Einsteins Goldfisch oder: Vom Kamel, das durch ein Nadelöhr ging von Ixtli ================================================================================ Die Quadratur des Kreises oder: Ich bin übrigens keine Zwölf mehr ----------------------------------------------------------------- Am Nachmittag hatte Julius die Wochenendgruppe, die dieses Mal aus immerhin sieben Kindern bestand, im großen Wohnzimmer versammelt, das, wie Nina ihm erklärt hatte, vor allem dazu da war, dass sich alle mindestens einmal pro Woche dort trafen, um die Dinge zu besprechen, die so anlagen. Als nach einigen Minuten endlich gespannte Stille herrschte, begann Julius sein Anliegen vorzutragen. "Nachdem wir das Haus von oben bis unten aufgeräumt haben und ich jetzt jedes Eckchen hier drinnen kenne, würde ich vorschlagen, dass wir uns in einer viertel Stunde in warme Jacken gepackt hier wieder treffen, und dann zeigt ihr mir die Umgebung. Einverstanden?" Diese Frage hätte sich Julius sparen können. Eine Antwort bekam er nicht, denn alles, was Füße hatte und nicht gerade zu den Ältesten gehörte, die nicht ganz so begeistert von dem Ausblick auf einen langweiligen Spaziergang waren, stürmte davon. Julius hatte sich, wie sich bald herausstellte, auch zu viele Sorgen wegen seiner Glaubwürdigkeit bei den Kindern gemacht. Selbst die Hartnäckigsten unter den Spaziergangverweigerern konnten nach den ersten hundert Metern ihre aufgesetzten Regenwettergesichter nicht mehr beibehalten. Die warme Herbstsonne tat ihr Übriges und als alle wieder auf dem zum Haus gehörenden Hof ankamen, war die Gruppe allerbester Laune. "Habt ihr hier einen Grill?", wollte Julius wissen. Noch ehe Max, den Julius als den Ältesten der Gruppe angesprochen hatte, antworten konnte, plapperten die restlichen Kinder schon dazwischen und versuchten sich an Lautstärke zu übertreffen. Schuppen und Feuer machen war das, was Julius aus den Redeströmen als wichtig herausfilterte. Er wandte sich wieder an Max und den Zweitältesten der Gruppe und zeigte nacheinander auf sie. "Du und du, ihr holt den Grill und das Zubehör und macht Feuer. Die anderen kommen mit mir ins Haus das Essen vorbereiten." Damit ließ er Max und Lars auf dem Hof stehen und scheuchte seine übrigen Helferlein ins Haus zur Küche hin. Julius war gerade dabei, den Inhalt des Kühlschranks und des Vorratsraumes auf Eignung einer Grillparty zu überprüfen, als sich jemand neben ihm räusperte. Die Arme voll mit allem, was sich zu Salaten und Dips verarbeiten ließ, schloss Julius den Kühlschrank mit einem gekonnten Fußtritt. Max wartete, bis Julius alles auf der Arbeitsplatte abgelegt hatte und rückte dann mit der Sprache heraus. "Wir haben nichts, womit wir Feuer machen könnten." "Oh", meinte Julius kurz. "Meinst du damit, ihr habt nichts oder hier gibt es nirgendwo ein Feuerzeug oder Streichholz?" "Doch schon, aber die hat Nina weggeschlossen." Max sah Julius an, als hätte er es mit einem Zweijährigen zu tun. "Aus offensichtlichen Gründen..." "So?" Julius musste sich eingestehen, gar nicht so weit gedacht zu haben. Überhaupt wusste er ja noch nicht einmal, ob sich diese offensichtlichen Gründe auf das Rauchverbot beschränkten. "Und wie kommt man an die Feuerzeuge, wenn Nina nicht da ist." Ein wissendes Grinsen machte sich auf Max' Gesicht breit. "Willst du die offizielle Version hören oder die Nina ist nicht da-Version?" "Ähm, dann doch lieber die offizielle Version", antwortete Julius verdattert. Er sah zu den Kindern hin, die den Salat in seine Atome zerpflückten, und wandte sich dann wieder Max zu, als er sicher war, dass ihm niemand außer ihm zuhörte. "Bekommt man für die Nina ist nicht