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Heroines of War

von

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Das Ende der Santana

Fasziniert betrachtete Ellen ein Aquarium, dass eins der vielen protheanischen Labore beinahe vollständig für sich einnahm. In seinem Inneren rankten sich Algen bis an die Wasseroberfläche, die ein schwaches Licht abgaben, beinahe wie Glühwürmchen.

„Wie kann hier nach tausenden von Jahren noch etwas leben?“, fragte Katlyn, die plötzlich neben ihr aufgetaucht war.

„Keine Ahnung“, erwiderte Ellen und wandte sich von dem Tank ab. „Ich finde es erstaunlich, dass es hier sogar genug Notstrom gibt, um die Räume zu beleuchten, die wir durchsuchen.“

„Die Protheaner wussten wohl, was sie taten. Hier, schau mal, was ich gefunden habe.“ Stolz zog Katlyn einen metallenen Würfel aus ihrer Jackentasche. Als sie auf einen kreisrunden Knopf drückte, wurden die Wände des Würfels durchsichtig und in seiner Mitte erschien das Hologramm eines laufenden Raubtieres mit vier schlanken Beinen und einem Maul voller Reißzähne. Sie drückte noch einmal auf den Knopf, und aus dem Raubtier wurde ein Vogel, der mit sanften Schlägen auf der Stelle flog.

Ellen betrachtete den Würfel beeindruckt und murmelte: „Der ist fast zu schade, um ihn zu verkaufen.“

„Wenn Katlyn etwas besseres findet, darf sie ihn behalten“, sagte DuBois lächelnd, als er ebenfalls

in den Raum trat. „Ich habe schon ein paar alte Waffen gefunden. Zwar nicht mehr funktionstüchtig, aber für solche Schätze findet sich trotzdem immer ein Käufer.“

„Käpt'n!“, hörten sie Thrall über den Kommunikator rufen. „Wir haben hier ein kleines Problem!“

DuBois Lächeln verschwand aus seinem Gesicht. „Was ist los?“

„Zombies!“, rief Dazzer. „Mit leuchtenden Augen. Eine ganze Menge von ihnen!“

Sie konnten im Hintergrund Schüsse und das kehlige Stöhnen der Husks hören. Ellen lief ein eiskalter Schauer über den Rücken, als ihr klar wurde, dass das, wovor sie sich am meisten gefürchtet hatte, nun eintrat.

„Was zum Teufel meinst du? Zombies?“, fragte ihr Kapitän sichtlich irritiert.

Ellen griff Katlyn panisch am Arm. „Wir müssen hier weg“, murmelte sie. „Sofort.“

„Sind das-?“, fragte Kat, wurde dabei jedoch von DuBois unterbrochen.

„Was weißt du, Ellen?“

Ellen sah ihn mit versteinerter Mine an. Sie hätten sich niemals auf diese Expedition einlassen dürfen. Sie hatte von Anfang an gewusst, dass die Jagd nach einer protheanischen Ruine nur Ärger bringen würde.

„Nicht viel“, antwortete sie schließlich. „Sie werden als Husks bezeichnet. Vermutlich waren sie einmal Menschen wie wir. Vor ihrer Verwandlung, meine ich. Wenn sie hier sind, könnten die Geth nicht weit weg sein. Oder sie sind durch etwas anderes verwandelt worden, ich weiß es nicht. Auf jeden Fall sind wir doch nicht die ersten hier in der Ruine.“

„Käpt'n, wir brauchen Hilfe!“, rief Thrall über den Kommunikator.

DuBois stöhnte „Na wunderbar“ und ging mit festen Schritten voran. Nach wenigen Metern fing er an zu rennen, doch Ellen und Katlyn hatten keine Mühe, mit ihm mitzuhalten. Auf ihrem Weg passierten sie die leuchtenden Markierungen, die sie an jeder Kreuzung angebracht hatten, um ihren Rückweg finden zu können, und sie kamen schnell voran, als plötzlich ein lauter Knall die ganze Anlage erschütterte und um sie herum das Licht ausfiel.

