Tage des Donners von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 2: no milk today ------------------------ Ryou hatte kaum Erinnerung an seine früheste Kindheit. Er wusste, dass er nicht in Amerika geboren worden war, sondern in Irland. Sein großer Bruder Bakura hatte ihm das erzählt, denn sie waren in die USA gekommen, als Ryou gerade mal ein Jahr alt war. Seine Mutter hatte nie gerne über ihre Vergangenheit in Irland gesprochen, denn ihre Tage dort waren erfüllt gewesen von der Angst um das nackte Überleben und Ryous Vater, ein Kämpfer der IRA mit Leib und Seele, verlor sein Leben eines Tages bei dem berühmten Rebellenaufstand am Starpoint und seine Mutter, als die starke Frau, die sie war, war nicht eingebrochen, auch wenn der Schmerz ihr nahezu den Verstand geraubt hatte, sondern hatte ihre beiden Söhne genommen und das kleine Mädchen, das sie unter dem Herzen trug und war nach Amerika gegangen, denn sie wusste, dass die Engländer jeden jagen würden, der in irgendeiner Form mit den Rebellen in Verbindung gebracht werden konnte und es nur eine Frage der Zeit war, ehe sie sie ausfindig machen würden. Ryou erinnerte sich nur noch daran, dass er eine ganz lange Zeit von seinem Bruder, der selbst gerade acht Jahre alt war, getragen worden war, er erinnerte sich an die Wärme und den schnellen Atem und an die Angst, aber auch an die Stärke. Früher hatte ihn Bakura immer beschützt, ihn und seine Mutter. Sie hatten den Vorteil gehabt, die Landessprache zu sprechen und Ryous Mutter fand sehr schnell eine Anstellung als Sekretärin, da sie zusätzlich fließend Spanisch und Französisch sprach – Ryous Großeltern, die zu diesem Zeitpunkt schon lange tot waren, hatten trotz der schweren Zeiten darauf bestanden, dass ihre Tochter Bildung erfuhr und die machte sich jetzt bezahlt. Ryou wuchs auf und lebte den American Way of Life, wie jedes andere Kind in seiner Umgebung, auch wenn er tief in seinem Inneren seine Wurzeln spürte und als Bakura ihm von der Nacht erzählt hatte, als ihr Vater starb, eine Erzählung für die er mit damals 3 Jahren noch viel zu jung war, zumindest in der Härte, in der Bakura sie auf ihn herniederschlagen ließ, hatte er gespürt, dass er eines Tages vielleicht dahin zurückkehren würde. Sie lebten eine Weile in New York, doch seiner Mutter hatte es dort nicht gefallen, denn die Sommer waren zu heiß und die Winter zu kalt und die Menschen zu egoistisch. Dann waren sie weiter in den Süden gegangen, als Ryou neun war, Amane 7 und Bakura im schlimmsten Flegelalter und hatten schließlich in Louisiana ihr Heim gefunden. Dort lebten sie eine lange Zeit und trotz Bakuras Eskapaden, denn er rauchte und prügelte sich und forderte jeden Idioten heraus, der zwei Köpfe größer war als er selbst, waren sie eine glückliche Familie. Irgendwie. Sie waren so lange glücklich, bis Ryous Mutter einen neuen Mann kennenlernte. Sein Name war Harry und Ryou mochte ihn nicht, während Amane vollkommen begeistert von der neuen Vaterfigur in ihrem Leben war, die sie vorher nicht gekannt hatte. Harry schlich sich in das Herz seiner Mutter und Bakura riss an dem Tag von zuhause aus, als sie ihre Verlobung bekannt gaben. Die Hochzeit wurde verschoben, weil Sharon untröstlich war und Bakura wurde schließlich drei Monate später wieder von der Polizei eingefangen, als er in ziemliche Schwierigkeiten mit ein paar Drogendealern geraten war. Es war das erste Mal, dass Sharon eines ihrer Kinder schlug. Dreimal mit der flachen Hand ins Gesicht, ehe sie ihn weinend an sich zog. Nicht, weil Harry sie daraufhin verlassen hatte, sondern weil sie das zweite Mal um den Verlust eines geliebten Menschen hatte fürchten müssen. Und dann verlor sie eines ihrer anderen Kinder. Amane, das stille, höfliche Mädchen mit den guten Manieren, das eigentlich vor gehabt hatte, wenn sie groß war, Jura zu studieren, wurde entführt oder ermordert oder was auch immer auf dieser Welt mit jungen Mädchen passierte, und galt von da an als vermisst. Sie tauchte nie wieder auf. Sharon zerbrach daran. Sie begann zu trinken und sie weinte viel. Bakura und Ryou trieben sich viel draußen herum. Bakura brachte Ryou das Rauchen bei und nahm ihn mit zu seinen Kumpels, weil er ihn nicht zuhause bei dieser Mutter lassen wollte, dabei wollte Ryou nichts anderes als eben dort zu sein. Es tat ihm weh, seine Mutter weinen zu sehen. Sie weinte viel und sie trank viel und einmal, da war Ryou früher von einer Party zurückgekommen, als Bakura, weil er sich nicht gut fühlte und da fand er seine Mutter in der Badewanne, mit einer Überdosis Tabletten und die Sanitäter konnten gerade noch so ihr Leben retten. Doch an diesem Tag war zum ersten Mal die