Walk on the Edge von ChogaRamirez (Arkham City) ================================================================================ Kapitel 10: Die Katze auf dem heißen Blechdach ---------------------------------------------- Eigentlich war es gegen Selinas Prinzipien, sich blind auf die Pläne anderer Leute zu verlassen. Schon gar nicht, wenn sie diesen Personen nur so weit traute, wie sie eine Waschmaschine werfen konnte. Uneigentlich tat sie genau das. Sie verließ sich blind auf einen Plan, den Edward Nigma alias der Riddler ausgearbeitet hatte, ohne dass sie jedes Detail davon kannte, da der »Meister der Rätsel« es nicht für nötig gehalten hatte, sie darin einzuweihen. Das Wenige, was sie wusste, hatte sie von Poison Ivy erfahren, die sie für diese Aktion mehr oder weniger angeworben hatte. Der Pinguin hatte Harley Quinn gekidnappt und der Riddler hatte sich in den Kopf gesetzt, dem Joker dabei zu helfen, Harley aus dem Naturkundemuseum zu befreien. Deswegen hatte er Ivy schon in seinen Plan eingesponnen. Warum ausgerechnet der Riddler und der Joker zusammenarbeiteten, wussten wohl nur die Beiden. Für Selina stand auf jeden Fall zweifelsfrei fest, dass die Beiden irgendeinen Deal gemacht hatten, denn sonst waren sich die beiden Männer spinnefeind und wollten nicht einmal im selben Raum miteinander sein, wenn es sich nicht vermieden ließ. Wenn sie es doch einmal waren, was nur alle Jubeljahre mal vorkam, warfen sie sich liebreizende Nettigkeiten um die Ohren, bevor sie sich versuchten, gegenseitig an die Gurgel zu gehen. Was bei dieser Aktion für Ivy heraus sprang, wollte Selina gar nicht erst wissen. Es hatte unter Garantie irgendwas mit Pflanzen zu tun. Vielleicht hatte Eddie sie auch irgendwie um den kleinen Finger gewickelt und ihr Einen vom Pferd erzählt. Sobald es um das geliebte Grünzeug der Rothaarigen ging, blendete sie alles Andere um sich herum aus und der Riddler war Experte darin, Anderen die eigenen Worte im Mund herum zu drehen und sie so geschickt zu manipulieren, das die Opfer es nicht einmal merkten. Zum wiederholten Male fragte sich Selina Kyle, die sich in ihrem hautengen Catsuit an einer dreckigen Straßenecke inmitten von »Arkham City« total fehl am Platze fühlte, was sie eigentlich hier tat. Sie hatte mit Cobblepot keine Rechnung offen und auch sonst keine größeren Probleme. Er ließ sie in Ruhe und sie ihn. Fertig. Selina hatte zwar schon mehrere Male daran gedacht, sich das Naturkundemuseum näher von innen anzusehen, da der Pinguin ein bekennender Sammler war, aber da sie sich nicht in den Machtkampf von Cobblepot, Dent und dem Joker einmischen wollte, hatte sie bisher darauf verzichtet und die Füße still gehalten. Auf der Straße erzählte man sich, dass der Pinguin Unmengen von Waffen, Munition und allen möglichen wertvollen Kram hortete. Wofür er dieses Arsenal brauchte, gingen die Meinungen der Spekulanten teilweise sehr weit auseinander. Das machte einen Besuch im Museum sehr reizvoll für Selina. Da sie aber schon genug mit Two-Face zu tun hatte, der ihr permanent auf den Fersen war, weil ihr Appartement ausgerechnet in seinem Viertel lag, hatte sie bisher nicht die Zeit gehabt, sich näher mit dem Pinguin zu beschäftigen. Als Edward davon schlenderte und sehr selbstsicher wirkte, wie er die Stufen hochstieg, die zum Haupteingang des Museums führten, war Selina einen Moment lang versucht, einfach zu verschwinden. Trotz der gemeinsamen Zeit bei den »Gotham City Sirens« war sie nicht so eng mit Harley befreundet, dass sie mit dem Joker gemeinsame Sache machte und ihm half, der König von »Arkham City« zu werden. Andererseits konnte sie Harley auch nicht einfach so ihrem Schicksal überlassen. Dafür hatten sie schon zu viel zusammen erlebt. "Selina?" Catwoman zuckte kaum sichtbar zusammen, als sie von Ivys geflüsterten Worten aus ihren Gedanken gerissen wurde. Sie