Fernweh von Jaelaki (Nächster Halt: Du [Seto & Joey]) ================================================================================ Kapitel 4: Du bist einfach nicht da (März) ------------------------------------------ Kapitel 4 „Nicht in die ferne Zeit verliere dich. Den Augenblick ergreife. Der ist dein.“ Friedrich Schiller ~~~ Es war scheißkalt. Obwohl es März war. Eigentlich sollte man da an Frühling denken, an die ersten warmen Sonnenstrahlen. Joey Wheeler schnaubte. Und stapfte durch den Schnee. Seto Kaiba war weg. Einfach so. Mehr oder weniger. Und Joey Wheeler hatte das Gefühl, plötzlich endlos viel Zeit zu haben und er wusste einfach nicht, was er tun sollte. Bis ihn Tristan angerufen hatte. „Mensch, Joey! Du lebst ja noch!“, hatte der ihn am Telefon begrüßt und ohne Pause weitergequatscht, „ich versuch dich schon die ganze Zeit zu erreichen. Hast du nicht Lust, rüberzukommen?“ Eigentlich hatte er keine Lust auf gemütliches Beisammensein, Gerede, mitleidsvolle Blicke. Er wollte einfach nur allein sein, sich in sein Bett kuscheln, sich in seinem Zimmer verschanzen und die ganze Welt da draußen vergessen. Die konnte ihn nämlich mal. Er hatte Tristan schon abwiegeln wollen, als ihm plötzlich ganz klar wurde, dass er eben doch nicht allein sein wollte. Dass es ihm mächtig auf den Keks ging, alleine durch den Schnee zu trotten und dass er dankbar für Tristans Anruf war (obwohl er auch sehr genervt gewesen war von dessen vorherigen hartnäckigen Versuchen ihn ans Telefon zu bekommen). Jedenfalls stapfte er gerade durch den Schnee auf dem Weg zu Tristans Apartment. Er sah sich um. Die Häuser waren gepflegt. Die Menschen schienen sich sicher zu fühlen. Es gab einen kleinen Park, in dem ein paar Hunde tollten, ein paar Kids einen Schneemann bauten. Natürlich war es kein High-Society-Viertel. Es gab keine ‚Stars‘, es gab keinen zur Schau gestellten Reichtum. Aber, dachte Joey bei sich, sie hatten es aus dem Elendsviertel heraus geschafft. Tristan hatte sich etwas aufgebaut, hatte seine Ausbildung zum Kaufmann erfolgreich abgeschlossen und einen guten Job. Er mietete sich eine kleine Wohnung, die gemütlich eingerichtet war. Joey war immer herzlich willkommen, wie in alten Zeiten, wie jetzt, wie schon immer. Joey fragte sich, ob er das auch ohne Seto Kaiba geschafft hätte. So wie Tristan. Natürlich hatten sie beide hart dafür kämpfen müssen. Aber hatte Joey nicht doch im Notfall ein weicheres Polster gehabt? Er wiegte nachdenklich den Kopf. Vielleicht hatte er es in letzter Zeit als zu selbstverständlich genommen. Er hatte Tristan oft warten lassen, wenn er selbst nicht gewusst hatte, ob Seto nicht doch vielleicht Zeit für ihn hätte. Er hatte Tristan in letzter Zeit oft hinten angestellt. Tristan hatte von ihm nie eine Entschuldigung erwartet, hatte immer hinter ihm gestanden. War immer für ihn da. „Hey, Joey, Kumpel!“, begrüßte er ihn und lächelte aufrichtig. In seinen Augen lag eine Wärme, ein Zuverlässigkeit, aufrichtige, ja schon brüderliche Zuneigung. Joey grinste, als er eintrat. „Sag bloß, du hast extra für mich aufgeräumt!“, rief er frotzelnd aus. Tristan verpasste ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. „Joey Wheeler, nicht jeder lebt in einem Dauerchaos wie du.