Mission: Liets Imagewandel von Niekas (Feliks' Top 10 der Erklärungen, wo Toris seine Narben her hat, erzählt und niedergeschrieben bei garantiert alkoholfreiem Himbeersaft) ================================================================================ Kapitel 1: Mission: Liets Imagewandel ------------------------------------- „Soll ich dir sagen, was ich denke, Liet?“ An Toris' trüben Augen war eindeutig zu erkennen, wie betrunken er war. Feliks hätte es selbst dann bemerkt, wenn er Toris zuvor nicht selbst abgefüllt hätte. „Ich denke, du musst ganz dringend dein Image aufbessern.“ Toris blinzelte mehrmals. „Welches Image?“ „Na, das, das du hast!“ Feliks schüttelte entschieden den Kopf und nahm noch einen Schluck von seinem Wodka. „Versteh mich nicht falsch, Liet – ich weiß, was in dir steckt. Jetzt müsste man es nur noch allen anderen klar machen.“ „Warum sollte ich das tun?“, fragte Toris und spielte abwesend an einer Haarsträhne neben seinem Ohr. „Die, die mir wichtig sind, kennen mich. Was alle anderen denken, ist mir egal.“ „Liet. Sieh dir deine Hand an.“ Schweigend betrachtete Toris seine linke Hand. „Die andere.“ Umständlich hob er die rechte Hand aus seinem Schoß und legte sie auf den Tisch. Sie steckte in einem dicken, weißen Verband, der sämtliche Finger bis auf den Daumen verbarg. „Und jetzt sag ich dir mal was“, verkündete Feliks und beugte sich vor. „Wenn du ein Date hast und sie bricht dir innerhalb der ersten fünf Minuten alle Finger, dann ist das kein gutes Zeichen. Nicht einmal, wenn es Natalia ist.“ „Sie war nervös“, erwiderte Toris und kicherte. „Das war niedlich.“ Feliks verdrehte die Augen. „Ich bitte dich, Liet! Sie hat es getan, weil sie dich verachtet und dich für ein Weichei hält. Und, es tut mir Leid, dir das zu sagen, aber das tun alle. Auch wenn nicht alle dir dafür die Finger brechen werden.“ „Ich habe doch schon gesagt, dass es mir egal ist, was alle anderen...“ „Aber Natalia ist dir nicht egal!“, fiel Feliks ihm ins Wort. „Und mir ist es nicht egal! Ich werde nicht zulassen, dass du vor dem Rest der Welt dastehst wie der arme Prügelknabe, der sowieso immer nur hintendrauf kriegt! Nehmerqualitäten sind auch nicht alles, Liet.“ „Aber...“, begann Toris, doch Feliks ließ ihn nicht ausreden. „Weißt du, was ich denke? Es liegt an den Narben. Die, die davon wissen, werden dich bemitleiden. Vor denen, die nichts davon wissen, willst du sie um jeden Preis verstecken, und das merkt man. Du benimmst dich ständig unsicher, weil du etwas zu verbergen hast. Was glaubst du, wie das auf andere wirkt?“ „Was soll ich denn machen?“, fragte Toris und umklammerte mit der gesunden Hand sein Glas, in dem der Wodka hin und her schwappte. Er reagierte immer noch empfindlich auf die Erwähnung seiner Narben, aber nach dem einen oder anderen Glas sprach er zumindest darüber. „So bin ich eben, Feliks. Ich kann nichts daran ändern, dass...“ „Wir werden etwas daran ändern“, sagte Feliks wild entschlossen. „Wir werden uns etwas überlegen, wie wir diese Narben erklären können. Eine harmlose Notlüge, Liet! Und wenn du diese Notlüge erst einmal für den Ernstfall parat hast, wirst du auch nicht mehr solche Angst haben, und dann löst sich der Rest quasi im Handumdrehen!