Heroines of War von SarahShepard ================================================================================ Kapitel 51: Ankunft ------------------- Gelangweilt lag Ellen auf der oberen Matratze des Etagenbetts, dass sie sich mit Katlyn teilte, und ließ mit ihrer Biotik einen alten Gummiball wieder und wieder gegen die metallene Decke knallen. Klonk, klonk, klonk. Jedes Mal, bevor er beinahe auf seinem Weg nach unten ihr Gesicht traf, stoppte sie ihn mit der blauen Energie aus ihren Händen und ließ ihn wieder nach oben sausen. Es war eintönig, aber es hielt sie immerhin beschäftigt. Die Santana wurde nun schon seit Tagen kreuz und quer durch ein von jeglicher Zivilisation entferntes Planetensystem gesteuert, und da sie nicht von Bord gehen oder irgendwas auf dem Schiff tun konnte, wusste Ellen nichts mit sich anzufangen. Sie war gereizt und genervt, auch wenn es ein wenig besser wurde, wenn sie ihre Biotik benutzte. Es fühlte sich so an, als würde sie ein wenig Dampf aus einem überkochenden Kessel ablassen. „Hey, kannst du woanders mit deinem dämlichen Ball spielen? Manche versuchen hier, sich zu konzentrieren!“, fauchte Katlyn von dem unteren Bett. Die ständigen Misserfolge ihrer Suche nagten auch an ihr, von ihrer sonst guten Laune war nur noch wenig zu sehen. Ellen hatte das Gefühl, dass noch mehr dahinter steckte, doch sie wollte sie nicht danach fragen, um nicht weitere Streitereien zu provozieren. Diese Motivation war auch der Grund, warum sie ohne Wiederworte den Ball ein letztes Mal auffing und sich dann schwungvoll von ihrem Bett gleiten ließ. „Du schreibst wieder in das Buch?“, fragte sie mit einem Blick auf den Stift und das zerfledderte Notizbuch in Katlyns Händen, die im Schneidersitz auf ihrer Matratze saß. „Ich halte all deine Gemeinheiten fest, damit ich sie dir eines Tages vorhalten kann“, brummte Katlyn ohne aufzusehen. Ellen schnaubte und wollte etwas erwidern, doch in dem Moment schallte die Stimme von DuBois aus den Schiffslautsprechen. „Lasst alles stehen und liegen und kommt zur Brücke. Wir haben unser Ziel endlich erreicht!“ Die Nachricht verklang einen Moment im Raum, dann nahm Katlyn den Blick von ihrem Tagebuch und sah Ellen breit grinsend an. Mit einem glitzern in ihren Augen sagte sie: „Endlich geht unser Abenteuer richtig los.“ „Komm, lassen wir die anderen nicht warten“, lächelte Ellen milde und wandte sich zur Tür. Ihr wurde flau bei dem Gedanken, wieder in die Nähe einer protheanischen Ruine zu kommen. Sie hoffte inständig, dass Katlyn mit der Bezeichnung „Abenteuer“ unrecht haben würde und sie bloß einen Haufen alter Steine fänden und nicht Husks oder schlimmeres. Allerdings war die Crew der Santana durchaus kampferprobt, und Ellen war sich sicher, mit den Kräften, die sie von Vicerus bekommen hatte, einiges bewirken zu können. Was auch immer dort unten auf sie wartete, sie würden damit umgehen können. Ellen wartete, bis Katlyn ihr Tagebuch zur Seite gelegt und zu ihr aufgeschlossen hatte, dann eilten sie gemeinsam den Flur des Crewdecks hinunter zu der Leiter, die zur oberen Ebene führte. Der Lift funktionierte bereits seit zwei Wochen nicht mehr, und bisher hatte sich niemand dazu bequemt, ihn zu reparieren. Sie kletterten die Stufen hinauf und konnten über sich die schweren Schritte von Thrall hören. Wenn er sich beeilte, hatte man das Gefühl, jeder seiner Bewegungen mit geschlossenen Augen folgen zu können, weil er selbst für einen Kroganer schwerfällig war. Oben angekommen folgten sie dem polternden Thrall zur Brücke, wo alle anderen bereits auf sie warteten. DuBois saß auf dem mittleren der drei Plätze in dem kleinen Cockpit und wandte sich suchend um. Tyra und Sam nahmen die Terminals neben ihm ein, während Ellen, Thrall, Dazzer und Katlyn sich in den Rückraum zusammendrängten. „Es scheinen alle hier zu sein … gut“, murmelte er und erhob sich. Mit einer ausladenden. Bewegung wies er sie an, durch die großen Frontscheiben nach draußen zu sehen. „Schaut selbst“, sprach er andächtig. Sie schienen auf einem erhöhten Plateau eines dicht bewaldeten Planeten gelandet zu sein. Vor ihnen lag ein großes Tal, in dem so viele hochgewachsene Bäume lagen, dass der Grund nicht zu sehen war. Doch worauf ihr Kapitän sie aufmerksam machen wollte, befand sich am anderen Ende der Landschaft, wo hohe Ruinen einen großen Teil der Felswand beanspruchten. Ellen meinte, aus der Ferne erkennen zu können, dass deren Stil große Ähnlichkeit mit denen auf Galatea hatte. „Das ist es? Danach haben wir so lange gesucht?