Bubble and Squeak von Nifen ================================================================================ Kapitel 3: III. --------------- Es sollten zwei Monate vergehen, ehe beide Seiten erkannten, dass die kopflose Hauselfe erst der Beginn einer ganzen Serie von Mordfällen war. Grund für das Nichterkennen war die Tatsache, dass sich die Zuständigkeit der Polizei von London auf die Stadt selbst beschränkte. Abgesehen davon, dass keine Polizeidienststelle in der Öffentlichkeit gerne über Mordfälle sprach, deren Umstände mehr als mysteriös waren. Wie etwa die Tatsache, dass die Leiche grün und der Kopf unauffindbar war. Dieser Umstand traf auch auf die Londoner Polizei zu und so ahnte man in Buckinghamshire, Surrey, Essex und Kent nichts davon, dass es in London bereits Anfang März einen ähnlich gelagerten Fall gegeben hatte. Und da keine der anderen Polizeidienststellen über einen Zauberer in den eigenen Reihen verfügte, der, durch die grüne Farbe misstrauisch geworden, vielleicht einen Fluchscan durchgeführt hätte, wusste man auch im Ministerium für Zauberei nichts über die weiteren Leichen. Was besagtes Ministerium betraf, so hatten Blaise Zabinis Ausreden besser gewirkt als er es sich hätte träumen lassen, auch wenn er selbst noch immer keinen Schritt weiter war, was eine Entscheidung darüber betraf, was er mit dem Wissen, dass Harry Potter bei der Londoner Muggelpolizei war, anfangen sollte. Dann aber fand man erneut eine kopflose, grüne Leiche in London und Detective Henry Porter wurde aufgrund der St. Patricks Day Leiche in den Fall involviert. Wie nicht anders zu erwarten war, führte er einen Fluchscan durch und fluchte dann selbst höchst unflätig, dafür aber immerhin unmagisch, als ihm bewusst wurde, dass er das Ministerium für Zauberei mit einbeziehen musste. Noch aber zögerte er das Unvermeidliche hinaus, denn er wusste, dass wen auch immer das Ministerium als Verbindungsmann schickte ihn höchstwahrscheinlich erkennen und ebenso höchstwahrscheinlich nicht die Klappe halten würde. Dann war es vorbei mit der Ruhe. Dann würden die Reporter wieder auf ihn einstürzen, unangenehme Fragen stellen, Mitgefühl heucheln und ihn zurückzerren wollen. Nein danke! Lieber also erst weitere Fakten sammeln. Vielleicht sogar den fehlenden Kopf finden, denn instinktiv ahnte Harry, dass der Kopf ein wichtiges Teil in diesem Puzzle war. Als er dann aber den Kopf fand, wäre es ihm lieber gewesen, das Schicksal hätte ihm dieses Wissen erspart. Wobei die Art, wie er an die Informationen um den Verbleib des Kopfes kam, reichlich skurril waren, und hätte er von dem Gespräch im März zwischen seinen ehemaligen besten Freunden und Blaise in Punkto MIB gewusst, so hätte er sich bestimmt schlapp gelacht. Denn tatsächlich war es ein Bericht in einer der weniger niveauvollen Tageszeitungen, die den Stein ins Rollen brachte. „Na wunderbar“, stöhnte Dudley, der nach dem gemeinsamen Abendessen die Zeitung studierte. „Was ist?“, fragte Harry, der mit dem Laptop am Küchentisch saß und im Internet in den verschiedensten Portalen die verschiedensten Dinge nachschlug, einfach weil er Gefallen an all dem Wissen hatte, das ihm mit diesem Kommunikationsmittel offen stand. Es war eine Art Hobby, das ihm aber auch auf der Arbeit beizeiten von Nutzen war, etwa wie damals mit der Hauselfenleiche und seiner Inspiration den Knochenzustand mit Progerie in Verbindung zu bringen. „Sie haben Menschenfleisch in Kohlköpfen gefunden.“ „Wie bitte?