Die Märchen der Caterina Burmingham von Daikotsu (Märchen von heute) ================================================================================ Kapitel 1: Das moderne Aschenputtel ----------------------------------- Es war einmal... So fingen doch alle Märchen an. Wie sehr sie sie liebte. Eine junge Frau ging durch die überfüllten Straßen der Stadt. Diese riesige Stadt, dessen Bewohner im Vergleich zu den Häusern wie Ameisen wirkten. Wie in einem Modell, wo man kleine Figuren nutzte, um mit ihnen spielen zu können. Doch das war auch schon das Einzige, was sie fantastisch fand. Von Märchen war hier keine Spur. Mit einem Päckchen unter dem Arm lief sie mit eiligen Schritten zu einer Kreuzung und beobachtete eine etwas ältere Dame, die zu viel eingekauft hatte und schon krumm lief. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie vorsichtig und schenkte der Dame ein Lächeln, als diese mitten auf der Straße stehen blieb und zu ihr aufsah. Das Mädchen war schon nicht wirklich groß, doch neben der Greisin wirkte sie wie ein Riese. Die Dame bedankte sich und übergab der Brünetten einige Tüten, ehe sie zusammen zu einem Wohnblock gingen, an dem sie sich erst jetzt wieder trennten. Immer wieder bedankte sich die Grauhaarige, doch das Mädchen winkte ab. Als ob das nicht selbstverständlich gewesen wäre. „Es lag auf den Weg! Einen schönen Tag noch!“ Nun musste sie sich aber beeilen. So schnell sie konnte, lief sie zu dem weiß gestrichenen, hohen und mit Stuck verzierten Gebäude, ehe sie in den Fahrstuhl stolperte und hastig den Knopf zum obersten Stockwerk drückte. Kaum war sie zur Tür gerannt und hatte sie aufgeschlossen, hörte sie bereits eine schrille Stimme. „Caterina! Wieso sind die Betten noch nicht gemacht? Und wo sind die Kaviarhäppchen?!“ Seufzend drehte sich die Brünette von der sich schließenden Tür und eilte ihrer Stiefmutter entgegen, um ihr kurz darauf das Paket in die Hände zu drücken. „Verzeihung.“ „Zu was bist du eigentlich zu gebrauchen? Priscilla und Meredith kommen gleich von der Maniküre! Sollen sie etwa hungern? Sie sollen ja nicht solche Hungerhaken wie du werden!“ Caterina seufzte. Seit ihr Vater bei einem Autounfall gestorben war, war Clarissa die Erbin des Vermögens ihrer kleinen Familie geworden. Ihr Vater war ein ehrbarer Mann gewesen. Er hatte für das Geld, was er hatte, hart gearbeitet. Angefangen mit einem kleinen Cupcake-Laden in einer Seitenstraße. Bis hin zu einer Geschäftskette. Keine Cupcakes waren besser in New York. Jeder redete von ihnen und es brachte ihm das große Geld. Heute war ihre Stiefmutter die Besitzerin. Ja, sie hatte sogar seinen Namen durch ihren auf den kleinen Päckchen, die sie zusammen mit ihm designt hatte, geändert. Wie sie sagte, 'aus reiner Nächstenliebe', durfte sie weiter in dem Apartment leben. Doch ab und an dachte sie eher, dass sie die kostenlose Putzfrau und Dienerin war. Wie sehr sie es hasste. Sobald sie alt genug wäre, würde sie von hier verschwinden und ihren eigenen kleinen Cupcake-Laden eröffnen. In einem kleinen Büchlein hatte sie viele Ideen und Skizzen niedergeschrieben. Sie würde ihren Vater nicht enttäuschen. Seufzend trat sie in die offene Küche und holte schließlich den Kaviar, um ihn anzurichten. „Wir sind wieder daahaa!“, ertönte die hohe Stimme von Priscilla. Die Wasserstoffblondine, die wohl vor kurzem wieder bei ihrer wöchentlichen Botoxbehandlung gewesen war, trat mit der toupierten und ebenfalls falschen Schwarzhaarigen, deren falsche Brüste fast aus dem Top sprangen, durch die Tür. Die riesengroßen Sonnenbrillen verdeckten ihre Augen, die wahrscheinlich von den vielen Partynächten wieder denen von Zombies glichen. Kurz schmunzelte Cat bei dem Vergleich. „Was guckst du so blöd? Bring uns lieber unseren Kaviar.“ Mit einem leisen Seufzen machte sie sich weiter an die Arbeit. Ihre Guccitaschen stellten sie auf den Boden und setzten sich auf die pompöse Couch, um sich ein Glas Prosecco bei ihr zu 'bestellen'. „Sofort...“, murmelte die Brünette leise und nahm mit einem Löffel etwas von den Fischeiern, um sie anzurichten. Währenddessen sprachen ihre Stiefschwestern weiter. „Nick Jacobson schmeißt heute Abend eine Party! Und rate mal, wer eine Einladung ergattert hat. Man muss nur die richtigen Kontakte haben.“, sagte Meredith und lächelte. Clarissa indes setzte ein. „Jacobson? Wie von 'Jacobsons Pastries and more'? Der Jacobson?” Priscilla nickte erfreut. Clarissa fiel aus allen Wolken, während Caterina die Häppchen brachte. “Seit sie diese Whoopie Pies und die Cake Pops herstellen, sind die doch Millionäre, oder?” Priscilla nickte aufgeregt, während Meredith wieder sprach. “Ich weiß, dass er die Konkurrenz ist, aber... wir hörten, er sei wieder Siiiingleee.” Wie sie das Wort vor sich her sang. Ekelhaft. Gleichzeitig nahmen sich die Damen ein Sektglas von ihr und nippten daran. “Stell dir das mal vor, wenn ich seine Freundin werden würde! Wir könnten unsere Firmen vereinen. Ich meine, wir werden berühmt und noch reicher.” Meredith nickte. “Sehr gut!”, wisperte Clarissa. “Oh, ich rufe Cloudelle an! Sie soll eure Frisur heute Abend übernehmen! Ich bin gleich zurück!” Mit diesen Worten verschwand sie auch schon mit ihrem Smartphone im nächsten Raum und bestellte ihre Stammfriseurin, die wohl den Lebensunterhalt einer vierköpfigen Familie verschlang. Während Meredith und Priscilla weiter über den so reichen und gutaussehenden Sprössling der Familie Jacobson philosophierten, räumte Cat die Überreste ihrer Shoppingtour im Flur auf. //Der Sohn von der Jacobsons Patisserie... Wenn ich ihm meine Vorschläge geben könnte.