How to befriend an alien von shibui (NaruSasu) ================================================================================ Kapitel 1: You always meet twice -------------------------------- Schlangenlinien in Grün und Blau und Orange. Ein Wirrwarr aus venengleichen Kabeln, die Leben in den kalten Stahl hauchten. Blutrot und metallisch der Geruch nach Schmieröl. Eine schwarze, dicke Ader aus Kunststoff, Gelenke aus Aluminium. Naruto rutschte auf dem Rücken liegend, eine Taschenlampe zwischen den Zähnen weiter in den engen Zugang, der in das Herzstück seines Babys führte. Sein Baby... Das war nicht etwa der Luftfilter auf Deck 17 oder die Wasserreinigungsanlage auf Deck 8b und schon gar nicht die Hightech-Abwehrmaschinerie auf den Außendecks. Nein, sein Baby war die Müllpresse auf dem untersten der öffentlich zugänglichen Decks. Deck 3. An Freitagabenden in einer Bar mochten sie sich gelegentlich über seinen Job lustig machen, aber Naruto wusste sehr wohl wie wichtig die Müllentsorgung auf einer Raumstation wie Konoha VII war. Er war stolz auf seine Arbeit; so wie Jiraiya es ihm gelehrt hatte. Etwas drückte sich gegen sein Schulterblatt und Naruto wurde aus seinen Gedanken gerissen. Da war also die verlorene Mutter abgeblieben. Er verrenkte sich, um das kleine Biest unter sich wegzuschieben und hörte ein metallisches Klonk, als die Mutter durch einen Spalt in einen Zwischenraum unter ihm fiel. Klasse. Da tropfte es feucht und dick auf seinen Arm und Naruto drehte sich samt Taschenlampe nach rechts, die Mutter vergessen. Da also! Den ganzen Morgen schon hatte seine Anlage ein Warnsignal ausgegeben, dass irgendwo in Bauabschnitt 32 A etwas nicht stimmte und Naruto hatte die Presse letztlich auf 20% Leistung zurückfahren müssen. Das Problem war aber Gott sei Dank gering: ein Gelenkstück, aus dem Öl tropfte. „Hab ich dich“, murmelte er und zog umständlich eine Mutter fest. Das Tropfen blieb. Er wickelte abdichtendes Gummiband über die Stelle und wusste doch, dass es nicht lange halten würde; das Gelenkstück musste gewechselt werden. Als Naruto wenig später aus der Maschine kroch, hatte er ein breites Grinsen im Gesicht und Schmieröl auf den Wangen. Er liebte seine Arbeit und die kleinen Problemchen, die täglich aufkamen, machten sie erst richtig interessant. Das hier war sein Baby und er war schon als Vierjähriger zwischen den Kabeln und Pumpen entlang gerobbt, hatte Jiraiya geholfen mit seinem kleinen, wendigen Körper und später mit seiner jugendlichen Kraft, als der alte Mann nicht mehr konnte. Und wie oft hatte er schon als Kind allein über die Anlage gewacht, wenn sein Ziehvater die Vergnügungsdecks besuchte. Mit Jiraiyas Tod – damals war Naruto gerade 15 geworden, war gerade das erste Mal im Bordell gewesen… war gerade ein Mann geworden – war nicht nur die einzige Familie, die er je kannte, gestorben, sondern auch der einzige Mensch, der ihm hier unten Gesellschaft leistete. Und Naruto vermisste es gelegentlich, jemanden, der ein wenig seiner Zeit mit ihm teilte… Ah, was war er plötzlich so sentimental? Es gab Arbeit zu tun, Arbeit! Er schritt zum Schaltpult und nahm die Presse auf 40% Leistung wieder in Betrieb, bevor er sich ins Bestellsystem einloggte, um ein Gelenkstück anzufordern. Es war wirklich lästig, dass er bestimmte Teile nicht auf Vorrat bestellen konnte, aber warum einfach, wenn es auch kompliziert ging? Gelegentlich fragte er sich