knallharte Realität über Ryou hereingebrochen. Sharon machte einen Entzug und Ryou und Bakura kamen in getrennte Pflegefamilien. Und irgendwann war Bakura 21 und er hatte niemanden mehr, der sich um ihn scherte und ihm war das auch Recht gewesen, denn er hatte es immer gehasst, sich unterzuordnen. Ryou war zurück zur Mutter gegangen, als diese sich von ihrem Klinikaufenthalt erholt hatte und sie hatten wirklich schöne zwei Jahre gehabt, ehe das nächste Unglück über sie hereinstürzte, in Form eines Mannes der seiner Mutter das Herz stahl und es in tausend Teile brach. Und er schlug sie, weil sie so schwach gewesen war, sich in sie zu verlieben und Ryou wurde depressiv, begann sich herumzutreiben und ließ sich schließlich mit frisch 16 Jahren von irgendeinem Typen entjungfern, an dessen Gesicht er sich fünf Minuten später nicht mal mehr erinnerte. Mit 17 versuchte Ryou, sich umzubringen, indem er sich die Pulsadern aufschlitzte, doch er war nicht schnell genug gewesen, denn seine Mutter hatte ihn gefunden und man holte ihn zurück in die Hölle. Von da an, begann er Liebe zu suchen, darin war er seiner Mutter gar nicht so unähnlich geworden und er fand sie bei Männern, die kleine Jungs wie ihn lieb hatten, und irgendwann spürte er schon keinen Schmerz mehr. Ryou wusste nicht, was dazu geführt hatte, dass schlussendlich eine Sicherung in ihm durchgebrannt war. Eines Tages kam er nachhause im Morgengrauen und schon auf dem Hausflur hörte er ein gedämpftes Schreien in ihrer Wohnung. Er hastete hinauf, mit tausend Gedanken in seinem Kopf, doch als er die Tür schließlich aufstieß und sah, wie dieses Schwein sie vergewaltigte, da wurde ihm vor Wut schwarz vor Augen. Und er funktionierte nur noch. Als Ryous Wahrnehmung zurückkehrte, lag der Mann in einem See aus Blut und Ryou hielt einen schweren kristallenen Aschenbecher in der Hand. Er starrte darauf und er starrte seine Mutter an, die seinen Blick erwiderte und so viel lag darin, soviel Schmerz, und ihr Blick fragte ihn, wie es so weit hatte kommen können, doch er sagte nichts. Er ließ den Aschenbecher fallen, er war zu schwer um ihn lange mit einer Hand zu halten. Es war ihm egal, dass seine Fingerabdrücke noch drauf waren. Dann ging er in sein Zimmer und nahm sich eine Tasche. Packte ein paar Sachen zusammen, nahm sich Geld von seiner Mutter, die das stumm billigte und dann ging er einfach zur Tür hinaus, ohne sich einmal umzuwenden, ohne ein Wort des Abschiedes zu verlieren und verließ die Stadt. Er setzte sich einfach in einen Zug, sperrte sich dort auf dem Klo ein um der Ticketkontrolle zu entgehen und fuhr so lang, bis er das Endziel erreichte. Ryou kannte nichtmal den Namen dieser Stadt, doch die Menschen hier waren, wie überall anders, deshalb war es auch egal. Und dann … traf er den Mann, der ihm das Herz schlimmer brechen sollte, als all die anderen vor ihm. Ryou lief, seine Tasche geschultert durch die Straßen, ziellos, er hatte noch keine Unterkunft für die Nacht gefunden. Vielleicht schlief er einfach im Park, denn noch war es angenehm nachts draußen. Er rauchte seine letzte Zigarette. Danach würde er sich etwas einfallen lassen müssen. Er merkte schon bald, dass die Gegend, in der er unterwegs war, wohl nicht zu den allerbesten der Stadt gehörte und machte schleunigst, dass er weiter kam. Dann hörte er einen verzweifelten Schrei. Ryou wollte weitergehen. Er würde sich sicherlich nicht in Dinge einmischen, die ihn nichts angingen, oder die ihn sein eigenes Leben kosten konnten. Aber irgendwo war er immer noch ein Mensch. Seufzend und mit pochendem Herzen trat er nähe in die dunkle Gasse, aus welcher er den Schrei vernommen hatte. Sich im Schatten verborgen haltend blieb er schließlich stehen und sah drei Männer um eine hilflose Frau herum stehen, die auf dem Boden lag und die Hände schützend über den Kopf hob. Ryou erkannte, dass sie blutete. Einer der Männer sagte etwas, was das konnte Ryou nicht verstehen, doch was er sehr wohl verstand, war die Sprache, die die Pistole sprach. Ein durch Schalldämpfer lautloser Schuss wurde abgegeben, sie, in den Kopf getroffen sackte zusammen und Ryou konnte nur noch auf dieses intensive Rot starren. Er nahm nichts mehr um sich herum wahr. Nicht den Mann, der ihn nun plötzlich bemerkt hatte weil er sich nicht von der Stelle rührte, nicht den Regen der einsetzte. Er lief nicht weg, als der Mann auf ihn zukam, er hatte eine Glatze und unheimlich böse Augen, doch ehe er ihn erreichte, wurde Ryou zur Seite gestoßen, er prellte sich bei seinem Sturz schmerzhaft die Hüfte und dann bemerkte er verschwommen, wie aus dem Schatten hinter ihm mehrere Gestalten hervorstürzten und plötzlich war Ryou