Heroines of War von SarahShepard ================================================================================ Kapitel 34: Bye Bye ------------------- Zwei Tage vor ihrer Abreise stand gegen Abend ein letztes Übungsgefecht auf dem Programm der Marines. In der ersten Runde, dem Sechs gegen Sechs, hatte Ellen zwei aus dem gegnerischen Team ausgeschaltet, bevor sie selbst erwischt worden war. In den letzten Wochen war es ihr gelungen, sich langsam, aber stetig zu verbessern. Nun begab sie sich mit Alex zu dem nächsten Startpunkt für das Match in Zweier-Teams. „Frag nicht, wie ich das gemacht habe, aber ich hab den Plan“, raunte Alex Ellen zu und tippte auf ihrem Omni-Tool herum, als sie aus der Sichtweite aller anderen Gruppen waren. „Perfekt!“ Sie waren in den letzten Wochen immer wieder vom Lieutenant und Willcott ausgeschaltet worden, weshalb sie einen Plan erarbeiten wollten, um ihnen dieses letzte Mal zuvor zu kommen. Das die beiden ihnen gestern bereits angekündigt hatten, sie wieder als erstes aufs Korn zu nehmen, hatte sie noch weiter angespornt. Um mit ihrem Vorhaben Erfolg haben zu können, mussten Ellen und Alex die Startpositionen kennen, denn so schnell, wie Moskov und Willcott sie meistens fanden, konnten sie nicht weit sein. Alex hatte deshalb versucht, den Lageplan für diese Runde zu bekommen und dabei mit Sicherheit die eine oder andere Vorschrift verletzt, doch das war Ellen gerade ziemlich egal. Ein altes Sprichwort, dass ihre Mutter gerne zitierte, lautete 'Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt'. Neugierig beäugte sie den Plan, während sie bald ihren Startplatz erreichten, und entdeckte die Position von Team 1 nur wenige hundert Meter westlich von ihnen. Ellen runzelte nachdenklich ihre Stirn. „Wo haben sie uns bisher immer aufgegriffen? Auf jeden Fall hier“, sagte sie und markierte einen Punkt vierhundert Meter nördlich von ihnen. Alex fügte noch zwei weitere Markierungen östlich hinzu. „Sind alle bereit?“, fragte Moskov über Funk. Nacheinander meldeten sich die Gruppen, und nachdem Ellen an der Reihe gewesen war, bedeute sie Alex, die Karte zu schließen. „Ich glaube, ich habe eine Idee. Es ist simpel, könnte aber klappen. Hast du den Aufsatz dabei, den wir dir geschenkt haben?“ Verschmitzt grinsend hob Alex ihr Sturmgewehr an, welches sie gerade nachlud. „Selbstverständlich.“ Der Countdown erschien in ihren Visieren. 3 … 2 … 1 … Los! Ellen ging in die Hocke und lehnte sich gegen den Felsen, der als ihre Markierung diente. „Sie werden auf jeden Fall in nordöstlicher Richtung nach uns suchen. Wir werden hier so lange warten, bis du sie entweder mit dem Zielfernrohr entdecken kannst oder ungefähr drei Minuten 'rum sind, länger dürften sie nicht brauchen. Dann fallen wir ihnen einfach in den Rücken.“ „Einen versuch ist es wert“, murmelte Alex achselzuckend, dann legte sie ihr Sturmgewehr so an, dass sie durch die Zielvorrichtung sehen konnte, und stützte die Waffe auf dem Felsen ab. In ihrem Kopf zählte Ellen die Zeit runter, und gerade als sie bei 134 angekommen war, ging Alex hastig in Deckung. „Sie sind da! Ungefähr 250 Meter Nord-Nordwest. Sie gehen in östliche Richtung.