“, fragte Dazzer erstaunt und ungläubig zugleich. DuBois lächelte ihn breit an. „Ja, Dazzer, wir haben es geschafft.“ Es war förmlich zu sehen, wie die Anspannung der letzten Wochen aus seinen Gesichtszügen wich. Das Ziel ihrer Mission schien endlich zum Greifen nahe, und wenn sie Erfolg hatten, würden die meisten keine Sorgen mehr haben. Katlyn, Thrall und Dazzer ließen ihrer Freude freien Lauf, doch Ellen hatte kein gutes Gefühl dabei, in die Ruine zu marschieren. Ihr war so, als könnten die Geth jeden Moment hier auftauchen, oder noch schlimmer, sie lauerten bereits irgendwo. Es konnte doch unmöglich sein, dass sie so viel Glück hatten und einen wahren Schatz am Ende der Galaxie fanden, ohne das es Probleme gab. Oder? Um die Stimmung nicht wieder kippen zu lassen, behielt sie ihre Zweifel für sich. Sie war vermutlich durch den Dienst bei der Allianz zu paranoid geworden und sollte aufhören, hinter jeder Ecke eine neue Bedrohung zu vermuten. Selbst, wenn sie auf irgendwelche Gefahren stoßen würden, konnten sie diese handhaben. „Sam, wie ist die Atmosphäre beschaffen?“, fragte Tyra die Pilotin. Nach einem kurzen Blick auf den Monitor vor sich antwortete diese: „Nicht ganz so optimal wie auf der Erde, aber … es reicht. Allerdings sollten wir hier nicht ewig draußen herumlaufen.“ „Du wirst gar nicht draußen sein“, sagte DuBois. „Jemand muss auf das Schiff aufpassen.“ Sam fuhr in ihrem Sitz herum und starrte ihn entgeistert an. „Jack! Wir haben darüber gesprochen. Behandle mich nicht wie eine Porzellanpuppe! Einen Tag dort draußen kann ich sehr wohl aushalten!“ „Geht schon in den Laderaum und macht euch abmarschbereit“, sagte DuBois an den Rest gewandt, und sie hörten ihn erst wieder sprechen, als sie die Brücke bereits verlassen hatten. „Sam, solange du mein Kind in dir trägst, möchte ich dich keiner Gefahr aussetzen.“ „Wir sind hier im Niemandsland, was kann da schon passieren? Ihr seid doch alle dabei! Ich habe seit zwei Wochen keinen Fuß mehr auf festen Boden gesetzt und -“ Den Rest konnte Ellen nicht mehr verstehen, weil sie bereits die Leiter zum Frachtdeck hinunterkletterte. Dazzer kicherte über ihr. „Der kriegt einen ganz schönen Einlauf“, sprach er erheitert und handelte sich darauf hin einen Stoß von Tyra ein, als sie alle auf der untersten Ebene angekommen waren. Thrall öffnete bereits die Frachtkiste am Rande des kleinen Lagerraums, in der sie ihre Waffen lagerten. Abgesehen davon besaß niemand Kampfausrüstung wie Panzerungen oder Schildgeneratoren, was beunruhigend war, aber außer Ellen schien sich niemand daran zu stören. Wenig später kamen DuBois und Sam ebenfalls in den Laderraum, als Ellen gerade ihre schwere Claymore-Schrotflinte lud. Der Kapitän ging zu einer Steuerungstafel an der Wand und tippte eine Zahlenkombination ein, woraufhin sich die breite Laderampe langsam auf den Boden des Planeten senkte. „Sam wird hierbleiben und das Schiff bewachen“, rief er über den Lärm der Rampe hinweg. Ellen warf der Pilotin einen Blick zu, die bloß finster DuBois anstarrte. Der Kapitän ließ sich davon nicht irritieren, sondern nahm sich seine Pistolen aus der Frachtkiste und marschierte als erster von Bord der Santana. Thrall folgte ihm dicht auf. Danach kamen Tyra und Dazzer, und Ellen bildete mit Katlyn die Nachhut. Ellen konnte ihr ungutes Gefühl nicht abschütteln, als sie die Rampe hinunterging und auf den festen Grund des unerforschten Planeten trat, doch sie gab ihr bestes, es zu ignorieren. Die Sonne blendete stark, als sie den anderen zum Rand