“ Er griff nach Toris' Hand und drückte sie. Leider war es die Hand mit den gebrochenen Fingern, weshalb Toris aufschrie und sein Glas umwarf. Es dauerte nicht lange, bis Feliks die Gemüter beruhigt, Tisch und Boden trocken gewischt und die Gläser neu gefüllt hatte – diesmal mit garantiert alkoholfreiem Himbeersaft. „Das ist, weil wir für unsere anstehende Mission einen klaren Kopf brauchen – also, eigentlich zwei klare Köpfe, nämlich für jeden einen. Also, frisch ans Werk! Tun wir zuerst einmal so, als hättest du einen Unfall gehabt, für den niemand etwas konnte.“ „Feliks...“ Toris brach ab und seufzte tief. „Du bist fest entschlossen, das durchzuziehen, oder?“ „Jap!“ Zufrieden rückte Feliks den Notizblock auf dem Küchentisch zurecht und angelte sich einen Stift aus dem kleinen Mäppchen, das er wie aus dem Nichts hervorgezaubert hatte. „Also, ich fange an!“ Mission: Liets Imagewandel, Variante 1 (© Feliks) Eines schönen Tages beschloss Toris, Boot zu fahren. „Was soll das denn für ein Anfang sein, Feliks?“ „Wart's ab! Das Interessante kommt doch erst noch!“ Also packte er sich leckeren Proviant in sein Boot, nahm sein Paddel und ging. Feliks blieb zu Hause, weil Feliks Boot fahren total langweilig findet (bäh). Toris stieg in das Boot und begann erstmal, seinen ganzen Proviant aufzuessen, bis er völlig aufgegessen war. Deswegen bemerkte er leider nicht, wie das Boot immer näher an einen Wasserfall getrieben wurde. Bevor Toris bemerken konnte, welche Gefahr ihm drohte, war er auch schon hinunter gestürzt. Er konnte sich aber an einem Busch festhalten, der auf einem Felsen wuchs, der auf halber Höhe aus dem Wasserfall ragte. Davon wurden seine Klamotten zerrissen und er selbst total zerkratzt. „Hältst du das etwa für realistisch?“ „Du hast das Prinzip nicht verstanden, Liet.“ Neunmalklug hob Feliks den Stift. „Es geht nicht um realistisch hin oder her. Es geht darum, dass du eine interessante Geschichte erzählen kannst.“ „Also gut...“ „So! Danach komme ich und rette dich, und damit hätten wir das.“ Zufrieden kritzelte Feliks einen letzten Satz auf das Papier, riss es sorgfältig ab und hielt es Toris hin. „Und... und jetzt?“ „Bewahre es auf, und am Ende suchst du dir die Erklärung aus, die dir am besten gefällt, und lernst sie auswendig!“ „Also gut“, sagte Toris ergeben, warf einen letzten Blick auf die Geschichte und schüttelte den Kopf. So sorgfältig, wie es mit einer Hand möglich war, faltete er das Papier zusammen und klemmte es unter sein Glas. „Nummer eins hätten wir! Jetzt bist du dran.“ „Ich? Aber... mir fällt überhaupt nichts ein, Feliks.“ „Komm schon! Denk dir irgendetwas aus. Du hast doch Fantasie!“ „Aber aufschreiben kann ich nichts. Ich kann mit links nicht schreiben.“ „Du erzählst es mir natürlich, und ich schreibe es auf.“ Einen Moment lang sah Toris ins Leere. „Eine Idee habe ich schon“, gab er zu. „Aber sie ist...“ „Erzähl sie mir einfach! Moment... ich muss nur noch kurz die Überschrift...