“ Ellens Herzschlag beschleunigte sich. Sie entsicherte ihre Waffe und überprüfte ein letztes Mal alle Funktionen. Es gab nur diese eine Chance, ihr Sturmgewehr durfte also im entscheidenden Moment keine Ladehemmungen haben. Nachdem sie noch einen kurzen Augenblick gewartet hatte, lehnte sie sich aus ihrer Deckung hervor und entdeckte Team 1 ein Stück vor ihnen, doch sie hatten Ellens und Alex Position in ihrem Rücken, weshalb sie sie nicht kommen sehen würden. Mit einer Handbewegung bedeutete sie Alex, langsam voranzugehen, und sie gingen rechts und links am Felsen vorbei, stets ihre Ziele im Auge. „Wir sollten warten, bis wir freies Schussfeld haben“, flüsterte Alex. Ellen raunte: „Jaah.“ Sie folgten ihnen noch ein Stück und waren fast in perfekter Position, als sich Moskov, der kleinere der beiden Marines, plötzlich umdrehte. Alex zögerte keinen Moment und schaffte es, ihn am Helm zu treffen, bevor er das Feuer erwidern konnte. Willcott sprang herum und rollte rechtzeitig zur Seite, um den Schüssen auszuweichen. Es gelang weder Ellen noch Alex, ihn zu treffen, bevor er das Feuer erwiderte, und so war es an ihnen, auseinander zu springen und hinter zwei Felsen Deckung zu suchen. Willcott stellte das Feuer ein, woraufhin es ruhig war. Ellen lehnte sich für einen kurzen Augenblick in den Korridor hinein, um zu sehen, was er tat, woraufhin sofort weitere Projektile in dem Gestein neben ihr schlugen. Auch wenn er seinen Partner verloren hatte, würde Willcott schwierig zu erwischen sein. „El, wir kriegen ein Problem“, murmelte Alex über den Kommunikator. „Was ist los?“ Sie zeigte mit ihrem Sturmgewehr in südliche Richtung und antwortete: „Dort drüben. Ich bin mir ziemlich sicher, gerade zwei Marines gesehen zu haben.“ Ellen suchte die Gegend ab und entdeckte sie ebenfalls. In spätestens einer Minute würden sie und Alex aus beiden Richtungen beschossen werden. „Wir sollten uns Willcott zuerst vornehmen, sonst wird er die Gelegenheit nutzen und uns von hinten überraschen“, sagte Ellen und sah kurz zu ihrer Kameradin, welche just in dem Moment von einer Kugel im Rücken getroffen wurde. Wie aus dem Nichts stand dort ein weiterer Marine – Chimney, vermutete Ellen -, welchen sie glücklich mit einem Schuss in die Brust erledigte. „Räche mich und töte sie alle“, sagte Alex melodramatisch und streckte eine Hand nach ihr aus, während sie so tat, als würde sie ihrer Verletzung erliegen und sterben. Ellen rollte mit den Augen, und da ihr nur noch wenige Sekunden blieben, bis das andere Team aus südlicher Richtung in Schussweite war, beschloss sie, alles auf eine Karte zu setzen. Sie stand auf und preschte um ihre Deckung herum, wo sie Willcott dabei überraschte, wie er gerade versuchte, sich zurückzuziehen. Sie legte sofort auf ihn an und feuerte, doch bevor sie ihm am Bauch erwischt hatte, wurde sie von seinem Streifschuss am Helm getroffen. „Verdammt“, grummelte sie und stöhnte. Plötzlich hörte sie die Stimme des Lieutenants über Funk. „War nur ein Streifschuss. Dieses eine Mal dürfen Sie trotzdem weitermachen, Webber. Es sind nur noch Lafontaine und Danzer übrig, der Rest hat sich bereits gegenseitig ausgeschaltet.“ „Danke, Sir!“, erwiderte sie und pirschte voran, um die letzten beiden Marines zu überraschen. Sie erwischte Danzer, als er dort in Deckung gehen wollte, wo Alex zuvor 'gestorben' war, und er setzte sich frustriert auf den Boden, nachdem er die Farbei von seinem Visier gewischt hatte. Ellen begann den Fehler, einen Moment zu lange auf ihn fokussiert zu sein, und spürte, wie sie zwei Schüsse von Mira am Arm trafen. „Das war's, es ist vorbei“, hörte sie den Lieutenant über Funk sagen. „Webber, das war ziemlich unaufmerksam von Ihnen. Kommt alle zum Shuttle, die letzte Runde müssen wir leider ausfallen lassen. Die Wissenschaftler brauchen bei irgendwas unsere Hilfe.