„Was war das denn?“, fragte Katlyn erschrocken, die sich an Ellen festgehalten hatte, um nicht hinzufallen.

DuBois zog drei Leuchtstäbe aus seiner Tasche und warf ihnen zwei davon zu. „Irgendwas hat den Notstrom gekappt.“

„Wohl eher irgendwer“, sagte Ellen finster und ließ den Stab mit einem Knopfdruck aufleuchten. Sein Licht war nicht besonders hell, doch es würde reichen, um den Weg einige Meter vor ihr zu erhellen.

„Thrall, wie ist eure Lage?“, fragte DuBois, während sie ihren Weg hastig fortsetzten.

Während sie alle gespannt auf eine Antwort warteten, spürte Ellen, dass ihr Herz raste. Sie hatte Angst davor, dass es zu spät war und von den anderen bereits niemand mehr am Leben war. Doch zu ihrer großen Erleichterung hörten sie wenig später das Schnaufen des Kroganers.

„Wir haben uns verschanzen können“, keuchte er. „Weiß aber nicht, wie lange es halten wird, sie kratzen wie wild an der Tür. Dass das Licht ausgefallen ist, scheint sie nicht zu interessieren.“

DuBois atmete erleichtert aus. „Wer auch immer das gemacht hat, wir werden schon damit fertig. Haltet durch, wir sind bald bei euch und schießen uns dann gemeinsam hier raus.“

„Du kannst ihnen ja ein paar Shantys vorsingen, vielleicht verscheucht sie das“, frotzelte Katlyn. Thrall hatte das gehört und lachte, und sogar Dazzer und Tyra schienen einzustimmen.

Ellens kicherte nervös und entspannte sich ein wenig. Solange sie alle ihren Humor noch nicht verloren hatten, konnte es nur gut ausgehen. Oder?

Schlagartig richteten sich ihre Nackenhaare auf und sie hielt inne. Sie marschierten gerade durch einen langen Raum mit hohen Decken, der von vorne bis hinten mit Regalreihen vollgestellt worden war. Die einzige Möglichkeit, hindurch zu kommen, war durch die breite Schneise in der Mitte, die durch ein flaches Becken mit morastigem Wasser getrennt wurde.

Fragend wandte DuBois sich zu ihr um, als er bemerkte, dass sie ihm nicht mehr folgte, und auch Katlyn blieb stehen.

„El?“, fragte sie besorgt und hielt ihren Leuchtstab dicht vor Ellens Gesicht.

„Ssh!“, machte diese bloß und horchte in die Dunkelheit vor ihnen hinein. Als sie nichts hörte, dachte sie schon, ihre Paranoia hätte ihr einen Streich gespielt, doch dann nahm sie die Schritte mehrerer schwerer Stiefel wahr, die sich dem Raum aus der anderen Richtung näherten.

„Lampen und Kommunikator aus!“, zischte DuBois und bezog hinter einem Regal zu ihrer rechten Stellung. Ellen und Katlyn kamen seiner Anweisung nach und positionierten sich auf der linken Seite, während sie ihre Waffen entsicherten. Der Kapitän nickte ihnen zu, was sie in der Dunkelheit kaum erkennen konnten, doch Ellen verstand ohne Erklärung, was er ihnen sagen wollte. Es werden keine Fragen gestellt. Wer immer hier war und den Strom gekappt hatte, war auf Ärger aus. Sie würden es auf ein Gefecht ankommen lassen, hatten aber hoffentlich den Überraschungsmoment auf ihrer Seite.

„Der Boss ist ziemlich sauer, weil uns nicht an seinen Plan gehalten haben, glaube ich“, hörten sie jemanden laut plappern, als die schweren Stiefel endlich den Raum erreichten.