// Aber wie sollte sie an ihn rankommen? Sie hatte weder Einladung noch passende Garderobe oder gar Zeit, um heute Abend dort hinzugehen. Gerade hatte sie den Gedanken zu Ende gedacht, als ihre Stiefmutter, das Handy von ihrem Ohr nehmend, in den Flur trat. “Was machst du noch hier? Du sollst Fiona noch zum Hundesalon bringen!”, sagte sie aufgebracht und wedelte mit ihren Armen unkoordiniert in der Luft herum. “Achja...”, wisperte Caterina kurz und nahm ihre Jacke. “Mach ich sofort.” “Das will ich auch für dich hoffen!” Nur wenige Minuten später war die Brünette mit dem kleinen Yorkshire Terrier Clarissas auf dem Arm unterwegs zum Hundesalon. Selbst der Hund der Familie wurde besser behandelt als sie. Sie gaben ja sogar mehr Geld für ihn aus. Nachdem sie den Hund im Salon abgegeben hatte, hatte sie noch genug Zeit, um einen Abstecher zu ihrer besten Freundin zu machen. Mia war etwas älter als sie und hatte eine Ausbildung bei einem Edelfriseur bekommen. Sie war geschickt mit der Schere. Niemandem hätte Cat es mehr gewünscht als ihr. Sie hatten sich damals in der Schule kennen gelernt. Und auch, wenn sie nie in der gleichen Klasse waren, so hatte Mia doch immer den Drang gehabt, auf sie aufzupassen. Beinahe wie eine große Schwester, die sie nie gehabt hatte... in dieser Form zumindest. Kaum hatte sie den Salon betreten, kam ihre Freundin auch schon auf sie zu. Jeder Kunde wurde hier noch persönlich begrüßt. Ihre braunen hüftlangen Haare waren heute von einer grauen Mütze bedeckt, die eine witzige Bommel hatte. Ihre Augen waren dunkel geschminkt. Es stand ihr so gut, manchmal war Caterina neidisch auf sie. Die große, hübsche und selbstbewusste Mia... ihr Vorbild. “Cat! Wie schön dich zu sehen! Pause von den Hexen?”, fragte sie und drückte das Mädchen an sich. “Ja, so ähnlich. Ihr Hund ist gerade im Salon und braucht noch eine Weile.” Mia sah sie leicht mitleidig an und zog sie an einem Arm durch den Salon zu einem freien Sitz. Der Salon war gut besucht und zu jedem Kunden gab es eine Art Abtrennung, wohl um es etwas intimer zu machen. Schließlich waren die Gespräche zwischen Friseur des Vertrauens und High Society Mitglied immer sehr exklusiv. Zudem war er in Braun- und Goldtönen gehalten. Man kam sich vor wie ein einem Schmuckkästchen, wenn man hier war. Mia legte Caterinas Haare über ihre Schulter und begann sie zu kämmen. “Warum schaust du denn so?” “Seh ich je anders aus?”, fragte Caterina und sah durch den Spiegel zu ihrer Freundin. “Nun, heute hast du eine besonders tiefe Falte auf der Stirn.” Sofort blickte die Brünette auf diese, konnte aber nichts erkennen. “Heute... Abend gibt der Sohn von 'Jacobsons Pastries and more' eine Party. Ich... hatte die wahnsinnige Idee, dorthin zu gehen, um ihm mein Buch mit Ideen zu zeigen.” “Oh!”, sagte Mia sofort und beugte sich etwas hinunter. “Du meinst auch diese puddinggefüllten Cupcakes mit Soße in der Krone? Die sind himmlisch!” Bisher hatte Caterina sie nur einmal backen können. Ihr fehlte einfach die Zeit für mehr. “Ja, die auch.”, hauchte sie stattdessen deprimiert. “Aber... das ist doch Wahnsinn. Ich meine... ich habe weder eine Einladung noch ein Outfit noch die Zeit.” Doch Mia schnalzte mit der Zunge. “Ich bitte dich. Einladungen braucht nur die B-Prominenz.” “Ich bin nicht einmal die Z-Prominenz, Mia.” Mit einer Handbewegung hatte sich ihre Freundin ein seltsames Gerät geschnappt und blickte sie nun einem seltsamen Grinsen durch den Spiegel an. “Warum machst du dieses Gesicht?”, fragte Cat unruhig und leicht nervös. “Nun... es ist fast egal, wer du bist, wenn du das richtige Aussehen hast, dann kommst du so gut wie überall hinein.” Stirnrunzelnd drehte sich Caterina mit dem Stuhl zu ihrer Freundin und musterte sie. “Du denkst doch nicht etwa...” Doch ehe sie weitersprechen konnte, hatte Mia schon das Wort erhoben und beugte sich zu ihr hinunter, um sich auf der Lehne des Sitzes mit den Händen abzustützen. “Ich mach aus dir einen Star... Dann gehst du heute Abend da hin, zeigst ihm deine Entwürfe und fängst ein neues Leben an. Du hast es drauf, Cat.” Kurz war Caterina blass, dann wurde sie rot um die Nasenspitze und blickte zu Boden. “Selbst... wenn du aus mir was rausholen kannst, ich habe nichts anzuziehen.” Mia lachte erneut und drehte Caterina mitsamt dem Stuhl in Richtung Spiegel. “Ich habe Kontakte, Cat. Man lernt hier den einen oder anderen mit der Zeit kennen.” Erneut schluckte die Angesprochene. Sollte sie dieses utopische Vorhaben wirklich in die Tat umsetzen? “Und... wenn sie mir heute wieder eine unsinnige Aufgabe geben wollen?” Mia drückte ihr ihr Handy in die Hand und lächelte. “Dann rufst du mich hier an, ich mach das schon. Ich werde zumindest nicht weiter mit ansehen, wie die dich da fertig machen... Wann solltest du eigentlich den Hund abholen?” “Oh, nein!” Sofort sprang das Mädchen auf und sah auf die Uhr, ehe sie zum Ausgang rannte. “Bis später, Mia!” “Ruf mich an! Ich organisiere schon mal alles!” Nur eine halbe Stunde später schloss sie das Apartment ihrer Stiefmutter auf und wurde vom Geruch des vielen Haarsprays beinahe schon ohnmächtig. Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, kam auch schon Clarissa auf sie zu gerannt. “Wo warst du bitte? Du hättest seit zehn Minuten bereits hier sein müssen!” Sie atmete durch und sprach schließlich kurz mit sich selbst. “Beruhige dich, das macht sonst nur Falten.” Erst dann blickte sie wieder zu Caterina und nahm ihr Fiona ab. “Ich habe heute Abend noch ein Geschäftsessen. Aber da morgen früh mein Flieger nach L.A. zur Pâtisseriemesse geht, werde ich schon gegen Mitternacht zurück sein.” Caterina nickte immer wieder einmal. Eigentlich interessiere sie es nicht. Vielmehr war sie mit ihren Gedanken noch bei Mias Aussage. Sie organisierte es... Gab es nun kein Zurück mehr? Und... was wenn ihm ihre Ideen nicht gefielen? Aber was dachte sie da? Sie würde niemals ohne Einladung dort hineingelassen werden. Niemals! So zaubern konnte Mia einfach nicht. Währenddessen sprach Clarissa immer weiter und kam schließlich endlich zum Punkt. “... Was ich damit sagen will. Ich habe einige Aufgaben für dich.” Sie führte sie in den Kleiderschrank, der sogar noch etwas größer als ihr Zimmer war. “Du wirst all meine Schuhe putzen und sortieren. Nach Saison und Farbe! Und du wirst das Zimmer und die Wohnung hier auf Vordermann bringen. Staub wischen, putzen, und was nicht noch alles so anfällt. Verstanden?”, fragte sie mit vorwurfsvollem Ton. Doch Caterina war blass und stumm geworden. In ihrem 'Ankleidezimmer' befanden sich wahrscheinlich tausend Paar Schuhe, die sie alle ordnen und putzen sollte? Sie waren wild verstreut. Wahrscheinlich waren sie nach einem Partyabend einfach irgendwo hingeworfen worden und nun... sollte sie... sie würde bis morgen damit nicht fertig werden, geschweige denn mit dem Reinigen der Wohnung. “Ich sehe schon, du hast deine Aufgabe verstanden.” Mit diesen Worten verschwand Clarissa aus dem Zimmer und ließ sie zurück. Seufzend kniete sie sich auf den Boden und begann, einige Schuhe zu sortieren. Dabei wusste sie nicht einmal, wie sie diese auseinanderhalten sollte. Einige sahen exakt gleich aus. Nur in wenigen Merkmalen unterschieden sie sich. Wieso kaufte diese Frau sich fast gleiche Schuhe? Und vor allem doch war die Frage, wieso sie sie dann so unglimpflich behandelte. Vorerst begann sie die Schuhe nach Farben auf kleine Haufen zu sortieren und danach zu schauen, welche der Paare zusammenpassten. Nach einer Stunde hörte sie schließlich die Tür ins Schloss fallen. Ruhe. Kein schrilles Gelächter