des Plateaus folgte, auf dem die Santana gelandet worden war, und die Luft war ein wenig schwer zu atmen, doch es tat trotzdem gut, richtigen Boden unter den Füßen zu haben. Der Anblick, der sich ihnen bot, ließ sie alle staunen. Eine leichte Windböe ließ die Baumwipfel unter ihnen erzittern, doch es herrschte eine angenehme Temperatur, weshalb es Ellen in ihrer dünnen Jacke nicht fröstelte. Die Felswände überragten alles, waren jedoch nicht so hoch, wie sie zunächst vermutet hatte. Irgendwo würden sie mit Sicherheit eine gute Stelle finden, an der sie das Tal erreichen konnten. Die protheanischen Ruinen am anderen Ende der tieferen Ebene wurden von mehreren großen, schwarzen Vögeln umkreist. Ellen fragte sich, ob das ein böses Omen war, doch von den anderen schien es niemand bemerkt zu haben. Irgendwo unter ihnen gab ein Tier ein lautstarkes brüllen vor sich, dass sie alle zusammenzucken ließ. „Was war DAS?“, fragte Dazzer entsetzt und lehnte sich leicht über den Abgrund, um direkt vor sich nach unten sehen zu können. „Ich weiß es nicht“ erwiderte Thrall und grinste. „Aber wenn wir es finden, möchte ich es töten.“ Katlyn warf Ellen einen Blick zu, der wohl so viel sagen sollte wie 'Typisch Kroganer'. DuBois klatschte in seine Hände. „Also dann, wir sollten die Ruinen erreichen, bevor wir am Ende kein Tageslicht mehr haben. Dazzer, hast du unsere Ausrüstung dabei?“ Der Schiffsmechaniker wackelte mit dem großen Sack, den er auf dem Rücken trug. Ellen vermutete darin Taschenlampen und andere Utensilien, die ihnen in den Ruinen nützlich sein würden. Ihr Kapitän nickte zufrieden und marschierte nach rechts, alle anderen folgten ihm. Sie bewegten sich nie weit vom Abgrund entfernt, und der Boden unter ihnen senkte sich rasch, weshalb sie bald auf einer Höhe mit den Baumwipfeln waren. Schließlich, als sie nur noch zwei Meter Höhe vom Tal trennten, ließ DuBois sie nacheinander herunterspringen. Ellen kam als vorletzte unten an und wandte sich nach oben, wo Katlyn noch stand. „Kommst du, Kat?“, rief Tyra ihr zu. Doch Katlyn schien sich zu sträuben. „Ich habe Höhenangst“, sagte sie mit einem zerknirschten Blick und tapste unruhig auf der Stelle. Es war einen Moment ruhig, dann brachen Dazzer, Thrall und DuBois in schallendes Gelächter aus. Der Kroganer gröhlte: „Sonst hast du immer eine große Klappe. Dir fehlen zwei paar Eier!“ Dazzer lachte noch lauter, und Tyra verpasste ihn einen Klapps gegen den Kopf. „Das ist nicht witzig“, fauchte sie. Ellen trat dichter an die Felswand heran und reichte eine Hand nach oben. „Schau mal. Wenn du dich an die Kante setzt, kannst du meine Hand nehmen. Und dann lässt du dich einfach fallen.“ Katlyn setzte sich auf den Boden und rutschte langsam an die Felskante heran. „Das sagst du so einfach“, grummelte sie, als sie mit ihren schweißnassen Fingern nach Ellens griff. Dann kniff sie die Augen zusammen und ließ sich nach unten gleiten, wo Ellen ihre Landung ein wenig abfederte. Die Männer in ihrer Gruppe klatschten Beifall. „Hör nicht auf die Idioten“, sagte Tyra, als sie Katlyns Schulter tätschelte. „Wir haben alle unsere Schwächen.“ „Wollen wir zur Feier des Tages einen Shanty singen?“, fragte Thrall glucksend. „NEIN“, antwortete alle anderen gleichzeitig. Der Kroganer wandte sich kopfschüttelnd und mit einer wegwerfenden Handbewegung von der Gruppe ab und bahnte sich brummend einen Weg durch das dichte Unterholz. Katlyn, die sich schnell wieder gefasst hatte, brach beim Anblick des schmollenden Thralls in schallendes Gelächter aus, womit sie alle anderen ansteckte. Johlend folgten sie der Schneise, die der Kroganer ihnen mühelos freimachte, bis DuBois sie anwies, sich wieder zu beruhigen, um keine ungewollte Aufmerksamkeit auf sie zu lenken. Bei Anbruch der Nacht erreichten sie endlich die Ausläufer der protheanischen Ruine. Die hohen Säulen, die dort einst gestanden hatten, mussten imposant gewesen sein, aber die meisten lagen nur noch weit verteilt in Trümmern am Rande der Felswand. Ihre Sockel markierten noch den Zugang ins Innere der Ruinen, der durch ein großes, metallenes Tor versperrt wurde. Dazzer trat als erster heran und klopfte dagegen. „Massiv“, sagte er mehr zu sich selbst als zu der Expeditionsgruppe. „Da werden wir nicht so leicht hereinkommen.