“ Irritiert sah Harry seinen Cousin an. „In Wembley ist ein Ehepaar mit Lebensmittelvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert worden. Erster Verdacht bei so was ist ja Salmonellen oder so. Aber der Laborbefund war negativ. Zumal sich im Magen der beiden nur vegetarische Kohlsuppe befunden hatte. Also hat das Labor mit Einverständnis des Ehepaars die Lebensmittel bei dem Paar zu Hause untersucht. Ein halber Kohlkopf war noch übrig. Und laut Laboranalyse bestand der Kohl aus Menschenfleisch. Und das wiederum war irgendwie mutiert oder so, weshalb das Ehepaar davon krank geworden ist“, fasste Dudley den Artikel zusammen, den die Zeitung groß mit ‚Kannibalen wider Willen’ übertitelt hatte. „Klingt reichlich abstrus. War bestimmt ein Laborfehler“, kommentierte Harry nur trocken, der dem Blatt, das Dudley las, ähnlich viel Bedeutung beimaß wie seinerzeit dem Klitterer, ehe er mit Lunas Hilfe dort ein paar echte Artikel platziert hatte. „Egal ob Laborfehler oder nicht, dieser Artikel ist äußerst schlecht fürs Geschäft. Denn immerhin ist eines der Lieblingsfrühstücksgerichte im Laden ‚Bubble and Squeak’, aber mit so einem Artikel wird niemand mehr was mit Kohl essen wollen.“ „Dann wirst du deine Geschmacksknospen anstrengen dürfen, um einen schmackhaften Ersatz für den Kohl zu finden, damit euch die Gäste nicht davon laufen“, erwiderte Harry und nickte seinem Cousin aufmunternd zu. Er hatte diesbezüglich vollstes Vertrauen in Dudleys Kochkünste. Einmal mehr ging Harry durch den Kopf, wie sonderbar das Leben doch sein konnte. Keiner, der sie als Kinder oder Jugendliche gekannt hätte, hätte daran geglaubt, dass Dudley Dursley und Harry Potter je einträglich und freiwillig in einer Wohngemeinschaft leben würden. Doch genau das war geschehen. Harry hatte gerade die Polizeischule beendet und war zu der Erkenntnis gekommen, dass es erheblichen Argwohn erregen würde, wenn er als junger Polizist sich seine nicht ganz kleine Wohnung allein leisten konnte. Nicht bei seinem Einstiegsgehalt und nicht bei den Mieten in London. Wenn er also jegliches Aufsehen vermeiden und als Durchschnittsmuggel gelten wollte, musste er sich einen WG-Kameraden zulegen. Abgesehen davon, dass Harry bereits festgestellt hatte, dass nach so vielen Jahren der Hausgemeinschaft in Hogwarts und der Zeltgemeinschaft im letzten Schuljahr, Alleinleben längst nicht so erfüllend war, wie er es sich bei seinem Ausstieg aus der Zauberwelt erhofft hatte. Das hatte ihm die Zeit in der Polizeischule gezeigt. Also war es vielleicht gar nicht so übel, abends nach Hause zu kommen und einen menschlichen Gesprächspartner in Form eines Mitbewohners zu haben, denn für eine feste Beziehung, bei der der Partner bei ihm einzog, war er noch nicht bereit. Dazu war er vermutlich zu paranoid. Diesem Gedanken folgend, hatte er das Gästezimmer als WG-Zimmer an der Uni inseriert und hatte nicht schlecht gestaunt, als der erste Bewerber für das Zimmer niemand anderer als sein Cousin gewesen war. Dudley gestand, dass er seinen Cousin dabei gesehen hatte, wie dieser das Mitbewohnergesuch am großen Brett ausgehängt hatte und von daher genau wusste, bei wem er sich um ein Zimmer bewarb. Zunächst hatte Harry dem Ganzen äußerst misstrauisch gegenüber gestanden, doch im Laufe des Abends, einer Pizza in der Pizzeria um die Ecke und ein paar Bier dazu, hatte er erkannt, dass sich Dudley in den vergangenen Jahren geändert hatte. Ansätze dazu waren ja bereits während Harrys letztem