Heroines of War von SarahShepard ================================================================================ Kapitel 20: Die Citadel ----------------------- Eine Stunde, nachdem Ellen und die anderen Privates zusammen mit dem Team der Special Forces wieder an Bord der SSV Rome angekommen waren, wurden sie ins Büro des Commanders bestellt. „Privates“, sagte er begrüßend, als sie salutierten. „Ich wurde vom Oberkommando angewiesen, den 231. Zug langsam eine Gehaltsstufe höher zu setzen, und da Lieutenant Higgs mir berichtet hat, dass ihr vier gute Arbeit im Einsatz gezeigt hat, fange ich bei euch damit an. Herzlichen Glückwunsch, Corporal Webber, Private 1st Class Zhao, Corporal Harlow und Private 1st Class Brown. An der Einteilung der Gruppen wird sich nichts ändern, also bleibt eure Stellung theoretisch auch gleich. Innerhalb der nächsten Wochen werden eure Kameraden genauer von unseren Offizieren unter die Lupe genommen und dementsprechend wird entschieden, wer als ebenfalls heraufgesetzt wird.“ „Vielen Dank, Sir“, sagten sie alle fast gleichzeitig. Ellen konnte sich ein grinsen nicht verkneifen. Sie hatte schon ein wenig darauf gewartet, denn ihre Mutter hatte ihr erzählt, dass man sich bei konstant ordentlichen Leistungen und entsprechendem Alter fast ausrechnen konnte, wann man befördert wurde, zumindest wenn man noch weiter unten in der Karriereleiter stand. „Nun denn, das Team der Special Forces ist unten in der Offiziersmesse und stößt auf den Erfolg der Mission an. Wenn Sie möchten, können Sie sich anschließen, ich werde es auch tun, sobald mein Dienst für heute offiziell beendet ist. Und Private Zhao, wenn noch etwas von dem Schnaps übrig ist, den sie mit an Bord geschmuggelt haben, bringen Sie ihn doch bitte mit. Unsere Kollegen, welche die Schmugglerware abgeholt haben, meinten, er würde vorzüglich schmecken.“ Er bedachte Alex mit einem wissenden Blick und schmunzelte, als sich Entsetzen in ihrem Gesicht abzeichnete. Verwirrt drehte sie ihren Kopf zu Ellen und sah sie fragend an, doch sie zuckte nur mit den Achseln. Wie auch immer der Commander das herausgefunden hatte, er schien nicht böse zu sein, und es war tatsächlich noch etwas davon da, wenn sie sich richtig erinnerte. „Sie können gehen“, sagte der Commander und wandte sich einem Datenpad zu. Die Privates verließen daraufhin sein Büro. Sie saßen bis weit in die Nacht hinein in der Offiziersmesse, und als Ellen und Alex endlich in ihrer Kabine ankamen, schliefen die meisten schon tief und Holly und Ida mussten irgendwo auf dem Schiff eine Nachtschicht schieben. Müde und angetrunken fiel Ellen in ihr Bett und schlief sofort ein. Am nächsten Morgen wurde sie viel zu früh von einer Durchsage des Commanders geweckt. „Guten morgen, Marines! Ich hoffe, die meisten von euch hatten eine angenehme Nacht und sind nun ausgeruht für das, was heute ansteht. Das Team der Special Forces hat gestern die Order bekommen, sich so schnell wie möglich auf der Citadel einzufinden, und wie der Zufall es will, müsste die SSV Rome einmal durchgecheckt werden. Konkret gesagt heißt das, dass wir in einer halben Stunde bereits an der Citadel andocken werden, weil unser guter Tyk dafür eine Nachtschicht eingeschoben hat, und da eine halbwegs gründliche Inspektion etwas dauert, werden wir erst wieder in dreißig Stunden ablegen. Die Zeit bis dahin könnt ihr frei gestalten, aber wehe, ich erwische jemanden in Coras Nest!“ Es dauerte einen Moment, bis Ellen das verarbeitet und verstanden hatte. Sie hatten bisher kaum freie Zeit außerhalb des Schiffes gehabt, und Landgang auf der Citadel hörte sich ziemlich verlockend an. Als Ellen sich endlich dazu aufgerafft hatte, unter die Dusche zu gehen, waren die meisten schon fertig und lediglich Ida und Casey waren noch dabei, sich anzuziehen. „Hey Ellen!