da-Version Ärger? Also, richtigen Ärger, meine ich?" "Du sicher nicht", witzelte Max. "Okay. Dann bleiben wir lieber bei der Offiziellen und von der anderen habe ich nie etwas gehört." Julius sah Max gespannt an. Fehlt ja nur noch, dass er mir verschwörerisch zuzwinkert, dachte Max und verkniff sich nur knapp ein Ich bin übrigens keine Zwölf mehr. Julius' irritiertes Gesicht ließ Max kurz zweifeln. Hatte er das mit der Zwölf laut gesagt? "Du hast die Antwort an deinem Schlüsselbund", sagte Max kurz angebunden, bevor er sich umdrehte und die Küche verließ. Geduldig hatte Max auf Julius' Rückkehr aus Ninas Büro gewartet. "War nicht schwer zu finden, was?", begrüßte er Julius, der ihm das Feuerzeug überreichte. Als Julius und seine Hilfsköche mit dem Essen, den Getränken und dem Geschirr nach draußen in den Hof kamen, mussten sie lediglich alles, was sie dabei hatten, auf dem mittlerweile aufgestellten Tisch abstellen. Das Feuer des Grills war bereits auf die optimale Höhe hinuntergebrannt, so dass nur noch die Würstchen auf den Rost gelegt werden mussten. Auch an Stühle hatten Max und Lars gedacht und während die Kinder den Tisch deckten, kam Max zu Julius, der die Getränke in die Becher ausschenkte, und hielt ihm das Feuerzeug hin. "Hier, damit du kein schlechtes Gewissen gegenüber Nina haben musst." "Danke." Julius ließ das blaue Feuerzeug in seiner Hosentasche verschwinden. "Nicht, dass ich euch nicht traue, aber-" Max winkte müde ab. "Das Thema gab es hier schon so oft, dass es irgendwann langweilig wird." Er sah Julius einen Moment stumm an. "Manchmal glaube ich, ihr Pädagogen habt einen inneren Zwang, uns alles zigmal bis ins kleinste Detail erklären zu müssen, wo ein stinknormales Nein auch reichen würde." Julius grinste. Zum Teil hatte Max einfach recht. Wie sonst hätte er sich bei dessen Worten einen Augenblick lang ertappt gefühlt? "Gehören die Beiden da zusammen?" Max deutete auf eine Rolle Alufolie und eine Schüssel mit rohen Kartoffeln. "Richtig kombiniert." Die Grillwürstchen waren gar und in der Glut schmorten die Folienkartoffeln vor sich hin. Das Essen verlief ungewöhnlich still. Die Kinder mussten völlig ausgehungert gewesen sein. Und als sie das Mahl beendeten, war die Sonne bereits untergegangen. Die Kinder hatten die Stühle im Halbkreis um das Feuer herum aufgestellt und saßen nun dort und sahen zufrieden in die tanzenden Flammen. Mit einem Stock angelte Lars nacheinander die Folienkartoffeln aus der mit weißgrauer Asche überzogenen Glut. Die silbrig schimmernden Kartoffeln rollten ins Gras und blieben dort zum Auskühlen liegen. Julius warf einen Holzscheit auf das kleiner gewordene Feuer, so dass es dankbar aufzulodern begann. Es war gerade viel zu gemütlich hier draußen unter dem sich immer dunkler färbenden Himmel, als dass sie das Feuer schon hätten löschen wollen, und auch wenn manche der Kinder aussahen, als könnten sie die Augen nicht mehr allzu lange offen halten, wollte niemand zurück ins Haus. Die letzten sonnigen Tage hatten begonnen. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis der erste nächtliche Frost die noch nicht ganz verwelkten Blumen und Sträucher in einen dünnen weißen Pelz kleidete, der sich in der noch wärmenden Herbstsonne zwar nicht lange halten, dafür aber den endgültigen Beginn der kalten Jahreszeit einläuten würde. Wehmütig schweigend sah Max zu, wie die Flammen die Kanten des Holzscheites schwarz färbten. Dünne orangefarbene Glutgirlanden flackerten in der Maserung des Holzes und Funken stoben knisternd in die Luft. Max dachte daran, dass dies der letzte Herbst sein würde, den er hier verbrachte. Im kommenden April wurde er Achtzehn und