Heroines of War von SarahShepard ================================================================================ Kapitel 50: Liebes Tagebuch --------------------------- Wie fängt man so etwas am besten an? Mit „Liebes Tagebuch...“? (Klingt irgendwie albern) Das hier war Ellens Idee. Sie hat an Bord der Santana ein uraltes Notizbuch gefunden und meinte, ich könne ein Tagebuch führen, wenn mir langweilig wäre. Vielleicht wird es mir sogar dabei helfen, einen Teil meiner verlorenen Erinnerungen zurückzubekommen und die anderen nicht wieder zu vergessen. Ich weiß schon einiges wieder, aber es ist noch so vieles unklar. Warum erinnere ich mich an meinen ersten Kuss, aber nicht daran, wie meine Eltern heißen, oder wo ich überhaupt aufgewachsen bin? Das ist unglaublich frustrierend. Immerhin weiß ich eines inzwischen mit Bestimmtheit: Mein Name ist Katlyn McKinley. 1. Oktober 2183 Etwas habe ich vergessen, zu erwähnen: ELLEN, WENN DU DAS HIER LIEST, BRINGE ICH DICH UM! Nur weil ich mal in deinen Kopf geschaut habe, gibt dir das nicht die Erlaubnis, es mir heimzuzahlen. Die Santana ist ein altes und nicht sehr schnelles Schiff, und die Crew scheint ziemlich eingespielt zu sein, weshalb es für Ellen und mich eigentlich kaum etwas zu tun gibt. Hin und wieder kochen wir mal das Essen helfen bei Reparaturen, aber die meiste Zeit sitzen wir bloß herum, während Kapitän DuBois mit der Pilotin Sam über den Kurs streitet, Dazzer und Tyra sich kabbeln oder alle verzweifelt versuchen, Thrall davon abzuhalten, seine geliebten Shantys zum besten zu geben. Sie zanken sich wirklich den ganzen Tag bis zum Abendessen, wo dann alle trotzdem friedlich beinander sitzen und scherzen. Diese Piraten sind ein komischer Haufen, aber ich mag sie irgendwie. Es war die richtige Entscheidung, Omega mit ihnen zu verlassen. 3. Oktober 2183 Ellen sagt, dass ich schlafwandle. Zumindest verschwinde ich gerne nachts irgendwo hin, ich selbst kann mich nie daran erinnern. Von den anderen hat niemand etwas bemerkt. Was ich wohl in der Zeit so treibe? Heute ist etwas wirklich witziges passiert: Die Energieversorgung des Schiffes fiel spontan aus und wir wären beinahe an Sauerstoffmangel draufgegangen! Eine leise Ahnung sagt mir, dass die Arbeit für Aria tatsächlich ungefährlicher als diese Weltraumodyssee gewesen wäre. Wer hätte das anfangs gedacht? Dazzer hat das Problem jedenfalls rechtzeitig wieder in den Griff bekommen und zur Feier des Tages hat der Kapitän selbst gekocht! Normalerweise übernimmt Thrall das, wenn wir nicht gerade einspringen, und er bemüht sich wirklich, aber … na ja. So gut wie heute Abend habe ich zuletzt bei Mister Chang auf Omega gegessen. Schade, dass wir da nicht nochmal hingehen konnten. 5. Oktober 2183 DuBois hat mir heute die Geschichte erzählt, wie die Santana zu ihrem Namen gekommen ist. Er war vor ein paar Jahren selbst noch Marine in einer Jägerstaffel gewesen und hatte sich dort in Santana Ruiz verliebt, eine Pilotin aus seiner Einheit. Die beiden wollten eigentlich heiraten, doch sie ist bei einer Mission gestorben und DuBois hat daraufhin die Allianz verlassen. Wie genau die Umstände gewesen waren, wollte er nicht verraten, aber seine Vorgesetzten waren wohl nicht ganz unschuldig daran. Jedenfalls war es Santanas Traum gewesen, die Galaxie mit einem eigenen Schiff zu bereisen, und deshalb hat er sich dieses hier gekauft und es nach ihr benannt. Eine furchtbar traurige Geschichte, aber ich finde es schön, dass er so ihr Andenken ehrt. 6. Oktober 2183 Ich habe das Gefühl, das Shampoo, dass ich auf Omega gekauft habe, lässt unsere Haare tatsächlich um einiges schneller nachwachsen. Bei Ellen sieht es wegen ihrer Locken noch ein wenig lächerlich aus, doch sie ist optimistisch, sich bald wieder einen Zopf machen zu können. So gut gelaunt habe ich sie noch nie erlebt, aber ich glaube, es liegt nicht nur an ihren Haaren. Sie blüht langsam auf und lässt sich hin und wieder sogar zu einem Scherz mit oder über die Piraten hinreißen. Als ich in dem Labor in ihren Kopf gesehen habe, um den Kontrollchip auszuschalten, habe ich auch ein paar ihrer Erinnerungen gezeigt bekommen, was sie aber nicht weiß, glaube ich. Jedenfalls erinnert sie mich langsam mehr an die Person, die ich dort gesehen habe, und das ist schön. 