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Heroines of War

von

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„Den Kopf etwas anheben … Ja, so ist es gut … Und nun ein wenig mehr in meine Richtung … Perfekt.“ Eine Kamera klickte mehrfach.

Ellen musste sich stark zusammenreißen, nicht mit den Augen zu rollen. Seit einer Stunde zwang der schrullige Fotograf sie in Kampfpanzerung verschiedene Positionen einzunehmen.

„Die Kamera liebt dich, Darling“, hatte er ihr näselnd versichert, doch sein falsches Lächeln strafte ihn Lügen.

„Dick, wir müssen langsam los, haben Sie genug Fotos?“, fragte Matilda Pritchett, während sie nebenbei Nachrichten auf einem Tablet las.

Der Fotograf klatschte in die Hände. „Natürlich, Tilly, du kennst doch meine Arbeit.“

„Und Ihre Preise“, gab Miss Pritchett zurück.

„Meine Kunst kennt keinen Preis.“

Die Pressesprecherin schnaubte. „Aber umsonst arbeiten Sie auch nicht. Ellen, zieh dich wieder um, unsere Limousine wartet.“

Ellen seufzte, als eine Armee von Assistenten über sie herfiel, so wie es bereits geschehen war, als sie die Kampfpanzerung hatte anziehen wollen. Sie durfte sich nicht bewegen, während sie mit

eifrigen Handgriff ein Teil nach dem anderen lösten, damit sie selbst nicht versehentlich das Make-Up oder ihren perfekt gestylten Pflechtezopf ruinierte. Ihre Haare waren dafür eigentlich noch zu kurz, doch ein eifriger Friseur hatte ihr im Handumdrehen ein paar Verlängerungen eingesetzt, die so perfekt waren, dass sie selbst Ellen nicht auffielen. Auch wenn sie es nicht zugeben wollte, hatte sie sich gefreut, ein wenig mehr von ihrem Alten selbst im Spiegel zu sehen.

Als sie wieder ihre Paradeuniform trug und ein Stylist hastig ihr Make-Up ein letztes Mal aufgefrischt hatte, bedeutete Miss Pritchett ihr, ihr zu folgen. Sie hatte anfangs einige Startschwierigkeiten gehabt, weil Ellen sich nicht alles gefallen lassen und Worte für die Presse in den Mund legen lassen wollte, doch inzwischen kamen sie einigermaßen miteinander aus, was unter anderem auch daran lag, dass Ellen ein wenig Angst vor ihr hatte. Sie besaß die Fähigkeit, jeden mit einem tödlichen Blick aus ihrer Brille nieder zu starren, und selbst hochdekorierte Offiziere respektierten sie und ihre Arbeit.

Als sie in ihrer schwarzen Limousine saßen, nannte Miss Pritchett dem Fahrer die Adresse von Bostons Ritz Carlton Hotel, einem der besten Hotels der Stadt, wo das festliche Bankett stattfinden würde, während sie eifrig Anfragen auf ihrem Tablet beantwortete.

„Wir haben noch drei Stunden bis zu der Preisverleihung, Ellen“, sagte sie währenddessen, ohne aufzusehen. „Deine Rede kennst du, nehme ich an?“

Ellen verkniff es sich mit ihren Augen zu rollen. Natürlich kannte sie den Text, den Miss Pritchett für sie verfasst hatte, sie hatte ihr diesen beinahe eingeprügelt.

„Danke. Ich bedanke mich bei allen, ohne die ich hier nicht stünde. Meine Mutter, Maya Webber, die mir ein leuchtendes Vorbild ist, und meinen Ausbildern Gunnery Chief Grayson und Commander Lance, die mich zu den Marine geformt haben, der ich heute bin. Ich bemühe mich tagtäglich, das Beste ihrer Lehren in meinem Handeln widerzuspiegeln. Doch am meisten möchte ich mit dieser Zeichnung meine verstorbene Kameradin, - nein, viel mehr Schwester, Private Alexandra Leah Zhao ehren. Ohne sie hätte ich den hinterhältigen Angriff nicht überlebt. Sie und andere Kameraden, die ich während meines Dienstes verloren habe, sind die wahrhaften Helden, und ich strebe danach, sie zu ehren und ihrem Heldenmut in nichts nachzustehen. Genau das ist es, wofür die Allianz steht. Jeder kann ein Held sein. Gemeinsam verteidigen wir die Hilflosen und machen die Galaxie zu einem besseren Ort.“

Miss Pritchett nickte zufrieden. „Sehr schön. Wenn du sie dann nur noch vortragen könntest, ohne dass dir gleich die Galle dabei hochkommt, steht uns ein erfolgreicher Abend bevor.“

Ellen sah aus dem Fenster. „Tut mir leid. Ich habe bloß nicht das Gefühl, das alles hier verdient zu haben. Ich habe gar nichts erreicht.“

Miss Pritchett seufzte. „Dann nimm das hier als Ansporn, um es in Zukunft rechtzufertigen.“

Den Rest der Fahrt verbrachten sie schweigend.
 