inmitten eines blutigen Bandenkampfes und er konnte nichts anderes tun, als sich mit schreckensgeweiteten Augen so weit wie möglich gegen die Wand zu pressen, denn beide Wege, die aus der Gasse herausführten, waren versperrt. Irgendwann hob er die Hände und presste sie sich auf die Ohren. Er kniff die Augen zusammen und wünschte sich, dass es endlich vorbei war. Ryou schrie auf, als ihn plötzlich jemand grob am Arm packte, und sah im nächsten Moment in das Gesicht eines dunkelhäutigen Mannes mit einer Narbe auf der rechten Wange und Haar, welches so schneeweiß war, wie sein eigenes. Sofort wurde ihm eine Hand auf den Mund gepresst und eine Klinge tauchte vor seinen Augen auf. „Schhh“, machte der Mann. Ryou verlor das Bewusstsein. Das Echo von Schüssen ließ Ryou aus dem Schlaf schrecken. Mit aufgerissenen Augen und rasendem Herzen lag er da und lauschte in die Dunkelheit. Da waren die Geräusche von Feiernden zu hören. Betrunkenes Gegröle, gelegentlich eine Flasche, die zu Bruch ging. Aber keine Schüsse. Keine Schreie und auch kein Blut. Mühelos wand Ryou sich aus der Schlinge heraus, die ihn an das Bettgestell hätte fesseln sollen. Langsam ließ er die Füße aus dem Bett gleiten. Seine Glieder schmerzten von der unbequemen Liegehaltung – mit einem leisen Stöhnen streckte er sich. Es war heiß hier drin. „Hätte mich auch gewundert, wenns in dieser Bruchbude eine Klimaanlage gegeben hätte“, murmelte der Junge vor sich hin. Er verspürte einen ziemlichen Durst. Blöderweise hatte er nicht die geringste Ahnung, was hier wo war und er hatte auch nicht wirklich Lust, zwischen betrunkene, gewaltbereite Männer zu geraten. Ryou ging zu dem einzigen Fenster des Raumes und spähte hinaus. Heruntergekommen, wie dieses Haus, das war zumindest das, was er erkennen konnte und, dass sie sich mindestens im sechsten Stock befanden. Wahrscheinlich hatten sie ihn hier eingeschlossen, weil sie glaubten, ihn so an einer Flucht hindern zu können. Ein zynisches Lächeln umspielte einen Moment die schmalen Lippen. Er musste ihnen ja nicht sagen, dass er das auch erstmal gar nicht vorhatte. Wenn die ihn hätten umbringen wollen, dann hätten sie es wohl schon längst gemacht und hier zu sein war besser, als auf der Straße zu schlafen. Der Blick der dunklen Augen wurde betrübt. Ryou war alleine. Ein Zuhause, in das er zurückkehren konnte, hatte er nicht. Nicht wirklich. Aber zumindest war er erst einmal in Sicherheit. Und wenn nicht, dann war ihm das auch egal. Es war sehr stickig in dem kleinen Raum und es roch nach Moder und alten Möbeln, auch die Tapete wellte sich bereits von den Wänden, aufgrund der Feuchtigkeit. Etwas mühselig versuchte Ryou das Fenster aufzubekommen, welches irgendwie klemmte. Kurz darauf kam ihm ein Schwall laue Nachtluft entgegen. Wirklich frisch war die Luft hier nicht, aber immer noch erträglicher als in einem geschlossenen Raum dieser Art. „Gott, was gäbe ich jetzt nicht für eine Kippe“, seufzte Ryou und stützte die Unterarme am Fenstersims ab. „Glückwunsch, mein Kätzchen, du hast es geschafft, dich von deinen Fesseln zu befreien…“ Ryou wirbelte herum, wobei er die Hand auf die Brust presste. Im Dunkeln erkannte er nur das glühende Ende einer Zigarette aus Richtung der Türe und die Silhouette eines relativ großen Mannes. Er kniff die Augen zusammen und versuchte, die Identität des Mannes auszumachen. Der Stimme nach zu urteilen musste es sich um denjenigen handeln, der ihm das Messer vors Gesicht gehalten hatte. Ryou versuchte, sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen – ein Umstand, der dem Mann keinesfalls verborgen blieb, wie er amüsiert feststellte, als er sich aus seiner Position im Halbschatten der Türe löste und langsam auf den Jungen zuging. Die schweren Stiefel verursachten ein bedrohliches Geräusch auf dem hölzernen Boden. Er blieb direkt vor dem Jungen stehen, welcher, da er sich umgedreht hatte, das Fenstersims nun im Kreuz hatte. Silberweißes Haar, ein fahler, weicher Glanz. Akefia blies ihm Zigarettenrauch ins Gesicht. Ryou blinzelte nicht einmal, obwohl der Rauch ihm in den Augen brannte. Die Augen schließen, das war irgendwie immer so ein Zeichen von Schwäche. „Sie waren nicht besonders fest“, sagte Ryou mit samtener Stimme, „Wer auch immer das gemacht hat, vielleicht solltest du ihm beibringen, wie man sowas richtig macht.“ Der Mann hob die Hand, setzte sie an die weiche Wange und ließ ein paar Haare durch die Finger gleiten. Seidig. Ob er wohl auch so gut roch, wie er sich anfühlte? Der Mann leckte sich über die Lippen und antwortete: „Vielleicht mache ich es aber auch das nächste Mal einfach selbst. Wie ist dein Name?“ „Was bekomme ich dafür, wenn ich ihn dir verrate?