um sich dann kurz durch seine blonden Haare zu fahren.  Auf der Fahrerseite stieg nun der sehr große Enrico aus dem Wagen und lehnte sich mit den Armen auf das Dach des schwarz-weißen Autos. „Du weißt doch wie der ist, Partner, sucht für uns immer die tollsten Aufgaben“, meinte der Italiener trocken und rieb sich über seinen Nacken. Die beiden Männer trugen die typischen Sommerpolizeiuniform von Los Angeles, ein schwarzes, kurzärmliges Hemd, schwarze Hose und die schwarzen Mützen dazu. An der Brust der Hemden hing ein silbernes Polizeiabzeichen und in ihren Waffenhohlstern hingen ihre Dienstwaffen. „Ja, ich weiß, das kennen wir ja mittlerweile aber wieso bekommen immer wir diese tollen Aufgaben?“, fragte der Blonde rechtlich genervt und sein Älterer Partner zuckte mit den Schultern. „Das Beste für seine persönlichen Lieblinge“, meinte er schlicht und Bradlay verdrehte die Augen.  „Wenn wir seine persönlichen Lieblinge sind, dann tut mir seine Frau ja leid“, meinte er sarkastisch und der Andere gluckste belustigt. „Los, kümmern wir uns um die Autos hier, damit wir weiter fahren können“, meinte Enrico und schlug dann seine Tür zu, schloss den Wagen auch gleich mit einen Knopfdruck auf den Autoschlüssel ab. Sein Partner hatte bereits den Strafzettelblock und Stift in der Hand und zusammen gingen sie auf die parkenden Autos vor der Schule zu.    Die Blicke der Zwillinge hingen an den beiden Uniformierten Männern fest und misstrauisch, aber auch mit einer Spur neugierigem Interesse beobachteten sie die beiden. Normalerweise sah man in Watts nur selten Polizisten, insbesondere hier an den öffentlichen Gebäuden da es noch nie zu ein Vorfall an den Schulen gekommen war, beziehungsweise wenn was war rief hier keiner freiwillig die Cops sondern es wurde alleine geklärt. Außerdem würde es, wenn hier welche von den Behörden auftauchten Stress mit den Straßengangs geben und darauf konnten alle getrost verzichten. Tobi sah, als er die Blicke seiner Freunde bemerkte ebenfalls zu den zwei Männern hin die gerade begonnen hatten den ersten Wagen zu inspizieren.   Ich bin hier.   Der Schwarzhaarige legte nachdenklich den Kopf schief als er dies spürte und unwillkürlich runzelte er die Stirn. Da war es schon wieder, dieses Gefühl was ihn auch letzte Nacht so zu schaffen gemacht hatte. Wo kam das her? Tobi blinzelte leicht und dann blieb sein Blick an den größeren der beiden hängen der sich gerade über die Heckschutzscheibe beugte und dem anderen etwas erzählte. Der Kleinere begann sofort etwas auf den Block in seiner Hand zu schreiben. In diesem Moment richtete sich der Großgewachsene Mann wieder auf, zog sich die schwarze Polizeimütze vom Kopf und strich sich mit einer Hand durch die dunkelbraunen, leicht gelockten Haare. Der Junge fühlte eine Art Anziehung von diesem Mann, ein seltsames Gefühl das ihm zuflüsterte dort hinzugehen und mit dem Mann zu reden, wie letzte Nacht.   Komm zu mir.   Tobis Augen weiteten sich überraschten.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)