10. Oktober 2183 Lange war es bloß ein hartnäckiges Gerücht, aber jetzt bin ich mir sicher: Zwischen dem Kapitän und Sam, unserer Pilotin, läuft etwas. Ich habe Dazzer darauf angesprochen, doch der wollte nicht so recht mit der Sprache herausrücken. Spät abends sehe ich sie öfter zusammen in der Messe sitzen oder in eine Kabine verschwinden. Wenn ich abends sage, meine ich das Abend in Cambridge, UK. Sam kommt von dort und hat es an Bord eingeführt, damit man einen Tagesrhythmus hat. Ellen hat erzählt, dass es bei der Allianz ähnlich gemacht wird. 15. Oktober 2183 Wir konnten endlich die beiden Kerle aufspüren, die vor uns Mitglieder der Piraten waren und sie sowohl um Arias Ware als auch eine Karte gebracht haben. Seit zwei Wochen folgten wir ihrer Spur durch ein paar kleinere Kolonien, und schließlich fanden wir sie in einer Bar am Rande der Traverse. Nachdem DuBois ihnen ein paar Schläge eingeschenkt hatte, gaben sie ihm sogar freiwillig die Karte zurück. Der Kapitän wollte sie danach dann tatsächlich für ihren Verrat an Ort und Stelle erschießen, doch Sam, die Pilotin, konnte ihn beschwichtigen. DuBois plötzliche Härte hat mich jedenfalls sehr … überrascht. Eigentlich dachte ich, er wäre ein feiner Kerl, aber er scheint seine ganz eigene Art zu haben, mit einem Vertrauensbruch umzugehen. Ellen und ich sind uns einig, von nun an ein wenig vorsichtiger im Umgang mit ihm zu sein. 21. Oktober 2183 Heute habe ich Ellen dabei erwischt, wie sie jemandem eine Nachricht schicken wollte. Keine Ahnung, an wen die gehen sollte, ich konnte nur „Es geht mir gut“ lesen, bevor sie mich bemerkte und das Datenpad zur Seite legte. Hin und wieder erwähnt sie jemanden von ihrer Familie oder ihren Freunden, aber bisher hat sie nie Kontakt zu ihnen aufgenommen, glaube ich. Sie machen sich alle bestimmt unglaubliche Sorgen. Ich habe Ellen gefragt, ob sie nach Hause möchte, doch sie hat mir keine eindeutige Antwort darauf gegeben. Es wird langsam Zeit für sie, denke ich. Aber was werde ich dann machen? An Bord der Santana bleiben oder … ? Oder ich suche mein Zuhause. Ich glaube nicht, dass es bei der Allianz einen Platz für mich gibt, es sei denn, ich war vielleicht wirklich ein Marine. Wer weiß. 29. Oktober 2183 Wir haben heute beim Essen darüber gesprochen, was wir alle mit dem Geld machen wollen. Jeder hat eigene Ziele, und es scheint, als würde sich die Crew hier nach auflösen, oder zumindest für eine Weile zur Ruhe setzen. Thrall möchte irgendwo eine kleine Bar aufmachen, Tyra will zurück in ihre Kolonie und ihre Familie unterstützen, Dazzer plant, sich ein Schiff zu kaufen und damit an irgendwelchen Rennen teilzunehmen. Aber das, was Sam daraufhin gesagt hat, hat uns alle umgehauen: Sie will sich ein Haus auf der Erde kaufen und dort ihr Kind großziehen. DuBois und ihr Kind! Abgesehen von ihm hatte es sonst niemand gewusst, und er scheint auch nicht sehr glücklich darüber zu sein. Aber Sam wird sich nicht davon abbringen lassen, sie ist eine Frau mit einem starken Willen. 31. Oktober 2183 Die Stimmung an Bord ist allmählich ein bisschen gereizt. Wir pendeln nun seit zwei Wochen zwischen verschiedenen Systemen umher auf der Suche nach den Ruinen. DuBois Karte scheint nicht sehr genau zu sein. Proviant haben wir noch für höchstens 15 Tage, danach müssen wir uns etwas einfallen lassen, weil anscheinend kein Geld vorhanden ist, um Essen und Wasser kaufen zu können. Ich frage mich ernsthaft, wie die Crew bisher überlebt hat. 2. November 2183 Ich habe letzte Nacht zum ersten Mal seit längerem von der Forschungseinrichtung geträumt. Eigentlich wollte ich mit Ellen darüber reden, aber vielleicht ist das doch keine so gute Idee. Am Ende könnte sie möglicherweise hinterfragen, wie unsere Flucht so gut gelingen konnte. Ich habe ihr nie gesagt, dass es Vicerus war, der uns geholfen hat, aus Angst, sie würde mir dann nicht mehr vertrauen. Es brennt mir auf der Seele, doch ich kann es ihr nicht erzählen. Vicerus wollte ursprünglich Lanya bei der Flucht helfen und hat ihr deshalb einen Weg nach draußen verraten. Sie hatte als Trainerin für meine Versuchsgruppe gute Arbeit geleistet, obwohl sie nicht freiwillig in der Basis gewesen war. Der Doktor wollte ihr dafür die Freiheit schenken, bevor Cerberus sie einfach ausschalten konnte. Als sie aber beschloss, Ellen zu helfen anstatt selbst zu gehen, war Vicerus überrascht, aber respektierte es. Stattdessen verlegte er seine Bemühungen auf Ellen und mich und erklärte mir, wie ich sie von der Kontrolle durch Cerberus befreien könnte. Er war es, der dafür sorgte, dass meine Kräfte nicht deaktiviert waren, als ich zu meiner Hinrichtung gebracht worden war, und er war es auch, der für genug Ablenkung an anderen Stellen gesorgt hatte. Auch wenn das jetzt verrückt klingen mag, ich glaube, er ist eigentlich kein so übler Mensch. Sein einziger Wunsch ist es, seine todkranke Frau zu heilen, auch wenn er über Leichen gehen muss, um an finanzielle Mittel und Ausrüstung zu kommen. Der Weg, den er eingeschlagen hat, ist völlig falsch, aber ich finde seine Motive beinahe … nachvollziehbar. 8. November 2183 Wir haben die Ruine gefunden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)