danach – ja, was eigentlich? Jetzt war er schon so lange hier, dass er bei dem Gedanken daran, dass das tatsächliche Ende seiner Zeit hier so nahe war, dass er beim nächsten Schritt mit der Nasenspitze darauf stoßen musste, erschrak. Praktisch über Nacht musste das passiert sein, denn gestern war das alles noch weit weg gewesen, da war er sich sicher. Er war doch gerade erst angekommen und hatte seine nur halbgefüllte Sporttasche ausgeräumt, was nur deshalb so schnell gegangen war, weil er nicht viel besessen hatte, als man ihn hierher brachte. Die Wut darüber, hier eingesperrt zu werden, war doch noch gar nicht ganz verraucht, und jetzt, wo er sich gerade eingewöhnt hatte, sollte er wieder weg?! Die Ungewissheit, das Was dann?, kribbelte in seinem Nacken und machte sich auf den Weg, den Rest seines Körpers zu lähmen. Seinen Hals schnürte das Was dann? bereits zu, so dass er noch nicht einmal ein weinerliches Ich schaffe das doch nie zustande brachte. Die Ungewissheit lachte heiser und kroch weiter. Bald würde sie sein Herz erreicht haben. Max schrak aus seinen wolkenverhangenen Gedanken auf, als ihm etwas knisterndes in die Hand gelegt wurde, das seine eiskalten Finger mit einer unvermuteten, angenehmen Wärme ausfüllte. Wie ein trockener Schwamm sogen seine Hände die Wärme der Folienkartoffel in sich auf und schickten sie Hautschicht um Hautschicht bis in die letzten eisstarren Winkel. Jemand hatte die Kartoffel zur Hälfte aus der Folie gewickelt und die schwarze Haut darunter aufgebrochen, so dass das gelbe Fleisch der Kartoffel eine duftende Dampfwolke freisetzte, die Max in Nase und Augen stieg. "Salz?" Julius hielt ihm abwartend den Salzstreuer hin. Max nahm den Streuer, der die Form eines schlafenden Elefanten hatte, und ließ ein paar Salzkörner aus dem Rücken des Elefanten auf die Kartoffel herabrieseln. "Danke", krächzte er heiser und gab den Salzstreuer zurück an Julius. "Pfeffer?" Eine zum schlafenden Elefanten passende, ebenfalls schlafende Maus, die sich, wenn man sie zusammenstellte, an den Elefanten lehnte, tauchte in Max' Gesichtsfeld auf. Max verneinte und die Porzellanmaus drehte weiter ihre Runde. Gegen zehn Uhr war auch die letzte Kartoffel verspeist und als das erste der Kinder sich mit den von den schwarzen Kartoffelschalen gefärbten Finger rabenschwarze Streifen über die immer schwerer werdenden Augenlider gemalt hatte, fand Julius, dass es nun an der Zeit war, das Grillen zu beenden. Jeder nahm etwas, das er zurück ins Haus trug, und trottete damit auf die Terrassentür zu. Max sammelte den Müll in eine große Tüte und Lars kippte den Eimer Wasser, der in der Nähe des Feuers bereit gestanden hatte, über die schwach glimmende Asche, die mit einem erleichterten Seufzen erlosch und als letztes Lebenszeichen eine weiße Säule aus Wasserdampf und Rauch in den dunklen Himmel entließ. "Hat Spaß gemacht", murmelte jemand mit matter Stimme und Max nickte gedankenverloren. Ja, hatte es. Völlig erschöpft lag Max wenig später in seinem Bett. Sein letzter Gedanke an diesem Abend galt Julius und der Wette, von der er auf einmal dachte, dass er sie wahrscheinlich doch verlieren würde. "Guten Morgen", wurde Max am nächsten Tag fröhlich begrüßt. Julius und die Meute saßen am Esstisch und hatten das Frühstück schon begonnen. "Morgen", murmelte Max leise und setzte sich auf seinen Platz. Er hatte trotz seiner Erschöpfung nur wenig geschlafen und wenn er endlich eingeschlafen war, schrak er kurze Zeit später wieder auf. Das Ergebnis, die Kopfschmerzen, die sich direkt nach dem Aufstehen eingestellt hatten, erstickten jeden aufkommenden Funken guter Laune bereits im Keim. "Wir waren gerade