schon, was für weltfremde Idioten da oben in den Büros saßen. Er ging hinüber zum Gelände, was in einem Oval um die eigentliche Presse herumlief, deren gesamter Durchmesser etwa 80 Meter betrug und die pro Tag 40 Tonnen Müll presste, verkapselte und ins Weltall schoss, wo sich die Pakete in sicherer Entfernung von der Station  selbst zerstörten. Die Müllentsorgungsanlage glich einer Kuppel aus Stahl mit einer Empore, die sich im vorderen Bereich bei den Steuerelementen zu einer Ebene verbreiterte. Unterhalb der Empore lag die eigentlich Presse in über zwanzig Metern Tiefe. Dutzende Zugänge lieferten durchgehend Müll und wurden nur dann geschlossen, wenn der eigentliche Pressvorgang stattfand. Der Müll wurde dabei direkt durch ein Raster in die Ein-Kubikmeter Kapseln aus erhitztem C-Plast-Aluminium gepresst und dann ins All katapultiert. Naruto sah einen Moment lang über das Gelände in die Tiefe, während ein Pressvorgang gerade abgeschlossen wurde. Hitze und ein gering fauliger Geruch wehten zu ihm herauf ohne ihn zu belästigen; er war es schließlich gewohnt. Er gähnte, streckte sich und entschied für heute Feierabend zu machen. Es war ohnehin spät und er sehnte sich nach einer heißen Dusche und seinem weichen Bett. Er fuhr die Anlage in Automodus zurück und dämmte das Licht auf die vorgeschriebene Mindestbeleuchtung, bevor er die Tür mit seinem Sicherheitscode verriegelte. Sein Quartier lag nur ein paar Gänge und ein Deck weiter und sein Weg führte wie jeden Tag an einem der großen Aussichtsfenster vorbei. Auch heute blieb er stehen, um den unendlichen Sternenhimmel zu bewundern und den Planeten, der schier riesig unter ihm lag. Naruto konnte nur einen kleinen Teil der Kugel sehen. Ob es wohl stimmte, dass man auf einem Planeten das Gefühl hatte auf einer Ebene zu stehen und nicht auf einer Kugel? Es war unvorstellbar für ihn, der wie alle hier auf der Station geboren und aufgewachsen war. Über 200 Jahre war es her, dass die Menschheit die Erde verlassen hatte, auf der Suche nach neuem Lebensraum. Konoha VII war nur eine von vielen Stationen, auch wenn es keinen Kontakt mehr zu den anderen gab. Seit einem halben Jahr nun kreisten sie um diesen Planeten, dessen Blaugrün ihn an die Bilder der Erde aus dem Geschichtsunterricht erinnerte. Weiße, watteähnliche Fetzen, die den Planeten überzogen, nannten sich Wolken und Naruto hätte zu gern gewusst, wie sie von unten aussahen und ob es stimmte, dass der Himmel tagsüber blau war. Es war eine unbekannte Sehnsucht, die ihn erfasste, wenn er hinab sah und er wünschte Jiraiya wäre hier und könnte es ebenfalls sehen. Aber während die Meldungen über den Planeten anfangs sehr positiv ausgefallen und erste Erkundungsteams hinabgeschickt worden waren, war die Berichterstattung schon vor Monaten verstummt. Und viele Bewohner von Konoha VII stellten sich genau zwei Fragen: Warum schickten sie keine Teams zur Erschließung von Lebensraum? Warum zogen sie nicht weiter, wenn der Planet den Anforderungen nicht entsprach? Nun, Naruto war nur ein kleines Rad im Getriebe. Die Bevölkerung würde schon rechtzeitig informiert, wenn sich Neues ergab. Das war nicht seine Sache. Ein letzter Blick auf den friedlich im All treibenden Planeten und Naruto schlenderte weiter. Es war spät und er war allein auf den tristen, metallisch-grauen Gängen, die die Station durchzogen wie fein gewobenes Spinnennetz und seine Schritte hallten ganz