Zum Inhalt der Seite

Heroines of War

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Niemand wird zurückgelassen

Als Ellen wegen des Wecksignals aufwachte, fühlte sie sich schrecklich. Ihre Muskeln brannten und sie war sich zwar nicht sicher, wie viel sie geschlafen hatte, doch es war eindeutig zu wenig gewesen. Casey murmelte aus einem Bett auf der anderen Seite des Raumes etwas davon, dass Ida doch bitte so gnädig sein und sie mit ihrem Kissen ersticken solle.

„Guten morgen, meine Damen“, rief Gunnery Chief Grayson über den Flur. „In zehn Minuten erwarte ich euch alle abmarschbereit vor euren Zimmern.“

Stöhnend setzte Ellen sich auf und schwang ihre Beine aus dem Bett. Idas ließ ihre Füße einen Moment lang neben ihrem Kopf baumeln, dann glitt sie mit einem Plumpsen zu Boden. Casey hatte sich inzwischen selbst das Kissen auf das Gesicht gedrückt.

Ellen stand auf, streckte ihre müden Glieder und nahm sich die wichtigsten Utensilien für die Morgentoilette.

„Gib's auf, Casey“, sagte Ida schmunzelnd, als sie mit Ellen das Zimmer verließ.

Erst als sie in der Trainingsuniform mit Ida und Casey vor ihrer Zimmertür stand, fiel Ellen wieder ein, was sie gestern Abend gehört hatte. War Lauren noch Teil der Rekruten? Doch die Sorge war unbedgründet, denn Lauren stand drei Zimmertüren weiter und band sich gerade ihre roten Haare zu einem Knoten.

Eine muntere Olivia trat neben Ellen und trällerte: „Morgen, Ellen.“

„Nicht so viel gute Laune am Morgen, das verträgt sie doch noch nicht“, rief Norah frotzeln herüber. Ellen warf ihr einen finsteren Blick zu.

„Stillgestanden!“, rief Gunnery Chief Grayson, der plötzlich auf den Flur getreten war, und sie stellten sich ordentlich in einer Reihe auf. Er ging den Flur auf und ab und überprüfte dabei, ob sie sich regelkonform angezogen hatten.

„Ein weiterer wunderbarer Tag steht an. Sie haben jetzt zwanzig Minuten Zeit für das Frühstück und im Anschluss daran kommen sie bitte zum Hindernisparcours, ein paar von ihnen wissen ja schon, wo der ist. Zu spät zu kommen würde ich Ihnen nicht empfehlen.“ Er wandte sich auf dem Absatz um und nahm eine der zwei Treppen nach oben, seine schweren Stiefel polterten auf den Stufen.

Müde schlurfte die Gruppe zur Kantine, wo sie ein nicht wirklich appetitlich aussehender Haferschleim und etwas Obst erwartete. Als Ellen sich mit ihrer Portion an einen Tisch gesetzt hatte, nahmen Olivia, Lauren, Alex und Norah die anderen Plätze ein.

„Wie schlimm war es gestern noch, Lauren?“, fragte Norah, während sie sich eine Banane schälte.

Lauren zuckte mit den Achseln. „Anstrengend, aber nach einer halben Stunde durften wir gehen.“

„Das hätte ich nicht mehr durchgehalten!“, warf Alex anerkennend ein.

Die Männer kamen ebenfalls in die Kantine und verteilten sich auf die freien Tische, woraufhin Alex neugierig ihren Hals reckte. Ellen konnte sich ihr Lachen nicht verkneifen, denn es war früher auch so mit Alex gewesen. Kaum waren sie in eine neue Klasse gekommen, hatte sie schon ihren neuen Traumprinzen im Blick gehabt.

„Alex, nein! Wir sind nicht mehr in der Highschool!“, sagte Norah, die ihrem Blick ebenfalls gefolgt war. Doch Alex ignorierte sie und ging mit ihrem eigentlich noch fast vollen Tablett zur Essensausgabe, wo sich gerade einer der Männer etwas Haferschleim auftat.

Ellen erwiderte: „Lass sie ein bisschen Spaß haben, der Tag wird noch anstrengend genug.“

Und mit dieser Aussage hatte sie verdammt recht.