dabei, den Tag zu planen", begann Julius das Gespräch. "Aha", erwiderte Max zwischen zwei Bissen in seinen Toast. Wie schaffte es Julius nur so gut gelaunt zu sein, obwohl er wirklich jeden Tag – egal ob in der Woche oder am Wochenende – um fünf Uhr in der Früh aufstand, um dann eine Stunde draußen herumzurennen? "Bis jetzt steht es Unentschieden zwischen Kino und Schwimmbad. Du bist also das Zünglein an der Waage." Julius lachte über seinen eigenen Witz. Bitte keine weiteren Metaphern mehr so früh am Morgen, dachte Max gequält und aß den Rest seines Toasts. "Kann ich mich enthalten?" "Auf keinen Fall", kam der sofortige Protest. "Jedenfalls nicht, so lange niemand zufällig über Nacht auf die Idee gekommen ist, Kino und Schwimmbad miteinander zu kombinieren. Also?" Max seufzte. "Kino." Dort konnte er wenigstens versuchen, den versäumten Schlaf nachzuholen. Dass er so schnell keinen Schlaf nachholen konnte oder sonst etwas geschah, das seine Laune hob, merkte Max, als sie zu Acht vor dem Kino standen und sich ratlos die Auswahl der gezeigten Filme betrachteten. "Tja", kommentierte Julius knapp die beiden Filme, einen Animationsfilm und einen Actionstreifen, die alles waren, was das kleine Kino zu bieten hatte. "Das macht uns die Entscheidung jedenfalls ziemlich leicht." "Wieso?", hakte Max interessiert nach. "Sollten wir jetzt nicht genauso demokratisch entscheiden, wie heute Morgen?" Julius deutete zuerst zu den ausgehängten Filmplakaten und dann zu der Gruppe. "Da wir Kinder dabei haben, die noch nicht alt genug sind, brauchen wir keine Abstimmung." Die Ältesten murrten verstimmt. Julius zog entschuldigend die Schultern in die Höhe. "Habt ihr einen anderen Vorschlag?" "Ja", rief Lars. "Warum teilen wir die Gruppe nicht auf?" Nachdenklich strich sich Julius über die Stirn. Was sprach gegen den Vorschlag? Kaum etwas. "Also schön", gab sich Julius nach einer Denkpause geschlagen. "Die Jüngeren gehen in den Kinderfilm und die Älteren eben in den anderen." Max, Lars und der dritte Älteste im Bund wollten zur Kasse, als sie Julius wieder zurück rief. "Da gäbe es noch was zu klären." Julius sah die drei Großen der Reihe nach an. "Max, du gehst mit den Kleinen in den Kinderfilm und ihr beide kommt mit mir." Das Das ist aber nicht fair blieb Max vor Verblüffung im Halse stecken. Julius dachte anscheinend nicht im Geringsten daran, seine Entscheidung noch einmal zu überdenken. Er ging zur Kasse und kam kurz darauf mit den Eintrittskarten zurück. Jeder durfte sich noch ein Getränk kaufen und etwas von der Snackbar aussuchen, dann verschwand die aufgeteilte Gruppe in zwei verschiedenen Kinosälen. Max machte sich nicht die Mühe, seine üble Laune vor Julius zu verbergen, als sie nach dem Kino alle zusammen in dem Van der Wohngruppe saßen und zurück nach Hause fuhren. Das schlimmste an dem Kinderfilm war nicht der Film selbst gewesen, sondern die nervenden Kinder, die den Kinosaal bevölkert hatten. Ständig hatte irgendwo eines der Bälger gequatscht, oder es wurde mit Tüten geraschelt und alle paar Minuten hatte sich die Tür des Saales geöffnet, weil einer der Quälgeister aufs Klo gemusst hatte. Müde war Max also immer noch und sein Kopfweh hatte beschlossen, noch etwas länger dazubleiben. Julius hatte alle Gesprächsversuche mit Max irgendwann aufgegeben. Zu Hause angekommen, verschwand Max wortlos in seinem Zimmer. Als Max wieder nach unten in den Wohnbereich kam, war es draußen bereits dunkel. Das Abendbrot war abgeräumt und die Jüngeren lagen schon in ihren Betten. Aus der Küche hörte Max Geschirr klappern. Es war Julius, der die Spülmaschine aus- und das saubere Geschirr wegräumte. Ohne Julius eines