sanft nur von den Wänden. Oh und ganz sicher war er in dieser Ruhe nicht vorbereitet auf den schrillen, unnatürlichen Schrei, der unvermittelt durch die Gänge hallte. Er schrak heftig zusammen und  presste sich die Hände auf die Ohren, sank auf die Knie, weil sich ihm ganz plötzlich der Magen umdrehte und seine Knie nachgaben. Das Kreischen vibrierte in der Luft, schwoll zu einem entsetzlichen Höhepunkt und verebbte so schnell wie es gekommen war. Einen Augenblick war es so still, als hätte selbst das ständige leise Summen der Beleuchtung und der Luftversorgung ausgesetzt und alles was Naruto hörte, war das Rauschen seines Blutes in seinen Ohren – was  um Himmels Willen war das? – dann brach der Alarm los. Das Flurlicht wandelte sich zu warnendem Rot und eine Sirene jaulte durch die Gänge.   „Achtung! Bitte begeben Sie sich umgehend in Ihre Quartiere. Schließen Sie die Türen und bleiben Sie nicht auf den Fluren. Achtung! Bitte…“   Die elektronische Frauenstimme wirkte bedrohlich monoton und Naruto stolperte rasch ein paar Schritte weiter. Sein Herz hämmerte wild gegen seine Rippen; dieser Schrei hatte ihn bis ins Mark erschüttert. Was war nur geschehen? Eine Übung war das sicher nicht. Er nahm die Treppen zum nächsten Deck statt den Lift und schauderte, weil die Beleuchtung im Treppenaufgang dämmrig war und die Rotfärbung des Lichts nicht gerade dazu beitrug mehr zu sehen. Wer hatte dieses beschissene Alarmsystem entwickelt? Ehrlich. Er nahm zwei Stufen auf einmal und blieb wie angewurzelt stehen, als ein kühler Luftzug seinen Nacken streifte und den Schweiß erkaltete, der ihm aus den Haaren rann. Er hörte das Summen einer elektrischen Tür, das kurze saugende Geräusch, wenn sie zu glitt und dann war es still. Er war nicht mehr allein. Ganz bestimmt Sicherheitspersonal, beruhigte er seine wirren Gedanken und rief leise ins Zwielicht: „H-Hallo?“ Statt einer Antwort erklang federleichtes Tappen, ein schwaches Kratzen, wie von Krallen auf Metall. Aber Tiere gab es nur auf den Versorgungsdecks… Er hielt die Luft an, war nicht sicher, ob er rennen sollte oder sich besser in die Ecke drückte in der auf dem Absatz zwischen zwei Treppen gerade stand. Schwach hörte er das Trampeln von Schritten auf dem Deck über sich. Das waren die Sicherheitsleute. Scheiße, warum war er nicht einfach zurück in die Müllpresse gelaufen? Das hier im Treppenhaus ohnehin ferne, vereinzelte Aufheulen der Sirene verstummte ganz und nur das rote Licht warnte weiter vor Gefahr. Und jetzt ganz deutlich hörte er leichte, kratzende Schritte auf dem Treppenabsatz unter sich. Hektisch fummelte er in seiner Arbeitskleidung nach Hilfe: der Schraubenschlüssel sein einziger Fund. Er hörte sich atmen und jemanden anderen ebenfalls. Etwas anderes. Seine Finger krampften sich um das Werkzeug und er zog es aus seiner Tasche. Eine Bewegung im Augenwinkel und seine Knie gaben den Bruchteil einer Sekunde nach, bevor er sich fangen konnte. Er war versucht nicht hinzusehen, nicht zu wissen, was da unten im Schatten stand und ihn ansah. Er atmete zittrig ein, fasste sich ein Herz und blickte die Treppe hinab, während es im selben Augenblick in das rote Warnlicht trat. Eine Kreatur, deren Anblick Narutos Körperwärme aus seinen Knochen saugte. Was um Gottes Willen war das? Er schluckte trocken und fühlte seinen Atem beschleunigen und doch bekam er kaum Luft. Das Wesen sah wie die abstrakte Verzerrung eines