“, rief Casey. „Hättest du Lust, mit Ida und mir was zu unternehmen? Ich war schon einmal auf der Citadel und kenne ein paar Passagen, in denen man ganz gut bummeln kann.“ Ellen lächelte und nickte. „Sehr gerne.“ Wenig später dockte die SSV Rome an, und sie verließen in Grüppchen das Schiff und betraten die Citadel. Diese war der Knotenpunkt allen Geschehens in der Galaxie. Sie war eine Art Raumstation, die aus fünf kilometerlangen Armen bestand und Millionen Individuen jeder Rasse beherbergte. Außerdem hatte der Rat hier seinen Sitz, welcher die galaktische Politik vorgab und aus einem Turianer, einem Salarianer und einer Asari bestand, denn diese drei Völker waren die mächtigsten und ältesten. „Hey El, kommt ihr nachher auch ins Flux? Das ist ein neuer Club, der ziemlich angesagt sein soll. Die meisten von uns gehen heute Abend da hin!“, sagte Alex, als sie am Ende ihres Docks durch eine Kontrolle der C-Sec gingen. Die Citadel – Sicherheit war so etwas wie die Polizei der Station. „Auf jeden Fall!“, antwortete Ellen. „Aber was unternehmt ihr denn bis dahin?“ „Wird nicht verraten! Viel Spaß mit den beiden!“ Und mit diesen Worten stieg sie gemeinsam mit Olivia, Lauren und Norah in einen der Fahrstühle am Ende der C-Sec Station und verschwand. Nachdem von einem Beamten sichergestellt worden war, das weder Ellen, noch Ida oder Casey etwas illegales bei sich hatten, stiegen sie ebenfalls in einen Lift, wo Casey ihr Ziel auswählte, und sie fuhren viele Etagen nach unten. Dort erwartete sie ein ähnliches Bild wie oben. Durch die stählernen Wände und Böden wirkte alles etwas trist und leblos, und neben ein paar Turianern war niemand zu sehen. Dieses Bild änderte sich jedoch schlagartig, als sie ein paar Gängen gefolgt und durch eine Tür nach draußen geschritten waren. Vor ihnen erstreckte sich eine breite Straße, die vor leuchtenden Werbetafeln und Mitgliedern aller Völker nur so wimmelte. „Wo genau sind wir hier?“, fragte Ida erstaunt, als sie einen Ding anstarrte, das aussah wie eine übergroße, rote Qualle, die in der Luft zu schweben schien. „Und was genau ist das da?“ „In den unteren Bezirken auf der T'rana – Promenade. Sie ist ein Geheimtipp für Touristen, die abseits der Zentren etwas unternehmen wollen. Und hör auf, den Hanar so anzustarren, das ist unhöflich.“ Doch Ellen und Ida kamen aus dem Staunen nicht heraus. Überall entdeckten sie skurril gekleidete Gestalten und noch ungewöhnlichere Läden. Wie eine Touristenführerin leitete Casey sie durch die Menge und schien etwas zu suchen. „Aah, da!“, sagte sie und ging zu einem Automaten, der an einer Wand stand. „Wir sollten vielleicht herausfinden, wie viel Geld wir haben, bevor wir anfangen, es auszugeben.“ Sie zückte ihre Kreditkarte, die sie alle bekommen hatten, als sie ersten Soldzahlungen eintrafen, und hielt sie kurz vor ein Lesegerät. Danach erschien der Betrag, den sie hatte, auf einem Bildschirm. „Fast zehntausend Credits?