Blickes zu würdigen ging Max zum Kühlschrank und nahm die Butterdose heraus. Er schnitt sich zwei Scheiben Brot ab und setzte sich an den kleinen Tisch in der Küche. Julius stapelte die Teller der Größe nach aufeinander. Hin und wieder warf er einen Blick zu Max hinüber, der seine beiden Scheiben Brot zuerst mit Butter und dann mit Nuss-Nougat-Creme bestrich, und dachte darüber nach, was er loswerden wollte und vor allem, wie. Ließ er die Sache mit dem Kino wie eine Entschuldigung klingen, erreichte er vermutlich das genaue Gegenteil. Anders gesehen, konnte er die Angelegenheit auch nicht einfach so unter den Tisch fallen lassen. Max schien es als Strafe aufgefasst zu haben, was ja nicht so gedacht gewesen war. Seelenruhig aß Max die erste Scheibe Brot und sah dabei Julius zu, dem Nina offensichtlich vergessen hatte zu sagen, dass das mit Blumenranken verzierte Geschirr nicht mit dem normalen weißen, das sie jeden Tag benutzten, zusammen in den Schrank geräumt wurde. Mit jedem Teller mehr, den Julius falsch in den Schrank einsortierte, meldete sich Max' Gewissen eindringlicher. Alle Kinder aus der Gruppe hatten Julius von Anfang an gemocht, ohne dass er sich dafür hätte großartig anstrengen müssen. Und ihm war es auch nicht anders ergangen, musste sich Max eingestehen, was ihn in diesem Augenblick allerdings ärgerte, weil er noch immer nicht wusste, was er Julius getan hatte. Langsam bemerkte auch Julius, dass etwas mit dem Geschirr nicht stimmte. Es passte einfach nicht mehr in den Schrank, egal, wie viele Möglichkeiten der Anordnung er auch ausprobierte. Wahrscheinlich war der Schrank geschrumpft. Oder das Geschirr gewachsen. Oder- "Das gemusterte, gute Geschirr gehört übrigens raus in die Vitrine im Esszimmer und nur das Weiße bleibt hier in der Küche", belehrte Max Julius schließlich gnädig. Er erhob sich von seinem Sitzplatz, stellte sein benutztes Geschirr in die Spülmaschine und verließ die Küche. "Kannst es mir bei Gelegenheit ja wieder zurückzahlen, wenn du möchtest." Perplex sah Julius Max nach, bis auch dessen Schatten auf dem Boden verschwunden war. Er ärgerte sich darüber, die Gelegenheit verpasst zu haben, mit Max über den Kinobesuch zu reden, aber so einen Dämpfer hatte er bei allem, was passiert war, trotzdem nicht verdient. Zu allem Überfluss gab sich Julius seit dem Kinobesuch und dem Abend in der Küche große Mühe, keine Missverständnisse mehr aufkommen zu lassen, und zwar so, dass es Max vorkam, als ginge Julius ihm nun aus dem Weg. Was für eine pädagogische Maßnahme das nun wieder sein sollte, war ihm absolut schleierhaft. Julius hatte zwar keinen Fluchtreflex entwickelt, sobald er Max auch nur hörte oder sah, aber er mied ihn, was, seit Nina wieder da war, noch nicht einmal großartig auffiel. Nina war nach ihrer Rückkehr so stolz wie eine Vogelmutter, deren Kinder den ersten Flug von dem höchsten Baum des Waldes heil überstanden hatten. Den ersten Tag war es besonders schlimm gewesen. Sie hatte für alles, was in der Zeit ihrer Abwesenheit – was lediglich zwei Tage waren – nicht zu Bruch gegangen oder verschwunden war, ein lobendes Wort für Julius und die Kinder übrig. Manchmal fürchtete Max, dass Julius nicht einmal mehr bis zu den Osterferien blieb, wenn es so weiter ging. Er musste sich wie in seiner eigenen Comedy-Serie fühlen. Einerseits hatte er sich unabsichtlich in ein gerade bereitstehendes Fettnäpfchen gesetzt und auf der anderen Seite wurde er mit Lob überhäuft, dass es selbst für ihn irgendwann zu viel des Guten werden musste. Und Max sollte recht behalten. Julius hielt noch genau dreieinhalb Tage durch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)