“ Mission: Liets Imagewandel, Variante 2 (von Liet höchstselbst) Eines schönen Tages war Toris im Wald unterwegs, um Pilze zu sammeln. Als er schon den halben Tag mit Sammeln verbracht hatte, gelangte er an eine Höhle und beschloss, sich ein wenig darin auszuruhen, weil er sehr erschöpft war. Leider handelte es sich dabei um eine Brombeer-Höhle. Toris trat näher heran, bemerkte aber nicht, dass der/die Brombeere drinnen schlief. Es war natürlich eine Braunbär-Höhle, aber Liet spricht so undeutlich. Egal. Jedenfalls suchte er Unterschlupf in der Höhle und schlief ein. Als er nach einer Weile wieder aufwachte, musste er bemerken, dass der Bär ebenfalls wach und nicht amüsiert darüber war, einen Eindringling in seiner Höhle zu haben. Toris sah sich einem ausgewachsenen Braunbären nicht gewachsen und ergriff die Flucht. Leider erwischte der Bär ihn zwei oder drei Mal mit der Pranke am Rücken, bevor Toris sich in Sicherheit bringen konnte. Dann kam Feliks und rang den Bären nieder, mit bloßen Händen. „...Feliks!“ „Was? Du erlebst jede Menge Abenteuer, meinst du, da will ich zu kurz kommen?“ „Also gut, tu, was du nicht lassen kannst. Das ist jedenfalls meine Version.“ Toris verzog das Gesicht. „Sie ist albern.“ „Sie ist besser als nichts!“, widersprach Feliks, riss das Blatt ebenfalls ab und schob es Toris hin. „So! Ich habe schon die nächste Idee!“ „Ich ahne Übles.“ „Ach was! Sie ist genial, wirklich, Liet.“ „Also gut.“ Ergeben verstaute Toris auch das zweite Blatt. „Dann lass mal hören.“ Mission: Liets Imagewandel, Variante 3 (© Feliks) Es war einmal vor vielen, vielen Jahren, als Feliks und Toris gerade mal wieder Gilbert in den Arsch getreten hatten. „Hältst du es für klug, diese alten Wunden wieder aufzureißen?“ „Ja“, erwiderte Feliks sorglos. „Wenn es seine Wunden sind und nicht meine, schon.“ Jedenfalls war Gilbert total eingeschnappt und beschloss, sich furchtbar zu rächen. Natürlich war er ein Feigling und wusste, dass er gegen Feliks und Toris nicht den Hauch einer Chance hatte. So verfiel er auf einen heimtückischen Plan, der sehr heimtückisch war. Er brach in Feliks' und Toris' Haus ein und streute jede Menge Ameisen in die Betten. Am Abend wurde Toris früh müde und zog sich zurück. Kaum hatte er sich aber in sein Bett gelegt, begann sein Rücken furchtbar zu jucken. Erschrocken stand er wieder auf und rief Feliks, der mit seinem messerscharfen Verstand natürlich sofort durchschaute, was Sache war. „Feliks.“ „Du lässt mir gar keinen Spaß bei der Sache... so besser?“ ...und rief Feliks, der mit seinem messerscharfen Verstand natürlich sofort durchschaute, was Sache war. der Gilbert vor kurzem schon einmal denselben Streich gespielt hatte und deswegen sofort begriff, was los war. Er erklärte Toris, da könne man nichts machen, als die Betten gründlich auszuschlagen, die Nacht anderswo zu verbringen und zu hoffen, dass es bald aufhörte, zu jucken. Die folgende Nacht verbrachten Feliks und Toris damit, Toris' Rücken zu kratzen. Das taten sie so gründlich, dass die Spuren bis heute sichtbar sind. „Eine interessante Version“, gab Toris zu. „Nicht wahr? Ich komme richtig in Fahrt! Warte, ich habe schon die nächste Idee: Wir schieben die Schuld einfach auf jemand anderen!“ „Das halte ich für keine gute Idee, Feliks...“ „Ach, nun komm schon!“ Mission: Liets Imagewandel, Variante 4 (© Feliks) Toris hatte es nach langem Hin und Her endlich geschafft, Natalia zu einem Date zu überreden. „Ich glaube, diese Variante gefällt mir“, sagte Toris mit leuchtenden Augen. „Ja, das dachte ich mir. Ich verstehe ja immer noch nicht, was du für sie übrig hast. Wenn du auf Blondinen stehst, brauchst du ja nicht zu ihr zu laufen... alter Verräter.