Menschen aus und doch so unmenschlich… so grauenhaft. Sein Magen wölbte sich vor nackter Angst und ganz sicher würde seine Blase sich jede Sekunde selbst erleichtern. Sein Griff um den Schraubenschlüssel war schmerzhaft und mit Entsetzen sah er, wie die Kreatur raubtierhaft und oh, so langsam eine Stufe nach der anderen zu ihm heraufstieg. Die Haut des Wesens hatte ein unnatürliche Färbung, die im roten Licht noch fremder wirkte und lange schwarze Krallen blitzten scharf und Unheil versprechend. Doch alles, was Naruto wirklich sah, waren die Augen. Eine rote, pupillenlose Iris umgeben von schwarzer Augenhaut. Aus diesen schauderhaften Augen starrte es ihn an und Naruto starrte zurück, wagte nicht zu blinzeln, wagte kaum zu atmen. Er wollte nicht sterben, verdammt! Es erreichte seinen Absatz und blieb stehen und Naruto schluckte mühsam die Magensäure, die sich in seinen Mund gewürgt hatte. Der Schraubenschlüssel in seiner Hand rutschte im kalten Schweiß und sein Gehirn spann Szenarien, wie er der Kreatur den Schädel einschlug, während er gleichzeitig ahnte, dass das Ding stärker und schneller war, wenn es darauf ankam. „H-Hör zu. Du musst mich nicht töten. Ich schmecke auch gar nicht gut, ja?“ Die Kreatur zuckte zusammen und neigte leicht den Kopf, ein drohendes Knurren plötzlich übernatürlich laut. Naruto hob vorsichtig den Schraubenschlüssel. Wenn es noch einen Schritt näher kam… Ein lauter Knall, Schritte, Schreie und ohrenbetäubender Lärm flutete das Treppenhaus. Narutos Kopf ruckte automatisch herum, nach oben, da wo Licht und Lärm hereindrang. Er sah genauso rasch zurück, doch von dem Wesen war nichts mehr zu sehen. „Sichert die Treppen! Team A nach oben. Team B folgt mir!“ Narutos Schraubenschlüssel glitt zurück in die Tasche und er lehnte sich an die Wand zurück, so erleichtert und so erschöpft gleichermaßen. Die Sicherheitsmänner strömten die Treppe hinab und ihm lag schon der Hinweis auf der Zunge, dass die Kreatur die Treppe hinab geflohen war. Doch bevor er noch Luft holen konnte, raunzte ihn einer der Männer bereits an: „Was machen Sie hier?“ „Ich hab gerade-“ „Ich fragte, was Sie hier machen? Zeigen Sie Ihren Identifikationschip!“ Naruto klappte der Kiefer hörbar zu und automatisch hielt er seinen rechten Arm vor, um den ein Gewebeband aus C-Plast alle Informationen zu ihm gespeichert hatte. Ein junger Mann trat vor, griff unsanft seine Hand und scannte seine Daten. „Uzumaki, Naruto. 23.“ Und dann mit einem verächtlichen Schauben: „Müllpresse.“ Arschloch. „Okay“, schnappte der Kerl, der hier offenbar das Sagen hatte, „warum sind Sie nicht in Ihrem Quartier?“ Naruto biss sich auf die Lippe, schluckte seinen Stolz. Warum wurde er hier eigentlich wie ein Verbrecher behandelt? „Ich bin auf dem Weg dahin“, erwiderte er trotzig. „Fein. Haben Sie etwas Außergewöhnliches gesehen?“ „Nein.“ Der Glatzkopf nickte und sah zu dem jungen Mann, der eben Narutos Daten gescannt hatte. „Leutnant, Sie bringen ihn zu seinem Quartier. Der Rest folgt mir.“ „Jawohl, Sir.