“ Wenige Zeit später saßen die Marines im Shuttle und wurden von ihrem Lieutenant zur Kolonie geflogen. Gott sei Dank waren die Flugkünste von Moskov deutlich besser als sein Geschick mit dem Mako. Als sie auf dem großen Hauptplatz landeten und Ellen als eine der ersten ausstieg, sah sie sich verwundert um. Es war nirgends jemand zu sehen, nicht einmal an den Fenstern der Gebäude. Und auch wenn die Sonne schon tief am Himmel stand, war es noch nicht so spät, dass die Kinder nicht mehr draußen spielen durften. Irgendetwas stimmte hier nicht, und sie war nicht die einzige, welcher es auffiel. „Sir? Gibt es schon Essen oder wo sind alle?“, fragte Mortimer irritiert. Moskov zuckte mit den Achseln und grinste verschmitzt. „Wer weiß? Schauen wir doch mal nach!“ Pfeifend ging er voran und führte die verwirrten Marines zur Kantine. Als sie eintraten, wurden sie lautstark brüllend begrüßt. Alle Kolonisten hatten sich hier versammelt und standen um ein großes Laken herum, auf den in roten Lettern „Bye Bye“ gemalt worden war. Moskov gesellte sich zu ihnen und wandte sich an seine Marines. „Der gute Duncan hat darauf bestanden, euch und ein paar Wissenschaftler mit einer Party zu verabschieden. Geht unter die Dusche und kommt danach wieder her, wir fangen in der Zeit schon einmal an!“ Die Party war eine der besten, die Ellen und Alex bei der Allianz erlebt hatten. Abgesehen von Masterson waren alle dabei, sogar Tala. Es wurde viel gelacht und getrunken, und zwischendurch sah man sogar den einen oder anderen auf dem Tisch tanzen, sogar den Lieutenant, weshalb Ellen vor lachen fast vom Stuhl kippte. Spät in der Nacht wurden sie schließlich ins Bett geschickt, denn sie hatten alle am nächsten Tag noch die eine oder andere Schicht vor sich und vor der Abreise galt es noch viel vorzubereiten. An ihrem letzten Abend auf Galatea musste Ellen auf der Barrikade Wache schieben, doch Alex hatte sich zu ihr gesellt, und so lehnten sie gemeinsam an dem Geländer und betrachteten das rege Treiben in der Kolonie. Die Wissenschaftler waren eifrig dabei, Artefakte zusammenzupacken, die morgen mitgenommen werden sollten. Zwischen dem ganzen Chaos ragte der Sender auf, welcher immer noch nicht richtig aktiviert werden konnte. „Kaum zu glauben, dass wir morgen schon wieder abreisen. Wie lange waren wir hier, sechs Wochen?“ „Neun“, murmelte Ellen. Einerseits freute sie sich darauf, mit neuen Aufgaben konfrontiert zu werden, aber andererseits hatte ihr Leben hier auf Galatea eine beruhigende Routine entwickelt und sie hatte endlich das Gefühl, den Vorfall mit Polk allmählich gänzlich verarbeitet zu haben. Auch Alex merkte man an, dass es ihr besser ging als zu Beginn ihrer Einsatzzeit in der Garnison. Das Aufleuchten ihres Omni-Tools riss Ellen aus ihren Gedanken. Alex tippte auf ihrem herum und sagte fröhlich: „Das müssen unsere neuen Befehle sein!