Jemand anderes mit einer tieferen Stimme gluckste. „Sein Plan war lahm. So macht es doch viel mehr Spaß!“

„Und dem Unbekannten ist es egal, wie die Mission ausgeführt wird, solange wir die Zielpersonen lebendig mitbringen“, sagte jemand drittes.

Katlyn sah panisch zu Ellen und formte wortlos das Wort 'Cerberus' mit ihren Lippen. Ellen war innerlich wie erstarrt. Hatte Cerberus sie bis hierher, ans Ende der Galaxie, verfolgt? Wie hatten sie sie gefunden?

Doch ihre Verwirrtheit schlug in Entschlossenheit um, als sie sich vor Augen führte, was diese Organisation ihr alles angetan hatte. Sie würde lieber sterben, als sich hier gefangen nehmen zu lassen.

Langsam näherten sich ihnen die Schritte und die Lichter dreier Taschenlampen.

„Wo sind sie bloß, wo sind sie bloß?“, säuselte einer der Soldaten. „Ich liebe den Nervenkitzel der Jagd.“

„Wissen wir.“

Schließlich waren sie nur noch wenige Meter entfernt. Ellen hielt ihre Schrotflinte, so fest sie konnte, während sie darauf wartete, dass ihre Ziele in ihr Visier spazierten.

Sie hörte ein lautes Planschen, als einer der Soldaten in das Becken sprang und lautstark durch das Wasser stapfte.

„Lass den Scheiß.“

Der Soldat im Becken schien sich zu seinen Kameraden umzudrehen, während er ging, denn er marschierte rückwärts in Ellens Sichtfeld und zeigte den beiden hinter ihm einen Stinkefinger.

Es gab keinen Zweifel mehr. Auf seiner hellen Panzerung blitze kurz im Licht einer Taschenlampe das rautenförmige Logo von Cerberus auf.

DuBois war der erste, der schoss, dann folgten Ellen und Katlyn, doch sie schafften es nur, seinen Schild zu deaktivieren, bevor der Soldat einen Satz zurück machte und aus ihrem Schussfeld verschwand.

„Wir haben sie gefunden, Sir!“, rief einer der Soldaten.

„Lichter aus. Schaltet auf Nachtsicht um“, grunzte ein anderer, und eine Sekunde später wurden sie wieder von völliger Dunkelheit umhüllt. Ellen fluchte innerlich und zog sich gemeinsam mit Katlyn von dem breiten Durchgang zurück. Da sie sich nicht anders zu helfen wusste, sammelte Ellen ihre biotische Energie und erschuf mit leuchtenden Händen eine Barriere, die sie und Katlyn umschloss. Die knisternde Energiekugel spendete ihnen immerhin ein bisschen Licht, doch den Soldaten, der plötzlich direkt vor ihnen stand und gegen die Barriere klopfte, hatten sie trotzdem nicht kommen sehen.

„Was zum-“, keuchte Ellen überrascht und warf ihn instinktiv mit ihrer Biotik mit voller Wucht gegen das nächste Regal, wobei er seine Waffe verlor. Ellen nahm aus den Augenwinkeln wahr, dass Katlyn den Leuchtstab aktiviert und sich mit gezückten Waffen auf den Soldaten stürzte, und wollte ihr helfen, doch ein Projektil sauste von links haarscharf an ihrem Kopf vorbei.

„Projekt Ellen!“, rief der Schütze ihr vom Mittelgang aus zu und Ellen konnte im fahlen Licht erkennen, dass er wieder auf sie anlegte. Reaktionsschnell legte sie einen Kaltstart ihres biotischen Angriffs hin, doch ihr Gegner schien das geahnt zu haben und machte gerade rechtzeitig einen Schritt zur Seite, um ihr auszuweichen, und Ellens Angriff verpuffte ins Leere.