Der Hindernisparcours brachte sie alle an ihre Grenzen. Nachdem jeder Rekrut ein Leibchen mit einer Nummer bekommen hatte -Ellens hatte die Nummer 13- , sollten sie ohne Umschweife ihren ersten Durchgang starten.

Zunächst mussten sie über mehrere quer liegende Holzbalken klettern und eine Anhöhe erreichen, von der sie über zwei Metern Höhe in einen Sandkasten springen sollten. Dies war für Ellen kein Problem, doch die zweieinhalb Meter hohe Holzwand, die danach auf sie wartete, hingegen schon. Sie schaffte es bloß mit viel Schwung und zitternden Armen, sich an ihr hochzuziehen und sich auf der anderen Seite fallen zu lassen.

„Schneller, Rekrut!“, brüllte einer der Ausbilder direkt neben ihr. Ellen versuchte, noch einen Zahn zuzulegen, doch dabei verlor sie auf dem Baumstamm, auf dem sie als nächstes balancieren musste, das Gleichgewicht, und musste noch einmal von vorne anfangen. Bei dem dritten Anlauf schaffte sie es endlich. Nach einem kurzen Sprint warf sie sich in einen Sandkasten und versuchte irgendwie unter den gespannten Drähten hindurchzukriechen. Vor, neben und hinter ihr waren andere Rekruten, die sich ebenfalls keuchend durch den Sand quälten. Danach warteten mehrere tiefe Schützengräben auf sie, in die sie springen und auf der anderen Seite wieder aus ihnen herausklettern musste. Ellens Knie zitterten, als sie das geschafft hatte, und sie nahm sich einen kurzen Moment Zeit, um einmal tief durchzuatmen, was aber einem der Ausbilder nicht entging. Wie aus dem Nichts trat er hinter sie und rief „Bewegung!“

Wie ein aufgeschrecktes Kaninchen rannte Ellen auf die nächste Station zu, einem Feld als Stolperdraht. Ihre Aufgabe war es, die zehn Meter lange Strecke zu überwinden, ohne hängen zu bleiben, was ihr beinahe gelang, doch auf den letzten Metern stürzte sie. Sie ließ sich davon allerdings nicht beirren, denn sie hatte nur noch eine Station vor sich, welche aus mehreren dicken Baumstämmen bestand, über die sie klettern musste. Nachdem sie auch diese bewältigt hatte, rannte sie über die Ziellinie. Gunnery Chief Grayson stoppte die Zeit und notierte sie auf einem Datenpad.

„Ach … du … scheiße“, sagte eine keuchende Alex neben Ellen.

„El, du blutest“, rief Lauren zu ihnen hinüber. Erstaunt wischte Ellen sich durch das Gesicht und bemerkte einen Kratzer auf ihrer rechten Wange. Das musste passiert sein, als sie auf den Stolperdraht gefallen war. „Oh“, sagte sie überrascht und betrachtete das Blut auf ihren Fingern. Einer der Ausbilder trat an sie heran und musterte die Verletzung kurz. „Das muss nicht genäht werden, du kannst weitermachen.“

Ellen nickte und wischte das Blut an ihrer Hand mit etwas Sand ab.

Inzwischen hatten alle den Parcours bewältigt und Chief Grayson baute sich vor der Gruppe auf.

„Wir haben alle eure Zeiten gestoppt und mussten feststellen, dass ihr noch langsamer seid als erwartet. Wir werden den Parcours jetzt noch ein paar Mal wiederholen und wer es bis dahin nicht unter 8 Minuten schafft, kann die Sachen packen.“

„Bekommen wir denn unsere Zeiten von der ersten Runde mitgeteilt, Sir?“, fragte ein Rekrut.

„Nein, bestanden habt ihr ohnehin alle nicht. Orientiert euch an dem oder der Schnellsten und versucht, besser zu sein, dann dürftet ihr keine Probleme haben.“

Ellen wusste, was das bedeutete. Es würde ein unglaubliches Gedränge und Geschubse geben - dies war der inoffizielle Startschuss für den erbitterten Konkurrenzkampf unter den Rekruten. Die Gruppe schlurfte zurück zum Startpunkt und auf das Signal hin liefen sie alle erneut los.