“ „Hn…“ Ein Grinsen, doch das Grinsen verlosch erschreckend schnell, wie es gekommen war, als Ryou seinen Kopf mit einem heftigen Ruck zur Seite gerissen fühlte, sodass er leicht aufkeuchte und ihm zwangsläufig die linke Seite seines Halses präsentierte. Fasziniert beobachtete der Mann einen Moment, wie anmutig sich die Brust in aufgeregten Atemzügen hob und senkte – er war ihm ausgeliefert. Der Versuchung widerstehend, die Lippen auf den empfindlichen Hals zu pressen, kam er dem Ohr des Jungen ganz nahe: „Nun, zuerst einmal könnte es natürlich sein, dass ich dich nicht allzu schlecht behandele, wenn du mir gehorchst. Vielleicht sage ich dann meinen Jungs, dass sie die Finger von dir lassen sollen und damit würde ich dir einen sehr großzügigen Gefallen tun, was ich eigentlich nicht nötig habe. Du hast die Wahl.“ Mit einem Ruck ließ er Ryou wieder los, sodass dieser leicht gegen das Fenstersims sank und sich, den Mann, der orientalischer Herkunft schien, anstarrend dort abstützte. „Ryou“, sagte er schließlich. Der Mann nickte. Das passte. Ein schöner Name für einen schönen Knaben. „Nun denn, Ryou“, nahm er den Faden wieder auf und stützte die Hände lässig seitlich von Ryou auf dem Fenstersims ab, sodass dieser sich inzwischen so weit zurück beugen musste, dass ihm das Kreuz davon wehtat. „Man nennt mich Akefia. Und ich fürchte, du bist da in eine unschöne Sache hineingeraten für die ich keine Zeugen gebrauchen kann.“ „Ist das so“, murmelte Ryou, während Akefia mit dem Gesicht tiefer glitt und der Versuchung schließlich nicht mehr widerstehen konnte, die Nase seitlich in Ryous Haaransatz zu vergraben. Ein ungewollter Schauer überrollte seinen Körper. Wie konnte ein Junge, wie Ryou so verführerisch gut riechen? Er roch nach bittersüßer Unschuld und gleichsam nach tödlichem Gift. Wie ein Engel. Gott, er wollte ihn haben! In Akefias Kehle grollte es, wie bei einem Tier. Verdammt, was fiel diesem kleinen Biest eigentlich ein? Ihn von einem Schlag auf den anderen so zu entwaffnen, dass er ihm außer seiner tumben Geilheit nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Oder war es nur der Alkohol, der ihn dazu verleitete, nur noch auf seine niederen Instinkte zu hören? Mit einem Ruck, der seine ganze Selbstbeherrschung erforderte, wandte er sich von Ryou ab, welcher sich erleichtert wieder in eine aufrechte Position bemühte. Die Zigarette in seiner Hand war zur Hälfte verglüht. Er aschte ab und versuchte, seinen Ständer zu ignorieren. Ob sein Blut wohl auch so süß schmeckte? Solche Gedanken waren nun nicht gerade förderlich. Von diesem kurzen, inneren Konflikt hatte Ryou wohl nichts bemerkt, wohl aber hatte er die Härte gespürt, die sich kurz gegen seine Hüfte gepresst hatte. Und genau dieses kleine Anzeichen reichte ihm. Er hatte also etwas, das er zu seinem Schutz ausspielen konnte, etwas, das ihm, seit er damals von zuhause abgehauen war, schon oft den Arsch gerettet hatte. Damit hatte er schon oft verhindert, bei Wind und Wetter auf der Straße schlafen zu müssen. „So, ich sag dir jetzt mal, wie das hier läuft“, nahm Akefia den Faden wieder auf, die Stimme klang gewohnt eisig, nichts ließ mehr auf das akute Verlangen schließen, das ihn soeben überfallen hatte. „Ich kann dich nicht laufen lassen, solange ich nicht sicher sein kann, dass du uns nicht irgendwo öffentlich mit diesem Mord und der Messerstecherei in Verbindung bringst. Dieses Haus hier wird für einige Zeit vielleicht das einzige sein, das du zu Gesicht bekommst, also solltest du dich schonmal daran gewöhnen. Ich hab meine Männer nicht zur Freundlichkeit gedrillt, also hab bloß keine besonders hohen Erwartungen. Dinge von denen ich nicht sonderlich begeistert bin sind Fluchtversuche, Missachtung meiner Anordnungen und Respektlosigkeit. Wenn du dich unterordnest, dann hast du hier nicht das schlechteste Leben. Und vielleicht…“, fügte Akefia mit einem anzüglichen Grinsen hinzu, „bin ich auch gewillt, es dir ein wenig leichter zu machen, wenn du mir gelegentlich ein paar Sonderleistungen erbringst.“ Kein Platz für Fehlinterpretationen. Ryou lief ein leichter Ekelschauer über den Körper beim Gedanken daran, mit diesem Akefia zu schlafen, aber er wusste sehr wohl, dass es früher oder später keinen Weg daran vorbei gab. Nur all zu leicht würde er es ihm nicht machen. Damit würde er sich ja ins eigene Fleisch schneiden. Den Kopf leicht schief legend, erwiderte Ryou: „Geht klar, Boss. Nur eine Sache wäre da noch, auf die ich bestehen muss.“ Akefias linke Augenbraue zuckte in die Höhe. Mutig war der Kleine ja, auch noch Ansprüche zu stellen – aber es interessierte ihn, was er zu sagen hatte. „Welche da wäre?