Ein Streifschuss erwischte sie von hinten am Arm, und der Soldat hinter ihr lachte. „Zu langsam.“

Dann, den Bruchteil einer Sekunde später, bevor sie sich umdrehen konnte, wurde sie im Rücken von einem Sturmangriff des Cerberus-Anhängers getroffen und knallte hart gegen die Wand vor ihr, was ihr die Luft aus den Lungen presste und sie Sterne sehen ließ.

„Zu schade, dass wir euch lebend zurückbringen sollen“, säuselte der Mann dicht hinter ihr. „Ich hätte gerne noch etwas Spaß mit dir.“

Ellen kämpfte sich mühsam auf ihre Beine und suchte panisch nach ihrer Waffe, doch sie musste sie verloren haben. Sie hob abwehrend eine Hand, als der Cerberus-Soldat in der Dunkelheit auf sie zuging, aber er schlug diese einfach zur Seite und packte Ellen am Hals. Sie röchelte und wehrte sich mit Händen und Füßen, konnte sich jedoch nicht lösen.

Ein Schatten trat hinter den Soldaten, doch er schien ihn erst zu bemerken, als die Person hinter ihm seinen Schild zerstörte und seinen Hals mit einem Messer direkt an der Kante seines Helmes durchbohrte, dort wo die Panzerung am schwächsten war. Er schwankte einen Moment auf der Stelle und gurgelte, während das Blut so stark aus seiner Wunde tropfte, dass Ellen einiges davon abbekam, dann ließ er Ellen los und sackte zusammen.

„Alles in Ordnung, Webber?“, fragte DuBois und zerrte sie von dem zappelnden Cerberus-Anhänger weg.

Ellen fasste sich an den Hals und nickte. „Wie hast du das gemacht?“, fragte sie ihren Kapitän erstaunt.

Grinsend zeigte er ihr ein kreisförmiges, flaches Gerät in seiner Hand. „Dieses kleine Schätzchen kann Schilde überlasten, allerdings nur, wenn ich es direkt mit ihnen verbinde. Es ist ganz nützlich, wenn es mal brenzlig wird.“ Dann wandte er sich suchend um. „Ich habe vor dem hier schon einen erledigt. Weißt du, wo der dritte sich verkriecht?“

Ellen ging zurück zu dem Mittelgang und hob den Leuchtstab auf, der dort eingeschaltet im Becken lag. Es musste Katlyns sein, denn Ellen hatte ihren noch bei sich und DuBois seinen gerade wieder in die Hand genommen.

„Katlyn?“, rief sie fragend, während DuBois hinter ihr über seinen Kommunikator versuchte, Thrall zu erreichen. Ellen hob den Leuchtstab hoch über ihren Kopf, um die Umgebung besser sehen zu können, und entdeckte den leblosen Körper des Soldaten, den sie zuvor gegen eins der Regale geschleudert hatte, doch von Katlyn fehlte jede Spur.

„Thrall, lebt ihr noch?“, hörte sie DuBois fragen, nahm jedoch die Antwort nicht wahr, weil ihr Kommunikator noch ausgeschaltet war, doch dem Gesichtsausdruck ihres Kapitäns nach zu urteilen war die Antwort, die er erhielt, keine positive.

„Meine Leute dürften sie auch bald haben“, verkündete plötzlich eine schneidende, gedämpfte Stimme in ihrem Rücken. Ellen wandte sich auf der Stelle um und entdeckte einen vierten Cerberus-Soldaten, der zwischen zwei Regalen hervortrat und Katlyn mit vorgehaltener Waffe und einem Arm um ihren Hals mit sich zerrte. Katlyn versuchte, sich zu wehren, doch er schien jedes Mal seinen Griff zu verstärken, wodurch sie kaum noch Luft bekam.

„Schön, dass du nichts von meiner Schule verlernt hast, Ellen“, sagte der Soldat und ließ das Visier seines Helmes hochfahren. Es war Vadim.