“ Ellen öffnete ihre Nachricht, und nachdem sie diese überflogen hatte, konnte sie nicht anders als breit zu grinsen. Ihre Empfehlungen und bisherigen Leistungen reichten aus, um sie zum ersten Offizierslehrgang zuzulassen, etwas, worauf sie sich erst in einem Jahr Hoffnungen gemacht hätte. Strahlend wandte sie sich zu Alex, die ebenfalls nicht unzufrieden aussah. „Infiltrator-Lehrgang der ersten Stufe in London. Und wo schicken sie dich hin?“, fragte sie. „Offiziers-Lehrgang in Boston.“ Ellen merkte, wie ihr nach diesen Worten das Lächeln auf dem Gesicht gefror. Alex und sie würden nun auch getrennt werden, und dann war sie vollkommen auf sich gestellt. Ihre Kameradin klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter. Sie schien zu wissen, was in Ellen vorging. „Kopf hoch. Wenigstens sind wir beide auf der Erde. Es geht nach Hause!“ Ellen nickte. „Jaah. Vielleicht können wir ja kurz unsere Eltern besuchen, bevor es losgeht.“ Sie dachte daran zurück, wie es gewesen war, als sie ihr zu Hause für die Grundausbildung verlassen hatte. Seitdem waren beinahe zwei Jahre vergangen, und sie war sich sicher, dass alles, was in der Zwischenzeit passiert war, sie nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich verändert hatte. Auch Alex verhielt sich nicht mehr so überdreht wie früher, und sie hatte ebenfalls die eine oder andere Narbe davongetragen. „Oh ja, meine Mutter wird sich riesig darüber freuen, ihr Prinzesschen wieder zu haben“, frotzelte sie und lachte. „Aber es wäre schon schön, zumindest mal kurz Hallo sagen zu können.“ „Hey, Marines!“, hörten sie jemanden unter sich rufen. Neugierig lehnte Ellen sich vor und entdeckte einen grinsenden Duncan, der einen länglichen, metallenen Behälter in die Luft hielt. „Hier, fangt, ein kleines Abschiedsgeschenk von mir! Ich bin über Nacht bei der Ruine und werde morgen früh wahrscheinlich noch nicht zurück sein, wenn ihr abreist.“ Er holte aus und warf den Behälter zu ihnen hinauf, welchen Alex gerade noch zu fassen bekam, bevor er wieder nach unten segelte. Neugierig schraubte sie den Deckel ab und das Aroma von Duncans Beerenschnaps strömte ihnen entgegen. „Die Allianz dankt!“, rief Alex zu ihm hinunter, prostete ihm zu und nahm einen Schluck. Ellen lächelte dem Wissenschaftler zu. „Vielen Dank, Duncan. Pass gut auf dich und deine Familie auf!“ „Immer!“, erwiderte er, winkte und verschwand. Alex hielt ihr den Schnaps hin, und bevor Ellen in entgegennahm, sah sie sich argwöhnisch um, konnte ihren Lieutenant aber nirgends entdecken. Und selbst wenn, würde es ihn wahrscheinlich nicht besonders kümmern, denn in einer halben Stunde würde sie bereits abgelöst werden. Sie nahm einen Schluck von dem süßlichen Getränk und drehte sich um, damit sie beobachten konnte, wie die Sonne langsam hinter den hohen Bäumen Galateas verschwand. Alex lehnte sich neben ihr an die Balustrade. „Bei diesem Anblick wird man fast ein bisschen nostalgisch“, stellte sie fest. Ellen schnaubte. „Es erinnert ein bisschen an die Unterhaltung mit Norah, Oliv und Lauren auf der Tokyo. Als ich gerade wieder aufgewacht war und wir nach eurem Essen noch durch das Schiff gegangen sind. Weißt du noch?“ „Jaah. Es war das letzte Mal, dass wir alle fünf uns zusammen unterhalten haben.“ Nach einem Moment des Schweigens fragte sie: „Hey El, meinst du, wir sehen die anderen alle bald mal wieder?