ihrer Stiefschwestern. Kein Gemecker ihrer Stiefmutter, die an ihrer ach so tollen Friseurin doch immer wieder Fehler fand. Seufzend blickte Caterina auf Mias Handy und schnaubte. Es war bereits fast zwanzig Uhr. Wenn, dann musste sie es doch jetzt machen. Tuuuuuuuuuut... “Und Cat, wie hast du dich entschieden?” “Ich mach's, aber... sie hat mir aufgetragen, ihre Schuhe zu putzen und zu sortieren und die Wohnung zu säubern.” “Ohje... aber keine Sorge, mir fällt schon etwas ein. Ich bin gleich bei dir!” Mit diesen Worten legte sie auf. Langsam, aber sicher zog Caterina die Stirn kraus. Ob dies so eine gute Idee war? Kurz vor neun klingelte es schließlich an der Tür. Mit einem mulmigen Gefühl trat Caterina, bereits jetzt am Ende ihrer Nerven, zu dieser und öffnete sie. Mia trat sofort ein und blickte sie strahlend an. Im Schlepptau befanden sich eine etwas ältere dunkelblonde, aber hübsche Dame sowie drei weitere Personen, die sie nicht einordnen konnte. “Ähm... was machst du?” Mia grinste etwas und deutete auf einen kleinen Koffer, den sie dabei hatte. “Meine reizenden Freunde haben sich bereit erklärt, uns zu helfen, nachdem ich ihnen unsere Lage erklärt habe.“ “Unsere Lage...?” “Das ist Clara. Sie ist die Mum von Allegra hier. Sie macht abends immer bei uns sauber. Und Viola und Gareth, Achtung, wenn man sie aus den Augen lässt, knutschen sie wie wild-” “Hey!” “Sind Freunde von der Schule, auf die ich gehe. Und während sie diese komischen Schuhe sortieren beziehungsweise die Bude auf Vordermann bringen, werde ich dich frisieren und schminken.” Gareth war ein hübscher junger Mann, dem man ansah, dass er Friseur war, Viola, die ebenso blond wie Allegra war, schien viel eher in diese High Society-Welt zu passen. “Mia... wie... ich... also, das geht doch nicht. Wie soll ich euch denn... also.” “Bezahlen?”, fragte Clara und legte einen Arm um Cats Schulter. “Zeig diesem Jungen deine Vorschläge. Mia sagte bereits, dass sie hervorragend sind. Und wenn sie rauskommen, haben wir vier lebenslangen Gratisvorratsanspruch.” Caterina lächelte und nickte sofort. “Danke... Aber Mia.” Ihr Blick wandte sich zu ihr. “Ich habe immer noch nichts anzuziehen.” “Mach dir darum keine Gedanken.”, sagte sie grinsend, trat zur Tür und öffnete sie schließlich. An der Außenseite war ein in weiße Folie verpacktes Kleid, wahrscheinlich frisch aus der Reinigung. “Überraschung!” Ohja, dies war eine... Nur wenige Minuten später hatte die Brünette auf einem Stuhl Platz genommen und ließ Mia an ihre Haare. Musik tönte aus dem Radio. Und Clara und Allegra tanzten lachend und gleichzeitig den Boden wischend durch die große Wohnung. Ab und an kicherte das Mädchen, während sie das Schauspiel aus dem Augenwinkel betrachtete. Mia war schnell und machte gekonnt einige Handgriffe. Nachdem etwas in ihrem Haar steckte, das sie nicht wirklich zuordnen konnte, begann Mia sie zu schminken. Leider konnte sie sich noch nicht im Spiegel betrachten. Mia hatte ein Verbot ausgesprochen. Wie gemein dies war. Ein Lockenstab kam zum Vorschein und Caterina atmete durch. Ob dies so eine gute Idee war? “So und nun...”, sagte Mia und holte das Kleid, um es in Caterinas Blickfeld zu halten. “Zieh es an, ok?” Kurz zögerte das Mädchen, nickte dann aber und trat in die Küche, um sich nicht zu sehr vor den anderen zu schämen. Als sie jedoch von dieser zurück kam und sich den anderen präsentierte, hielten selbst die tanzenden Frauen inne, um sie zu betrachten. ”Wow... wenn er dich so nicht reinlässt.”, sagte die Mutter von Allegra, ehe diese einstimmte. “Dann ist der auf beiden Augen blind.” Langsam lief Cat rot an. Ein türkisfarbenes Kleid, das an einigen Stellen gerafft war und in Falten fiel, betonte ihren Körper. An ihrer Hüfte war eine Blume verarbeitet worden und etwas hellerer blauer Stoff diente als Verzierung. Es war wirklich das schönste Kleid, das sie je gesehen hatte. “Danke...” Mia jedoch hatte zuerst den Blick auf die Uhr bemerkt. “Mist, Cat! Du musst los, du hast noch eineinhalb Stunden, ehe du wieder hier sein musst!” “Und wie soll ich so schnell zum anderen Ende der Stadt kommen?” “Geh runter, mein Fahrer wartet schon da! Nun los, gaffe nicht, du musst deine Cupcakes an den Mann bringen.” Cat schluckte etwas und sah verwirrt zu ihrer Freundin, ehe sie nickte und lächelte. „Ich danke euch allen...“ Damit es auch das Turtelpärchen im Kleiderschrank hörte, wiederholte sie die Worte noch einmal lauter, ehe sie die Enden ihres Kleides aufraffte und aus dem obersten Apartment mit dem Fahrstuhl hinabfuhr. Im Foyer grüßte sie kurz den Portier, der ihr aufmerksam hinterhersah. Natürlich, er hatte sie noch nie so gesehen. Wie hätte sie es ihm verdenken können? Draußen angelangt jedoch konnte sie kein Fahrzeug erkennen. „Wo...“ „Hey! Hey! Bist du Cat?“, fragte ein Mann, der auf sie zukam, als sie nickte. „Darf ich dich zu deiner Kutsche führen?“ Verwirrt ließ sich die Brünette von dem Fremden die Straße runter führen. Wieso hatte er nicht vor ihrer Tür gehalten? Es verwirrte sie. Seine Kleidung wirkte auch nicht besonders gepflegt. Sein Shirt hatte einige Flecken und in seiner Hose war ein Loch. „Wer...?“ „Achja! Ich bin Hugo. Jaja, ich weiß, ein selten dämlicher Name, Hugo das Dschungeltier, bla!“ „Ich finde ihn schön.“, hauchte Cat leise und sah schüchtern zu ihm. Seine braunen Locken umrahmten sein sonst auch wirklich nettes Gesicht mit den braunen Augen. Schließlich kamen sie an und ihr wurde klar, wieso er nicht vor ihrem Apartment geparkt hatte. Das Taxi, das er wohl fuhr, war wahrlich nicht mehr im besten Zustand und sie glaubte auch nicht, dass es zu den regulären der Stadt gehörte. „Nun... es ist nicht das schönste Auto, aber es ist eines. Und du brauchst eines, daher... steig ein...“ Wie ein Gentleman hielt er ihr die Tür auf und half ihr in den Wagen. „Danke sehr.“ Auch er stieg ein und, als er die Tür schloss, befürchtete sie kurz, das Auto würde in sich zusammenbrechen. Sie brauchten drei Anläufe, bis das Gefährt startete und langsam und unter seltsamen Geräuschen die Straße hinunter fuhr. Nach einigen Metern klingelte das Handy des Mannes. „Hugo hier.“, sagte er, während er mit der linken Hand steuerte und die rechte ans Ohr hielt. „Oh, Mia! Ja... ja, wir sind unterwegs. Ja... ja, hatte ich auch vor, keine Sorge. Ja, bis dann!“ So legte er auf und bog schließlich ab. „Wo fährst du hin? Das ist nicht der Weg zu dieser Party!“, sagte Cat entrüstet, als sie sein Vorhaben bemerkte. „Keine Sorge! Mia ist echt 'ne feine Lady. Hat mir einen Nebenjob als … ach, warte ab.