„Lass sie los!“, rief Ellen und aktivierte ihre Biotik erneut. Die Luft um sie herum knisterte bedrohlich, während sie überlegte, wie sie ihn am schnellsten auseinandernehmen konnte. Sie hatte ihn einmal verschont, würde dies jedoch kein zweites Mal tun.

„Ihr kennt euch?“, fragte DuBois neben ihr entsetzt.

Vadim lachte laut auf und antwortete: „Aber ja, mein lieber James DuBois. Wir kennen uns sehr gut. Die beiden gehören zu Cerberus und ich bin hier, um sie abzuholen.“

„WAS?“, rief DuBois aus und richtete seine Waffe auf Ellen. „Ihr habt uns die ganze Zeit verarscht?“

„Nein, haben wir nicht!“, keuchte Katlyn empört, die mit aller Gewalt Vadims Griff um ihren Hals ein wenig gelöst hatte. „Wir waren ihre Laborratten. Sie haben uns entführt und monatelang Experimente an uns durchgeführt!“

Vadim verpasste ihr mit dem Griff seiner Pistole einen harten Schlag gegen den Kopf. „Sei still, oder du wirst es bereuen!“

Der Gesichtsausdruck auf DuBois Gesicht wechselte stetig zwischen Ungläubigkeit zu Entsetzen, während Ellen nervös auf den Lauf seiner Pistole starrte. Es schien, als ob alle im Raum bloß auf seine Entscheidung warten würden, auf Ellen zu schießen oder sich mit ihr gegen Vadim zu wenden. Mit seiner freien Hand drückte er auf den Knopf in seinem Ohr und lauschte auf das, was er durch den Kommunikator hörte, dann ließ er seine Waffe sinken.

„Was immer das hier ist, ich habe keine Zeit dafür“, sagte er mit belegter Stimme, wandte sich ab und verschwand mit lauten Schritten. Vadim lachte erneut auf.

„Na also, es ist eh besser, wenn wir drei alten Bekannten das unter uns regeln.“

Ellen, die fassungslos DuBois einen Moment lang nach gesehen hatte, richtete nun ihre volle Aufmerksamkeit wieder auf den Cerberus-Offizier. Katlyn versuchte, eine Hand auf seinen Kopf zu legen, um ihn mit ihren Kräften außer Gefecht zu setzen, doch er ließ es nicht zu.

„Lass sie gehen“, drohte Ellen.

„Sonst was?“, erwiderte Vadim patzig und fuchtelte mit seiner Pistole herum. „Komm mir zu nahe, und ich puste ihr den Kopf weg. Oder ich versuche mein Glück, töte dich und nehme sie dann auf jeden Fall mit. Ihr habt verloren, Ellen. Willst du dein Leben wirklich für einen Klon riskieren?“

Katlyn und Ellen entgleisten gleichzeitig die Gesichtszüge.

„Was?“, fragte Katlyn verunsichert.

„Aah, ihr wusstet das nicht. Die echte Katlyn ist in einer frühen Phase des Experiments gestorben und von einem Klon ersetzt worden. Vicerus scheint dieses Detail nicht erwähnt zu haben“, erklärte Vadim süffisant.

Ellen war so irritiert, dass sie ihre Konzentration verlor und die biotische Energie wieder verpuffte. Zu ihrem eigenen Erstaunen zweifelte sie Vadims Aussage nicht an. Doktor Vicerus hatte ihr immerhin angeboten, eine Kopie von Alex für sie zu erschaffen, er wäre vermutlich also auch dazu in der Lage gewesen, andere Menschen zu reproduzieren. Doch was bedeutete diese Erkenntnis für sie? Machte das Katlyn in ihren Augen weniger zu einem Menschen als Ellen selbst? Sie hatte das Original nicht kennengelernt sondern nur die Frau, die vor ihr stand und mit der sie die letzten Wochen zusammen erlebt hatte. Katlyn hatte sich nicht im geringsten von einem normalen Menschen unterschieden.