“ „Ich brauch Klamotten. Wirklich, ich laufe seit mehr als 48 Stunden in denselben Sachen rum und habe absolut nichts bei mir.“ „Morgen“, kommentierte Akefia und er hielt Wort. Tatsächlich verbrachte Ryou ein ganzes Jahr bei Akefia. Schon bald schien der Bandenchef ihm zu vertrauen, denn er spürte wohl, dass Ryou sich zu ihm hingezogen fühlte und Akefia fand bald Gefallen daran, Ryou als sein persönliches Betthäschen zu halten. Es hätte sehr viele Möglichkeiten gegeben, Akefia zu entkommen, doch die stärkste Fessel, die er ihm anlegen hatte können, war, ihm das Gefühl zu geben, dass er ihn liebte. Etwas, das er vor seinen Männern nie zeigte, aber, wenn sie es miteinander trieben, wenn sie alleine waren, dann war es wundervoll und es gab Momente, da war Ryou wirklich glücklich, obwohl er mit Verbrechern zusammenlebte, obwohl er selbst gegen das Gesetz verstieß, sogar manchmal für Akefia anschaffen ging – dass er ihm nur die angenehmen Kunden gab, sah Ryou als einen Liebesbeweis, denn Akefia hatte viele Nutten und Stricher, die für ihn arbeiteten und bei denen war es ihm scheißegal, wenn sie am nächsten Tag aufgeschlitzt im Rinnstein aufwachten, denn Nachschub fand er immer irgendwo, wo das Elend der Welt besonders groß war, würde sich das auch niemals ändern. Akefia hatte eine ganz eigene Art, Ryou zu bezaubern und Ryou verlor sich fast selbst, in dem Bestreben, Akefia zu Willen zu sein, ihm zu gefallen, alles für ihn zu tun, weil er sich ihm freiwillig unterwarf und somit unter seinem Schutz stand und irgendwann genoss er sogar viele Freiheiten den anderen Mitgliedern der Gang gegenüber und er wurde akzeptiert und keiner wagte es, ihn anzurühren. Sein Leben war nicht perfekt, aber er konnte leben, es war okay, er spürte in diesem Jahr, was es hieß, wenn man Leidenschaft empfand, wenn einem Leidenschaft geschenkt wurde und wäre die Razzia nicht gewesen, denn sie waren hinter Akefia schon lange her, dann wäre er vielleicht bei ihm geblieben. Sie kamen in der Nacht, Ryou lag mit Akefia im Bett, sie hatten Sex gehabt in der Hitze der Sommernacht, sie jagten sie mit Maschinenpistolen aus dem Bett und in dem Moment als er nackt vor einem Polizisten stand, der eine Automatikwaffe auf ihn hielt hatte er mehr Angst, als er sie jemals in seinem Leben zuvor empfunden hatte, sie nahmen ihn fest und zerrten ihn von Akefia weg, Ryou schrie und sie wähnten ihn wohl als einen der Stricher, die Akefia hielt, sie zerrten ihn von Akefia fort und Akefia schenkte ihm einen langen intensiven Blick, sagte nichts, doch in dem Blick sah Ryou die Botschaft, dass er abhauen sollte, fortgehen und nie wieder kommen, wenn er nicht in den Jugendknast, oder sonst wohin wollte. Das war der letzte und vielleicht einzige wahre Liebesbeweis, den er ihm erbrachte. Sie zerrten ihn in ein Polizeiauto und brachten ihn aufs Revier, während Ryou Schüsse noch im Wegfahren hörte – die Polizistin, die mit ihm hinten im Wagen saß, brabbelte beständig auf ihn ein, doch er hörte er nicht zu. Wieder einmal stand er vor einem Nichts in seinem Leben. „Scheiße, was zur Hölle fang ich jetzt nur mit dem kleinen Pisser an“, fluchte Akefia halblaut und setzte kurz darauf eine Flasche Bier an, um ein paar kräftige Züge daraus zu trinken. Dabei wanderte sein Blick zu dem weißhaarigen Jungen, der wie bestellt und nicht abgeholt und in sich zusammengesunken da auf der Couch saß und ins Leere starrte. Sie hatten ihn nichtmal fesseln müssen. Scheinbar stand er noch unter Schock. Eigentlich kein Wunder, immerhin war man nicht jeden Tag Zeuge eines so blutigen Bandenkrieges. Fast schon tat er ihm ein bisschen Leid. Er sah noch so jung aus. „Hast du inzwischen eine Ahnung, wer uns die Kerle auf den Hals gehetzt hat?“ Hands, welcher ihm diese Frage gestellt hatte, war inzwischen zurückgekehrt. Zusammen mit einem der anderen hatte er Schutzgelder kassiert. Sie waren hier im Viertel berüchtigt, Akefia bezeichnete es ganz gerne als eine parasitäre Co-Existenz. Er und seine Leute kassierten die Kohle dafür, dass sie das Viertel sauber hielten. Zumindest auf Akefias Art. Nicht, dass die Geschäftsbesitzer eine großartige Wahl gehabt hätten, aber es war besser, als der Terror. Und für Akefia und seine Leute lebte es sich auf diese Weise nicht schlecht. Die Starken fressen die Schwachen. Das war doch schon immer so. Akefia hob träge den Kopf und wandte seinen Blick von dem Jungen ab. „Hab dir doch schonmal gesagt, dass ich keine beschissene Ahnung hab“, knurrte er schulterzuckend und ließ die Nägel gereizt an der Flasche trippeln. „Warum so pissig?“, erwiderte seine rechte Hand und griff sich ebenfalls eine Flasche Bier. „Das kannst du dir doch denken, oder?