“ So hielten sie in einer Art Hinterhof. Kaum war das Auto unter Krächzen ausgegangen, stieg Hugo aus dem Taxi. „Wo gehst du hin?“ Bis sich die junge Dame mit dem Kleid aus dem Auto gequält hatte, war er leider schon verschwunden. Die Dunkelheit dieses Geländes machte es nicht besser. Zudem glaubte sie, in der Ferne Geräusche zu hören. Vielleicht auch nur einige Ratten. Sie wusste es nicht und wollte es auch nicht wissen. „Hugo!“, rief sie noch einmal, doch nichts tat sich. Erst, als das Geheule eines Autos an ihre Ohren gelangte, zuckte sie zusammen und schrie leise auf. Scheinwerfer gingen in der Ferne an und ein Auto kam zu ihr gefahren. Erst, als es bei ihr war, konnte sie erkennen, um welches es sich handelte. „Eine... Limousine?“, fragte sie ungläubig, während Hugo fein in einem Anzug und mit Fahrermütze ausstieg, um ihre Hand zu nehmen und sie zu der Tür des schwarzen Autos zu führen. „Darf ich bitten?“ Mit einem Lächeln stieg sie schließlich ein und wartete darauf, dass er es ebenso tat. Die Scheibe war heruntergelassen, so konnte sie mit ihm reden. „Woher hast du dieses Auto?“ „Mia.“ Als ob das alles erklären würde. Nun gut, seit Mia bei diesem Edelfriseur arbeitete, hatte sie wirklich viele Kontakte geknüpft. Vielleicht auch mit einer Limousinenzentrale. „Aber es gibt einen Haken. Ich muss das Auto kurz vor Mitternacht zurückbringen, also ich kann dich nur bis dahin zurückbringen, sonst musst du dir was suchen. Dann muss mein Kollege so eine Schickimicki-Dame vom Flughafen abholen und ich fahre mein Taxi zurück.“ „Das geht in Ordnung. Ich muss zu Mitternacht sowieso daheim sein.“ An einer Ampel blickte er durch den Rückspiegel zu ihr. „Kein Partymachen?“ Auch sie sah ihm dadurch in die Augen. „Ich bin kein Partymensch. Ich... will nur etwas versuchen.“ Sofort strich sie sich über die Stirn. „Etwas total Wahnsinniges, um genau zu sein. Vielleicht kannst du mich auch gleich sofort wieder zurückfahren. Ich hab ja nicht mal eine Einladung.“ „Ach, Kopf hoch!“, sagte er und fuhr weiter. „Schau dich an, du bist wunderschön. Wer lässt denn eine solche Lady nicht rein?“ Eine kurze Weile beobachtete sie ihn erneut, bis er auch in den Rückspiegel sah, dann blickte sie sofort weg. Wie ein verschüchtertes Rehkitz. Leicht rot um die Nase, und sie meinte sogar, dass Hugo ein kurzes Schmunzeln auf den Lippen hatte. Es dauerte nicht lang, bis das Auto hielt. Laute Musik dröhnte schon jetzt an ihre Ohren. Auf dem Dach eines wunderschönen reinweißen Strandhauses schien die Party stattzufinden. Bis in den Garten hinter dem Haus. „Danke, Hugo.“ „Ich warte hier so lange. Du hast noch knapp eine Stunde, dann muss ich los.“ „Okay.“ Sie griff sich ihr kleines Ideenbuch und stieg schließlich aus. Hugo half ihr noch aus dem Auto. Vor dem Haus war geradezu eine Schlange von Leuten abgetrennt durch ein rotes Band. Auf der linken Seite sammelte sich die Meute, auf der rechten trat gerade eine schwarzhaarige Dame zu dem Türsteher und kam ohne Einladung herein. Sie kannte sie irgendwoher. War das nicht das Model von dieser Rasiererwerbung? Erneut raffte sie ihr Kleid, während sie Hugo noch einmal zulächelte und die weiße Marmortreppe hinaufstieg. Beim Türsteher hielt sie. „Guten Abend.“, sagte sie leise und lächelte ihm zu. Und tatsächlich: Nachdem er sie gemustert hatte, nickte er zur Tür hin. Sie durfte eintreten. Neben ihr war eine junge Frau mit einer Einladung indes ebenso eingetreten. Ob ihre Stiefschwestern schon hier waren? Sicherlich. Die Musik war laut, der Geruch von Parfüm und Alkohol hing in der Luft. Je weiter sie durch den Flur und in den ersten Raum trat, in denen einige Leute standen und Sekt tranken, desto stärker wurde der Geruch. Kaviar war neben Hummer aufgebahrt, dazu gab es kleine Häppchen, wahrscheinlich von einem Sternekoch. Nachdem sie nach draußen getreten war, sah sie eine Treppe, die tatsächlich zu einer Terrasse über dem Raum von eben führte. Dort tanzten Leute, aber auch im Garten war die Hölle los. Einige Kellner trugen die Spezialitäten der Jacobsons umher. //Wenn der Geruch nicht wäre...// Und dann sah sie ihn. Ein in weiß gekleideter junger Mann mit schulterlangen blondem Haar hatte auch sie entdeckt und trank sein Sektglas aus. Er wirkte seltsam mit seinem pinken Shirt, das er unter dem Jacket trug. Doch die eigentliche Überraschung war, dass er auf sie zukam. Er trat die Treppe von der Terrasse runter, aber... schwankte er? Ja! Er schwankte! Hoffentlich war sein Verstand nicht zu benebelt. Sie wollte ihm doch ihre Ideen zeigen. Als er bei ihr ankam, roch sie bereits die Fahne, die von ihm ausging. Das war also der Erbe dieser großartigen Patisserie? Sehr enttäuschend. „Hallo, schöne Frau!“, sagte er und legte den Arm um sie. „Hab dich noch nie hier gesehen. Wie lautet dein Name, meine Honigblüte?“ Vorsichtig versuchte sie, sich den Griff zu entziehen. Sie wollte ihn nicht wütend machen. Er sollte doch ihre Vorschläge sehen. „Ich... heiße...“ Doch im gleichen Moment kam schon eine schrille Stimme hinter ihnen und eine blonde Dame in viel zu engem Kleid kam auf den Mann zu, um ihn zu umarmen. „Nick! Schätzchen! Tolle Party!“, sagte sie und musterte Cat abfällig, und dann besaß sie doch tatsächlich die Dreistigkeit, sich vor sie zu stellen! „Ich habe gehört, mit Anastasia ist Schluss? Ist das wahr?“ Doch nun schien sie einen wunden Punkt bei dem Mann getroffen zu haben. „Ich will darüber nicht reden!“ Lallend trat er schließlich davon. Erst jetzt drehte sich die Blondine zu ihr um. „Und... du bist?“ Als ob sie was Besseres wäre, zog sie ihre Augenbraue bis zum Haaransatz. Doch anstatt zu antworten, trat die Brünette in die Richtung, in die Nick Jacobson verschwunden war. Doch sehen tat sie ihn nicht. //Nein... was nun?// Eine ganze Weile suchte sie nach dem Verschollenen, ließ sich dann jedoch auf einer Stufe, die zur Terrasse führte, nieder und seufzte. Dann schien also alles umsonst zu sein? Nach einigen Minuten bekam sie ein Sektglas von einem Kellner in die Hand gedrückt. Vorsichtig nippte sie daran, ehe sich jemand neben sie niederließ. Diese Fahne kannte sie doch! „Hallo...“, wisperte sie leise und sah zu Nick. Eigentlich war er ein hübscher Kerl. Er hatte seine Haare zurück gekämmt und einen Drei-Tage-Bart. Seine Augen waren strahlend blau. Sicher leckten sich viele Mädchen die Finger nach ihm ab. So... wie ihre Stiefschwestern, die sicher schon auf Safari nach ihm waren. „Du wirkst deprimiert.“, wisperte sie kurze Zeit später, als sie bemerkte, dass er die Stufe vor sich musterte. Nur langsam sah er zu ihr und nahm das Sektglas aus ihrer Hand, um es auszutrinken. „Alkohol ist nicht... immer gut in solchen Situationen.