“   Die Tür schloss hinter ihm mit einem leisen Summen und Naruto atmete aus, sein Bett, vertraut und zerwühlt, wie er es am Morgen verlassen hatte, die dreckige Wäsche noch über den Boden verteilt und das Bild von Jiraiya auf der Kommode. Warum hatte er den Sicherheitskräften nicht erzählt, was er gesehen hatte? Weil sie ihn behandelt hatten wie einen Idioten? Mmh, vielleicht… Aber sie würden die Kreatur auch ohne seine Hilfe finden, bevor sie Unschuldige tötete und was hätte er auch sagen können, außer: ‚Eben stand sie hier, dann war sie weg’? Trotzdem beunruhigt, womöglich das Falsche getan zu haben, griff er zu seinem Mastercontroller und schaltete den TV an, der direkt in die Wand gegenüber dem Bett eingelassen war. Naruto zippte durch die drei einzigen Kanäle zum Infokanal, der rund um die Uhr die neuesten Informationen zur Raumstation ausstrahlte und wartete, während die Frau auf dem Screen über die neu kalkulierten Verbrauchsmengen für Wasser pro Person pro Tag redete. Nach zehn Minuten runzelte er die Stirn: wo blieb die Sondermeldung zu dem Vorfall? Die Warnung vor dem Monster? Deck 3, wo sich auch die Müllpresse befand, war unbewohnt und nur wenige Menschen arbeiteten dort. Auf Deck 4 und 5 standen viele Quartiere leer, aber trotzdem konnte dieses Ding doch jederzeit nach oben zu den Vergnügungsdecks fliehen, wo sich jetzt – zwei Stunden vor Sperrstunde – noch hunderte Menschen vergnügten. War der Alarm überhaupt auf den oberen Decks ausgelöst worden? War so ein Monster keine Warnung wert? Oder hatten sie es längst gefangen? Es dauerte lange, bis Naruto seine Nerven so weit beruhigt hatte, dass er schlafen konnte.   Auch am nächsten Tag keine Sondermeldung, nur eine erhöhte Präsenz an Sicherheitspersonal auf den unteren Decks, die allerdings gar nicht darauf hinwies, dass die Kreatur gefasst war. Ein paar Maschinenarbeiter fachsimpelten über den Vorfall, felsenfest davon überzeugt, dass es einen kleineren Brand auf Deck 2 gegeben hatte und Naruto wagte nicht etwas anderes zu behaupten. Er galt eh schon als Sonderling. Stattdessen beschloss er am Abend die Vergnügungsdecks zu besuchen. Wenn es Gerüchte gab, die über einen Brand hinausführten, dann wurden sie dort erzählt.   ~~~   „Naruto“, gurrte ein junger Mann und eilte herbei, um sich an seine Seite zu heften. „schön, dass du uns mal wieder besuchst.“ Naruto starrte unberührt auf den jungenhaften, zierlichen Mann hinunter, der ganz ungeniert seinen Bizeps befingerte und sich offenbar nicht daran störte, dass er noch den dreckigen Overall von der Arbeit trug und sich auch nicht die Mühe gemacht hatte, vorher zu duschen. Dafür war er ja hier. Unter anderem. „Sai?“, fragte er und der Junge verzog empört sein Gesicht. „Immer fragst du nur nach Sai? Du weißt gar nicht, was du verpasst.“ Hervorgeschobene Lippen wirkten schmollend und lasziv zugleich, aber Naruto ließ sich nicht beirren. Sai war sein Favorit… und so etwas wie ein Freund. Zumindest konnte er mit ihm vertrauter reden, als mit den anderen Jungs hier. Er ließ sich im Warteraum auf einem ausgesessenen Zweisitzer nieder und beobachtete wie der junge Mann von eben sich an den nächsten Kunden hängte. Sein Blick schweifte über die anderen Besucher; die, die warteten, die, die mit einem Jungen gerade nach hinten verschwanden und die, die bereits wieder gingen. Manch einem sah er an, dass er fleischige Frauenschenkel und obszön große Brüste bevorzugt hätte, aber keine Frau bot ihren Körper mehr auf den Vergnügungsdecks an. Nicht in den letzten Jahrzehnten, seit die Bevölkerungsexplosion zu einem abrupten Halt gekommen war. Die Gründe waren unbekannt, doch wenige Mädchen erreichten noch das geschlechtsreife Alter, starben zuvor an einer mysteriösen Krankheit. Von Degeneration war die Rede, einer Raumallergie, einem