“, knurrte Akefia leise und ruckte mit dem Kopf in Richtung Ryou, der bisher nicht einmal aufgesehen hatte. „Ich hab dir gleich gesagt, dass du ihn vor Ort hättest abknallen sollen. Wär doch eh nicht mehr aufgefallen“, entgegnete Hands, welcher nach Akefia in der Hackordnung am höchsten stand, schulterzuckend, wonach er die Flasche ansetzte und ebenfalls ein paar Schlucke trank. „Und ich hab dir schon tausendmal gesagt, dass ich keine Unschuldigen da mit reinziehe“, erwiderte Akefia leicht gereizt. Ursprünglich war das tatsächlich sein Plan gewesen. Aber diesen Plan hatte er relativ schnell wieder verworfen. Irgendetwas an diesem Jungen hatte sein Interesse geweckt. Nein, es war etwas in seinem Blick gewesen. Die Augen, die ihn so voller sanftem Unglauben angeblickt hatten, ehe sie dann erloschen waren. Es war nicht das Blut gewesen, denn Blut hatte er schon oft gesehen. Warum war er geblieben, er hätte doch während des Scharmützels genug Zeit gehabt, um zu fliehen? War es wirklich nur der Schock? Abermals ruhten die dunklen Augen auf dem Jungen. Er wirkte viel unschuldiger, als er wahrscheinlich war. „Nein, ich denke, dass ich ihn eine Weile behalten werde. Vielleicht probier ich ihn mal aus.“ Aber so hart war Akefia nicht, war er nie gewesen. Er würde die Verantwortung für ihn übernehmen und ihn zu seinem Besitz machen. Akefia hatte kein Herz, doch das, was da ihn ihm war, wurde durch die wenigen Stunden, die er alleine mit diesem Jungen war, erwärmt, ohne, dass er es wollte. Irgendwann dachte er sogar daran, aufzuhören und mit ihm wegzugehen. Aber die Polizei kam ihm zuvor. Auf dem Revier sorgte man dafür, dass er etwas zum Anziehen bekam und ehe man ihn befragen konnte, gab er vor, auf die Toilette zu müssen und in Wahrheit verschwand er aus dem Toilettenfenster, es war ihm egal, dass er sich bei dem Sprung den Knöchel verstauchte und sich das Handgelenk prellte, er wollte nicht bei diesen Menschen bleiben – sie hatten ihm früher nicht geholfen, als er Hilfe gebraucht hätte und jetzt wollte er nicht zum Gefangenen ihrer Selbstgefälligkeit werden. Ryou lief, nein, er rannte, er rannte, bis er im Morgengrauen an den Stadtrand kam und da fuhr er dann per Anhalter irgendwohin. Auf einem Parkplatz fragte er einen Trucker, ob der ihn mitnehmen würde. Der sagte ja, würde er, wenn er ihm im Gegenzug einen blies. Ryou tat es, es war ihm egal. Sie fuhren in den Süden. Durchquerten Louisiana und Texas und New Mexico und in New Mexico war das Ziel des Truckers und weiter wollte er ihn nicht mitnehmen. So kam es nun, dass Ryou dreckig und abgemagert und verloren auf der großen weiten Welt auf der Stufe vor einem Bistro saß und Kreise in den Staub zu seinen Füßen malte und nicht wusste, wo er hinsollte. Er war alleine, er hatte niemanden mehr. Plötzlich sehnte er sich nach einem Zuhause. Nach der Familie, die er verloren hatte, nach seiner Schwester, an deren Gesicht er sich kaum noch erinnerte, weil er es verdrängt hatte, nach seinem Bruder, der ihn früher immer beschützt, nach der Mutter, die ihn in den Schlaf gesungen hatte, als er noch klein war, nach Akefia, der sein Herz in Flammen geworfen hatte, wie nie ein Mensch zuvor und plötzlich sehnte er sich wieder nach dem Tod. Ryou hob den Blick. Er sah in einiger Entfernung die Autos vorbeirauschen. Dann stand er auf und ging darauf zu, auf die Schemen, die immer mehr verschwammen. Wann hatte er das letzte Mal gegessen? Getrunken? Die Hitze hier war unerträglich. Hätte ihn nicht die Frau aus dem Bistro plötzlich am Arm gepackt und mit hineingezerrt von wegen, was er denn da bitte vor habe, hätte er sich einfach auf den Highway auf die LKW Spur gestellt und gewartet, bis ihn der nächste erwischt und ihn zu einem Schmierstreifen an Blut und Eingeweiden auf dem Asphalt gemacht hätte. „Ich kann nicht bezahlen…“, stammelte Ryou zusammenhanglos, während sie ihn sanft auf eine der geflickten Bänke bugsierte. „Das lass mal meine Sorge sein“, sagte sie gutmütig im feinsten Südstaatenakzent und stellte ihm im nächsten Moment ein Glas eiskaltes Wasser mit Zitrone hin. „Ich mach dir mal was zu essen. Du siehst aus, als hättest du seit Wochen nichts Anständiges gehabt.“ Wenig später brachte sie ihm einen Teller Pfannkuchen mit Ahornsirup und das war das Allerköstlichste, das er je gegessen hatte. „So, und nu erzähl mal, was willst du so alleine da draußen, hm?“, sagte die Frau namens Peggy mütterlich und blickte ihn mit schiefgelegtem Kopf an. Er zuckte mit den Schultern und fand keine Worte. „Ich weiß nicht wer ich bin und wo ich hinsoll, Ma’m.“ Sie legte ihm den Arm um die Schultern. „Kleiner, bist du nicht Bisschen zu jung um zu reden, wie ein alter Trucker, der 30 Jahre seines Lebens auf der Straße verbracht hat?