Tränen traten in Katlyns Augen, und sie hatte aufgehört, sich zu wehren.

„Lüge“, flüsterte sie fast und sah zu Boden.

„Du weißt, dass es wahr ist“, säuselte Vadim. „Und ich verrate dir noch etwas: Du magst vielleicht mit Ellens Kopf herumgespielt haben, aber deinen Chip konnten wir reaktivieren. Was glaubst du denn, wer uns regelmäßig eure Koordinaten geschickt hat?“

Ellen stöhnte. „Das Schlafwandeln.“

In ihrem Kopf setzten sich die Puzzlestücke der letzten Wochen zusammen. Katlyn musste nachts vom Schiff aus Nachrichten an Cerberus geschickt haben, ohne dass es jemandem von der Santana aufgefallen war. Waren Ellen und Katlyn jemals wirklich Cerberus entkommen?

„Ellen, ich wusste es nicht“, sagte Katlyn beinahe flehend und sah sie verzweifelt an. „Wirklich, ich … es tut mir alles so leid!“

Ihre Fäuste ballten sich, als Ellen ihre Biotik wieder aktivierte.

„Ich glaube dir“, sagte sie und machte einen festen Schritt auf Vadim und Katlyn zu. Auch wenn sie ein Klon war, würde Ellen niemals an der Loyalität ihrer Freundin zweifeln.

„Bleib stehen!“, bellte Vadim und zielte mit seiner Waffe direkt auf Ellens Kopf. Was er dabei nicht bemerkte war, dass Katlyns weinende Augen sich schwarz verfärbten. Wie in Trance hob sie ihre linke Hand und drückte sie auf Vadims gepanzerten Arm. Der Cerberus-Offizier zuckte und schrie auf, so als ob von ihrer Berührung ein Blitzschlag durch seinen Körper gefahren wäre. Ellen reichte diese kurze Blöße, um mit ihrer biotischen Energie die Pistole aus seiner Hand zu ziehen.

„Scheiße!“, schrie der verblüffte Vadim und stieß Katlyn von sich weg. „Was hast du mit mir gemacht, du-!“

Doch weiter kam er nicht, da Ellen sich mit einem biotischen Sturmangriff auf ihn stürzte und ihn gegen die nächste Wand knallen ließ. Vadim versuchte, ihr zu entkommen, doch Ellen durchbohrte seine Brust mit einem aufgeladenen Schlag und machte damit seinem Treiben endgültig ein Ende.
 

Benommen richtete Ellen sich wieder auf und wischte sich Vadims Blut aus dem Gesicht. Die letzten Sekunden hatte sie wie im Rausch erlebt, ohne einen Moment über ihr Handeln nachzudenken oder zu zögern. Was gerade geschehen war, wurde ihr erst wirklich bewusst, als sie versuchte, das Blut von ihrer Kleidung wegzufegen, es durch ihre verschmierten Hände aber bloß noch weiter verteilte. Wie wild rieb sie weiter an ihrer Jacke, bis ihr plötzlich so war, als würde ihr etwas die Luft abschnüren. Ihre Panik drohte überhand zu gewinnen, und erste Tränen gesellten sich zu dem Blut auf ihrem Gesicht.

„Was ist bloß aus mir geworden?“, fragte sie sich laut selbst, und schrie die Antwort sogleich heraus. „Ein Monster!“

Katlyn trat an sie heran und hielt ihre Hände fest. Als Ellen aufgehört hatte, sich dagegen zu wehren, und sich ein wenig beruhigte, legte sie sanft eine Hand auf ihre Wange.