“ „Schreibst du weiter, Feliks?“ Er hatte also gekocht und Kerzen angezündet und das ganze romantische Blabla, und jetzt wartete er darauf, dass Natalia endlich aufkreuzte. Sie ließ mehrere Stunden auf sich warten „Das würde sie niemals tun.“ „Würde sie wohl. Wie lange hat sie dich heute warten lassen?“ „Ich habe sie zu Hause abgeholt.“ „Und?“ „Sie... war noch nicht ganz fertig, als ich ankam.“ „Also hast du eine Stunde lang auf ihrem Sofa gehockt und gewartet.“ „Nur eine halbe Stunde“, verteidigte Toris sich. Feliks zog eine Augenbraue hoch. „Aber sie hat mich nicht reingelassen“, gestand Toris. „Ich habe draußen in ihrem Vorgarten gewartet.“ „Dachte ich es mir doch.“ „Während des Wartens bin ich auf die Idee gekommen, meinen Blumenstrauß für sie noch ein wenig zu verzieren. Sie hat sogar bemerkt, dass er eine persönliche Note hatte!“ „Du hast ihr Blumen geschenkt, die du aus ihrem eigenen Blumenbeet geklaut hattest?“ „Tatsache ist jedenfalls, dass Natalia nicht mehrere Stunden zu spät kommen würde, wenn wir verabredet sind.“ „Also gut, wenn du darauf bestehst...“ Sie ließ mehrere Stunden auf sich warten jedenfalls viel länger auf sich warten, als man einen echt süßen Typen wie Toris warten lassen sollte (keine Ursache, Liet, mach ich doch gern). Irgendwann kam sie dann aber doch, und Toris war schlau genug gewesen, das Essen bis dahin warm zu halten. Sie setzten sich also bei Kerzenschein und aßen ein langweiliges, romantisches Abendessen, bevor sie zur Sache kamen. „Zu welcher Sache kamen sie?“ „Na... zur Sache eben.“ Toris sah ernsthaft verwirrt aus. „Ich dachte, das romantische Abendessen wäre die Sache.“ „Und das ist sicher noch ein Grund, aus dem Natalia dich für einen Schlappschwanz hält.“ „Tut sie ja gar nicht!“ Sie tauschten über den Esstisch hinweg einen langen, innigen Kuss, du weißt schon, so: Seine Zunge bat um Einlass, den sie ihm gewährte, und so. Schlabber, schlabber. Ich sollte Liebesromane schreiben, oder? Und dann holte Natalia die Handschellen und die Peitsche raus. Toris' Ohren glühten. „Gefällt's dir?“, fragte Feliks zuckersüß. „W-wie zum Teufel kommst du auf so eine Idee?“ „Ich bitte dich! Hast du dir Natalia mal angesehen? Nichts liegt näher als das!“ „Du... ich meine... und um deine Frage zu beantworten, es gefällt mir nicht!“, sprudelte es aus Toris hervor. „Ich meine, nicht, dass es mir nicht gefällt im Sinne von nicht gefällt, aber es gefällt mir nicht!“ „Ah.“ Feliks kritzelte ein paar weitere Sätze auf das Papier. Toris reckte den Hals, um sie zu lesen, doch Feliks riss das Blatt schnell ab und faltete es zusammen. „Das kannst du später für dich allein lesen“, erklärte er. „Wenn du's jetzt machst, kannst du dich nicht mehr konzentrieren. Und wir sollten noch ein paar Alternativen produzieren, für den Fall, dass diese Variante doch nicht ganz das Wahre ist.“ „Du meinst, falls ich nicht jedes Mal einen Softporno als Notlüge erzählen möchte?“ „Softporno?“ „Themenwechsel!“ Toris' Ohren glühten immer noch. Feliks grinste, schob ihm das gefaltete Blatt zu und schriebt die nächste Überschrift auf. Mission: Liets Imagewandel, Variante 5 (nochmal von Liet) „Du bist nämlich wieder dran.