Stationsvirus. Niemand wusste, was wirklich passierte. Das Überleben der Menschheit – zumindest auf dieser Station – war bedroht und der Planet, in dessen Umlaufbahn Konoha VII seit Monaten kreiste, erschien wie die große Hoffnung. Der Gedanke an den Planeten brachte Naruto unwillkürlich das Bild von der Kreatur und der eisige Schauer, der sein Rückgrat entlang rann, fühlte sich an, wie die Berührung durch eine lange, schwarze Kralle. Er schüttelte den Gedanken von sich und versuchte das übliche Kribbeln zu erspüren, was er empfand, wenn er gewöhnlich ins Bordell ging. Das ‚Bordell’ war ein Konglomerat aus vielen kleinen Räumen, deren Wände mit farbigen Stoffen behangen waren und deren abgedunkeltes, farbiges Licht schummrige Stimmung verbreitete. Der Aufenthaltsbereich für Freier war mit Tischen und Sesselgruppen ausgestattet, die eigentlichen Räume oft nur mit großen Futons ausgelegt. Im Badebereich grenzten ein, zwei öffentliche Bäder an viele oft nur durch aufgestellte Trennwände abgegrenzte Einzelbäder, die gerade genug Platz für einen Prostituierten und seinen Freier boten. Winzige Räume mit Massagetischen und zwei Saunen rundeten das Angebot ab. Insgesamt war das Rouge Bains nicht das nobelste, aber eines der größten Bordelle auf den Vergnügungsdecks. Narutos Gedanken fokussierten auf die Annehmlichkeiten, die bald auf ihn zukamen und endlich betrat auch Sai den Wartebereich. Der drahtige, aber definitiv zu blasse Körper war in einen mit filigranen Mustern bestickten, milchigblauen Yukata gehüllt, der nur von einem dunklen Obi zusammengehalten wurde. Naruto schmunzelte, ein vielversprechender Anblick.   Dampf stieg aus der Wanne und löste sich von seiner erhitzten, feuchten Haut, die im heißen Badewasser weichte und Naruto seufzte. Seine Muskeln entspannten, sein ganzer müder Körper atmete auf und oh, taten Sais Hände gut. Der Prostituierte kniete hinter der freistehenden Wanne auf einem Hocker und wusch ihm den Rücken, während schwere, süße Gerüche und teures Obst Narutos Libido anregten. Es war das Geld wert, was er hier ausgab. Trotzdem gab es noch einen anderen Grund, warum er hier war. „Sai?“ „Hm?“ „Was weißt du über den Alarm gestern?“ „Der Alarm? Ach, bei euch unten?“ Also doch! Der Alarm war nur auf den unteren Decks ausgelöst worden. „Genau. Weißt du mehr darüber?“ Sai lachte kurz auf, stupste ihn sanft neckend gegen die Schulter. „Du lebst doch unten. Solltest du nicht eher wissen, was los war?“ Naruto lehnte sich zurück, sein Gesicht nah an Sai, damit er leiser reden konnte. Man wusste ja nie, wer hinter der nächsten Abtrennwand gerade ein Bad nahm. „Ich weiß nichts. Deswegen frage ich ja dich. Du bist doch sonst über alles informiert.“ Auch Sai dämpfte seine Stimme, als er antwortete: „Es soll ja einen Brand auf Deck 2 gegeben haben, aber…“ „Aber?“ „Aber zufällig hab ich gehört, dass diese Nachricht nicht stimmt.“ „Ach?“ So weit war Naruto auch schon. „Soll angeblich verbreitet worden sein, damit sich die Leute unten keine Gedanken machen.“ „Und was ist wirklich passiert?“ Sai zögerte und Naruto fühlte die langen, schmalen Finger zärtlich durch sein Haar gleiten. „Wieso fragst du so hartnäckig? Hast du was gesehen, Naruto?“ Die Neugierde klang so deutlich in Sais Stimme mit und Naruto wusste, er musste etwas zurückgeben. Er entschied sich für eine Halbwahrheit. Das, was er gesehen hatte, konnte er unmöglich beschreiben. „Ich hab etwas gehört.