Heroines of War von SarahShepard ================================================================================ Kapitel 46: Kapitän DuBois -------------------------- Am nächsten Tag schlenderten Ellen und Katlyn durch die Straßen des Schwarzmarktes. Obwohl der Name vermuten lassen könnte, dass es sich hierbei um einen verruchten, schwer zugänglichen Ort handelte, wirkte es teilweise eher wie ein Wochenmarkt. Die Händler standen lautstark verhandelnd oder werbend bei ihren Auslagen, die mit Sicherheit nicht alle legal waren. Neben Schiffsteilen, KampfPanzerung und allerlei Waffen gab es auch diverse Läden, die Aufputschmittel oder sogar Operationen anboten. Katlyn spielte gerade mit einem Varrenwelpen, die von einem grummeligen Kroganer angeboten wurden, während Ellen am Stand daneben zwei der drei Waffen begutachten ließ, die sie den Söldnern abgenommen hatte. Nachdem sie beschlossen hatte, die Schrotflinte zu behalten, war sie mit Katlyn darüber übereingekommen, die Übrigen zu verkaufen, um ihre Kasse noch ein wenig aufzustocken. „Für die Pistole kann ich Ihnen 1000 Credits anbieten“, sagte der geschäftige Salarianer. Ellen stimmte dem Preis nickend zu. Sie hatte keine Ahnung, was die Waffe wert war und war einfach nur froh darüber, sie loszuwerden. Der Salarianer begutachtete als nächstes das Sturmgewehr, doch er legte es nach einem kurzen Blick sofort wieder auf den Tisch. Seine Augen wurden noch größer, als sie es bei Salarianern ohnehin schon waren. „Ich kenne diese Waffe. Es war eine Sonderanfertigung für Anto. Wie auch immer Sie an das Gewehr gekommen sind, ich werde es nicht abkaufen, genauso wenig wie irgendein anderer Händler hier. Niemand will es riskieren, es sich mit Arias Leuten zu verscherzen.“ Finster dreinblickend nahm Ellen die Waffe wieder vom Tisch und trat vom Stand zurück. „Komm Kat, wir sind hier fertig.“ „Oh, okay“, sagte Katlyn und folgte Ellen durch die Straßen. „Hast du eine Idee, wie wir dieses Teil am besten loswerden könnten?“, fragte Ellen und fuchtelte genervt mit dem Gewehr herum. Ohne etwas zu antworten nahm Katlyn die Waffe, marschierte zu einem Müllcontainer und warf sie mit einer flüssigen Bewegung hinein. Mit einem zufriedenen Grinsen kam sie zu Ellen zurück und rieb sich die Hände. „So, und was machen wir jetzt?“ Wenige Stunden später kehrten sie zu ihrer Wohnung zurück und aßen wie üblich im Wohnzimmer. Über dem eingeschalteten Fernsehbildschirm flackerte gerade die Wiederholung irgendeines furchtbaren Teils der Blasto-Reihe, doch zumindest Katlyn schien der Film mit dem hölzernen Elcor in der Hauptrolle zu gefallen, denn sie folgte der Handlung gebannt und vergaß dabei beinahe ihr Essen. Ein kurzes, aber eindringliches Summen ertönte vom Flur her. „Was war das denn?“, fragte Ellen überrascht. „Die Türklingel“, erwiderte Katlyn, ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen. „Aber wer sollte denn bei uns klingeln?“ „Das erfahren wir wohl erst, wenn du an die Tür gehst.“ Stöhnend erhob Ellen sich und ging zunächst lustlos, dann aber doch mit einer gewissen Neugierde in den Flur. Sie schaltete den Monitor neben der Haustür ein, der ihr das Bild von der Kamera auf dem Flur zeigte. Den jungen Mann, der dort stand, erkannte sie sofort. Genervt rollte sie mit den Augen, machte aber die Tür auf. „Ich habe doch gestern gesagt, dass du uns in Ruhe- ... Was zur Hölle?!“, keuchte sie, als sie die Tür öffnete. Als sie in den Hausflur blickte, entdeckte sie dort noch zwei weitere Gestalten, die wohl im toten Winkel der Kamera gelauert hatten. Ellen musterte die misstrauisch und fragte: „Was wird das hier?