Aufenthalt im Ligusterweg zu sehen gewesen, und an jenem Abend hatte er einfach beschlossen, es bei der Tatsache zu belassen, dass Dudley wohl endlich erwachsen geworden war. Abgesehen davon hatte sein Cousin mit einem Argument Recht: Mit Dudley als Mitbewohner müsste Harry nicht ständig auf der Hut sein, nicht aus Gewohnheit oder versehentlich zu zaubern. Was Dudleys Geschichte betraf, so hatte sich dessen Leben im letzten Schuljahr in Smeltings an jenem Tag geändert, als sich die verschiedenen Hochschulen vorgestellt hatten. Darunter war auch eine renommierte Schule aus Edinburgh gewesen, an der man Gastronomie und Hotelfach lernen konnte. Diese hatte als Unterhaltung einen Geschmackstest geboten, bei dem es darum ging, möglichst viele Zutaten einer Speise zu erschmecken. Endlich zahlte sich Dudleys Verfressenheit aus. Er erriet alle Zutaten. Von diesem Talent begeistert, hatte ihn einer der Dozenten der Hochschule beschworen, sich bei ihnen für Kochen und Gastronomie einzuschreiben, er würde auch dafür sorgen, dass Dudley ein angemessenes Stipendium erhielte. Und so kam es, dass Dudley sich zum ersten Mal in seinem Leben den Wünschen seines Vaters widersetzte, der ihn als Mitarbeiter bei Grunnings sehen wollte – was die Kantine gewiss nicht einschloss –, und mit der Unterstützung seiner Mutter sich in der Hochschule in Edinburgh einschrieb. Er erhielt auch tatsächlich das versprochene Stipendium und die viele Bewegung, die ein Küchenchef an den Tag legen musste, von der mangelnden Zeit für viel Essen ganz zu schweigen, so wie dem Wunsch nicht ständig Probleme zu haben, vernünftig an den Herd heranzureichen, sorgten dafür dass Dudley an Gewicht verlor, was er an Wissen gewann. Er würde zwar nie so schlank wie Harry werden, aber immerhin war er nach seiner Zeit in Edinburgh nur noch als stämmig zu bezeichnen und nicht mehr als gestrandeter Pottwal. Im Anschluss an seine College-Zeit empfahlen ihm seine Dozenten an der Cordon Bleu Schule in London ein paar weitere Kurse zu belegen, um seine Referenzen zu erweitern. Weshalb also Dudley eine erschwingliche Bleibe in London suchte, denn bei seinen Eltern wollte er nicht wieder einziehen. Abgesehen davon, dass Vernon und Petunia Dursley zu der Zeit mit ihrem eigenen Umzug nach Toronto in Kanada beschäftigt waren, wo Vernon Dursley die Leitung der dortigen Grunnings-Niederlassung übernehmen sollte. Den Kursen am Cordon Bleu folgten zwei Jahre in einem sternedekorierten Restaurant eines ebenfalls Oberklassehotels, dann aber hatte Dudley von den Grabenkriegen, die in diesem Restaurant herrschten, mehr als genug, abgesehen davon, dass ihm die langen Arbeitszeiten nicht gefielen. Denn auch wenn er das Kochen wirklich liebte, so brauchte er doch auch seinen Schlaf und frühmorgens schon um fünf Uhr beim Großmarkt Waren zu begutachten, nur um dann um zehn Uhr abends noch immer in der Küche zu stehen, war nicht sein Ding. Selbst wenn es Pausen und freie Tage gab. Als dann der Bäckergeselle, dessen Bäckerei das Restaurant mit Backwaren belieferte, erzählte, dass er davon träumte, sich selbstständig zu machen, um sein eigenes Café zu eröffnen, hatte Dudley die Gelegenheit erkannt und beim Schopfe gepackt. Gemeinsam mit dem Bäckergesellen hatte er einen kleinen Laden eröffnet, der Frühstück und Mittagessen sowie Kaffee und Kuchen anbot. Und das Beste: Für Dudley war um 15 Uhr Feierabend. Dann war die Küche geschlossen und auch schon geputzt und die restliche Kundschaft