“ „Den Schrei?“ Naruto ruckte halb herum, aufgebracht und irgendwie erleichtert, dass er all das nicht komplett fantasiert hatte. „Ja“, hauchte er atemlos und Sais Lippen berührten seine, als er sich verschwörerisch und verführerisch zugleich vorbeugte und wisperte: „Da bist du nicht der einzige. Einige Arbeiter erzählen von einem schrillen, furchterregenden Kreischen kurz bevor der Alarm losging. Mehr weiß aber niemand.“ Sai beendete den Satz mit einem Kuss und schob seine Hände über Narutos Brust in seinen Schoß. Ganz von allein und ohne dem nagenden Gefühl im Bauch Beachtung zu schenken, spreizte Naruto seine Schenkel um den geschickten Händen mehr Freiraum zu lassen. „Schauen wir mal, ob mich dein winziger Schwanz befriedigen kann“, lachte Sai den üblichen Spruch, mit dem er Naruto vor Jahren regelmäßig auf die Palme gebracht hatte und der jetzt nicht mehr war als eine verspielte Neckerei. Naruto packte ihn  hart in seinen kurzen Haaren und biss ihm unsanft in die freche Zunge. „Schauen wir mal, ob dein blasser Arsch mich befriedigen kann.“   ~~~   Zwei Tage später und die Sicherheitsleute verschwanden von den unteren Decks, ließen die alltägliche Routine und die Gewissheit zurück, dass alles wieder in Ordnung war. Keine Gefahr, keine Monster mehr. Naruto stürzte sich in die Arbeit, dachte zumindest tagsüber nicht mehr an die Kreatur und freute sich auf seinen freien Tag und auf Sakura, die er nur noch so selten sah, seit sie auf den oberen Decks lebte und sich auf die Ehe vorbereitete. Er polierte gerade summend die Chromverkleidung des Steuerpults, als sein Blick an einem blinkenden Warnlämpchen hängen blieb. Einer der Luftschächte, der die Anlage belüftete, meldete eine Verunreinigung. Naruto schnaufte, wenn das wieder entlaufene Karnickel von den Versorgungsdecks waren... Er schnallte sich seine Ausrüstung um, schaltete die Beleuchtung in den Hauptzugangsschächten der Maschine ein und schnappte sich den Luftdruckschrauber. Dann öffnete er die Luke, die in die Sektion D führte. Der Gang, der sich vor ihm öffnete, war schmal und die ersten Meter musste er kriechen bis er zu einer Leiter und einem senkrecht empor führenden Schacht gelangte. Routiniert kletterte er hinauf, bog einmal links in einen niedrigen Seitengang ein und dann wieder rechts ab, bis er erneut eine Leiter erreichte. Blasses grünlich-blaues Licht leuchtete empor bis der Weg abrupt an einer zugeschraubten Deckenluke endete, die den Eingang zu Luftschacht 3 markierte. Er kletterte hinauf, hakte sich mit den Beinen an der Leiter fest und schraubte die Klappe auf, die ihm auf halben Weg entgegen schwang. Über ihm war nichts als Finsternis. Extern ließ sich die Beleuchtung nur für wenige Innenbereiche der Anlage steuern, aber es gab in vielen Sektionen Sensoren vor Ort. Geübt stemmte er sich hinauf, wagte sich ins Nichts. Der Gang war hoch genug, um gebückt stehen zu können und er tastete sich einen Schritt voran, bis er den Sensor berührte, der auch hier eine Beleuchtung einschaltete...   Hätte er die Beleuchtung nur nicht eingeschaltet.   