“ „Tz, tz, tz“, erwiderte dieser nur, immerhin hatte er keine Argumente dagegen. Früher – bevor Yugi seinen ‚beruhigenden, heilsamen Einfluss‘ auf die beiden auszuüben begann und sich eine tiefe Freundschaft zwischen den dreien und Thea entwickelte – war Tristan oft die einzige Person gewesen, die ihn nicht abfällig, herablassend und misstrauisch ansah. Er war sein Verbündeter, sein Vertrauter, sein Freund, sein Bruder. „Wie geht es dir?“, fragte er, nachdem sie beide sich an seinen Küchentisch gesetzt hatten, einen warmen Tee vor sich stehend, vor Joey eine heiße Schokolade, die wohltuende Wärme genießend. „Gut, gut“, meinte Joey betont gelassen und Tristan beließ es dabei. „Hast du schon das neue >Sniper< gezockt?“, fragte er nur. Joey schüttelte den Kopf. Als er sich mit seinem ältesten, besten Freund in das Sofa sinken ließ, den Controller in der Hand, fühlte er sich plötzlich wieder wie zu den unbeschwerten Momenten, als er vierzehn war. Er grinste und lehnte sich zurück. ~*~*~*~ Manchmal war es leichter, Dinge einfach ungesagt vorüberziehen zu lassen. Joey traf sich wieder oft mit seinen Freunden. Es war das vertraute Gefühl von Geborgenheit in ihrer Mitte. Es war fast wie früher. „Oh nein!“, rief Joey, als Thea seine Figur schlug und mit einem frechen Grinsen zurück auf die Startposition stieß. „Das ist nur ein Glücksspiel“, murrte er beleidigt. „Seltsamerweise nur wenn du verlierst“, bemerkte Tristan lachend. Yugi lächelte. „Naja, so Unrecht hat Joey nicht“, meinte er versöhnlich, was ihn allerdings nicht davon abhielt eine weitere Figur von Joey vom Feld zu fegen. „Ihr seid so blöd, Leute! Echt jetzt!“, murmelte er trotzig, sah mit zusammengezogenen Augen in die Runde, dann brachen sie alle in Lachen aus. Nur am Abend, wenn er allein zu Hause ankam, sich alleine ins Bett legte oder an den Tagen, an denen ihm schmerzlich bewusst wurde, wie weit weg ein gewisser arroganter Arsch war, starrte er bedrückt aus dem Fenster, verlor sich in blöden Gedanken. Vielleicht war es leichter, Dinge ungesagt vorüber ziehen zu lassen, aber es machte sie nicht besser. Er fühlte sich so weit von ihm entfernt. ~+~+~+~ „Hat sich Kaiba schon gemeldet?“ Joey sah plötzlich auf, schweigend, dann starrte er wieder seine Tasse an. „Mir geht es wirklich gut. Es ist halt seltsam. Aber es geht schon. Wirklich.“ Tristan wirkte wenig überzeugt, schlurfte an seinem Tee, erwiderte nichts. „Aber sollte er sich nicht schon gemeldet haben?“ „Hat er. Kurz.“ „Achso.“ „Was willst du? Was willst du hören?“, fragte Joey leise, „dass ich mich scheiße fühle, dass ich mich einsam fühle, dass er mich hier allein gelassen hat? Dass er ein Arsch ist, der nur an seine Firma denkt? Oder willst du, dass ich endlich zugebe, dass ich vielleicht ohne ihn besser dran bin?“ Er schnaubte trotzig, seine Finger verschlossen fest die Tasse. Tristan schüttelte langsam den Kopf. „Ich will, dass du nicht so in Selbstmitleid versinkst.“ ~*~*~*~ Sein Telefon rang. Seine Hände waren plötzlich feucht. Durch seinen Körper fuhr eine Welle Adrenalin. „Ja, hallo?“ „Hallo, uns geht es gut. Der Flug war angenehm. Wir sind vor ein paar Stunden angekommen. Die Zimmer sind sehr gepflegt, wie ich erwartete.