Neugierig sah Norah aus dem Seitenfenster des Skycars und betrachtete die Lichter der Stadt. Sie hatte während des Offizierslehrgangs bisher kaum Freizeit gehabt, doch da ihre Gruppe sich nun in ihrem letzten Theorieblock befand, drückten ihre Vorgesetzten meist ein Auge zu, wenn man einen Abend Freigang haben wollte, solange man am nächsten Tag wieder pünktlich um 8 Uhr im Seminar saß.

Norah hatte bereits davon gehört, dass Ellen wieder aufgetaucht war, und sehnlichst auf eine Nachricht von ihr gewartet, doch bisher war nichts gekommen. Stattdessen hatte Maya Webber ihr heute morgen geschrieben, dass Ellen im Rahmen einer Werbekampagne der Allianz heute Abend bei einem feierlichen Bankett eine Auszeichnung für besondere Dienste erhalten sollte. Um ein Treffen zwischen den beiden jungen Frauen zu arrangieren, hatte Ellens Mutter Norah auf die Gästeliste setzen lassen, und Norah hatte beinahe keinen Ton herausgebracht, seitdem sie das erfahren hatte, weil sie unglaublich nervös war. Was für eine Ellen würde sie dort treffen? Es war sehr viel passiert, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten, sie würden sich beide verändert haben. Aber galt das auch für ihre Gefühle? Sie war fest entschlossen, heute Abend nicht ohne eine Antwort darauf zurück zum Stützpunkt zu fahren. Wenn Ellen sie nicht mehr wollte, war das in Ordnung und sie würde sich irgendwie damit abfinden, sie beide verband schließlich auch eine jahrelange Freundschaft. Doch wenn Norah ehrlich zu sich selbst war, reichte ihr das nicht. Sie hatte nicht monatelang auf ihre Rückkehr gehofft und gewartet, nur um dann einfach so abserviert zu werden.

„Wir sind da“, grummelte der Taxifahrer von vorne und Norah bezahlte ihn schweigend. Schließlich atmete sie einmal tief durch und stieg aus dem Skycar aus. Sie zupfte ihre Paradeuniform ein letztes Mal zurecht und trat auf den imposanten Bau zu, den die Allianz für diesen Anlass gemietet hatte.

Das hohe Vordach wurde von mehreren großen Säulen getragen, zwischen denen helle Scheinwerfer die Nacht zum Tag machten. Sie erreichte die beiden großen, hölzernen Flügeltüren, die den offenen Eingang markierten, und ein Turianer trat mit einem Datenpad auf sie zu.

„Stehen Sie auf der Gästeliste?“, fragte er mit freundlicher Stimme und musterte sie.

Norah nickte. „Corporal Norah Eli.“

Der Turianer suchte ihren Namen auf einer Liste in seinem Pad und lächelte sie schließlich an. „Ja, da haben wir Sie. Das Essen haben Sie leider verpasst, aber wenn Sie schnell reingehen, bekommen Sie noch die Preisverleihung mit.“

„Danke sehr“, erwiderte Norah, ebenfalls lächelnd, und folgte seiner Empfehlung, rasch in den Saal zu gehen.

Hastig marschierte sie über einen langen Flur, der an den Wänden mit Gemälden und Statuen dekoriert worden war, und trat durch eine weitere hölzerne Flügeltür. Auf der anderen Seite befand sich bereits der riesige Raum, in dem die Veranstaltung abgehalten wurde, doch Norah konnte nicht viel erkennen, weil gerade nur die Bühne an der Stirnseite beleuchtet wurde. Unzählige runde Tische standen im Saal verteilt und sie alle schienen voll besetzt zu sein, weshalb Norah sich gar nicht erst die Mühe machte, einen Platz zu finden. Sie lehnte sich an die Wand direkt neben des Eingangs und beobachtete das Geschehen vor sich. Die Anwesenden plapperten aufgeregt durcheinander, bis ein schnittiger Mann in einem feinen Anzug auf die Bühne trat und mit einer schlichten Handbewegung um Ruhe bat. Er stellte sich hinter ein Podium und stützte seine Hände darauf ab.

