Gebunden durch Hass von BloodyRubin ================================================================================ Kapitel 3: Ein gewagter Plan ---------------------------- Seit jener Nacht war viel Zeit vergangen. Ob es Tage, Wochen oder Monate gewesen waren, konnte Ed nicht sagen. Envy hatte Recht behalten. Nachdem er sich weitere Male mit Haldro angelegt und die Strafe dafür bekommen hatte, war er ruhig geworden. Aber nicht etwa, weil er aufgegeben hätte, sondern weil er in seinem Kopf akribisch den Plan durchging, der ihn aus diesem Loch herausbringen würde. Er war alle Möglichkeiten durchgegangen und langsam entwickelte sich ein brauchbarer, aber auch riskanter Plan. Sein größtes Problem war der Homunculus. Alles in Ed sträubte sich dagegen, ihn einzuweihen und auch noch mitzunehmen. Aber es ging wohl nicht anders. Schließlich beschloss er, dem anderen zu vertrauen – jedenfalls vorläufig. Es war tiefste Nacht und Haldro war an seinem Posten eingenickt. Leise kroch er an Envy heran. Im Schlaf wirkte dieser friedlich, fast schon normal. Kurz musste Ed über diesen Gedanken schmunzeln. Der Homunculus war vieles: psychopatisch, unberechenbar und furchtbar selbstgefällig, aber keinesfalls friedlich oder normal. Unsanft rüttelte er den anderen, bis Envy widerwillig erwachte und ihn verschlafen ansah. „Was ist, Winzling?“, grummelte er nur. „Nicht so laut“, beschwor Ed ihn und sein Blick huschte zum Aufseher. Glücklicherweise war der nicht aufgewacht. „Ich muss mit dir reden.“ Sein alter Gegner wurde schlagartig hellwach. „Ich habe eine Idee, wie wir hier rauskommen könnten.“ „Vergiss das mal gleich wieder. Deine Pläne gehen doch sowieso immer schief.“ „Hör mir doch erstmal zu“, erwiderte Ed leicht genervt. Mit leiser Stimme sprach er weiter. Allmählich wurde der andere interessierter, aber auch zweifelnder. „Das soll ein Plan sein? Wohl eher ein Selbstmordkommando.“ „Wie gut, dass ich dich kenne, Envy. Sonst würde ich glatt behaupten, du hättest Angst.“ „Angst? Ich? Du vergisst wohl, wer ich bin. Nichts und niemand macht mir Angst.“ Seine Miene wurde wieder misstrauisch. „Warum sagst du mir das?“ „Vielleicht ist es dir entgangen, aber momentan sind wir praktisch unzertrennbar.“ Ed deutete auf die Kette. „Selbst wenn wir es schaffen, den Ring zu zerstören, bleibt immer noch die Kette. Das bedeutet, wir werden zusammenarbeiten müssen.“ „Das ist ein Witz, oder?“ Stumm deutete der ehemalige Alchemist erneut auf die Kette und der Homunculus begann leise zu fluchen. „Mir gefällt das auch nicht besonders“, unterbrach Ed die Schimpftirade des anderen. „Aber entweder du kommst freiwillig mit, oder ich muss dich hier rausschleifen.“ „Das würde ich gerne sehen. Schließlich bin ich stärker als du. Wenn, dann würde ich dich hinter mir herschleifen.“ „Wie auch immer. Ich muss dir jetzt eine Frage stellen, bei der ich mir eigentlich lieber die Zunge abbeißen würde. Kann ich auf dich zählen?“ Kurz huschte der Anflug eines Lächelns über Envys Gesicht, doch dann wurde er ernst und zuckte die Schultern. „Ich will genauso hier raus wie du, Winzling.“ „Bist du ganz sicher? Ich habe noch keine Ahnung, wie wir diese Kette loswerden können. Also werde ich mich auf dich verlassen müssen.“ Angestrengt dachte der andere nach. „Nehmen wir mal an, dein Plan funktioniert, was dann? Wie weit werden zwei geflohene Häftlinge schon kommen? Und wo wollen wir uns verstecken?“ „In der alten Wohnung meines Vaters.