“ Toris kaute auf seiner Unterlippe und nahm einen Schluck von seinem Himbeersaft. „Nun... ja, ich glaube, ich habe etwas.“ „Lass hören!“ Es war an einem Wintertag, kurz vor Neujahr. Weil eine große Familienfeier anstand, musste Ivans Haus von oben bis unten geputzt werden. Toris hatte den ganzen Tag damit verbracht, den Boden im Flur zu wischen, und nun hatte er vom vielen Bücken Rückenschmerzen (armer Liet). Das schien °J° irgendwann aufzufallen, denn er fragte, was denn mit Toris los sei. Zuerst wollte Toris es ihm nicht sagen, aber °J° bestand darauf. „Feliks? Wenn ich Ivan sage, malst du immer komische Smileys.“ „Warum nicht? Sieht doch aus wie er, oder? Guck dir die Nase an!“ „Feliks.“ „Ich wollte den Text nur künstlerisch aufwerten. Warum werden Genies wie ich immer missverstanden? Aber gut, wenn du meinst...“ ...aber °J° (Ivan) bestand darauf. Also erklärte Toris, sein Rücken tue ihm weh. Ivan hatte großes Mitleid mit ihm (hatte er gar nicht, er tat nur so) und bot ihm an, ihn zu massieren, damit es besser würde (wer's glaubt). Toris stimmte nach einigem Zögern zu (armes Liet, hatte vermutlich zu viel Angst, um „Feliks“, sagte Toris zerknirscht. „Wenn du alles mit deinen Kommentaren anreicherst, verliert sich die Handlung dazwischen.“ „Aber so etwas muss doch gesagt werden!“ „Schreib bitte einfach auf, was ich diktiere, okay?“ „Ich bin gegen Diktatur“, schmollte Feliks, strich seine Bemerkungen aber schweren Herzens wieder aus. Toris stimmte nach einigem Zögern zu (armes Liet, hatte vermutlich zu viel Angst, um, und Ivan begann, ihn zu massieren. Er machte das gar nicht schlecht und Toris konnte spüren, wie die Verspannungen sich lösten. Leider musste er am Abend unter der Dusche bemerken, dass Ivan es ein bisschen zu gut gemeint hatte. Toris' Rücken war deswegen jetzt von blauen Flecken und Blutergüssen übersät. Und wenn jemand vermutet, dass das Ivan war, liegt derjenige nicht falsch. „Süß“, sagte Feliks kühl. „Du hast vorgeschlagen, jemand anderem die Schuld zuzuschieben“, erinnerte Toris ihn. „Genau das habe ich getan.“ „Hat Ivan dich echt mal massiert?“ „Wieso fragst du?“ Feliks brummte etwas. „Er hat es zumindest einige Male angeboten“, erklärte Toris gedankenverloren. „Ich meine, es ist ziemlich oft vorgekommen, dass ich von der Arbeit Rückenschmerzen hatte. Yekaterina hat mich auch manchmal massiert, sie kann das großartig.“ Wortlos riss Feliks das Blatt von seinem Block. „Okay... die nächste Geschichte.“ „Ist alles in Ordnung, Feliks?“ „Klar, was soll schon sein? Ich habe die nächste Idee. Ivan kommt übrigens nicht vor.“ Toris beschloss, nicht weiter nachzuhaken. Mission: Liets Imagewandel, Variante 6 (© Feliks) Es war in einem echt schönen Sommer, als sehr sommerliches Wetter war. Toris war mit Raivis und Eduard an den Strand in den Urlaub gefahren, um ein bisschen Strandurlaub zu machen. Während Eduard schwimmen ging und Raivis machte, was Raivis eben so macht, wenn niemand hinguckt, lag Toris gemütlich auf dem Bauch und sonnte sich. Immerhin hat unser Liet ja auch mal seine Erholung verdient, nicht wahr? Jedenfalls, nach einer Weile wurde Raivis langweilig, und worauf das hinausläuft, wenn