“ Sie hatte dem Typen doch gestern bloß geholfen, nichts weiter. Warum musste er sie dann auch noch bis nach Hause verfolgen? Ein großer, hagerer Mann in den Dreißigern trat auf sie zu und hielt ihr seine rechte Hand hin. „Mein Name ist James DuBois“, sagte er mit einem breiten Lächeln. Er hatte rötlich blonde Haare und eine Narbe war dicht neben seinem rechten, grünen Auge. Seine dunkle Kleidung war löchrig und an manchen Stellen schlecht genäht worden, was wohl andeutete, dass dieser Mann sich nicht in den feineren Gegenden der Galaxie herumtrieb. Ellen schnaubte innerlich. Natürlich nicht, sie befanden sich hier auf Omega, dem übelsten Loch weit und breit. „Die charmante Dame hinter mir heißt Tyra-“, sprach er weiter, wurde jedoch unterbrochen. „Halt die Klappe, Jim!“ „Und Dazzer kennst du ja bereits“, fuhr er fort, ohne sich beirren zu lassen. „Wäre nett, wenn du langsam meine Hand schütteln würdest, sonst wird es noch peinlich, ...?“ „Ellen“, erwiderte sie immer noch argwönisch und schlug immer nicht ein. Der Mann ließ seine Hand wieder sinken. „Nun, dann nicht. Ich würde dir und deiner Freundin gerne ein Angebot unterbreiten, dürften wir vielleicht reinkommen? Solche Dinge bespricht man besser nicht zwischen Tür und Angel. Auf Omega weiß man nie, wer einem gerade noch zuhört.“ Während Ellen noch darüber nachdachte, ob sie nicht einfach die Tür verriegeln sollte, kam Katlyn aus dem Wohnzimmer. Sie schien alles mitbekommen zu haben, denn sie sagte: „Hören wir uns wenigstens mal an, was sie wollen. Danach kannst du sie ja wieder vor die Tür setzen.“ Ellen sah sie einen Moment lang grimmig an, weil sie das Gefühl hatte, dass Katlyn ihr gerade in den Rücken gefallen war, doch diese hielt dem Blick stand. Schließlich trat sie widerwillig zur Seite und ließ die drei Personen ein. Sie gingen alle ins Wohnzimmer, wo sich die drei Fremden auf das Sofa quetschten, während Ellen und Katlyn sich ihnen gegenüber auf der anderen Seite des Tisches aufbauten. Dazzer grinste sie breit an, doch sein Lächeln verschwand, als er Ellens vernichtenden Blick bemerkte. Ihr gefiel das alles ganz und gar nicht. Sie wollte sich einfach nur in Ruhe von den vergangenen Ereignissen erholen, war das etwa zu viel verlangt? Nachdem sie alle einen Moment lang geschwiegen hatten, sagte Katlyn fröhlich: „Wir können euch leider nichts anbieten, weil wir noch nicht richtig einkaufen waren. Ich bin Katlyn, aber Kat reicht auch.“ Die Frau, Tyra, musterte sie abschätzig aus ihren großen, braunen Augen. „Die sehen für mich nicht so aus, als hätten sie viel auf dem Kasten“, sagte sie mit schneidender Stimme und verschränkte ihre Arme. Ellen bemerkte einen Stern, der auf ihren rechten Oberarm tätowiert worden war. Tyra strich sich eine dunkelbraune Locke aus ihrem ovalen Gesicht und stöhnte genervt. „Das hier ist doch bloß Zeitverschwendung.“ „Nein,glaub mir, mit den beiden wird sich keiner anlegen wollen“, eiferte Dazzer. „Da hat er recht!“, sagte Katlyn zustimmend. „Dann zeigt doch mal was“, forderte Tyra. DuBois schlug mit der Hand auf den Tisch. „Genug! Eins nach dem anderen. Erstmal sollten wir ihnen sagen, was wir überhaupt von ihnen wollen.“ Ellen verschränkte die arme vor ihrer Brust. „Wir sind ganz Ohr.“ „Also, wie ja bereits gesagt, mein Name ist James DuBois, ich bin der Kapitän der Santana. Sie ist ein kleineres und schon etwas älteres Schiff, doch sie bringt uns immer noch zuverlässig überall hin.