“ „Jaah“, antwortete Ellen, doch sie glaubte nicht daran. Die Allianz war in vielen Teilen der Galaxie präsent, und man würde jede einzelne von ihnen immer wieder an neue Orte versetzen, weshalb es sehr unwahrscheinlich war, dass man sich traf, außer man befand sich an Knotenpunkten wie der Citadel. „Gut. So selten, wie ihr euch seht, solltest du mit Norah dann gleich den nächsten Schritt machen“, sagte Alex breit grinsend und zwinkerte ihr zu. Ellen, die gerade einen weiteren Schluck von dem Schnaps genommen hatte, verschluckte sich daran und hustete. Sie musste aber zugeben, dass Alex nicht ganz unrecht hatte. „Wir werden sehen“, murmelte sie und blickte zur Seite, damit es nicht sofort auffiel, dass sie leicht errötet war, doch ihre Kameradin bemerkte es natürlich trotzdem und tätschelte ihr den Kopf. „Mach dir keine Sorgen, wenn es soweit ist, erkläre ich dir das mit den Blümchen und … Blümchen.“ Ellen stieß ihr in die Seite und lachte. „Halt die Klappe! Woher willst du so etwas eigentlich wissen?“ „Im Extranet findet man einfach alles. Schau dir mal zum Beispiel Vaenia“, sagte Alex kichernd. „Ich freue mich einfach sehr für euch. Und bin etwas neidisch.“ Ellen fragte irrtiert: „Neidisch? Warum?“ „Du und Norah, ihr kennt euch schon so lange, dass ihr wisst, worauf ihr euch einlasst, und ich bin mir sicher, dass es etwas festes ist. Sowas wünsche ich mir auch, und ich dachte, mit Shaun hätte es klappen können. Man wird bei der Allianz zwar gut beschäftigt, aber es wäre schön, wenn es irgendwo jemanden gäbe, der auf mich warten würde.“ Jetzt wurde Alex ein wenig rot. Einen kurzen Moment sprachlos starrte Ellen sie einfach nur an, dann lächelte sie breit. „Sieh an, unsere kleine Rebellin wird endlich erwachsen.“ „Ach sei leise.“ Daraufhin prusteten sie beide los, und nachdem sie sich beruhigt hatten, standen sie eine Weile einfach nur nebeneinander und betrachteten den malerisch schönen Sonnenuntergang. Schließlich hielt Ellen ihre Arme vor sich gestreckt und formte mit ihren Daumen und Zeigefingern ein Rechteck. „Wenn wir doch bloß eine Kamera hier hätten“, sagte sie und ließ die Arme wieder sinken. Sie würde gerne mehr von ihren Erlebnissen bei der Allianz dokumentieren, um Andenken an ihre verschiedenen Stationierungen zu haben. In ihrer Jugend hatten sie und ihre Freundinnen ständig Fotos und Videos gemacht, selbst bei kleinen Tagesausflügen, und auch wenn sie es damals als etwas lästig empfunden hatte, fehlte ihr diese Tradition jetzt ein wenig. Alex stimmte ihr zu. „Ja, das hier würde ich gerne den Anderen zeigen. Aber wer weiß, vielleicht kommen wir ja nochmal her, bevor wir in Rente gehen.“ „Wenn jemand von uns erstmal Commander geworden ist und ein eigenes Schiff hat, können wir uns bestimmt selbst aussuchen, wohin wir fliegen, und dann ist alles möglich.“ „Du oder Norah vielleicht“, sprach Alex und sah sie lächelnd an. „Lauren wird Sanitäterin, und Oliv und ich sind nicht so sehr die Karrieretypen. Aber eine von euch beiden schafft es bestimmt, da sind wir uns einig, ihr hättet auf jeden Fall das Zeug dazu.“ Das von ihr zu hören bedeutete Ellen viel. Sie selbst zweifelte noch daran, ob in ihr wirklich eine gute Anführerin steckte, auch wenn sie im Beta-Team nicht allzu schlechte Arbeit geleistet hatte, was nicht zuletzt daran gelegen hatte, dass vor allem Alex ihr immer den Rücken gestärkt hatte. Ellen legte ihr einen Arm um die Schulter. „Mit dir als mein XO an Bord werden wir dann die Galaxie im Sturm erobern.