„Meine Damen und Herren, Sie haben nun bereits zwei hervorragende Marines kennengelernt, aber ein letzter wird heute noch ausgezeichnet. Diese junge Frau ist ein Beispiel dafür, wie weit man gehen sollte, um Menschenleben zu retten. Aber sehen Sie selbst, wir konnten genug Material sammeln, um Ihnen vor Augen zu führen, was für eine Person Corporal Ellen Webber ist.“

Das Licht auf der Bühne wurde ausgeschaltet und auf die Wand dahinter ein Video projiziert. Erst waren siegreiche Fanfaren zu hören, dann erschien ein Foto von Ellen in Kampfpanzerung, auf dem sie in die Ferne zu blicken schien. Das Bild verblasste, und man sah einen bunten Zusammenschnitt aus verschiedenen Kampfszenen, in denen Ellen stets im Fokus stand und gerade auf Ziele feuerte oder Befehle gab, die über Lautsprecher im ganzen Saal zu hören waren.

„Jenkins, mehr nach links!“

„El, wir könnten hier drüben ein wenig Hilfe gebrauchen“, hörte Norah ihre eigene Stimme sagen.

„Wir sind in einer Minute da.“

„Gute Arbeit, Alex, und jetzt lauf!“

Dann wurde eine Aufnahme gezeigt, an die Norah sich noch sehr gut erinnerte. Sie, Ellen, Olivia, Alex und Lauren standen zusammen in Panzerung und mit jeder Menge Dreck im Gesicht vor einer großen Sonde und grinsten breit in die Kamera. Damals, noch an Bord der SSV Rome, waren die Teams für eine Übung durcheinandergewürfelt worden, wodurch sie die Mission zusammen bestritten und die anderen Teams geschlagen hatten. Das Bild fing an zu wackeln, und Alex fragte: „Hast du schon ein Bild gemacht, Casey?“ Die anderen hielten immer noch ihre Position und lächelten, auch wenn sie dabei nun etwas steif aussahen.

„Oh … ich glaube, ich habe schon wieder die Videotaste gedrückt“, erwiderte Casey und alle lachten, auch Teile des Publikums. Dann wurde das Bild schwarz, bis die Aufnahme einer Nachtsichtkamera erschien. In der unteren Hälfte des grünlichen Bildes stand klein „Galatea“, und darunter noch kleiner eine Uhrzeit, die Norah aber aus der Entfernung nicht erkennen konnte. Schüsse waren zu hören, und einige Marines liefen über einen Platz auf eine Schutzmauer zu und aus dem Bild heraus. Dann wurde die Kamera gewechselt und man sah den Bereich vor der Kolonie, der vor Geth nur so wimmelte.

„Hier spricht Corporal Ellen Webber von der Garnison auf Galatea!“, hörte man Ellens hastig rufen. Im Hintergrund waren Schüsse zu hören. „Wir werden von Geth angegriffen und brauchen umgehend Verstärkung!“ Norah lief eine Gänsehaut über den Rücken. Sie würde diesen Funkspruch niemals vergessen, in seltenen Nächten hörte sie ihn sogar noch im Schlaf. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so hilflos gefühlt wie in dem Moment, als Ellen und Alex Hilfe gebraucht hatten und Norah in eine Zelle gesteckt wurde, weil sie sich gegen ihren Commander aufgelehnt hatte. Alex könnte heute noch am Leben sein, wenn es damals anders gekommen wäre.

Wärend die Geth weiter auf die Kolonie zumarschierten, sah mein eine große Energiekugel aus dem Hintergrund auftauchen und rasend schnell näher kommen, dann wurde das Bild schwarz. Als nächstes wurde das Bild der Helmkamera eines Marines gezeigt, die auf Ellen gerichtet war.