“ „Das ist eher eine Schrottlaube, wenn du mich fragst“, spottete Tyra. Dazzer warf ihr einen bösen Blick zu. „DICH fragt aber niemand! Manche bemühen sich, das beste aus der 'Schrottlaube' herauszuholen, Frau!“ Der Kapitän ignorierte die beiden und fuhr fort. „Wir verdienen unseren Lebensunterhalt meist durch Kopfgelder und kleinere Schmugglereien. Nichts allzu Illegales, keine Sorge. Für unsere nächste Mission würden wir gerne noch zwei Personen für unsere Crew anheuern. Zurzeit sind wir zu fünft, neben uns dreien sind da noch die junge Sam und Thrall, ein Kroganer.“ „Ist das der mit den Shantys?“, fragte Katlyn lachend. DuBois schmunzelte. „Ah, ihr habt euch schon getroffen. Ja, das ist der gute Thrall.“ „Warum seid ihr nur so wenige?“, fragte Ellen argwöhnisch. Ihre drei Gäste warfen sich beunruhigte Blicke zu. Dazzer ergriff schließlich das Wort. „Für unseren letzte Einsatz hatte uns jemand von Aria T'Loaks Leuten angeheuert. Wir sollten … Waren für sie abholen. Leider haben sich zwei aus unserer Crew mit den Sachen aus dem Staub gemacht und sie inzwischen wahrscheinlich verkauft. Aria ist stinkwütend deswegen und verlangt eine große Summe Geld von uns, die wir nicht so leicht stemmen können. Deshalb hatten mich ihre Handlanger auch gestern in der Gasse bedrängt.“ „Wir hätten euch beide jedenfalls gerne an Bord, um unsere Kampfkraft wieder aufzustocken. Dazzer hat gesagt, dass Katlyn eine ausgezeichnete Schützen ist, und du, Ellen, eine starke Biotikerin. Glaubst du, du könntest es uns kurz zeigen? Der gute Dazzer übertreibt gerne mal oder bildet sich Sachen ein“, fuhr DuBois fort. Ellen sah ihn zweifelnd an. Sie hatte nicht einmal ansatzweise angedeutet, dass sie Lust hatte, sich seiner Truppe anzuschließen, und wusste auch noch nicht, was genau das nächste Ziel der Santana war. Und nun bat man sie schon darum, ihre Kräfte zu offenbaren? Ihr missfiel das alles sehr. Katlyn hingegen schien total begeistert zu sein. „Komm schon, Ellen“, sagte sie und sah sie erwartungsvoll an. „Nur ein bisschen.“ Ellen stöhnte genervt und hatte ihre Arme immer noch verschränkt, aktivierte aber ihre Biotik. Sie benutzte keine Technik, sondern erschuf einfach nur eine leuchtende, eng an ihrem Körper anliegende Barriere, die sie nach wenigen Sekunden wieder auflöste. „Zufrieden?“, fragte sie DuBois und legte dabei all ihren Unmut in ihre Stimme. Der Kapitän klatschte aufgeregt in die Hände. „Das ist ja genial! Wenn ihr keine anderen Verpflichtungen habt, möchten wir euch beiden unbedingt an Bord haben!“ Ellen sah die Aufregung in Katlyns Augen , doch bevor diese irgendetwas sagen konnte, wofür Ellen sie später würde umbringen müssen, ergriff sie hastig das Wort. „Ihr kommt einfach so zu unserer Wohnung und hofft, dass wir den ganzen Tag lang nichts zu tun haben und euch deshalb gerne sonst wo hin begleiten, und dabei dann wahrscheinlich auch noch unsere Leben riskieren? Kommt euch das nicht selbst ein bisschen schwach vor? Was hätten wir überhaupt davon, mit euch zu kommen? Und was ist euer nächstes Ziel?“ „Wir wollen uns erstmal auf die Jagd nach unseren beiden abtrünnigen Mitgliedern machen, denn sie haben noch etwas sehr wichtiges, das uns gehört“, erklärte DuBois. „Es ist eine Galaxiekarte, die zu einer Art Schatz führt.“ Katlyns Augen glitzerten. „Ein Schatz?“ „Ja, etwas, das uns leicht genug Geld einbringen wird, um Aria zu bezahlen. Natürlich würdet ihr auch einen Teil davon abbekommen.“ „Wohin genau führt diese Karte? Was werden wir finden?“, fragte Ellen. Tyra rollte genervt mit den Augen. „Man, Kleine, jetzt hör doch mal mit der lästigen Fragerei auf. Musst du denn wirklich alles sofort wissen?