“, fragte Ida erstaunt und überprüfte ihren Betrag als nächstes, welcher genauso hoch war. Danach war Ellen an der Reihe, und die Zahl, die da stand, ließ sie vor Schreck beinahe die Karte fallen lassen. Knapp fünfzehntausend Credits. Sie konnte sich nicht daran erinnern, jemals in ihrem Leben so viel Geld besessen zu haben, und hatte plötzlich große Angst davor, ausgeraubt zu werden. „Nun ja, wenn man so viel Zeit auf einem Schiff verbringt und keine Gelegenheit hat, etwas auszugeben, häuft sich das ganz gut an“, sagte Casey lächelnd. Sie führte sie zu einer Säule, an der zwei große Anzeigetafeln prangten. Die obere zeigte Datum und Uhrzeiten verschiedenster Planeten, darunter auch die Erde. 21.3.2183 … Ellen grübelte einen Moment, denn sie wusste, dass in kurzer Zeit etwas bevorstand. Schließlich ging ihr ein Licht auf. „Alex wird in zwei Tagen zweiundzwanzig“, sagte sie überrascht. Die Zeit verging an Bord eines Schiffes anders, weshalb sie im letzten Juli auch beinahe ihren eigenen Geburtstag vergessen hatte. Casey grinste. „Dann sollten wir ihr etwas kaufen, wenn wir schon hier unterwegs sind!“ „Hat jemand eine Idee?“, fragte Ida und musterte einen Übersichtsplan auf dem unteren Bildschirm mit allen Läden in der näheren Umgebung. Ellen stellte sich zu ihr und entdeckte ein Geschäft, das sich auf Ausrüstung für Allianz – Marines spezialisiert hatte. Ihr fiel ein, dass Alex sich immer über praktische Geschenke – oder Spirituosen – freute, weshalb sie vielleicht dort mit der Suche anfangen sollten. Sie tippte mit einem Finger auf die Markierung des Ladens. „Da könnten wir etwas finden.“ „Prima. Das ist am Ende von dieser Straße, also können wir auf dem Weg dahin noch durch einige Läden gehen“, sagte Casey frohlockend und spazierte voran. Stunden später gingen sie an der Fensterfront des Ausrüstungsladens entlang, wo sich einige Auslagen befanden, und betraten durch eine breite Tür das Geschäft. Der helle Verkaufsraum war breit und in ihm wurden neben einigen Panzerungen auch Waffen, Modifikationen und andere nützliche Dinge ausgestellt. „Aah, Marines“, sagte ein geschäftiger Salarianer hinter der Ladentheke. Seine Hörner waren dunkelbraun, das Gesicht um seine riesigen, dunklen Augen herum eher beige. Der Anzug, den er trug, war vom Schnitt er den Uniformen der Allianz sehr ähnlich, allerdings mit mehreren goldenen und schwarzen Flächen versehen. „Willkommen in meinem Laden“, plapperte er weiter und kam auf sie zu. „Kann ich euch irgendwie behilflich sein? Wie wäre es mit einem Messer, dass problemlos durch jede Panzerung schneidet? Oder einer Tablette, die euch für drei Tage satt macht und die Konzentrationsfähigkeit verbessert?“ „Nein, danke“, antwortete Ellen. Sie hatte etwas im Schaufenster entdeckt, was perfekt für Alex wäre. „Können sie uns die Zielfernrohre zeigen, die zu dem Avenger – Sturmgewehr passen würden?“ „Aber natürlich. Ich habe da genau das richtige.“ Ida nickte Ellen zu. „So eins wäre gut, darüber würde sie sich freuen.“ „Stimmt!“, rief Casey, die sich gerade einige Panzerungen ansah. „Sie beschwert sich doch immer, weil das Sturmgewehr viel zu unpräzise ist.“ Der Salarianer war in der Zwischenzeit kurz Hinterzimmer verschwunden und kam danach mit einer metallenen Dose wieder heraus. Er legte sie auf die Ladentheke und schob den Deckel zur Seite, wodurch der Inhalt offenbart wurde. Auf schwarzem Schaumstoff lag ein längliches, weißes Zielfernrohr, welches er vorsichtig herausnahm. „Dieses Modell passt nicht zur auf das Sturmgewehr, sondern auch auf ein Präzisionsgewehr oder Pistolen. Die Vergrößerungsrate ist genauso wie die automatische Zielerfassung und Reichweiteneinstellung einfach unglaublich, und da es dafür noch relativ günstig ist, ist es hier der absolute Verkaufsschlager. Hier, sehen sie es sich selbst einmal an.