Auge in Auge mit dem Monster gefror ihm das Blut in den Adern. Wie viele von denen streiften denn durch die Station? Die Kreatur kauerte am Boden, atmete auffallend schwer und stierte ihn hasserfüllt aus schwarzen, roten Augen an. Naruto wurde heiß und kalt zugleich. Und warum? Warum um alles in der Welt immer er? Nur einen knappen Meter hinter ihm führte die Luke zurück in die Maschine, aber er hatte das schauderhafte Gefühl, dass er nicht schneller war, als es, wenn es darauf ankam. Aber vielleicht war er schnell genug, sich den Luftdruckschrauber zu greifen, den er neben der Öffnung auf den Boden gelegt hatte? Nicht, dass er damit jemanden ernsthaft verletzen konnte, aber Gott, er würde sich jetzt gern daran festhalten. Die Kreatur gab einen erstickten Laut von sich, der erbärmlich klang und gar nicht furchteinflößend und Naruto wandte zum ersten Mal den Blick ab von den scharfen Eckzähnen, die zwischen schwarzen Lippen hervorragten und bemerkte die dunkle Lache unter dem mit derselben Flüssigkeit verschmierten Körper. Das Wesen konnte sich kaum aufrecht halten und hatte zuvor ganz sicher gelegen... in seinem eigenen Blut. Und ganz plötzlich wirkte der hasserfüllte Blick verzweifelt und verängstigt. Die Kreatur war schwer verletzt und ohne einen Grund dafür benennen zu können, war er sich mit einmal sicher, dass es dieselbe war, wie im Treppenhaus. Naruto könnte fliehen und die Sicherheit verständigen, aber... Hatte Jiraiya nicht einmal gesagt, dass es das schmachvollste war für einen Mann, jemanden zu treten, der schon am Boden lag? Das Wesen fauchte warnend und glitt auf den Boden, weil es sein eigenes Gewicht nicht mehr halten konnte. Es sah so erschöpft aus und schwach. Naruto leckte sich die trockenen Lippen, etwas wie Mitleid wellte sich schmerzhaft in seinen Eingeweiden. „Also, hör zu. Wir machen einen Deal, ja?“ Die Kreatur starrte ihn misstrauisch an, zuckte minimal beim Klang seiner Stimme. Naruto hoffte, es klang nicht aggressiv in seinen Ohren. „Ich verschwinde jetzt und du machst dich dann auch vom Acker. Übermorgen komme ich wieder und wische die Sauerei weg. Und das war es dann für uns. Keine weiteren Treffen in Luftschächten und Treppenhäusern, okay?“ Das Wesen war den Bewegungen seiner Lippen aufmerksam gefolgt, aber Naruto war sich ziemlich sicher, dass es kein Wort verstanden hatte. Es musste schon seit Tagen durch die Maschinerie kriechen und Naruto packte mit vorsichtigen, langsamen Bewegungen die Wasserflasche in der Seitentasche seines Overalls. Er ging in die Hocke, schraubte sie auf und schob sie ein Stück weit dem Wesen entgegen. „Du hast sicher Durst und wir beide wissen doch, dass Blut trinken nicht gesund ist, hm? Ich lass die Flasche da und...“ Er kramte erneut in seiner Tasche. „Diesen Schokoriegel.“ Naruto riss die Verpackung auf und legte ihn neben die Wasserflasche. „Das ist mein letzter mit Nussgeschmack, also genieß ihn und schling ihn nicht einfach runter.“ Natürlich wusste er, dass sein Gerede sinnlos war, aber das Gebabbel beruhigte ihn und vielleicht auch die Kreatur, die ihn keine Sekunde aus den Augen ließ, aber sonst ruhig war. Er tastete nach seinem Werkzeuggürtel und löste das Erstehilfeset daraus, nur bestehend aus Desinfektionsmittel, einer wundschließenden Salbe und zwei Verbänden. „Das lass ich auch hier. Keine Ahnung, ob du damit etwas anfangen kannst.“ Das Wesen gab einen gedämpften Laut von sich, wie ein Gurren und Naruto nutzte die Gelegenheit und kroch in wahrer Zeitlupengeschwindigkeit rückwärts bis sein Fuß über den Lukenrand ins Nichts ragte. Dann schnappte er sich seinen Schrauber, war in Windeseile aus dem Schacht geklettert und schraubte die Luke wieder zu. Einfach nur weg. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)