“ Ryou brachte ein schwaches Lächeln zusammen. Die Frau schien sich aufrichtig für ihn zu interessieren und das nicht nur, weil er sexuelle Gefälligkeiten bieten konnte. Und dann erzählte er ihr ihre Geschichte, es floss aus ihm raus, genauso, wie die Tränen und schließlich heulte er sich die Seele aus dem Leib, das Gesicht an den drallen Busen dieser Frau gepresst, die ihre anderen Gäste stehen und ihn einfach nur weinen ließ, so lange er wollte und als die Tränen endlich begannen, zu versiegen, sagte sie zu ihm: „Ich hab eine Cousine, unten in Texas - hat so zwei Stunden von Dallas entfernt in einer Kleinstadt, wo ich den Namen vergessen hab ne Bar, die ziemlich gut läuft, soweit ich weiß, sucht sich gerade wieder zuverlässige Leute. Sie sucht eigentlich immer Leute, aber wenn du willst, ruf ich sie mal für dich an, du könntest sicher für sie arbeiten und im Gegenzug dafür eine feste Unterkunft kriegen. Mai ist ein gutes Mädchen, man kann sich auf sie verlassen.“ Ryou nickte. Das klang okay. Texas. Wieso auch nicht. Peggy ging telefonieren und wenig später kam sie mit einem breiten Grinsen zurück. „Gute Nachrichten. Sie ist einverstanden. Hat zwar ne harte Schale, aber immer ein Herz für verlorene Schäfchen. In zwei Tagen fährt soweit ich weiß einer nach Texas runter bis nach Dallas. Von da aus kannst du einen Weitstreckenbus nehmen.“ Sie gab ihm sogar Geld dafür und behielt im Gegenzug seine unendliche Dankbarkeit und ein bisschen Vertrauen in die Menschen zurück. Peggy ließ ihn bei sich übernachten und in der zweiten Nacht schlief er mit ihr, das erste Mal mit einer Frau und dass sie 35 war und er frisch 18 Jahre störte sie nicht. Frauen waren heiß in ihrem Inneren und von einer ganz anderen Leidenschaft als Männer, doch Ryou waren die Männer trotzdem lieber. Zwei Tage später nahm ihn ein Trucker mit, vom dem Peggy sagte, man könne ihm vertrauen und sie küsste ihn zum Abschied auf die Wangen und rang ihm das Versprechen ab, anzurufen, wenn er angekommen war. Ryou war es sehr wichtig, sein Versprechen einzuhalten. Die Reise verlief ohne Komplikationen, auch wenn die Hitze in dem Bus, in dem die Klimaanlage ausgefallen war, unerträglich war. Etwas unsicher stand er am Bahnhof herum – die Beschreibung von Peggy: Blonde Haare, groß, schlank, traf auf ziemlich viele Amerikanerinnen zu – als er seinen Namen hörte. Er wandte sich um. „Du musst Ryou sein.“ Langes blondes, wallendes Haar, die Kleidung wie ein Cowgirl und ein Kaugummi im Mund, die Kiefer bewegten sich beinahe unentwegt, auf dem Kopf trug sie einen weißen, benutzt aussehenden Cowboyhut. Sein Blick fiel auf ihre Brüste, welche sie mit einem Korsettähnlichen Oberteil zusammengeschnürt hatte und er errötete leicht. „Ja, hallo. D-danke, dass Sie mich bei sich aufnehmen, Ma’m, das ist wirklich-“ Sie lachte und schlug ihm kameradschaftlich auf die Schulter, „Na, das Förmliche gewöhn dir mal schnell wieder ab, da fühl ich mich noch älter mit meinen 28 Jahren.“ Er lächelte erleichtert. Sie schien nett zu sein und vor allem ehrlich, das hatte er im Gefühl. Mai führte ihn zu einem alten Jeep und während sie fuhren meinte sie: „Ein Freund von mir hat gesagt, dass du erstmal bei ihm wohnen kannst, wenn du möchtest. Er hat ein paar Jahre mit seiner Freundin zusammen gelebt, doch die hat ihn sitzen lassen und ich glaube, er ist ein bisschen einsam. Ich bezahle so gut ich kann und an guten Abenden gibt’s gutes Trinkgeld. Wenn du anpacken kannst, dann wirst du hier kein schlechtes Leben führen.“ Sie erzählte ihm noch ein bisschen von der Stadt und von den Leuten und vom Wetter und von allem, was sie glaubte, das wichtig sei und am selben Abend machte sie ihn dann mit Malik Ishtar bekannt. Malik Ishtar war zwei Jahre älter als er und absolvierte gerade das letzte Jahr auf der Polizeischule, und Ryou versuchte wirklich mit aller Macht, diesen jungen Mann nicht attraktiv zu finden, das waren sicherlich keine guten Voraussetzungen, zum Zusammenziehen. Allerdings waren sie sich vom ersten Augenblick an sympathisch. Ryou spürte das erste Mal wieder so etwas wie Vertrauen und Rückhalt bei einem anderen Menschen und als sie an diesem ersten Tag nachhause kamen und Malik Ryou das Zimmer zeigte, in dem er von nun an leben würde, ließ Ryou das Rolleau herunter, zog zusätzlich noch die Gardinen zusammen, schloss die Türe und schlief dann ganze zwei Tage am Stück durch. Als er wieder aufwachte, fühlte sich Ryou herrlich ausgeruht, wie schon lange nicht mehr. Da Malik nicht da war, machte er sich auf eigene Faust in der Wohnung auf Erkundungstour, da er sich nach einer Dusche sehnte. Während er unter der Dusche stand, hörte er nebenbei, wie die Haustür klickte, Malik kam zurück. Als er wenig später aus dem Bad kam, in einen Bademantel gewickelt, der nicht ihm gehörte, und in die Küche trat, sah er, dass Malik gerade Frühstück machte. „Hm, das riecht gut“, nuschelte Ryou und sein Magen knurrte sehnsüchtig bei dem Geruch von frischem Omelette. Malik wandte sich um. „Du bist total abgemagert, Mai hat gemeint, ich soll dich eine Woche mästen, ehe du zur Arbeit antrittst.