Raivis langweilig wird, ist ja bekannt und gefürchtet. Erst machte er sich einen Spaß daraus, kleine Steine und Muscheln auf Toris' Rücken aufzureihen. Danach pflückte er auch noch Blumen und reihte sie daneben auf. Das bemerkten leider sehr viele Bienen, die in der Nähe unterwegs waren. Sie flogen alle auf die Blumen auf Toris' Rücken zu (die dummen Viecher), und eine stach ihn dabei. Toris wachte auf und geriet in Panik, genau wie Raivis, weil der ja schnell in Panik gerät. Eduard war nicht in Panik, der war schwimmen. (Eduard ist ja nie da, wenn was Schlimmes passiert.) Jedenfalls schlug Toris ein paar Minuten lang panisch um sich, bis er auf die geniale Idee kam, ins Meer zu rennen. So genial war das allerdings auch wieder nicht, denn wir wissen ja, offene Wunden + Salz = keine gute Idee. „Feliks? Das wird immer schmerzhafter.“ „Tut mir ja Leid, Liet, aber immerhin finde ich sie interessant. Warte...“ Jedenfalls sah Toris' Rücken danach aus wie ein Streuselkuchen (oder, wo wir gerade bei süßen Backwaren sind: wie ein Bienenstich, HAHA) und verheilt ist das bis heute nicht richtig. Gut, dass er wenigstens nicht allergisch gegen Bienenstiche ist. Und alles wegen Raivis, dieser Knalltüte. „Feliks! Sei nicht so gemein Raivis gegenüber. Er will doch nur nett sein.“ „Ich habe ja gar nichts gegen ihn. Aber er ist eine Knalltüte, das musst du zugeben.“ Sorgfältig riss Feliks das Blatt ab, faltete es zweimal exakt in der Mitte und hielt es Toris hin. „So. Fällt dir noch etwas ein?“ „Nichts Anständiges zumindest. Dir?“ „Auch nicht. Sieht aus, als hätten wir einen kleinen Hänger. Verdammt.“ „Vielleicht sind sechs ja auch schon genug?“ Gedankenverloren begann Feliks, auf dem Block herum zu kritzeln. Mission: Liets Imagewandel, Variante 7 (© Feliks) Toris hatte in einem plötzlichen Anfall von religiöser Inbrunst beschlossen, sich der Geißler-Bewegung anzuschließen, und ein paar Monate damit verbracht, nackig durch fremde Städte zu rennen und sich selbst auszupeitschen. „Feliks!“ „Was denn? Denk dir doch was Besseres aus!“ „Also gut“, sagte Toris entschlossen. „Mir ist gerade eine gute Idee gekommen.“ „Wirklich? Erzähl.“ Mission: Liets Imagewandel, Variante 8 (wieder von Liet) Vor langer, langer Zeit, als es noch Königreiche und holde Jungfrauen gab, wurde eine dieser holden Jungfrauen von einem bösen Fiesling entführt und in einen Burgturm gesperrt. Das passierte damals alle Nase lang, und natürlich musste sich immer ein Ritter finden, der die Dame befreite. Diesmal beschloss Toris, dieser Ritter zu sein. Er sattelte sein treues Pferd mit dem schönen Namen „Pferd“ und ritt los. Drei Tage und drei Nächte lang ritt er. (Doch, natürlich hat er geschlafen, natürlich war er auch mal pinkeln zwischendurch, aber das spielt doch alles überhaupt keine Rolle, Feliks! Wo war ich?) Jedenfalls gelangte er am dritten Tag an die Burg, in der die holde Dame festsaß. Feliks, unterbrich mich nicht ständig. Toris drang in die Burg ein und kämpfte gegen den Drachen, der ihm beim Kampf leider mit seinem Feuer den Rücken verbrannte. Aber dieses Opfer nahm Toris in Kauf, weil es ihm gelang, den Drachen zu erschlagen und die holde Jungfrau zu befreien. „Ein Drache“, sagte Feliks gedehnt. „Märchenelemente sind immer noch glaubwürdiger als ein paar von den Erklärungen, die du schon verzapft hast.