“ Unter dem Tresen holte er ein Avenger heraus und befestigte den Aufsatz daran. Dann reichte er Ellen die Waffe, welche sie entgegennahm und mit einem Auge durch das Rohr sah. Wahllos fiel ihr Blick auf eine Panzerung, die ungefähr zehn Meter von ihr entfernt stand, und konnte verblüfft einen winzig kleinen Kratzer auf der Brustplatte erkennen. Als zufällig jemand an der Tür zu dem Geschäft vorbeiging und sie sich dadurch von selbst öffnete, erhaschte sie einen kurzen Blick nach draußen, wo in dreißig Meter Entfernung ein Mann saß und etwas aß, wovon Ellen jeden einzelnen Krümel an seinem Kinn sehen konnte. „Genial“, sagte sie und reichte das Gewehr an Ida und Casey weiter, damit sie es sich auch ansehen konnten. „Wie teuer ist es denn?“, fragte Ellen an den Salarianer gewandt. „Nur 1000 Credits. Aber weil heute ein so besonderer Tag für die Menschheit und die Allianz ist, gebe ich euch zehn Prozent Rabatt, das macht dann also 900 Credits.“ Ellen dachte einen Moment darüber nach. Das war trotz des Rabattes ein stolzer Preis, aber da sie kaum etwas von ihrem Sold ausgab und sie wusste, dass Alex sich riesig darüber freuen würde, war es das die Sache wert. „Wir teilen durch drei, dann ist das schon in Ordnung. Nicht war, Ida?“, sagte Casey lächelnd. Nacheinander gaben sie ihre Kreditkarten dem Geschäftsmann, welcher sie einscannte und jedem von ihnen dreihundert Credits abzog. „Warum ist heute ein besonderer Tag?“, fragte Ida, während der Salariander das Zielfernrohr wieder verpackte. „Sagt bloß, ihr habt es noch nicht mitbekommen? Vor einer Stunde hat der Rat der Citadel bekanntgegeben, dass Commander Sarah Shepard als erster Mensch in die Einheit der Spectres aufgenommen wird!“ Spectres. Die Agenten der Special Tactics and Reconnaissance wurden unter verschiedenen Völkern ausgewählt und unterstanden direkt dem Rat der Citadel. Es war eine Elite – Truppe, die dafür sorgen sollte, den Frieden in der Galaxie zu wahren. Sie wurden jedoch nicht immer gerne gesehen, weil manchen von ihnen nachgesagt wird, ihre Position über dem Gesetz zu sehr auszunutzen und zu viele Tote zu hinterlassen. Trotz allem, dass es nun endlich ein Mensch in ihre Reihen geschafft hatte, war unglaublich und wirklich ein großer Schritt nach vorne für die gesamte Menschheit. Ellen wüsste zu gerne, wer diese Shepard war, und nahm sich vor, bei nächster Gelegenheit im Extranet zu forschen, doch das war nicht nötig, denn überall in der Citadel standen Nachrichtenterminals und alle zeigten ein Bild des neuen Spectres. Sarah Shepard hatte dunkelrote Haare und blaue Augen. Ihr Gesicht war kantig und trug die eine oder andere kleine Narbe, doch das machte sie keineswegs hässlich. Sie war eine gut aussehende Frau, die auf gewisse Weise Autorität auszustrahlen schien. „Sie sieht so aus, als würde sie einen guten Spectre abgeben“, murmelte Ida. Sie blieben noch einen Moment vor dem Terminal stehen, um sich den nächsten Bericht anzuhören. Es handelte sich um eine Aufarbeitung des Angriffs auf Eden Prime, von dem Ellen überhaupt nichts mitbekommen hatte. Eden Prime war eine Kolonie der Menschen gewesen, und anscheinend war sie von Geth angegriffen worden, ein Volk, dass man seit zweihundert Jahren nicht mehr gesehen hatte. Ellen kannte sie auch nur aus Erzählungen, hatte aber keine Ahnung, wie sie aussahen. Der Bericht wurde damit beendet, dass der turianische Spectre Saren damit in Verbindung gebracht wurde, aber der Citadel – Rat hatte noch nicht sehr viele Informationen freigegeben. Schließlich lösten sich die drei Marines und gingen in ein Restaurant, wo sie etwas aßen und sich dann auf den Weg zum Flux machten, doch sie waren die ersten. Das Flux war ein Club mit zwei Etagen. Oben befand sich ein Casino, und unten standen links bei der Fensterfront einige Tische, während man auf der rechten Seite eine Tanzfläche und eine lange Bar fand. Da es noch recht früh am Abend war, war hier noch nicht viel los, weshalb sie fast freie Platzwahl hatten und sich für einen Tisch direkt am Fenster entschieden. Kaum das sie sich gesetzt hatten, sprang Casey wieder auf. „Mist, ich wollte noch etwas kaufen. Bestellt schon einmal eine Runde, ich bin bald wieder zurück.