„Nein“, flüsterte Katlyn halb. „Du bist ein guter Mensch, dem schreckliche Dinge angetan worden sind. Aber das ist jetzt vorbei.“

Ellen zog Katlyn für eine kurze, aber feste Umarmung an sich, dann löste sie sich wieder von ihr und sah betreten zu Vadims Leichnam. Katlyn hob ihren am Boden liegenden Leuchtstab auf und zog die willenlose Ellen mit sich den Flur hinunter, ohne den Cerberus-Offizier eines Blickes zu würdigen. Sie rief über ihre Schulter: „Komm schon. Vielleicht ist es für die anderen noch nicht zu spät!“ Und als Ellen das hörte, regte ihr Kampfgeist sich wieder und sie spurtete Seite an Seite mit Katlyn zu der großen Halle, in der sie vor wenigen Stunden die Expedition begonnen hatten. Zu ihrer Überraschung trafen sie dort auf Kapitän DuBois, der unter großer Anstrengung dem schwer verletzten Thrall dabei half, die protheanische Ruine zu verlassen. Von Dazzer und Tyra fehlte jede Spur. Ellen wusste, was das bedeutete.

„Hey“, stöhnte Thrall, als sie näher kamen. DuBois funkelte sie finster an, ließ Katlyn jedoch gewähren, als sie den anderen Arm des Kroganers über ihre Schultern legte und sie alle gemeinsam den Weg ins Freie antraten.
 

Mit Hilfe eines der Cerberus-Shuttles, die direkt vor der Ruine standen, hatten sie Thrall zurück zur Santana transportiert. Sam machte sich umgehend an die Behandlung seiner Verletzungen, doch ihr Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes. Ellen und Katlyn hatten sich an den Rand des Plateaus gesetzt und betrachteten schweigen den Sternenhimmel über ihnen. Es war eine wunderschöne laue Nacht, was in einem starken Kontrast zu den Ereignissen in den Ruinen stand.

Hinter ihnen knirschten Schritte im Sand, und als Ellen sich umwandte erkannte sie DuBois, der auf sie zu marschierte. Sie erhob sich hastig, um die Konfrontation auf Augenhöhe hinter sich zu bringen.

„Das ihr an Bord meines Schiffes nichts mehr zu suchen habt, ist ja wohl klar!“, brüllte der Kapitän sie an.

Katlyn sprang erbost auf. „Wir sind genauso sehr ein Opfer von Cerberus wie alle anderen hier!“

„Ihr habt uns verraten! Eigentlich müsste ich euch auf der Stelle erschießen! Euretwegen sind Tyra und Dazzer gestorben!“

„Wir wollten das alles nicht“, erwiderte Ellen und hob beschwichtigend ihre Hände. Sie wusste das es nichts gab, womit sie DuBois besänftigen könnten, sie konnte ihn sogar verstehen. Dazzer und Tyra waren ihr selbst nach der kurzen Zeit ans Herz gewachsen, und der Kapitän hatte sie noch viel länger gekannt. Es war immer schwer, Kameraden zu verlieren, besonders wenn sie wie bei der Crew der Santana Teil einer kleinen Familie gewesen waren.

„Oh, ihr wolltet es nicht? Das macht es ja gleich viel besser“, frotzelte DuBois. „Ihr seid nicht mehr als widerliche, verlogene Cerberus-Spitzel!“

„Jack!“, rief Sam von der Santana herüber. „Ich habe für Thrall getan, was ich konnte, aber er muss sofort in eine Klinik!“

DuBois marschierte zurück zu seinem Schiff, machte aber auf halbem Weg noch einmal kehrt.

„Wenn ihr mir noch einmal unter die Augen tretet ...“

Doch er ließ die Drohung unvollendet und ging an Bord. Wehmütig beobachtete Ellen den Start der Santana und sah ihr nach, bis sie im Nachthimmel verschwunden war. Sie fühlte sich schrecklich wegen alldem, was heute passiert war, wusste aber, dass sie es nicht hätte verhindern können.