“ „Hey! Also schön, bisher hat dir nichts wirklich gefallen, ich verstehe schon. Aber mir ist gerade noch etwas eingefallen, und das wird dich umhauen!“ Unsicher betrachtete Toris sein breites Grinsen. „Ich habe das ungute Gefühl, ich werde es nicht mögen.“ „Ach was, du wirst es lieben! Lass mich nur machen...“ Mission: Liets Imagewandel, Variante 9 (© Feliks) Wir wissen ja alle, dass Toris und Feliks mal verheiratet gewesen sind (ja, waren wir eben, Liet, lass mich einfach machen). Damals wurde das natürlich noch ein bisschen strenger gesehen mit den ehelichen Pflichten (hey, wir beide haben Ende des vierzehnten Jahrhunderts eine Homo-Ehe durchgeboxt, das muss uns erst mal einer nachmachen) – lange Rede, kurzer Sinn, die Ehe musste vollzogen werden. Nein, diesmal unterbrichst DU mich nicht, Liet. Hmm, und wie soll ich sagen... erstens hat Feliks die Angewohnheiten, die Fingernägel ein bisschen länger zu tragen und in Momenten großer Freude gerne zu „klammern“. Und zweitens war Toris oben. Weshalb ich, Feliks Łukasiewicz, an dieser Stelle gestehen muss, dass ich Toris den Rücken zerkratzt habe. Asche auf mein Haupt. „Du erwartest aber nicht wirklich von mir, das als Erklärung vorzubringen, wenn mich jemand nach meinen Narben fragt.“ „Gefallen dir meine Geschichten etwa nicht?“ Toris zwang sich zu einem Lächeln. „Zumindest schätze ich deinen Einsatz.“ „Na, das ist ja wohl das Mindeste.“ Feliks grinste und schob Toris das Blatt Papier hin. „Fällt dir noch irgendetwas ein?“ „Ehrlich gesagt nicht.“ „Super! Dann sind wir jetzt fertig.“ Zufrieden deutete Feliks auf das Häufchen aus gefalteten Zetteln auf dem Tisch. „Das da sind die Top 10 der Erklärungen, wo Toris seine Narben her hat!“ „Feliks? Willst du mir erklären, wieso deine Top 10 nur neun Geschichten enthält?“ „Also wirklich, Liet“, tadelte Feliks ihn. „Eine Top 10 aus zehn Teilen bilden kann ja jeder. Hör doch mal auf, so Mainstream zu sein.“ Toris lachte und nippte an seinem Himbeersaft. Feliks sah versonnen aus dem Fenster, bis er die Stirn in Falten legte. „Aber... eine Variante fehlt irgendwie doch noch.“ „Welche denn?“ „Die Wahrheit.“ Toris sah ihn mit großen Augen an und senkte den Blick. „Hast du es je jemandem erzählt?“, fragte Feliks leise. „Nein. Es ist... ein Geheimnis.“ „Eins von den Geheimnissen, die man allein tragen muss?“ Toris antwortete nicht. „Oder eins von denen, die du nur deinem besten Freund auf der Welt anvertrauen kannst und niemandem sonst?“ Eine Weile lang schwiegen sie, dann zog Toris den Notizblock zu sich herüber und nahm den Stift in die linke Hand. Umständlich und ungelenk begann er, die Buchstaben auf das Papier zu zeichnen. Mission: Liets Imagewandel, Variante 10 (die Wahrheit) Feliks folgte seinen Bewegungen mit den Augen, das Kinn in die Hand gestützt. Es war so still, dass man die Uhr ticken hörte, aber Feliks wusste, dass Toris bald wieder sprechen würde. Er wusste es, als er die wackligen, aber unmissverständlichen Worte las. Die Wahrheit ist eins von den Geheimnissen, die man nur seinem besten Freund auf der ganzen Welt anvertrauen kann. Und niemandem sonst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)