“ Doch er antwortete nicht, legte stattdessen seine Unterarme auf den Knien ab. Nur kurz darauf entdeckte sie eine wirklich schöne Uhr an seinem Handgelenk. „Findest du sie hübsch?“, fragte er nun sogar recht normal und nahm die Uhr ab. „Du kannst sie haben. Ist von meiner Ex.“ Wie konnte sie denn jetzt bitte noch so egoistisch sein, ihm ihre Ideen vorzuschlagen? Unmöglich. Sie konnte einen Menschen nicht so ausnutzen. Und er wirkte nicht so, als habe er jetzt ein offenes Ohr dafür. So betrachtete sie einfach die Uhr und schüttelte etwas den Kopf, als ihre Finger über sie strichen. Punkte anstatt Ziffern waren auf dieser, der obere Halbkreis um das Ziffernblatt war in anthraziten Steinchen gehalten. Der untere Teil in pinken. Es war eine wirklich wunderschöne silberne Uhr. Und sicher war sie auch teuer. „Die kann ich nicht annehmen.“, sagte sie leise und wollte sie ihm zurückgeben. Doch er schob die Hand mit der Uhr zurück und lächelte kurz. Er schien damit nicht gerechnet zu haben. Hätten andere Frauen es an sich gerissen? Plötzlich griff er ihr Handgelenk und machte die Uhr um ihres. „Aber...“ „Kein aber. Ich will sie nicht mehr. Ich komm drüber hinweg. Willst du was trinken? Ich hole uns etwas!“ Mit diesen Worten stand er auch schon auf. Doch mit ihm tat sie dies auch. „Nein, das musst du nicht wirklich, und die Uhr...“ „Wenn du sie nicht willst, wirf sie eben weg. Ich will sie nicht mehr.“ So schwankte er leicht die Treppe hinauf und verschwand in der tanzenden Menge oben. //Armer Kerl...// Erneut blickte sie auf ihr Geschenk und lächelte kurz, ehe sie realisierte, was die Uhr anzeigte. Noch 15 Minuten, dann würde ihre Stiefmutter nach Haus kommen! Sofort raffte sie ihre Kleidenden und machte sich mit dem Büchlein unterm Arm, so schnell es ging, zum Ausgang auf. Es tat ihr Leid um Nick, doch sie würde einen Kopf kürzer sein, wenn sie nicht sofort nach Haus fuhr. Hoffentlich war Hugo noch da! Und tatsächlich, die Limousine stand an Ort und Stelle. Doch gerade, als sie das Treppenende erreicht hatte, stolperte sie und verlor einen Schuh. „Nein!“ Sofort rannte sie zurück, hörte dann aber den Motor des Autos starten. „Nein! WARTE!“, rief sie, griff sich den Schuh, zog den anderen ebenso aus und rannte mit diesen in den Händen zu der Limousine, die tatsächlich gehalten hatte. „Oh, danke!“, wisperte sie leise und sah noch einmal aus dem Fenster, während Hugo redete. „Kein Problem, aber ist echt knapp geworden. Ich schaffe das gerade so!“ Auf dem Dach erblickte sie schließlich Nick, der heftig mit einer Dame flirtete. War das nicht dieses Model, das vor ihr in das Haus getreten war? Ja! Ein kurzes Lächeln zierte ihr Gesicht, als sie wieder auf ihr kleines Büchlein sah. Sie... hatte nichts erreicht. Sie war gescheitert. Das Lächeln verschwand. „Alles klar dahinten?“ „Ja... natürlich.“ Nur wenige Minuten später waren sie vor dem Apartment angekommen. Noch sieben Minuten! „Danke Hugo!“, sagte sie schnell und stieg aus dem Auto, ebenso wie er. „Sehen wir uns mal wieder?“ Erst, als sie die Stufen zum Foyer hinaufgegangen war, sah sie zurück und zu ihm. „Vielleicht.“ Sofort schmunzelte sie und rannte schließlich weiter zum Fahrstuhl. //Ich muss mich noch umziehen und abschminken!// Ob sie das schaffte? Und was war mit Mia und ihren Freunden?! Pling! Der Fahrstuhl kam zum stehen. Eilig und immer noch barfuß trat sie zur Wohnung und schloss die Tür auf. Tatsächlich war alles sauber und ordentlich und Mia und ihre Freunde zogen sich gerade an. „Da bist du ja endlich! Komm schnell! Ich schminke dich ab!“ Ohne zu fragen, rannte Cat zu ihrer Freundin und ließ es über sich ergehen. Aus dem Kleid schlüpfte sie auch an Ort und Stelle. Ihr Haar band sie zusammen und kurz darauf war sie in ihre Alltagskleidung geschlüpft. Die anderen verließen indes die Wohnung. „Erzähl mir morgen davon!“, rief Mia noch, während sie die Tür schloss. Noch schnell inspizierte die Brünette die Wohnung. Und tatsächlich. Alles war in Ordnung. Klick. Das Türschloss drehte sich um Punkt Mitternacht und Clarissa trat ein. Sie schien wohl ebenso überrascht wie Caterina zu sein, dass alles ordentlich war. Lediglich die Uhr an ihrem Handgelenk hatte Cat vergessen, doch diese versteckte sie hinter ihrem Rücken. Am nächsten Tag war Clarissa bereits früh zu der Messe geflogen. Ihre Stiefschwestern kamen laut und deprimiert am frühen Morgen wieder zurück und redeten noch lange über ihr Scheitern bei der Mission Nick. Der kleine Yorkshire Terrier hatte zum Glück ebenso am frühen Morgen einen Termin beim Hundesalon, und so konnte die Brünette zu ihrer besten Freundin. Man sah ihr bereits an, dass sie deprimiert war, als sie in den Friseurladen trat. Mia wirkte etwas müde, erkannte aber ihre Stimmung sofort. „Ich habe jetzt Pause, wir gehen was trinken, ok?“ Nur wenig später waren sie in einem kleinen Cafe. Während ihr Tee abkühlte, erzählte Caterina Mia die gestrigen Geschehnisse. Sie hatte keine einzige Idee zeigen können. Und selbst wenn, wäre Nick wohl zu betrunken gewesen. Beim zweiten Aufeinandertreffen war er zwar nüchterner gewesen, aber... nun, es war kein Erfolg. „Es tut mir Leid, dass du soviel Arbeit umsonst hattest.“ Seufzend zog sie endlich ihre Jacke aus und hängte sie über den Stuhl, ehe sie nach ihrer Teetasse griff. Doch Mia kam ihr zuvor und ergriff ihr Handgelenk. „Woher hast du die?“, fragte sie verwirrt und sah Caterina streng in die Augen. „Achja... Nick hat sie mir geschenkt. Sie ist wohl von seiner Exfreundin. Er wollte sie partout nicht zurücknehmen.“ „Sag mal, weißt du überhaupt, was das ist?“ Erst jetzt betrachtete die Brünette die Uhr genauer. „Wieso... fragst du das?“ Im nächsten Moment hatte Mia die Uhr gelöst und betrachtete sie genauer. „Das ist eine Rolex! Eine Rolex GMT-Master II, um genau zu sein.“ „Ich glaube, du hältst dich zu viel in der High Society auf. Er würde doch keine Rolex verschenken.“ „Ich lüge nicht. Mein Chef hat die gleiche erst vor kurzem gekauft. Er hat total damit angegeben! Hier steht es, siehst du?“ Tatsächlich, das Wort stand dort. Sie hatte es gestern wohl überlesen, weil die Zeiger den Namen verdeckten. „Eine... Rolex... Was soll ich jetzt tun?“ „Ganz klar! Du verkaufst die! Die ist um die 90.000 $ wert!“ Kurz blieb der Brünetten der Atem weg... „Ich kann sie doch nicht verkaufen! Sie gehört mir doch gar nicht!“ „Du hast gesagt, er wollte sie partout nicht zurücknehmen. Also ist sie ein Geschenk. Und ganz ehrlich? Der ist Millionär. Den stören doch keine 90.000 $. Mensch, Cat! Du kannst deine Ideen nun nicht nur an andere weitergeben, sondern verwirklichen!