Katlyn atmete tief durch. „Was machen wir jetzt?“

„Cerberus wird weiterhin Jagd auf uns machen“, dachte Ellen laut nach. „Ich glaube, es ist Zeit, nach Hause zu gehen.“

Mit einem ausdruckslosem Seitenblick fragte Katlyn: „Zur Allianz?“

Ellen nickte. „Ja, auch dahin.“

„Und was soll ich dann machen? Die Allianz wird mich ja wohl kaum aufnehmen, einen Klon.“ Das letzte Wort spuckte sie fast aus. Ellen hatte darauf gewartet, dass sie das Thema wieder anschnitt, denn sie konnte sich kaum ausmalen, was in Katlyn vorgehen musste.

„Für mich bist du genau so sehr ein Mensch wie alle anderen. Lass dir von niemandem etwas anderes einreden“, sagte Ellen und legte ihr einen Arm um die Schultern.

„Das sagst du so leicht“, schnaubte Katlyn.

Ellen wusste nicht so recht, was sie darauf erwidern sollte. Sie fühlte sich unglaublich hilflos. Katlyn löste sich von ihr und trat dicht an den Abgrund heran, so als ob ihre Höhenangst plötzlich verflogen wäre.

„Komm erstmal mit mir. Wir werden eine Lösung für all das finden“, rief Ellen ihr beschwichtigend zu. Katlyn erwiderte darauf nichts, folgte Ellen aber, als diese sie schließlich sanft fort von dem Abgrund und hin zum Shuttle zog.
 

„Arcturus-Station, wir bitten um Erlaubnis zum Andocken.“

„Hier Arcturus-Station. Identifizieren Sie sich bitte.“

„Mein Name ist Ellen Webber. 130662E25687. Corporal der Allianz. Mit mir an Bord befindet sich Katlyn McKinley.“

„Warum sind Sie in einem Cerberus-Shuttle unterwegs, Corporal?“

„Das ist eine lange Geschichte.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Dark777
2015-12-25T18:58:55+00:00 25.12.2015 19:58
Oh wow, es ist mal wieder viel passiert. U. a. ist es jetzt auch endlich so weit, dass Ellen sich wieder auf den Heimweg macht. Bleibt nur die Frage, ob sie sich wieder einleben kann oder bereits zu sehr von den ganzen Ereignissen gezeichnet ist. Dass es sich bei Katlyn um einen Klon handelt, hat mich doch sehr überrascht. Ich persönlich denke an der Person selber ändert es nichts (solange dieselben Erinnerungen mitgegeben wurden die auch das Original hatte), nur bleibt ein bitterer Beigeschmack da es letztendlich nichts anderes bedeutet, als dass Katlyn bereits gestorben ist. Zur Alliance zurückzukehren ist wohl das Klügste was beide machen können, denn wer sonst hat die Möglichkeit Kats Chip zu deaktivieren und sie zu beschützen? Eines muss ich noch zu DuBois loswerden. Ich kann verstehen, dass er um seine verlorenen Kameraden trauert. Was ich allerdings nicht verstehen kann, ist wie er mit der Sache umgegangen ist. Ellen und Katlyn können nun wirklich nichts dafür (zumindest nicht direkt) und sind selber nur Opfer. Außerdem hat er damals darauf bestanden beide mit in seine Crew aufzunehmen. Als er den beiden den Rücken zugekehrt und sie ihrem Schicksal überlassen hat (siehe Vadim).....ist er stark in meiner Achtung gesunken.

Wie immer ein gelungenes Kapitel, ich habe es regelrecht verschlungen!

V(~_^)
Antwort von:  SarahShepard
20.01.2016 17:11
DuBois ist leider etwas kurzsichtig. Manchmal sieht er nur die Dinge direkt vor sich, aber nicht da große Ganze. Vielleicht kommt er eines Tages zur Vernunft, vielleicht baue ich ihn dann nochmal ein :D
Von:  fahnm
2015-11-25T00:47:43+00:00 25.11.2015 01:47
Da werden sich einige Freuen das Ellen zurück ist.
Ich bin sehr gespannt wie es jetzt weiter gehen wird.^^


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