“ Sofort verspannte sich der Homunculus und seine Augen bekamen einen hasserfüllten Ausdruck. „Hohenheim“, knurrte er. „Sollte dieser Bastard in meine Nähe kommen, werde ihm eigenhändig das Fleisch von den Knochen ziehen.“ „Du hast dir zu viel Zeit gelassen, Envy“, entgegnete Ed ruhig. „Mein Vater ist tot, seit fast einem Jahr.“ Es war das erste Mal, dass sein alter Feind ungläubig wirkte. „Er ist tot? Aber…dann war meine Reise hierher ja völlig sinnlos.“ „Ich habe dich ja gewarnt. Du warst derjenige, der nicht hören wollte.“ Envy hörte ihm nicht zu. Leise murmelte er vor sich hin und starrte dabei ins Leere. „Dabei wollte ich es sein, der ihn umbringt…diesen Mistkerl, der mich erst erschaffen und dann verstoßen hat.“ Er begann, hysterisch zu lachen. „Gut ausgespielt, Winzling. Nun kann ich nicht mal mehr meinen Vater töten. Das war das einzige, was mich etwas aufgeheitert hat.“ Bei seinen Worten spürte Ed, wie ihm ein eisiger Schauer über den Rücken lief. Genau erinnerte er sich an den Tag, an dem der Homunculus ihm sein wahres Gesicht gezeigt hatte. Das Gesicht, das so sehr dem seines Vaters ähnelte. Trotz der Tatsache, dass Envy nur der Beweis für die Schuld war, die Eds Vater auf sich geladen hatte, war er auf völlig seltsame Art Hohenheims Sohn. Eds Halbbruder. Selbst jetzt wollte der frühere Alchemist es nicht wirklich glauben. Er und Envy waren so verschieden wie Tag und Nacht. Sein Halbbruder war ja nicht einmal menschlich, sondern nur eine menschenähnliche Puppe ohne Herz. Zwar konnte er Gefühle empfinden, aber er hatte sich dafür entschieden, allein seinen Hass auf seinen Vater zuzulassen. Dieser Hass war sein Antrieb gewesen und hatte ihn zum Monster gemacht. „Warum hast du mir das nicht eher gesagt?“, unterbrach ihn die Stimme des Homunculus in seinen Gedanken. „Es hätte nichts geändert. Erinnerst du dich an den Tag, an dem du mich aufgespießt hast und wir uns am Tor wiedergesehen haben? Was ich dir damals gesagt habe, als du das Tor geöffnet hast, um in diese Welt zu gelangen?“ Envys Gesicht verzerrte sich vor Zorn, dennoch antwortete er. „Du solltest das nicht tun. Du weißt nicht, was passieren wird.“ „Und, was hast du getan? Du bist hindurchgegangen, blind vor Rachegelüsten.“ „Übertreib es nicht. Sonst spieße ich dich gleich nochmal auf und sorge dafür, dass dein unnützer Körper den Ratten vorgeworfen wird.“ „Ich glaube nicht, dass du das kannst.“ Ed kehrte an seinen Platz zurück und legte den Kopf in den Nacken. „Du hast deine Verwandlungskünste verloren, nicht wahr? Das Tor ist gefährlich. Man bekommt zwar etwas, doch gleichzeitig wird einem auch etwas genommen. Bei dir war es die Kraft, dich in jeden Menschen zu verwandeln, der du sein wolltest, bei mir war es die Alchemie.“ Kurz streckte er sich, um wieder etwas Gefühl in seine Gliedmaßen zu bekommen, dann fuhr er fort: „Ich habe es mir gleich gedacht, als ich dich gesehen habe. Könntest du dich noch verwandeln, wäre es ein Leichtes für dich gewesen, hier herauszukommen. Schließlich bist du ziemlich klug. Dein Problem ist der ganze Rest.“ „Was verstehst du schon, Winzling?“, fauchte Envy. „Ich habe meinen Vater mehr gehasst als jeden anderen. Sogar mehr als dich oder deinen Bruder. Was er mir angetan hat, ist unverzeihlich.“ „Ich nehme das klug zurück. Denkst du wirklich, mein Vater wäre zu mir anders gewesen? Er hat meine Familie ohne eine Erklärung verlassen. Als meine Mutter starb, hatte er es nicht mal nötig, zur Beerdigung zu kommen. Wäre er geblieben, hätten mein Bruder und ich niemals versucht, unsere Mutter wieder ins Leben zu rufen und uns wäre viel erspart geblieben.