“ Joey lächelte leise. „Das ist gut. Das …“ Im Hintergrund waren einige Stimmen zu hören. „Ich muss auflegen. Es gibt hier noch viel zu organisieren.“ „Ja, klar. Ich … Meldest du dich, wenn du wieder Zeit hast?“ Ein Herumkramen. Einige Sekunden Stille. „Ja, werde ich. Bis dann, Joey.“ „Okay, bis … “ Er hatte aufgelegt. „ … dann.“ Joey starrte sein Telefon an, zuckte die Schultern. ~+~+~+~ Seto Kaiba meldete sich nicht. Joey Wheeler war verdammt wütend. Was dachte sich dieser Arsch eigentlich? „Hallo. Kannst du dich mal melden? Wo seid ihr? Manchmal bist du echt ein Arsch …“ Seine SMS war dementsprechend nicht sehr freundlich. ~*~*~*~ Joey Wheeler schrieb fast stündlich eine SMS. Ohne Antwort. Er rief sogar an. Nichts. Genauso fühlte er sich. ~*~*~*~ „Sag mal, spinnst du?“, fragte Joey aufgebracht. Tristan schaute ihn ruhig an. „Er ist erst seit ein paar Tagen weg und ich soll mich angeblich schon selbstbemitleiden?“ Joey Wheeler schritt zornig auf und ab. Seine Hände fuchtelten wild. „Jetzt bin ich auch noch der Böse? Alter, das kann doch nicht wahr sein!“ Tristan folgte ihm mit seinen Augen und seufzte: „Joey, mach mal halblang. Ich wollte nur sagen, dass du aus deinem Schneckenhaus raus musst. Du hast dich schon Tage vor Kaibas Abreise, nun ja, >eingeigelt<. Du musst dich mal langsam wieder fangen. Du kannst nicht ‚nur für Seto Kaiba leben‘. Das tut dir nicht gut. Und es bringt nichts.“ „Das stimmt. Es bringt nichts dir das zu erklären, du verstehst es einfach nicht.“ Er zog sich seine Jacke über und ging. ~*~*~*~ Sein Telefon klingelte. Sein Herz machte einen Sprung. Seine Stimme klang kratzig. „Was ist passiert, Joey?“ „Wieso?“ „Du hast mir fast fünfzig SMS geschrieben.“ „Achwas. Das waren …“ „Ganz genau 48.“ „Sei nicht so kleinkariert“, nuschelte Joey. Schweigen. „Ist alles gut bei dir?“, fragte er leise. „Soweit läuft alles nach Plan“, erwiderte Seto, „das ist schon fast erschreckend. Daran wird allerdings deutlich, dass ein ‚Chaoten-Hündchen‘ hier fehlt.“ „Pass auf, du kleinkarierter Pinkel“, frotzelte Joey schwach und seufzte dann, „ich vermiss dich auch." „Irgendwie. Vielleicht. Ein bisschen“, fügte er hinzu und wusste, dass Seto wusste, dass er ihm jetzt eigentlich gern die Zunge rausgestreckt hätte. „Ich hoffe für dich, dass du jetzt nicht wie ein hirnverbrannter Idiot, mit heraushängender Zunge herumläufst. Wobei das deinem Image ja nicht sonderlich schaden würde. Als Hund.“ Joey setzte empört an, doch dann meinte er nur: „Ich weiß, dass du Hunde magst.“ „Falsch“, erwiderte Seto sofort und setzte gedehnt hinzu, „ich >liebe< Hunde.“ Joey lachte. „Ich liebe dich auch.“ ~*~*~*~ Joey Wheeler schritt wie beflügelt durch die Straße, wenn er mit Seto telefonierte. Oder las mit einem Kribbeln im Bauch jedes Wort in den Emails, die Seto ihm schrieb. Oder spürte mit klopfenden Herzen, wenn sein Handy vibrierte und er ihm eine SMS geschickt hatte. Doch es kam immer ganz schnell die Ernüchterung. Denn egal, wie oft und lange er telefonieren mochte oder schreiben oder an ihn denken. Seto Kaiba war einfach nicht da. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)