“ „Darauf trinke ich einen“, gab Alex lachend zurück und nahm einen tiefen Schluck von Duncans Schnaps. 6 Stunden später an Bord der SSV Utah Gelangweilt sah Norah sich auf der Brücke der SSV Utah um und unterdrückte ein Gähnen. Sie stand schon seit fünf Stunden neben der Tür zum Rest des Schiffes Wache, was eine furchtbar langweilige Angelegenheit war. Während um sie herum ein reges Treiben herrschte, stand sie zusammen mit einem weiteren Marine einfach nur still da und versuchte dabei nicht allzu gelangweilt auszusehen, weil das sonst von ihrem unfreundlichen Commander Rafka oder seiner widerlichen XO, Lieutenant Commander Senetty, sofort hämisch kommentiert wurde. „Wenn Sie sich langweilen, können Sie auch gerne in der Kantine aushelfen“ war der Satz, den sie dabei am häufigsten zu hören bekam. Norah fühlte sich furchtbar unwohl auf diesem Schiff, denn fast alle Marines waren verschlossen und ignorierten sie. Ihr war sogar schon mehrfach aufgefallen, dass manchmal Gespräche abrupt beendet wurden, wenn sie einen Raum betrat, und dann wurde sie wie eine Aussätzige angestarrt, was sie in gewisser Weise auch war. Olivia, sie selbst und außerdem ein Lieutenant waren an Bord dieses Schiffes versetzt worden, um die Plätze gefallener Marines einzunehmen, doch die Crew der Utah hatte sie von Anfang an spüren lassen, dass sie nicht besonders willkommen waren. Norah dachte darüber nach, wann sie sich zuletzt mit Olivia unterhalten hatte. Es schien über eine Woche her zu sein, denn immer, wenn sie sahen, war eine von ihnen beiden mit etwas beschäftigt oder Olivia besprach eindringlich etwas mit Lieutenant Hong, der Offizierin, die mit ihnen an Bord gekommen war. Norah fühlte sich einsam und alleingelassen, und darüber hinaus vermisste sie Alex, Lauren und besonders Ellen. Aber auch alle anderen von der Rome. Die eineinhalb Jahre waren trotz aller Verluste eine schwere Zeit gewesen, und mit den Ereignissen um die Jagd nach Polk herum hatte sie heute immer noch vor allem nachts zu kämpfen, auch wenn das schon einige Wochen her war. Eigentlich hatte sie sich etwas von dem Schiffsarzt geben lassen wollen, damit sie ruhiger schlief, doch der Mann hatte sie nur barsch abgewiesen und gesagt, dass sie sich nicht so anstellen solle, solche Traumata würde jeder Marine in seiner Karriere erleben. Plötzlich kam eine Unruhe auf der Brücke auf und Norah wurde aus ihren Gedanken gerissen. „Sir!“, rief jemand von einem Arbeitsterminal. „Wir kriegen gerade ein Notsignal rein!“ „Das passt mir ganz und gar nicht. Aber stellen Sie es durch“, erwiderte Commander Rafka und richtete sich in seinem Sitz auf. Es herrschte kurz Stille, dann hörten alle Anwesenden auf der Brücke die panisch klingende Stimme einer Frau. In Norah zog sich alles zusammen und ihr Herz begann zu rasen, denn sie erkannte gleich nach dem ersten Wort, von wem das Notsignal kam. Sie würde die Stimme unter Tausenden und Millionen wiedererkennen. „Hier spricht Corporal Ellen Webber von der Garnison auf Galatea!“, sprach Ellen hastig. Im Hintergrund waren Schüsse zu hören. „Wir werden von Geth angegriffen und brauchen umgehend Verstärkung! Sie sind klar in der Überzahl und die Hälfte unserer Einheit ist bereits gefallen!“ Es gab einen lauten Knall, dann brüllte jemand: „El, wir müssen hier verschwinden!