drehte sich langsam um und sah die rothaarige Ökoterroristin ein wenig fragend um. "Bist du soweit? Du bist gleich dran." Selinas Blick wanderte wieder zum Haupteingang des Museums, wo der Riddler gerade angekommen war. Dann sah sie wieder zu Ivy und nickte bestätigend. Sie hatte sich entschieden und würde es durchziehen. Es war einfach zu verlockend, halbwegs ungestört in Cobblepots Territorium herumzuschnüffeln. Wer wusste denn schon, was der verrückte, größenwahnsinnige Vogel Alles versteckte. Und vor allem worauf er sich vorbereitete. Catwoman beobachtete weiterhin den Haupteingang und ging in Gedanken durch, wie sie am schnellsten und effektivsten auf das hohe Dach kam. Es gab jede Menge Wasserspeier und Vorsprünge, die es ihr eigentlich einfach machen sollten, nach oben zu kommen. Im selben Moment, als der Riddler die große Tür öffnete, gab Ivy das Startzeichen. Augenblicklich setzte sich auch Selina in Bewegung. Schnell und lautlos wie eine Katze bewegte sie sich im Schatten der Gebäude und huschte dann ungesehen über die Straße. Mit Hilfe ihrer langen Peitsche, die sie gekonnt schwang, schaffte sie es in Windeseile, das Dach zu erklimmen. Mit geübtem Blick verschaffte sie sich einen Überblick und stellte erleichtert fest, dass es ein Kinderspiel werden würde, eines der Oberlichter zu öffnen. Bevor Selina ihr Vorhaben in die Tat umsetzte, warf sie einen kurzen Blick in die Richtung, aus der sie gekommen war. An der Straßenecke, wo sich das alte Hutgeschäft von Jervis Tetch befand, waren weder Ivy, der Joker oder einer seiner Männer zu sehen. Mit einem Kopfschütteln und einem verhaltenen Schmunzeln musste sie notgedrungen feststellen, dass Eddie wirklich einen sehr guten Ausgangspunkt gefunden hatte. Ob der Pinguin überhaupt wusste, dass er da einen toten Winkel direkt vor der überlangen Nase hatte? Auch wenn sie Poison Ivy nicht sehen konnte, ahnte sie, dass die Pflanzenlady sie sehen konnte. Deshalb nickte sie auch kurz in Richtung der Straßenecke, ehe sie sich um das Oberlicht kümmerte. Das kleinere Oberlicht im vorderen Teil des Daches war ihr Ansatzpunkt. Es hatte die Form eines Daches wie es auch gerne in Gewächshäusern verwendet wurde. Auf beiden Seiten der gläsernen Konstruktion waren Fenster eingelassen. Zwar stand keines der Fenster offen, aber mit ein paar gekonnten Griffen verschaffte sich Selina Zutritt und war innerhalb wenigen Sekunden im obersten Stockwerk des Naturkundemuseums. Kurz blickte sie sich um. Das Dachgeschoss bestand aus mehreren Räumen, die sich an den Seiten befanden. Mittig, direkt unter dem Oberlicht, war ein Gang, der auf der einen Seite zum Büro des Leiters führte, wie eine beschrifte Tür vermuten ließ, und auf der anderen Seite zu einer unscheinbaren Tür, die sehr wahrscheinlich im Treppenhaus mündete. Einige Türen der Räume an den Seiten standen offen und beherbergten unter anderem Sanitär- und Ruheräume, die allem Anschein nach noch benutzt wurden. Also ließen sich Cobblepots Männer ab und zu hier oben blicken. Dass hieß für Catwoman, dass sie schleunigst hier verschwinden sollte. Trotzdem nahm sie sich die Zeit, einen Blick in jeden der Räume zu werfen, denn vielleicht hielt der Pinguin Harley hier oben gefangen. Doch Selinas vage Hoffnung erfüllte sich nicht. Außer Feldbetten, gebackenen Bohnen in Dosen und einigen Pornoheftchen war nichts Interessantes zu entdecken. Leise wie eine Katze huschte sie schließlich zu der unscheinbaren Tür und anschließend die Treppe hinunter, an deren Ende wiederum eine Tür war. Zu ihrer Überraschung war die Tür nicht verschlossen. Vorsichtig öffnete Selina die Tür und fand sich im Eingangsbereich des Museums wieder. Ihr gegenüber war der mit zwei Durchreichefenstern ausgestattete Raum, wo man seine Eintrittskarten kaufen konnte. Rechts befand sie das großes Eingangsportal, welches Selina bisher nur