“ Ihr Wort in Gottes Ohr. Ryou war früher immer ein guter Esser gewesen, doch die Zeiten ohne Zuhause hatten ihre Spuren an seinem Körper hinterlassen. „Tut mir leid, dass ich mir einfach deinen Bademantel genommen hab“, sagte Ryou schließlich verlegen, als er sich an den Tisch plumpsen ließ. „Ich hab überhaupt keine Klamotten bei mir …“ „Ist schon okay“, erwiderte Malik mit einem schiefen Grinsen. „Der gehört meiner Ex.“ „Ups.“ Malik lachte, „Halb so wild, sie ist schon seit einem halben Jahr weg, ich bin nur noch nicht dazu gekommen, ihre Sachen wegzuschmeißen.“ „Achso…“ Da wurde Ryou das erste Mal bewusst, dass er noch nie in seinem Leben eine richtige Beziehung geführt hatte. Immer nur dieses Treiben von einem Mann zum nächsten. Sich binden? Das wäre irgendwie schön. Aber es machte ihm auch Angst. „Bist du jetzt erst nachhause gekommen?“, fragte Ryou, während er das Essen in sich hinein schlang, als hätte er wochenlang nichts gehabt. „Ja, ich war mit einem Kollegen auf Streife, ich darf jetzt öfter nachts ran, weil es mein letztes Ausbildungsjahr ist und nachts ist halt am meisten los, da kann ich auch am meisten lernen.“ Sie unterhielten sich über Maliks Arbeit, dann erzählte auch Ryou ein bisschen was von sich und in kürzester Zeit baute sich ein angenehmes Vertrauen zwischen den beiden auf. Malik zeigte Ryou in den nächsten Tagen die Stadt und stellte ihn ein paar Leuten vor und irgendwie wirkte hier alles so friedlich für Ryou, wie in einem Märchen, die Großstädte, die er gekannt hatte, waren voller grausamer Härte gewesen, doch hier war das anders. Hier spürte man Zusammenhalt, hier war er willkommen, hier nahm man ihn auf und er fühlte sich geborgen. Die Arbeit, die er dann eine Woche nach seiner Ankunft bei Mai antrat, war in der ersten Zeit wirklich hart, da sie sehr hohe Ansprüche an ihre Mitarbeiter hatte, aber er fand sich ein und begann, sich hier wohlzufühlen. Er lernte die Menschen kennen, fand Freunde, auch wenn er bis auf Malik niemanden wirklich näher an sich heran ließ, diesen Schutzmechanismus konnte er niemals ganz ablegen. Und irgendwann geschah es dann, dass Malik sich in ihn verliebte. Ryou hatte es lange Zeit nicht bemerkt, vor allem nicht, da er der felsenfesten Überzeugung war, dass dieser Kerl hetero war und Malik sprach es auch nicht direkt aus, doch man merkte es irgendwann in seiner Art, mit Ryou umzugehen. Ryou erbarmte sich schließlich irgendwann und tat den ersten Schritt, küsste ihn und Malik wirkte dabei so unbeholfen, weil er einem anderen Jungen noch nie auf diese Weise nah gewesen war, dass Ryou es schon als niedlich empfand. Und Ryou legte sich schließlich auf den Rücken vor ihm und sagte ihm, was genau er machen musste und entjungferte Malik schließlich auf diese Weise und sie hatten wunderschönen Sex, es war auch für Ryou eine ganz neue Erfahrung, da Malik nicht so grob war und sich die allergrößte Mühe gab, ihn zu befriedigen, was er so nie gekannt hatte. Danach war Malik offenbar von seinen Gefühlen für ihn geheilt, doch war es ein Schlüsselerlebnis gewesen, das er gebraucht hatte, endlich zu schnallen, dass er eigentlich schwul war. Oder beidseitig gepolt. Oder was auch immer. Ryou wollte hier nicht mehr fort. Denn es fühlte sich im Laufe der Jahre an, wie Zuhause. Und an sein altes Leben dachte er kaum noch. Das gehörte der Vergangenheit an, er würde nie wieder dorthin zurückkehren. Und so erfuhr er nie, dass er den Mann, den er niedergeschlagen hatte, nicht getötet hatte. Er erfuhr nie, dass sein großer Bruder Bakura eine Woche nachdem er von zuhause abgehauen war, die ganze Stadt nach ihm abgesucht hatte, weil er sich daran erinnert hatte, einen kleinen Bruder zu haben. Er erfuhr auch nie, dass seine Mutter sich das Leben nahm und was er auch nicht erfuhr war, dass … seine kleine Schwester lebte. How could they know just what this message means The end of my hopes, the end of all my dreams How could they know the palace there had been Behind the door where my love reigned as queen ~ No milk today, it wasn't always so The company was gay, we'd turn night into day. (Herman's Hermits) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)