„Sie ist so gut wie tot. Wir sollten zusehen, dass wir verschwinden“, sagte der Marine, zu dem die Helmkamera gehörte. Er hatte eine Hand auf Ellens Schulter, doch sie riss sich los und sah ihn entsetzt an. „Ein Marine lässt seine Kameraden nicht im Stich. Niemand wird zurückgelassen!“

Wieder ein Schnitt, dieses Mal wurde das Außenbild eines Shuttles gezeigt. Ellen stand auf dem Dach eines Gebäudes und winkte in die Kamera, während das Shuttle sich von ihr entfernte. Dann verdunkelte sich das Bild wieder und das Licht auf der Bühne wurde wieder eingeschaltet. Der Redner, der das Video angekündigt hatte, trat wieder ans Pult und nickte Andächtig.

„Corporal Webber, meine Damen und Herren. Eine ganz besondere, junge Frau. Eine Soldatin, für die das Wohl anderer an erster Stelle steht. Doch darüber soll nun ihr Ausbilder, Gunnery Chief Grayson, mehr erzählen!“

Klatschend und mit einem breiten Grinsen trat der Mann zur Seite und machte dem bulligen Marine platz, der auf die Bühne getreten war. Norah erkannte ihn sofort wieder und musste schmunzeln. Der Chief hatte sich in den letzten Jahren überhaupt nicht verändert, wenn man von der einen oder anderen grauen Strähne im Haar absah. Sein durchleuchtender Blick glitt kurz durch die Menge, bis er schließlich auf das Podium starrte, wo vermutlich sein Text angezeigt wurde.

Nachdem der Beifall verklungen war, ergriff er räuspernd das Wort.

„Nun, eigentlich soll ich jetzt darüber sprechen, wie gut Corporal Ellen Webber sich in der Allianz entwickelt und was diese aus ihr gemacht hat. Das ist aber völliger Blödsinn, wenn Sie mich fragen. Die Person, die Corporal Webber heute ist, wurde durch unglückliche Umstände und ihre innere Stärke geformt. Sie wäre viel mehr ein Beispiel dafür, wie häufig die Allianz dabei versagt, den einfachen Marines dort draußen zu helfen.“

Ein Raunen ging durch die Menge, und der Mann, der Grayson angekündigt hatte, sah ihn perplex an.

„Eeh, Jack?“, fragte er, doch Grayson ignorierte ihn.

„Ihre Loyalität brachte Ellen bereits in die Grundausbildung mit“, fuhr er unbeirrt fort. „Was nach ihrer Zeit bei mir passiert ist, weiß ich nur aus Gesprächen mit ehemaligen Vorgesetzten. Sie wäre mehrere Male beinahe in Kampfeinsätzen gestorben und musste miterleben, wie ihr Schiff zerstört und über die Hälfte ihrer Kameraden getötet wurde. Danach schickte man sie und Private Alexandra Zhao zum Garnisonsdienst, und das Ende dieser Zeit haben Sie gerade selbst gesehen. Entgegen der Warnungen, die vor allem Commander Shepard ausgesprochen hatte, wurde die Kolonie, in der Ellen diente, nicht weiter aufgerüstet und von den Geth zermalmt. Trotzdem ergriff Ellen nicht die Flucht, als sie es konnte, sondern blieb zurück, um Private Zhao zu helfen. Die beiden lieferten den Geth einen harten Kampf und verdienen meinen höchsten Respekt. Ellen erhält zurecht diese Auszeichnung heute. Private Zhao hat den Angriff leider nicht überlebt.“

Er schwieg einen Moment und Norah sah, wie sich seine Fäuste ballten.

„Nachdem Ellen all das überlebt hatte, hätte jeder es verstehen können, wenn sie die Allianz verlassen und ein ruhigeres Leben gewählt hätte. Ich selbst hätte mich wohl dafür entschieden. Nach Galatea hat sie noch ein paar schlimmere Dinge erlebt, aber darüber darf ich leider nicht sprechen. Man ließ ihr anschließend die Wahl, sich entweder ein paar Jahre als Laborratte zur Verfügung zu stellen, aber nie wieder eine Waffe in der Hand halten zu müssen, oder wieder an die Front zu gehen, auch wenn daran gewissen Bedingungen geknüpft sind. Trotzdem entschied sie sich für letzteres, und dafür ziehe ich meinen Hut vor ihr. Ich kenne kaum einen Marine, der nach alldem wieder eine Waffe in der Hand halten wollen würde, doch Ellen ist fest entschlossen. Manche haben sie deshalb bereits als die neue „Commander Shepard“ bezeichnet, doch das trifft es nicht. Sie ist Ellen Webber, und sie wird ihren eigenen Weg gehen und sollte dabei in niemandes Schatten stehen.“

Als er geendet hatte, herrschte totenstille unter den Anwesenden. Dann stand irgendwo in der Mitte jemand auf und klatschte in die Hände, bis nach und nach weitere einstimmten und schließlich der ganze Saal in einem tosenden Applaus versank. Der Mann, der neben Grayson stand, klatschte mit, schenkte dem Gunnery Chief aber einen vernichtenden Blick.