von der anderen Seite kannte. Darauf bedacht, keinen einzigen Laut zu verursachen, schlich Catwoman durch den Gang. Als sie eine männliche Stimme hörte, die ihr unbekannt war, blieb sie abrupt stehen und lauschte angespannt. "Mister Cobblepot hat seine Meinung geändert!", sagte die Stimme und Selina spitzte die Ohren. Es war ganz offensichtlich einer von Cobblepots Männern, der mit Edward redete. "Er erwartet Sie", sprach die Stimme hektisch weiter. Behutsam näherte sie sich dem Raum, aus dem die Stimmen kamen und achtete penibel darauf, dass die Absätze ihrer hohen Stiefel sie nicht verrieten. Sie bewegte sich so vorsichtig, dass nicht einmal der Bewegungssensor des lebensgroßen Tyrannosaurus reagierte. So konnte sie sich ungesehen hinter einem Treppenpfeiler verstecken und beobachten, wie der Riddler mit einem von Cobblepots Handlangers durch den Gang am anderen Ende des Raumes verschwand. Der zweite Mann des Pinguins sah den Beiden nach und Selina nutze diese günstige Gelegenheit sofort, um sich anzuschleichen und den Mann außer Gefecht zu setzen, bevor dieser überhaupt wusste, wie ihm geschah. Catwoman ließ den bewusstlosen Mann einfach dort liegen, wo er zu Boden gesungen war und folgte Edward und seinem Begleiter so schnell und unauffällig wie es ihr möglich war. Da sie aber jede Nische, jede Abzweigung und jeden Winkel in Augenschein nahm, um eventuelle Abwehrmaßnahmen von Cobblepot zu entdecken und auszuschalten, sah sie nur noch, wie die beiden Männer am Ende eines langen Ganges nach rechts abbogen. Schnell folgte Selina und konnte so das Gespräch zwischen dem Pinguin und dem Riddler verfolgen. Und was sie dabei zu hören bekam, gefiel ihr ganz und gar nicht. Eddies Taktik war sicher nicht die Schlechteste, doch wenn sie sich nicht ganz verhört hatte, verfolgte der grüngekleidete Spinner seinen eigenen Plan. Nicht dass Selina das wunderte, doch ganz offensichtlich steckte hinter Edwards Plan zu Harleys Rettung mehr als nur Hilfe für eine gute Freundin. Es war kein Geheimnis, dass sich der Riddler und die Freundin des Jokers – böse Zungen sagten auch gerne Leibeigene – sehr zu dessen Missfallen gut verstanden und ab und zu sogar zusammen gesehen worden waren. Wenn sich Selina in diesem Fall auf ihre weibliche Intuition verlassen sollte, würde sie fast annehmen, dass sich diese ganze Aktion zu einem Machtkampf zwischen dem Joker und dem Riddler entwickelte, dessen Sieg mit der Clownsprinzessin honoriert werden sollte. Durch ihre Gedankengänge ein wenig abgelenkt, wurde sie durch den plötzlich in ihrem Sichtfeld auftauchenden Mann, der den Riddler vorhin begleitet hatte, aus dem Konzept gebracht. Doch dank ihres jahrelangen Trainings konnte sie den verdutzten Mann innerhalb wenigen Augenblicke geräuschlos außer Gefecht setzen. Als sie nur wenige Sekunden danach in die Richtung eilte, aus der ihr Opfer gekommen war, musste sie feststellen, dass der Pinguin und der Riddler verschwunden waren. Die Treppen an beiden Seiten des hohen Raumes waren mit Sicherheitszaun verbarrikadiert und die unteren Durchgänge mit Rolltoren gesichert. Hektisch suchte Selina mit den Augen nach einer Möglichkeit, durch eine der zusätzlich mit Stacheldraht geschützten Türen im Zaun zu kommen. Da ihr aber die Zeit davon rannte, hatte sie nicht die Möglichkeit, die Türen und Tore sorgfältig zu untersuchen. Sie hatte keine Ahnung, wie viel Zeit auf die Sekunde genau inzwischen vergangen war, aber ihre innere Uhr war sich sicher, dass es jeden Moment so weit war, dass Poison Ivy und der Joker das Museum stürmten. Sie hatte keinen Hinweis auf den Verbleib von Harley gefunden und in dem Moment, als das ohrenbetäubende Krachen von massivem Eichenholz die heiligen Hallen erfüllte, schoss ihr nur ein Gedanke durch den Kopf. Wo zum Teufel steckte Edward?! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)