“ „Genau, El, wo bleibt dein Abenteuergeist?“, fragte sie Katlyn von der Seite. Ellen sah sie völlig verdattert an, weil sie auf ein bisschen mehr Unterstützung von ihr gehofft hatte. DuBois hob beschwichtigend seine Hände. „Genug. Sie pflegt nur ihr gesundes Misstrauen, und solche Menschen sind mir lieber als jene, die mir blind folgen. Man darf durchaus mal seinen Kopf benutzen und ein bisschen kritischer denken, das kann nicht schaden.“ „Meinst du etwa mich damit?“, fragte Dazzer ihn perplex. „Mich ganz bestimmt nicht“, frotzelte Tyra. Der Kapitän schüttelte seinen Kopf. „Ist doch ganz egal. Die Karte führt zu einer protheanischen Ruine, die wohl noch von keinem Wissenschaftler auseinandergenommen worden ist. Wir werden dort also noch einige Artefakte abstauben können, und die werden uns einiges auf dem Schwarzmarkt einbringen.“ Seine Worte trafen Ellen wie ein Schlag ins Gesicht. Eine protheanische Ruine? Das konnte doch nur ein schlechter Scherz sein. „Raus hier“, krächzte sie mit heiserer Stimme. Ihre Hände begannen zu zittern, als ihre Gedanken sie zu ihrer letzten Nacht auf Galatea zurückführten. Die Geth waren nur wegen der protheanischen Artefakte gekommen und hatten deshalb die ganze Kolonie ausgelöscht. Und Ellen war nicht einmal stark genug gewesen, um Alex zu retten. Vor ihrem geistigen Auge sah sie wieder, wie ihre beste Freundin sich damals langsam in einen Husk verwandelt hatte, während Ellen selbst regungslos im Schlamm gelegen hatte. Eine Träne kullerte langsam über ihre Wange. „El? Was ist los?“, fragte Katlyn überrascht und streckte eine Hand nach ihr aus, doch Ellen zuckte zurück. „Wir werden keinen Fuß auf einen Planeten mit einer protheanischen Ruine setzen, Alex!“, erwiderte sie bloß. Erst als sie Katlyns verwirrten Blick sah, realisierte sie, was sie gerade gesagt hatte. „Verschwindet von hier“, knurrte sie bedrohlich und starrte auf den Boden. Sie hörte, wie die drei Freibeuter aufstanden. „Falls ihr es euch noch anders überlegen solltet-“, setzte DuBois an, doch Ellen unterbrach ihn. „HAUT AB!“, schrie sie. Ihre Biotik aktivierte sich ohne ihr Zutun, und als sie nur mit einem Fingerzeig auf die Haustür ihre Worte unterstreichen wollte, warf sie ungewollt den Wohnzimmertisch gegen die Wand neben der Tür. Es gab ein lautes Poltern, dann war es schlagartig völlig still im Raum, wenn man von Ellens schnaubender Atmung absah. Sie starrte immer noch auf den Boden und rang darum, nicht völlig die Fassung zu verlieren. Katlyn legte ihr vorsichtig eine Hand auf die Schulter. „El ...“, sagte sie besorgt. „Ihr habt sie gehört. Kommt, lasst uns gehen“, sagte DuBois, der es sich nicht anmerken ließ, wenn er angespannt oder schockiert sein sollte. Ellen hörte, wie sie das Wohnzimmer verließen, doch der Kapitän rief ihnen noch was vom Flur aus zu. „Falls ihr es euch noch anders überlegen solltet, wir sind noch zwei Tage hier. Ihr findet uns im „Krogan's Pit.“ Dann verließen sie das Appartement, und Ellen merkte, wie ihre Wut ein wenig verflog. Allerdings bekam sie weiche Knie, und sie sank auf den Boden. Tränen liefen über ihre Wange, und sie bemühte sich gar nicht erst, sie zurückzuhalten.Anstatt etwas zu sagen, hockte Katlyn sich neben sie und umarmte sie fest von der Seite, bis Ellen sich wieder beruhigt hatte. „Kat“, sagte sie dann schließlich, „ich ...“ „Schon gut, du musst nicht darüber reden.“ Doch Ellen schüttelte den Kopf. „Doch, ich will es dir erklären.“ Und dann begann sie, von ihrer letzten Nacht auf Galatea zu erzählen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)