Zwei weitere Marines traten auf die Bühne, beide hochdeckorierte Admirale. Und schließlich folgte Ellen. Norahs Herz machte einen Satz, als sie sie entdeckte. Ihr Gesicht wirkte deutlich härter als noch vor ein paar Monaten, doch sie war es.

Ellen schüttelte die Hände der Admiräle, und während einer ihr eine Medaille umhängte, überreichte ihr der andere einen Blumenstrauß. Danach ging sie an Grayson vorbei, der sie bloß mit einem schlichten Nicken begrüßte, und trat an das Pult. Norah bekam ihr Grinsen nicht aus dem Gesicht, als sie in Ellens Augen sah, vermisste aber das schiefe Lächeln, dass sie sonst immer auf dem Gesicht gehabt hatte.

„Ich wurde dazu angehalten, auch noch ein paar Worte zu sagen“, sagte Ellen mit freundlicher Stimme, doch etwas schien nicht zu stimmen, denn es klang in Norahs Ohren sehr aufgesetzt.

„Meiner Meinung nach verdiene ich diese Auszeichnung nicht. Ich bin zurückgeblieben, um eine Kameradin zu retten, habe am Ende aber trotzdem nichts erreichen können. Aber ich werde mir diese Ehrung verdienen.“

Ellen trat von dem Podium weg, verbeugte sich kurz und verließ dann wieder die Bühne. Norah klatschte währenddessen ein paar Mal in die Hände, und schließlich stiegen weitere ein, doch die meisten schienen wegen der beiden sehr untypischen Ansprachen etwas verdattert zu sein. Der Mann in dem feinen Anzug trat wieder hinter das Podium und machte eine zeigende Geste in Ellens Richtung.

„Corporal Webber, meine Damen und Herren. Wie sie sehen konnten, sind die meisten Marines keine Freunde von großen Worten. Aber ich bin mir sicher, dass wir mit solchen Persönlichkeiten in der Allianz noch viel erreichen werden, und ich hoffe, wir konnten Sie von der Wichtigkeit unserer Arbeit in der Galaxie überzeugen. Genießen Sie nun den Rest des Abends mit Musik, Tanz und Getränken an der Bar.“

Ein Lachen ging durch die Menge und der Mann verschwand von der Bühne. Nach und nach wurde wieder der ganze Saal erhellt und Norah suchte die hinteren Wände nach Ellen ab, konnte sie aber nirgends entdecken. Ihr Blick wanderte weiter über die unzähligen Tische hinweg, und schließlich fand sie Maya Webber, die ihr aus der Mitte des Saals zuwinkte. Lächelnd ging Norah zu ihr und wurde mit einer freudigen Umarmung von Ellens Mutter begrüßt. Diese hatte ihre Haare zu einem eleganten Knoten gebunden, wie er meist von Marines getragen wurde, und trug eine dunkelblaue Robe, die den selben Farbton von einer Uniform hatte.

„Hallo Norah, schön das du es geschafft hast“, sagte Maya fröhlich, aber ihre Miene verfinsterte sich darauf hin. „Von dem Video hat ihr keiner etwas gesagt. Ich hoffe, das hat Ellen nicht zu sehr mitgenommen. Für gute PR schrecken die wohl vor nichts zurück.“ Dann lächelte sie wieder. „aber Ellen wird sich freuen, dich zu sehen. Ich habe ihr nichts von der Einladung verraten, weil ich nicht wusste, ob du wirklich kommen kannst.“

Norah lächelte unsicher. „Hoffen wir mal, dass die Überraschung gelingt.“

Maya legte kurz ihre Hand auf ihre Wange und sah sie aufmunternd an. „Ich weiß, es ist viel passiert, und sie hat sich vielleicht ein bisschen verändert, ist aber immer noch Ellen. Mach dir keine Sorgen. Komm, setz' dich, sie kommt bestimmt gleich her.“