“ Sofort horchte Caterina auf. Dann... war es nicht umsonst gewesen? Nur zwei Monate später stand sie in einer kleinen Küche und holte kurz darauf ihre Puddingcupcakes aus dem Ofen. „Hmm... das riecht fantastisch!“, sagte Mia, die zu Besuch war und sofort einen Cupcake vom Blech stahl. „Warte doch! Da fehlt noch die Soße! Die muss ich noch rein füllen!“ Leise kicherte sie. Doch Mia hörte nicht darauf, sondern pustete das Gebäck etwas an und naschte davon. „Wann kommt eigentlich Hugo?“, fragte sie mit vollem Mund und lächelte ihr zu. „Oh, der wollte eigentlich vor einigen Minuten hier sein.“ Just in diesem Moment trat der junge Mann ein und lachte. „Es wird über mich geredet?“ Langsam ging er zu Cat und gab ihr einen sanften Kuss auf die Lippen. „Zja, wenn man vom Teufel spricht. Was hast du da?“ Hugo legte eine Zeitschrift auf den Tisch und deutete auf ein Bild. „Dieser Nick Jacobson hat wohl dieses Model nun als neue Freundin.“ Sofort lächelte Caterina. „Ich habe die beiden auf der Party gesehen... das ist schön für ihn.“ Im Laden indes ging die Glocke. „Oh entschuldigt mich, die Kunden rufen.“ Hugo lachte leise und griff eine Schürze. „Keine Sorge! Ich zieh mich noch um und helfe dir dann!“ Auch Mia lächelte. „Gut, ich werde dann nicht mehr gebraucht. Wir sehen uns heute Abend! Und vergesst die Cupcakes nicht! Clara und die anderen bestehen auf ihre Bezahlung!“ Es war einmal... So fingen doch alle Märchen an. Wie sehr sie sie liebte. Diese riesige Stadt, dessen Bewohner im Vergleich zu den Häusern wie Ameisen wirkten. Es schien hier doch noch Märchen zu geben... Kapitel 2: Das moderne Rotkäppchen ---------------------------------- Fast ein Jahr war seit der Eröffnung ihres kleinen Lädchens vergangen. 'Fairytales', so der Name, war eine kleine Pâtisserie, die jedoch sehr gut besucht wurde. Schon nach dem ersten Monat war ihre Ware am frühen Nachmittag ausverkauft. Heute hatte sie zwei Mitarbeiter, die ihr die Arbeit erleichterten. Vor allem als Partyservice waren sie sehr angesagt in der New Yorker Szene. Besonders ihre Cupcakes mit dem Thema Märchen hatten eingeschlagen wie eine Bombe. Dabei war nicht einmal das Motiv das, was sie besonders machte. Die Cupcakes waren mit einer Art Pudding und Soße gefüllt. Jeder wollte sie. Damals, als Caterina noch bei ihrer Stiefmutter und ihren Stiefschwestern gelebt hatte, hatte sie nie gedacht, dass es eines Tages so kommen würde. Heute machten sie auch Kuchen, Torten, Cookies und vieles mehr. Ja, vielleicht würde sie in einigen Jahren der 'Jacobsons Pastries and more', der erfolgreichsten Gebäckfirma New Yorks, Konkurrenz machen. In diesem Moment packte sie einige Cupcakes in einen babyblauen Karton und verschloss diese. Vorsichtig strich sie mit den Fingern über den Deckel mit dem Logo, einem Schloss aus Cupcakes und dem Ladennamen aus goldenen Lettern, ehe sie den Karton vorsichtig in eine große Tasche packte und sie über die Schulter warf. „Ihr kommt klar?“, fragte sie ihre Mitarbeiter Clara und Allegra, die beide sofort nickten und ihr ein Lächeln schenkten. „Sehr gut.“ Manchmal kam es ihr komisch vor, dass sie, als fast 20-jährige, über eine Mitvierzigerin und deren Tochter, die ebenfalls drei Jahre älter als sie war, bestimmte. Doch sie waren ein gutes Team. Ein sehr gutes sogar. „Ich gehe jetzt zu Mia! Passt gut auf den Laden auf!“ Mit diesen Worten verließ sie ihr gut besuchtes Geschäft und trat auf die Straßen New Yorks. In ihrem Schaufenster besah sie sich noch einmal wie in einer Art Spiegel. Mia war Friseurin und hatte sie tatsächlich überredet, ihr Haar kirschrot zu färben. Es passe besser zu ihrem Laden. Ja, dies war wahr, doch sie musste sich etwas an dieses strahlende Rot noch gewöhnen. Es war eine Trendfarbe, keine Frage, aber manchmal fragte sie sich, ob sie trendy genug dafür war. Dennoch stand es ihr, das musste sie zugeben. Nur langsam löste sie sich von dem ungewohnten Bild, das sich ihr bot, und schritt langsam die Straße entlang. Es war ein etwas längerer Fußmarsch zu Mia, doch das nahm sie gern in Kauf. Die Taxis standen bereits jetzt, es war Rush Hour, im Stau, und Geld dafür bezahlen, in einem Auto zu sitzen, das sich nicht einmal bewegte, das wollte sie nicht. Etwas frische Luft würde ihr gut tun, und vielleicht traf sie auf dem Weg zu ihrer besten Freundin noch einige bekannte Gesichter. Mia arbeitete bei einem Edelfriseur im besten Stadtteil New Yorks und knüpfte beinahe täglich viele Kontakte, von denen auch Caterina selbst profitierte. Man wurde weiterempfohlen und die kleinen Cupcakes, die es bei ihr als kleine Zwischenmahlzeit gab, waren die beste Werbung. Leider hatte sich Mia einen Arm gebrochen, als sie bei ihrem Umzug, vor wenigen Tagen, die Treppe unglücklich heruntergefallen war. Vielleicht würde sie ihr mit den Cupcakes eine kleine Freude machen. Mia war der einzige Grund gewesen, wieso sie heute in der Lage war, diese herzustellen. Nur dank ihren Künsten war sie damals bei der Party von Nick Jacobson an den Türstehern vorbeigekommen und hatte durch Zufall eine wertvolle Rolex geschenkt bekommen. Ihr Startkapital zu ihrem eigenen kleinen Lädchen. Sie verdankte ihrer besten Freundin so viel. Sie hatte nie an ihr gezweifelt. Ihr Vorbild... Immer weiter lief sie durch die Straßen New Yorks. Die Menschenmassen nahmen an den Kreuzungen zu, doch dies war sie gewohnt. Sie passierte die Kreuzung, blieb dann jedoch auf dem anderen Bürgersteig stehen und kramte in ihrer Manteltasche. Sie war erst ein einziges Mal bei Mia gewesen, und dies war beim Umzug, mit einem kleinen Zwischenaufenthalt im Krankenhaus. So war es ein Glück für sie, dass sie noch die Adresse auf einem keinen Stück Papier notiert hatte und ebenso eine kleine Wegmarkierung dorthin. Ein letztes Mal suchte sie etwas Orientierung und steckte den Zettel schließlich zwischen Pappdeckel und Schnur in ihre Tasche. Mit einem Lächeln trat sie weiter voran, versank in Gedanken und in neuen Ideen für eine Cupcakekreation, als sie den bunt gestalteten Kinderwagen einer jungen Dame sah. Regenbogencupcakes. Und jede Farbe würde anders schmecken. Ob das realisierbar war? Immer weiter versank sie in ihren Vorstellungen und Möglichkeiten der Realisierung, so bemerkte sie nicht, wie sie in einen jungen Mann lief, der einen Bund Rosen mit sich herumtrug. „Ah~“, keuchte sie leise und blickte zu dem Mann auf, ehe sie mit Schrecken realisierte, dass ihre Cupcakes für Mia Schaden genommen haben könnten. „Oh, nein!