Nach ihrer dritten Runde hatte Ellen es geschafft. Norah und Alex warteten bereits auf sie, doch niemand sagte etwas. Mit bangen Blick sahen sie die nächsten Rekruten eintreffen. Olivia war unter ihnen.

„Ihr habt es gerade noch so geschafft, alle anderen nach euch haben nur noch einen Versuch.“

Kurz darauf trottete Lauren durch das Ziel und ließ den Kopf hängen. Norah ging zu ihr und versuchte, aufmunternd auf sie einzureden. „Das klappt schon noch. Dir haben gerade nur Sekunden gefehlt.“

„Ich kann nicht mehr“, murmelte Lauren und schlurfte mit zehn anderen Rekruten zurück zum Startpunkt. Ellen überlegte einen Moment, wie sie ihr helfen konnte, und lief ihr dann hinterher.

„Ellen, wo willst du hin?“, rief Alex ihr nach, doch Ellen winkte nur ab. Als sie ihre Müdigkeit abgeschüttelt und zu Lauren aufgeschlossen hatte, sah diese sie verwirrt an.

„Ich laufe mit und treibe dich ein bisschen an“, sagte sie erklärend. Lauren lächelte dankbar und nickte.

Sie stellten sich wieder an die Startlinie und sprinteten sofort los, als der Pfiff ertönte. Nach den ersten Stationen hatte Ellen das Gefühl, dass sie gut in der Zeit lagen. Doch kurz vor dem Ende des Sandkastens, durch den sie kriechen mussten, trat ein Rekrut nach hinten aus und erwischte Lauren hart am Kopf. Ohne sie auch nur zu beachten, lief er weiter, während sie sich aus dem Kasten schleppte und den Kopf hielt. Erschrocken sah Ellen, wie sich innerhalb kürzester Zeit eine kräftige Beule abzeichnete.

„Ah“, sagte Lauren und taumelte leicht auf der Stelle. Ellen sah zu dem Ausbilder, der ihnen am nächsten stand und sie beobachtete, doch er zeigte keine Reaktion, was wohl zu bedeuten hatte, dass sie trotzdem weiterlaufen sollten.

„Komm, Lauren, wir müssen weiter“, sagte Ellen und zog sie an ihrer freien Hand mit sich. Es war schwierig, sie durch die letzten Stationen zu bugsieren, weil sie sich die meiste Zeit wie in Trance bewegte, doch irgendwie schaffte es Ellen. Sie war sich allerdings sicher, dass sie längst nicht mehr in der Zeit waren, denn alle anderen hatten sie bereits überholt und befanden sich auf der Zielgeraden.

„El, ich kann nicht mehr“, murmelte Lauren und sackte zusammen.

„NEIN“, rief Ellen aus. Sie hatten nur noch einen Baumstamm zu überwinden, dann wären sie am Ziel. Sie konnte und wollte nicht so einfach zulassen, dass Lauren rausgeschmissen wurde. Es war ihr Traum, Medizin zu studieren, und auf einem anderen Weg würde sie es nicht schaffen. Ellen warf sie halb über den letzten Baumstamm, legte einen ihrer Arme um ihre eigenen Schultern und ging mit ihr so schnell wie möglich über die Ziellinie. Dort setzte sie Lauren vorsichtig auf den Boden und sah zum Gunnery Chief. Er musterte sie mit einem unergründlichen Blick, dem Ellen standhielt. Alle anderen Rekruten beobachteten sie gespannt.

„Nummer 13, sie hatten doch bereits bestanden“, sagte Grayson sein Datenpad musternd.

„Ja, Sir.“

„Warum sind sie dann noch einmal angetreten?“

„Ein guter Marine lässt seine Kameraden nicht im Stich, Sir.“

Der Gunnery Chief nickte und schien mit der Antwort zufrieden zu sein. „Nummer 23 hat mit 5 Minuten und 59 Sekunden bestanden“, sagte er.