Inständig dafür betend, dass sie recht haben würde, nahm Norah neben ihr Platz und sah sich aufmerksam um. Unter den Anwesenden waren nicht nur Menschen, sondern Personen jeder Rasse vertreten, weshalb es eine sehr illustre Gesellschaft war. Eine aufreizend gekleidete Asari führte einen sehr alten Mann an ihrem Arm, wobei Norah sich fragte, ob sie lediglich eine Eskortdame war, während an einem anderen Tisch ein paar Turianer lautstark lachten, und ein paar Meter weiter konnte sie sogar zwei Elcor davonstapfen sehen. Doch Ellen war nirgends zu entdecken. Nachdem Norah sich zehn Minuten lang mit Maya über ihren Offizierslehrgang unterhalten hatte, wurde sie langsam unruhig und erhob sich schließlich.

„Ich gehe Ellen mal suchen“, sagte sie zu Maya, die ihr zuzwinkerte.

„Viel Erfolg dabei!“

Da Norah sie in dem großen Saal nicht entdecken konnte, steuerte sie auf eine breite Tür zu, hinter der sie die Bar vermutete. Und da stand Ellen tatsächlich und schien sich mit einem Turianer zu unterhalten. Norahs Herz machte einen Hüpfer und sie ging so schnell, wie es ihr möglich war, ohne Aufsehen zu erregen, doch ein paar Kroganer schoben sich vor sie und versperrten ihr die Sicht. Sie schienen sich ein wenig zu rangeln, doch Norah kümmerte sich nicht darum und versuchte sich unauffällig an ihnen vorbei zu drängeln, was bei den Massen an Muskeln und Fleisch gar nicht so einfach war. Kroganer waren nicht nur groß, sondern auch von ziemlich kräftiger Statur.

Schließlich hatte sie wieder den Eingang zur Bar vor Augen, doch Ellen war verschwunden. Genervt stöhnte Norah auf und warf ihre Hände in die Luft. Erlaubte sich hier irgendjemand einen grausamen Scherz mit ihr?

Sie betrat die Bar, welche aus einer langen Theke, an der viele Barkeeper arbeiteten, und ein paar Stehtischen bestand. Viele aus dem Bankettsaal waren inzwischen hierher gewandert, weshalb es brechend voll war. Unbeirrt davon schob Norah sich durch die Menge und hielt aufgeregt Ausschau. Endlich entdeckte sie Ellen wieder, dieses Mal als sie gerade dabei war, durch eine Glastür nach draußen zu gehen. Norah wollte nach ihr rufen, weil sie nur wenige Meter entfernt war, doch plötzlich trat Gunnery Chief Grayson vor sie.

„Wenn das nicht Corporal Eli ist! Oder etwa schon Liuetenant?“, fragte er strahlend und mit einer Flasche Whisky in der Hand.

Norah musste sich wirklich zusammenreißen, um nicht aufzuschreien.

„Chief“, sagte sie mit einem aufgesetzten Lächeln und salutierte kurz. „Es ist schön, Sie wiederzusehen, und ich würde mich wirklich gerne mit ihnen unterhalten-“

„Das trifft sich prima, Sie haben bestimmt viel zu erzählen!“, erwiderte Grayson freudig strahlend und führte Norah an die Bar, ohne das sie Einspruch erheben konnte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Dark777
2016-06-05T19:48:16+00:00 05.06.2016 21:48
Oh Scheiße, da hat Norah mal wieder richtig Glück XD!

Ich halte nicht viel von diesen aufgesetzten und bis ins kleinste Detail inszenierten Reden, Ellen und Grayson offensichtlich auch nicht. Das mit dem Video ist eine gute Idee um Emotionen zu wecken, allerdings auch eine sehr indiskrete. Es hat etwas von einem Autounfall: Es ist furchtbar, man kann aber auch nicht aufhören hinzugucken.........die Faszination des Morbiden. Ellen mit diesem speziellen Video zu überraschen war nicht die klügste Idee der Allianz. Ein Wunder, dass es nicht weiter eskaliert ist......

Wie immer ein fesselndes Kapitel!

V(~_^)
Antwort von:  SarahShepard
02.09.2016 00:14
Hahaha, der Vergleich mit dem Autounfall ist gut :D Armes Ding... dafür wird sie im nächsten Kapitel entschädigt ;)
Von:  fahnm
2016-06-03T06:11:28+00:00 03.06.2016 08:11
Ein Tolles Kapitel
Freue mich schon aufs nächste.


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