musste sich mit den kalten Snacks aus der Auslage begnügen. Es dauerte ein wenig, bis der Laden florierte, aber die Qualität des Essens sprach für sich und nachdem sie die Karte neben so modischen Kreationen wie Kürbisschaumsuppen und ähnlichem auch um ein paar bodenständige, ur-englische Gerichte wie etwa ‚Bubble and Squeak’ zum Frühstück erweitert hatten, schrieb der Laden auch schwarze Zahlen. Das Beste aber: Sowohl Dudley als auch sein Partner Peter gingen in diesem Unternehmen regelrecht auf. Gerade weil ‚Bubble and Squeak’ ein solcher Publikumsmagnet war, konnte Harry Dudleys Sorgen bezüglich der Kundenreaktionen auf den Artikel verstehen. Aber wie kam Menschenfleisch in einen Kohlkopf? Mitten in der Nacht schoss Harry aus dem Schlaf in die Senkrechte und schlug sich vor die Stirn. Die Antwort auf die Frage, die ihn noch beim Einschlafen beschäftigt hatte, lautete: Zauberei! Der Menschenfleischkohlkopf enthielt deswegen Menschenfleisch, weil er kein wirklicher Kohlkopf, sondern ein Menschenkopf war, der lediglich in einen Kohlkopf verwandelt worden war! Das mochte vielleicht sogar die grüne Farbe der Leiche erklären! Am nächsten Morgen war für Harry klar, dass er es nicht länger hinauszögern konnte, das Ministerium zu kontaktieren. Nicht, wenn er erfahren wollte, was das für ein Fluch war, der Menschenköpfe in Kohlköpfe verwandelte. Und wer zu so etwas fähig war. Doch wie den Brief formulieren, um seine Chancen zu erhöhen, einen möglichst fähigen Kontakt im Ministerium zugewiesen zu bekommen? Sicher, er bräuchte sich vermutlich nur als Harry Potter zu offenbaren, und jeder, bis hin zum Minister höchst persönlich, würde ihm seine Hilfe anbieten. Oder man würde ihn für einen Hochstapler halten und ohne Verhandlung nach Azkaban schaffen. Egal, er wollte sich nicht offenbaren, und wenn, höchstens einer Person gegenüber, nämlich besagtem Kontakt. ‚An den Obertrottel der Abteilung zur Aufklärung magischer Verbrechen’ Auf seine fast schon als Markenzeichen zu bezeichnende Anrede konnte er schlecht verzichten. ‚Selbst wenn es Ihrer ach so hoch geschätzten Abteilung entgangen sein sollte, komme ich nicht umhin, Sie darüber zu informieren, dass jene kopflose Hauselfe leider nicht das einzige Opfer des merkwürdigen Köpfungsfluches war. Auch wenn Sie das in Ihrem Arbeitseifer zweifellos gehofft haben. Da der Mörder aber offenkundig nicht gewillt war, Ihren Hoffnungen Folge zu leisten, halte ich es für angebracht, wenn einer Ihrer Mitarbeiter sich die neuste Leiche ansieht. Vorzuziehen wäre ein Mitarbeiter, der die allgemeinen Muggelgepflogenheiten zumindest soweit beherrscht, dass man ihn lediglich als leicht verrückt oder exzentrisch bezeichnen kann, keineswegs aber für untauglich verwirrt hält. Dies würde die Arbeit nur erschweren. Zusätzlich wären Fluchkenntnisse oder allgemein Kenntnisse darüber, wie Zauber aufgebaut sind, hilfreich. Aber das ist reine Option, ich begnüge mich auch mit dem Muggelkundigen, der die Erkenntnisse dann an den jeweiligen Spezialisten in Ihrem so fachkundigen Haus weitergibt. So Sie also über einen solchen Mitarbeiter verfügen, schlage ich vor, dass selbiger sich um viertel nach zwölf Uhr Mittags bei der Ihnen bereits bekannten Pathologie einfindet und dort nach Dr. Tamara Donaldson fragt. Ich werden den Besuch entsprechend ankündigen. Mit dem üblichen Mangel an Respekt verbleibe ich wenig hochachtungsvoll, Ihr Frühstückverderber.’ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)