“ „Thrall?“, wandte DuBois sich fragend an den Kroganer, der daraufhin seine Waffe wegsteckte und tastend über die glatte Oberfläche strich. Als er gefunden hatte, wonach er suchte, hielt er inne und wischte Dreck von der Stelle. Die Ränder einer metallenen Abdeckung kamen zum Vorschein. Grinsend wandte Thrall sich an seinen Kapitän und sagte: „Gebt mir zehn Minuten. Das ist nicht die erste protheanische Ruine, in die ich einbreche.“ Nachdem er die Klappe aufgehebelt und eine Schalttafel darunter zum Vorschein gebracht hatte, machte er sich sofort ans Werk und hauchte der Elektronik mit Hilfe eines kleinen, tragbaren Generators wieder Leben ein. Es dauerte tatsächlich keine zehn Minuten, bis er zufrieden von dem Tor zurücktrat und die breiten Flügel langsam auseinander glitten. Es knirschte und knackte, doch nach einigen Rucklern war der Zugang zum Berg schließlich weit offen. Drinnen schien es stockdunkel zu sein, doch nach und nach erwachten Leuchten zum Leben, die auf beiden Seiten des Zugangs in den Boden eingelassen worden waren, und erhellten den langen Weg vor ihnen, der tief in den Berg hinein führte. „Die Anlage hat wohl noch Energie, man musste der nur einen kleinen Schubs geben“, erklärte Thrall fröhlich und DuBois klopfte ihm auf die Schulter. „Gute Arbeit. Dann sehen wir uns mal an, ob die Reise es wert war.“ Gemeinsam betraten sie das innere des Berges, der Kapitän voran. Ihre Schritte hallten laut, denn der Korridor war komplett mit Metallplatten verkleidet worden. „Das hier ist ein bisschen gruselig, findest du nicht?“, raunte Katlyn Ellen zu. Als Ellen ihr daraufhin bloß einen düsteren Blick zuwarf, wurde sie schlagartig ernst, vermutlich weil ihr wieder eingefallen war, was sie in der letzten protheanischen Ruine erlebt hatte. Ellen fühlte sich hier ganz und gar nicht wohl, aber es beruhigte sie ein wenig, keine Spuren der Geth entdeckt zu haben. Vermutlich war sie einfach nur zu paranoid und sie würden hier wirklich auf keine Gefahren treffen. Der Gang führte sie nach kaum hundert Metern in eine riesige Kammer, in deren Mitte die Statue eines Aliens über alles wachte. Es hatte humanoide Züge, doch die großen Augen und die Hornplatte auf dem Kopf ließen es gleichzeitig auch wie ein übergroßes Insekt aussehen. Die Kampfpanzerung und die majestetische Haltung mit erhobenem Kinn und schussbereite Waffen in den Händen deuteten darauf hin, dass es sich hier um das Abbild eines Kriegsführers handeln könnte. „Ist das ein Protheaner?“, fragte Tyra neugierig und trat dicht an die Statue heran, um die kleine Tafel zu betrachten, die am Sockel der Statue befestigt worden war. Thrall lachte. „Wusste gar nicht, dass die wie übergroße Käfer ausgesehen haben.“ „Erinnert ein wenig an die Kakerlaken von der Erde“, erwiderte Dazzer. „Macht jemand ein Foto von mir, wenn ich draufklettere?“ Katlyn meldete sich begeistert. „Aber nur, wenn du von mir auch eins machst!“ „Kinder, wir machen hier keinen Schulausflug“, sagte DuBois scharf, der in der Zwischenzeit den Raum sondiert hatte. Für seinen Kommentar erntete er schmollende Blicke, die er ignorierte. „Machen wir uns an die Arbeit. Aus dieser Kammer führen zwei Gänge, die wir parallel untersuchen sollten, um möglichst schnell voranzukommen. Dazzer, Tyra und Thrall übernehmen den den westlichen, Katlyn, Ellen und ich den östlichen Weg.“ Er zeigte während seiner Erklärung in die jeweiligen Richtungen. „In zwei Stunden treffen wir uns wieder hier und planen unsere nächsten Schritte. Haltet nach allem Ausschau, was wertvoll und noch funktionsfähig sein könnte. Noch Fragen?“ Da alle den Kopf schüttelten, teilten sie die Leuchtstäbe und Taschenlampen aus Dazzers Ausrüstungssack unter sich auf und trennten sich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)