“ Sie wuselte aus dem Club und ließ Ida und Ellen alleine zurück. „Casey kann wirklich nicht lange still sitzen“, witzelte Ida und bestellte zwei Flaschen Bier. Ellen lachte. „Nein, und still sein kann sie auch nicht so gut.“ Sie meinte das keineswegs böse, aber wenn es während der Einsätze gerade nicht kritisch war, schwatzten sie und Alex manchmal so ausgelassen, als ob sie gerade auf einem Schulausflug wären und nicht bei einem gefährlichen Kampfeinsatz wären. „Aber man kann sich auf sie verlassen, wenn es ernst wird“, fügte sie noch hinzu. Ida nickte. „Da hast du Recht. Aber sag mal, wie war eigentlich der Einsatz gestern?“ Kurz fasste Ellen die Geschehnisse zusammen und vergaß dabei beinahe ihre Beförderung, weil sie sich selbst erst noch daran gewöhnen musste. Plötzlich veränderte sich etwas im Raum. Für einen Moment wurden die Stimmen zu einem Murmeln gesenkt und es schien, als hätten sich alle Anwesenden in eine bestimmte Richtung gewandt. Irritiert sah Ellen sich um und wurde von Ida mit dem Ellenbogen angestupst. „Sieh mal, wer da kommt.“ Sie deutete in die Richtung der Eingangstür, wo Ellens Blick auf eine wunderschöne Frau in Allianzuniform fiel. Diese schien aber über die plötzliche Aufmerksamkeit aller ganz und gar nicht glücklich zu sein, denn sie trat unsicher auf der Stelle, bis drei weitere Frauen sich rechts und links von ihr stellten und sie durch den Raum geleiteten. Erst, als sie fast vor ihr standen, erkannte Ellen die strahlenden Alex, Olivia und Lauren, welche eine sehr verunsicherte Norah mit sich führten. Die Wandlung, die Norah an diesem Tag durchgemacht hatte, verschlug Ellen den Atem. Ihre blonden Haare schienen fast zu leuchten und waren etwas gelockt worden, und sie trug sie in einem lockeren Zopf über ihre rechte Schulter. Ihr Gesicht war mit einem dezenten Make-Up versehen worden, was sie drei Jahre älter aussehen ließ, doch es stand ihr wirklich hervorragend. Und wie Ellen sie so sah, merkte sie, wie sich etwas in ihr regte, was sie zuletzt vor über einem Jahr gespürt hatte. Etwas, dass sie vor dem Beginn der Grundausbildung in sich verschlossen und seitdem konsequent ignoriert hatte, aus Angst, es könnte sie bei den Missionen zu sehr ablenken und dadurch vielleicht sogar andere gefährden. Doch diese Gefühle drängten sich jetzt wieder so stark in ihr Bewusstsein, dass es unmöglich werden würde, sie noch länger zu ignorieren. Aber zunächst würde sie sich nichts anmerken lassen, also lächelte sie so wie immer, als die vier schließlich vor ihnen standen. „Ihr seid ja schon da! Wo habt ihr Casey gelassen?“, fragte Alex und sah sich um. „Die wollte noch irgendwas besorgen. Ich werde sie mal suchen gehen, sie ist schon eine Weile unterwegs“, sagte Ida und ging. Lauren sah auf eine Uhr an der Bar. „Na ja, die Läden haben ja noch ein wenig auf, und Oliv und ich wollten noch ein bisschen bummeln gehen.“ Irritiert sah Olivia zu ihr hinüber, dann nickte sie plötzlich eifrig und sagte: „Jaah, genau!“ Und nachdem sie ebenfalls gegangen waren und Alex murmelte, dass Shaun oben im Casino warten würde, war Ellen alleine mit Norah. „Hübsch siehst du aus“, sagte Ellen und grinste sie verschmitzt an. Norah schenkte ihr einen vernichtenden Blick, setzte sich an den Tisch und orderte neben einer Flasche Bier einen Tequila. „Ich fühle mich wie ein Clown“, sagte sie grimmig. Ellen verschluckte sich an ihrem Getränk, und hustete ein paar Mal, bis sie schließlich wieder Luft bekam und lachen konnte. „Nein, ich meine es ernst. Jeder hat sich nach dir umgedreht, als ihr reingekommen seid!