“ Schnell befreite sie den blauen Karton aus ihrer Tasche, doch diesem fehlte nichts. Keine Delle, so war klar, dass die Cupcakes auch in Sicherheit waren. „Entschuldige, ich habe nicht aufgepasst.“, hörte sie nun den größeren, dunkelhaarigen Mann sagen. „Oh, es ist ja nichts passiert.“ Nun endlich schenkte sie ihm ein Lächeln. Kurz herrschte Stille zwischen beiden, wenn man mal die Außengeräusche der vorbeifahrenden Autos und der redenden Menschen ausblendete. Cats Lächeln verging erst, als sie dies auch bemerkte. Der Mann schmunzelte und reichte ihr seine freie Hand. „Ich heiße Lykhan.“ „Lykhan?“, fragte die nun Rothaarige und hob eine Braue. Was war das für ein seltsamer Name? „Ja. Ich weiß, klingt komisch. Ähm...“ Er strich sich über das Haar am Hinterkopf und blickte sich kurz um, ehe er eine Rose von seinem Bündel nahm und sie ihr reichte. „Mit besten Empfehlungen von 'Kleeblattzauber Immergrün – DER Blumenladen'.“ Sein Schmunzeln lockerte die Situation auf. Erst hatte sie gedacht, er hätte den Blumenstrauß für seine Freundin oder Mutter besorgt, doch es war nur eine Werbeaktion. Eigentlich war es keine schlechte Idee. Sie würde über eine ähnliche Aktion nachdenken. Die Blume wurde ihr nach wie vor entgegengehalten. „Oh...“ Kurz sah sie sich um und stellte den Cupcakekarton auf einem Stromkasten ab, der neben ihr an der Wand aufgestellt war. „Danke sehr. Mein Name ist übrigens Caterina, aber meine Freunde nennen mich Cat.“ „Cat, ein wunderschöner Name.“ Kurz errötete die Rothaarige und blickte Lykhan erneut in die Augen. „Für wen sind die Cupcakes?“, fragte dieser plötzlich und blickte kurz zu dem Karton. „Oh, für meine Freundin, sie ist krank und ich dachte, ich heitere sie damit auf.“ Eine ganze kleine Weile unterhielten sie sich auf diese Art, bis Lykhans Telefon klingelte. So, wie sie es herausgehört hatte, war es seine Chefin, die sich nach dem aktuellen Zwischenstand erkundigte. Es war Zeit, zu gehen. Mia wartete sicher schon. So flüsterte sie ihm zu, während er noch das Handy am Ohr hatte. „Danke für die Rose. Vielleicht sieht man sich noch einmal.“ So trat sie an ihm vorbei und winkte ihm noch kurz. Lykhan schien, als wollte er sie aufhalten und noch etwas sagen, doch er antwortete stattdessen seiner Chefin und sah ihr mit einem seltsamen Blick hinterher. Er wirkte beinahe so, als habe er sie fokussiert, das seltsame Grinsen dazu ließ ihr einen Schauer über den Rücken jagen. Vielleicht hatte sie sich auch nur verguckt... Ja, so war es sicher. Nachdem sie zwei weitere Straßen gekreuzt hatte, musste sie erneut an einer Ampel halten. Dort blickte sie auf die Rose, die sie bekommen hatte. Sie hatte ein kleines Schildchen um den Stil gewickelt mit der Adresse des Blumenladens. Vorsichtig sah sie auf und blickte auf ein Straßenschild. Das war doch hier! Vielleicht sollte sie Mia noch ein paar Blumen besorgen. Ja, darüber würde sie sich sicher freuen. Kaum war die Ampel grün geworden, eilte sie über die Straße und ging in die entgegengesetzte Richtung zu Mias neuem Apartment in Richtung des Blumenladens. Es dauerte nicht lange, da stieg ihr der Duft einer ihr unbekannten Pflanze in die Nase und kurz darauf erschien vor ihren Augen ein gewaltiges Meer aus grünen Pflanzen. Der Laden musste riesig sein. Eiligen Schrittes war sie zum Eingang getreten und sah sich fasziniert um. Sicher würde sie hier eine Menge Inspiration für Cupcakes bekommen! Schnell holte sie ihr Ideenbuch hervor und trug erst einmal den Gedanken um die Regenbogencupcakes nach. Einige andere Ideen, die sich auf Blumen bezogen, folgten. Von der Decke hingen Blumentöpfe und einige Torbögen waren zwischen den Abteilungen aufgestellt worden. Der Raum war, obwohl es hier kaum Fenster gab, lichtdurchflutet. Hunderte Lampen standen rund um sie herum und hingen ebenso an der Decke. Es war wunderbar hier. „Kann ich Ihnen helfen, Miss?“, fragte plötzlich eine blonde, wirklich schöne junge Dame mit einer grünen Schürze und einem Namensschildchen, das offenbarte, dass sie Melissa hieß. „Oh, ja...“ Nun endlich schloss sie ihr Buch, behielt es aber in der Hand. „Ich suche einen Blumenstrauß für meine Freundin.“ Melissa nickte und warf ihr blondes Haar über die Schulter. Erst jetzt bemerkte Cat, dass sie eine weiße Lilie im Haar trug. „Wie schön.“ Sie war zu laut gewesen. Der Blick des Mädchens streifte sie wieder, doch anstatt seltsam zu gucken, lächelte sie ihr zu und dankte ihr. Nur kurz darauf verschwanden sie in den Unweiten des kleinen Dschungels und suchten einige Blumen zusammen. Sie konnte leider nicht alle Blumen benennen, doch eine gelb-orange Gerberea, rosa Rosen und eine helle Nelke konnte sie doch noch erkennen. Zum Schluss holte Melissa noch eine Lilie wie die, die sie im Haar trug, und fügte sie zusammen mit etwas grünen dem Strauß hinzu. Erst, als der Strauß verpackt wurde, packte Cat ihr Ideenbüchlein in ihre Tasche zurück und schreckte zusammen. „Oh, nein!“, sagte sie erschrocken. Erst jetzt bemerkte sie das Fehlen vom Cupcakekarton. Sicher stand er noch auf dem Stromkasten in der Straße, in der Lykhan die Rosen verschenkte! „Alles in Ordnung, Miss?“ Melissa hatte den Blick bemerkt und legte den fertigen Blumenstrauß auf den Tisch. „Ja... ja, ich habe nur etwas verloren. Ich hoffe, es ist noch da.“, wisperte sie leise, bezahlte, nahm den Blumenstrauß an sich und verabschiedete sich. So schnell sie konnte, lief sie die Straßen New Yorks zurück, doch als sie an der Stelle ankam, konnte sie weder den Karton noch Lykhan irgendwo entdecken. „Mist... die guten Cupcakes.“ Nun hatte sie nur den Blumenstrauß für Mia. Niedergeschlagen blickte sie auf die Uhr und erschrak zum zweiten Mal am heutigen Tag. Zwar hatte sie sich den Rest des Tages frei genommen für ihre Freundin, doch allein jetzt war sie schon zwei Stunden unterwegs gewesen. Sicher fragte sich Mia schon, wo sie steckte. Besser, sie beeilte sich. Zur gleichen Zeit klopfte es an Mias Haustür. Den Arm dick in Violett eingegipst, trat die junge Frau in Richtung Tür. Ihr braunes Haar, das bis zur Mitte ihres Rückens herabfiel, war leicht gewellt und wirkte, als sei sie gerade erst aufgestanden. Sie erwartete Caterina schon seit einiger Zeit und öffnete die Tür, ohne noch einmal durch den Spion zu gucken. „Da bist du ja~“ Doch ihre Stimme stoppte, als sie in das Gesicht eines Fremden sah. „Hallo?“ Erst jetzt fiel ihr Blick auf den blauen Karton mit dem Logo von Cats Laden. „Konnte Cat nicht kommen? Oder hat sie nun einen Lieferservice?“ Doch der Fremde, der bis eben noch ruhig gewesen war und sie angestarrt hatte, lachte leise und schüttelte den Kopf. „Nein, nein.