„Wie bitte?!“, brüllte ein männlicher Rekrut und trat erbost auf den Chief zu. „Sie ist wenigstens eine halbe Minute nach mir angekommen und Sie haben zu mir gesagt, dass ich meine Sachen packen kann. Warum kommt SIE durch und ich nicht?!“

„Weil ich es so entschieden habe“, erwiderte Grayson und baute sich in voller Größe vor ihm auf, woraufhin der Rekrut zu schrumpfen schien. „Die Rekrutin mit der Nummer 23 wäre voll in der Zeit gewesen, wenn Sie ihr nicht gegen den Kopf getreten hätten. Unserem Ausbilder an der Station ist aufgefallen, dass man Ihnen da beinahe Absicht unterstellen könnte. Außerdem haben Sie sich nicht darum geschert, dass sie ihretwegen verletzt war, und haben sie zurückgelassen. Ein guter Marine lässt seine Kameraden nicht im Stich.“

Ellen musste sich ein feistes Grinsen verkneifen.

„Was ist denn los?“, fragte Lauren träge. Ellen klopfte ihr auf die Schulter.

„Du hast bestanden.“

„Schön“, erwiderte Lauren. Grayson trat auf sie zu.

„Ein Arzt ist bereits unterwegs. Nummer 23, sie bleiben hier, Nummer 13 und alle anderen, die auch bestanden haben, folgen mir bitte.“ Er wandte sich ab und ging, doch Ellen hätte schwören können, dass er leise „Gut gemacht, Webber“ zu ihr gesagt hatte.
 

Zwei Frauen und ein Mann waren durchgefallen. Alle anderen mussten den Rest des Tages wieder ein hartes Athletikprogramm absolvieren, doch es gab keine Wettbewerbe oder Tests mehr, bei denen Leute aussortiert werden sollten. Während des Trainings bemerkte Ellen die musternden Blicke der Anderen. Offensichtlich hatte sie für einiges an Aufsehen gesorgt. Nach den letzten anstrengenden Einheiten ging sie in ihr Zimmer, um sich ein paar Sachen zum Duschen zu holen, und als sie die Zimmertür öffnete, viel Lauren ihr um den Hals.

„Danke, danke, danke!“, sagte sie und drückte sie fest an sich. Ellen lachte.

„Gern geschehen.“

Lauren löste sich von ihr, und Ellen betrachtete den kleinen Verband an ihren Kopf.

„Wie geht es dir denn?“

„Ich habe eine leichte Gehirnerschütterung und soll wenigstens morgen aussetzen“, antwortete Lauren achselzuckend.

„Du Glückspilz!“, rief Casey, als sie mit Ida ins Zimmer kam. „Ich würde viel für ein bisschen Urlaub geben.“

„Und das schon nach dem zweiten Tag“, erwiderte Ida frotzelnd, woraufhin Casey einen ihrer ausgezogenen Stiefel nach ihr warf.

Lauren kicherte. „Bei euch geht es ja ganz schön munter zu. Ich mache mich schon mal auf den Weg in die Kantine“, sagte sie und verschwand.



Fanfic-Anzeigeoptionen
Blättern mit der linken / rechten Pfeiltaste möglich
Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  fahnm
2013-04-14T01:12:01+00:00 14.04.2013 03:12
Das ist eine Tolle Geschichte.^^
Von:  Nightwatcher
2013-03-13T09:03:22+00:00 13.03.2013 10:03
Ich muss mich dragon493 anschießen, das ist ein sehr schönes Kapitel, so schön, dass ich spitzfindig werden muss, wenn ich nach Fehlern suche (verzeih mir, aber ich mach das so gern). Auf der ersten Seite bittet der Gunnery Chief die Mädels nach dem Essen zum Hindernisparcours zu kommen, dass passt iwie nicht zu seinem Befehlston. Aber sonst ist das Kapitel wirklich Klasse.

Und du hattest Recht: Mass Effect ist genial :D
Von:  dragon493
2013-03-09T14:19:50+00:00 09.03.2013 15:19
tolles Kapitel
ellen ist Super nett wie sie Lauren geholfen hat
ich bin neugierig was oliv hat
freu mich aufs nächste Kapitel
Lg drgoan493


Zurück