“ Sie war sich wegen des gedämpften Lichts nicht so sicher, aber Ellen meinte erkennen zu können, wie eine leichte Röte in Norahs Wangen aufstieg, und musste deshalb beinahe wieder schmunzeln, beschloss jedoch, sie nicht weiter aufzuziehen. „Du scheinst ja jedenfalls einen tollen Tag gehabt zu haben.“ „Oh ja“, erwiderte Norah sarkastisch, doch ihr Tonfall änderte sich danach. „So schlimm war es eigentlich gar nicht. Und immerhin konnte ich Lauren ausreden, mich in einem Kleid hier ankommen zu lassen.“ „Die Allianz treibt uns die Frau in uns ganz schön aus, hm?“, sagte Ellen und bestellte einen Rotwein, den sie gerade auf der Karte entdeckt hatte. Norah kicherte ein wenig. „Ja, es ist halt trotz aller Emanzipation ein Männerverein und wir passen uns dem an. Kaum zu glauben, wie sehr wir noch während der High School oder dem College auf Make – Up und Nagellack bedacht waren.“ Versonnen erinnerte sich Ellen an die Zeit zurück. Es schien ein halbes Leben her zu sein, obwohl es nicht einmal achtzehn Monate waren. „Glückwunsch zur Beförderung übrigens. Alex hat es nebenbei erzählt.“ „Nebenbei erzählt? Das klingt überhaupt nicht nach ihr.“ „Sagen wir, sie hat es nur ungefähr dreißig Mal erwähnt.“ Ellen nickte. „Das passt eher. Aber eigentlich ist das nichts besonderes, in den nächste paar Wochen sollen viele befördert werden.“ „Mag sein, aber trotzdem: auf dich, Corporal Webber. Wir freuen uns sehr für dich, und niemand außer mir vielleicht hätte es mehr verdient gehabt“, sagte Norah feierlich und hob ihre Bierflasche, gegen welche Ellen sanft mit ihrem Wein stieß. „Danke.“ Danach saßen sie noch eine lange Zeit nur zu zweit zusammen und unterhielten sich. Wie viel sie nebenbei getrunken hatten, bemerkte Ellen erst, als sie aufstand, um zur Toilette zu gehen, denn es fiel schwer, einfach nur geradeaus zu gehen. Sie schaffte es jedoch, den Weg zu finden, und wollte gerade an die Bar, um sich ein Wasser zu bestellen, als sie John in die Arme lief. „Ellen, da bissu ja“, lallte er. „Komm, wir trinken was!“ Er bestellte mehrere Kurze, und als Ellen zu Norahs Tisch hinüber sah und feststellte, dass sich inzwischen Olivia, Lauren, Ida und Casey zu ihr gesellt hatten, beschloss sie, vorerst mit John etwas zu trinken. Und nachdem sie innerhalb von einer Stunde mehrere Kurze und Bier getrunken hatten, merkte Ellen, dass sie sehr müde wurde. „John, isch werde mal lieber gehen“, nuschelte sie und stand auf. „Aaaach, dann komm' ich mit! Hier is' 'n Hotel in der Nähe“, sagte er fröhlich, legte einen Arm um ihre Schulter und führte sie aus der Bar hinaus. Fast willenlos ließ Ellen es mit sich geschehen und ließ sich von ihm führen, bis sie schließlich im Foyer des „Five Elements Inn“ standen. „Ein Zimmer für zwei?“, fragte die Asari am Empfangsthresen höflich. „Jap!“, sagte John und knallte seine Kreditkarte auf den Tisch. „Nee, zwei Zimmer für eine je Person“, erwiderte Ellen und legte ihre Karte dazu. Sie bekamen jeweils eine Schlüsselkarte für Zimmer in der ersten Etage und fuhren mit dem Lift nach oben. Dort gingen sie einen langen Flur entlang, bis John schließlich vor seiner Tür stehen blieb. Er öffnete sie, und hielt Ellen eine Hand hin. „Kommm schoon, Elllen“, lallte er. „Der Abend isch noch nich' vorbei.“ Lächelnd schob sie ihn in sein Zimmer herein und wandte sich ab. „Gute Nacht, John“, rief sie über ihre Schulter, während sie zu ihrem Zimmer ging. John war ein guter Freund und würde nie mehr für sie sein, egal, wie betrunken sie war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)