“ Sein Blick blieb an Haldro hängen. Der Aufseher war wach und sah sie verwirrt an. „Ihr gleichen Vater?“, fragte er und wiegte seinen hässlichen Kopf, um den Sinn dahinter zu verstehen. „Ja, irgendwie“, murmelte Ed geistesabwesend. „Dann ihr Brüder?“ „Halbbrüder.“ Haldro dachte lange nach, bevor er wieder was sagte. „Ihr euch nicht mögen?“ „Das wäre untertrieben. Wir hassen uns.“ Envy war inzwischen vor Wut dunkelrot angelaufen. „Hat dir niemand beigebracht, dass es unhöflich ist, andere zu belauschen?“, zischte er Haldro an, was den Aufseher wütend machte. Während er den Homunculus bestrafte, der ihn aus funkelnden Augen ansah, dachte Ed wieder an den Plan. Wenn er nicht aufpasste oder einen falschen Schritt machte, wäre alles dahin. Dasselbe galt auch für Envy. Ohne ihn ging es nicht, aber dafür musste er sich zusammenreißen, was bei ihm fast unmöglich schien. Genauso gut konnte man versuchen, einer Kuh das Eierlegen beizubringen. Als Haldro die Zelle wieder verließ, schien sich Envy etwas beruhigt zu haben. Langsam, aber sicher wurde Ed müde. Es war viel passiert heute und er hatte seit seiner Inhaftierung nie lange geschlafen. Er schloss die Augen und das Bild von Al erschien vor ihm. Sein Bruder lachte und strahlte ihn mit seinen goldenen Augen an. Er sagte etwas, doch Ed verstand nichts, als wäre er weit entfernt. Obwohl es guttat, ihn zu sehen, die Erinnerung an seinen Bruder löste wieder das Heimweh aus. Envy war es, der ihn weckte. „Winzling, lebst du noch?“ „Wasn los?“, nuschelte er undeutlich. „Ich dachte, du wärst draufgegangen. Wie kann man nur ganze drei Tage schlafen?“ „Drei Tage?“, wiederholte der frühere Alchemist verwirrt. „Ja. Dieser Pfuscher, der sich als Arzt bezeichnet, meinte nur, du wärst vollkommen in Ordnung. Aber der erzählt sowieso nur Mist.“ „Hast du dir etwa Sorgen um mich gemacht?“, stichelte Ed und begutachtete grinsend, wie der Homunculus ihn ansah. „Bild dir ja nichts ein, Winzling. Der einzige Grund, warum ich nach dir gesehen habe, ist diese dumme Kette“, schnaubte Envy endlich verächtlich. „Wenn du jetzt stirbst, komme ich nicht hier raus. Und wenn du stirbst, während wir unterwegs sind, muss ich dich wirklich hinter mir herschleifen.“ Er bemerkte Eds Blick und winkte ab. „Haldro pennt, wie üblich. Wenn der schläft, könnte neben ihm eine Bombe hochgehen und er würde nichts bemerken.“ Bei diesen Worten wurde der einstige Alchemist hellhörig. „Er hat einen tiefen Schlaf?“ „Kann es sein, dass du gerade etwas schwer von Begriff bist oder warum muss ich mich ständig wiederholen?“ „Halt mal kurz den Rand, ich muss überlegen.“ Envy war von diesen Worten so überrumpelt, dass er gehorchte. Nur seine Miene verriet, dass er dem anderen am liebsten an die Gurgel springen würde. Fieberhaft dachte Ed nach. Wenn es stimmte, was sein Halbbruder sagte, konnte er das für seine Zwecke ausnutzen. Doch seine Idee machte den Plan gleich sehr viel schwieriger. Vor allem – und das war mit Abstand das Schlimmste – er war dem Homunculus damit vollkommen ausgeliefert. „Ich werde den Ring aus der Mauer brechen“, sagte er dann halblaut, was Envy ein spöttisches Lachen entlockte. „Wie willst du das bitte anstellen?“ Böse lächelnd hob Ed den freien Arm. „Man nennt mich nicht umsonst Fullmetal Alchemist. Lass mich nur machen, ich habe da noch einen zweiten Plan…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)