“ Danach brach die Übertragung ab. Die zweite Stimme hatte Alex gehört, daran bestand für Norah kein Zweifel. Sie spürte, wie ihre Hände zu zittern begannen. Ellen und Alex würden sterben, wenn sie sich nicht beeilten. Norah verließ ihren Posten und ging zum Commander. „Eli?“, fragte Pike irritiert, doch sie beachtete ihn gar nicht. „Sir“, sagte sie und versuchte dabei so gefasst wie möglich zu klingen, „ich möchte mit in den Einsatz, wenn Sie unsere Leute zur Verstärkung schicken. Ich -“ Doch er schien sie gar nicht gehört zu haben, denn mitten im Satz gab er Befehle an ein paar Leute auf der Brücke. „Sie wissen, was zu tun ist. Was auch immer die Allianz in dieser Ecke der Galaxie treibt, wir haben hier eigentlich nichts zu suchen. Es würde Fragen aufwerfen, wenn wir eingreifen. Sam, löschen Sie das Notsignal aus dem Logbuch und überprüfen noch einmal, ob wirklich nicht unsere tatsächlichen Koordinaten, sondern die gefälschten drinstehen. Josh, Hastings, ändert den Kurs. Wir sollten einen Umweg nehmen, sonst werden wir vielleicht von anderen Allianzschiffen in der Nähe entdeckt. Und was wollten Sie, Private? Gehen Sie wieder zurück auf ihren Posten!“ Verdattert sah Norah in seine grauen Augen. Er hatte nicht vor, zu helfen, und sie würden stattdessen fliehen. Das war das Todesurteil für alle auf Galatea, einschließlich Ellen und Alex, und das würde Norah nicht akzeptieren, auch wenn sie sich damit zum ersten Mal in ihrer Laufbahn gegen ihren Vorgesetzten stellte. „Sir, das können Sie nicht machen!“, sagte sie mit vor Wut zitternder Stimme. „Ein Marine lässt seine Kameraden nicht im Stich! Wir können -“ „Halten Sie sich da raus, Eli! Die sind wahrscheinlich eh schon tot! Gehen Sie zurück auf ihren Posten, ich werde mich nicht noch einmal wiederholen!“, knurrte Rafka. Das Wort 'tot' hallte in Norahs Kopf wieder. Sie hatte Ellen schon mehr als einmal beinahe verloren und würde alles tun, um zu verhindern, dass es dieses Mal wirklich geschah. Es war, als ob eine Sicherung in ihr durchknallte. Mit einer zittrigen Hand griff sie nach der Pistole an ihrer Hüfte und zog sie aus der Halterung. „Sir“, sagte sie mit finsterer Stimme und eine Träne lief über ihre Wange. Rafka starrte auf die Waffe in ihrer Hand und zog eine Augenbraue hoch. „Eli, stecken Sie sofort die Pistole weg. SOFORT!“ Das letzte Wort brüllte er, doch Norah ließ sich nicht beirren. Kopfschüttelnd sagte sie: „Nein. N-Nein, das kann ich nicht. Geben Sie mir ein Shuttle und ich fliege alleine nach Galatea, aber zwingen Sie mich nicht dazu, stillzuhalten, während meine Freunde dort draußen abgeschlachtet werden!“ Plötzlich wurde sie von einer leuchtenden, blauen Kugel getroffen und durch die Luft geschleudert. Als sie sich wieder aufrappeln wollte, starrte sie in die Mündungen von zwei Pistolen. „Nehmt den Private fest und bringt sie in die Zelle!“, fauchte Commander Rafka. „Dort wird sie bleiben, bis wir in vier Wochen wieder auf der Erde sind, und dann kommt sie vor ein Kriegsgericht! Die passende Geschichte dazu werden wir uns noch überlegen.“ Norah wurde von zwei Männern grob an beiden Armen gepackt und zur Tür gezerrt. „Nein“, schluchzte sie wieder und wieder. Ellen und Alex würden sterben, und sie konnte nichts tun, um es zu verhindern. Auch wenn sie nicht gläubig war, betete sie für ein Wunder in der Hoffnung, dass ein weiteres Schiff den Notruf empfangen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)