“, sagte er sofort und schmunzelte, während seine blauen Augen sich in ihre bohrten. Er war etwas größer als sie, sein Haar wirkte etwas strubbelig, doch es stand seinem markanten Gesicht. „Ich bin Lykhan.“, stellte er sich vor. „Ich habe deine Freundin Cat getroffen, sie hat mit mir geredet und ist dann leider los und hat ihren Karton vergessen.“ „Oh, achso. Aber... woher hast du meine Adresse? Hat sie dir die auch gesagt?“ Man merkte, dass sie skeptisch war und zeitgleich die Tür ein wenig schloss, so, dass er keinen Einblick mehr in ihre Wohnung hatte. In diesem Moment hob er einen kleinen Zettel zwischen seinen Fingern hoch, mit der Adresse von ihr und einer Wegbeschreibung. Eindeutig war dies Cats Handschrift. „Der Zettel hier war am Paket dran. Nun, es tut mir Leid, wenn ich störe, aber … ich dachte, nachdem sie mir von ihrer kranken Freundin erzählte, sollte diese zumindest die Küchlein hier bekommen.“ Auf dem Gesicht der Brünetten bildete sich ein kleines Lächeln. „Das ist nett von dir. Aber... Cat ist noch nicht da. Was eigentlich seltsam ist.“ Aus ihrer Hosentasche holte sie ihr Smartphone und schaute in ihr Postfach. Doch kein Zeichen von ihrer besten Freundin. Sie war manchmal zerstreut, das wusste und liebte sie an ihr, zeitgleich aber sorgte sie sich oft zu sehr. „Komm ruhig rein.“, sagte sie lächelnd und deutete auf einen Stapel Kisten. „Du kannst die Cupcakes dort abstellen.“ Lykhan trat ein und schloss die Tür hinter sich, ehe er sie mit einem merkwürdigen Blick musterte. Nur kurz darauf wählte sie die Nummer. „Seltsam... besetzt.“ „Ja!“, sprach Caterina in ihr Telefon und lächelte, während sie die letzte Straße entlangging. Zum Glück hatte sie noch einigermaßen den Weg von ihrem Zettel im Gedächtnis. „Also wunder dich einfach nicht, Hugo, ok? Ich habe irgendwie viel zu lange gebraucht und dann war da dieser herrliche Blumenladen.“ Kurz herrschte Stille, als sie den Aufgang erreichte und die Treppenstufen erklomm. „Nun, vielleicht war das eine Anspielung. Aber nur vielleicht.“ Leise kicherte sie und keuchte gleichzeitig leise, als sie zu hastig die letzten Stufen hinauf getreten war und nun vor Mias Tür stand. Sofort klopfte sie mit den Blumen in der Hand an die Tür. „Gut, Hugo, wir sehen uns heute A~“ Die Tür ging auf, doch anstatt ihrer Mia öffnete ihr Lykhan. Aus Schreck und Überraschung ließ sie ihr Handy zu Boden fallen. Kurz hörte sie noch Hugo, der nach ihr fragte, bis der Ton verstummte. Das war wohl das Ende des Handys. „Mist!“ Wie viel Unglück konnte sie denn heute haben? Schnell hob sie ihr Handy auf und blickte auf das zersplitterte Display, ehe sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem fast Fremden schenkte. „Was machst du hier?“, fragte sie leise und sah verwirrt zu ihm. Nur kurz darauf trat Mia aus dem Hintergrund zu beiden und holte ihre Freundin in die Wohnung. Mit ihr zusammen trat sie außer Hörweite von Lykhan. „Er hat die Cupcakes gebracht, die du wohl irgendwo vergessen hast.“, sagte sie kichernd und sah auf die Blumen in Caterinas Hand. „Oh, sind die für mich?“ Cat nickte vorsichtig und gab ihr die Pflanzen, ehe sie schluckte und Mia über den Arm strich. „Du lässt einen Fremden hier rein? Einfach so?“ „Nun, er kannte dich und er brachte Süßes. Er kann nicht böse sein.“ Erneut kicherte sie. Nahm ihre Aussage wohl nicht ganz so ernst, wie sie es hätte tun sollen. Mia blickte zurück zu ihm und lächelte. „Außerdem... schau ihn dir an. Er ist richtig süß.“ Cat kicherte sofort und folgte ihrem Blick. „Ja schon... er wirkte auch wirklich nett, als wir geredet haben. Er arbeitet bei diesem Blumenladen, von dem ich deine habe.“ Mia nickte und besah sich den Strauß, den sie nun entpackte. „Sie sind wunderschön. Danke, Cat. Auch für die Cupcakes.“ Erst jetzt trat auch Lykhan zu den Mädchen. „Nun, soll... ich gehen?“ „Musst du denn schon?“, fragte Mia sofort und sah mit einem Lächeln zu dem Fremden, der dieses auch gleichzeitig auffing. „Nein, ich hab Feierabend.“ „Dann bleib doch noch etwas und hilf uns beim Auspacken. Du kannst auch gern ein paar Cupcakes von Cat hier mitessen. Sie sind die besten in ganz New York.“ „Mia... übertreibe doch nicht.“, wendete die Rothaarige nun ein und wurde genauso rot um die Nase. Lykhan lachte ebenso leise wie Mia und steckte seine Hände in die Hosentaschen seiner Jeans. Sein weißes Hemd hatte am unteren Bund noch einige grüne Sprenkler, doch das machte ihn nur noch sympathischer. „Klar helfe ich euch. Cupcakes als Belohnung klingt doch gut.“ Nur eine Dreiviertelstunde später klopfte es wie verrückt an der Tür Mias. „Wer ist das denn?“, fragte sich die Brünette, die einhändig, so gut es ging, einige Teller in ihren Küchenschrank einräumte. Auch Cat war vollständig mit Tellern überladen, so, dass Lykhan zur Tür trat. Als er diese öffnete, stand ihm ein keuchender und sichtlich überraschter Hugo gegenüber. „Wer bist du?“, fragte der braune Lockenkopf und musterte den Fremden. „Nun, ich...“, begann Lykhan, ehe man aus dem Hintergrund einen kleinen Aufschrei hörte. „CAT?!“, schrie Hugo sofort und gab dem Jungen einen Kinnhaken, ehe er in die Wohnung rannte. Erst, als er sie mit einem viel zu großen Stapel Teller entdeckte, welchen sie mit Mühe balancierte, atmete er erleichtert aus und trat auf sie zu, ehe er sie innig küsste. Dabei nahm er ihr einen Großteil der Teller ab. „Was ist denn los?“, fragte Caterina verwirrt, schmunzelte aber gleichzeitig über die Vorstellung ihres Freundes. „Was los ist? Du warst plötzlich weg. Es hätte sonst was passiert sein können!“ „Oh...“ Das hatte sie vollkommen vergessen. Entschuldigend blickte sie zu ihm auf und stellte endlich die Teller weg. „Das tut mir leid, Hugo.“ Hervor zog sie ihr kaputtes Smartphone. „Es ist mir aus der Hand gefallen.“ Dies konnte wirklich nur ihr passieren. Dennoch war sie glücklich darüber, dass Hugo sich so um sie sorgte. Lykhan indes trat zu den dreien, hob die Hand, um Hugo wortlos zu grüßen, und rieb sich sein angeschwollenes Kinn. Hugo drehte sich zu ihm und lächelte entschuldigend. „Sorry. Es ist mit mir durchgegangen.“, sagte er leise und reichte ihm die Hand. „Hugo.“ „Lykhan.“ „Freut mich dich kennen zu lernen.“ Lykhan schmunzelte. Erst jetzt erkannte Mia die Verletzung des jungen Mannes und eilte zu ihm. „Mensch, Hugo!“, sagte sie vorwurfsvoll und holte gleichzeitig einen Eisbeutel aus den Kühlschrank, um diesen Lykhan zu reichen. „Danke.“, sagte dieser sowohl zu Hugo als auch Mia. „Was hast du gedacht, habe ich mit den Mädchen angestellt? Sie gefressen?“ „Das hätte durchaus~“ „Hugo!“ Cat kicherte und lehnte sich an ihren Freund, ehe Mia auch vortrat und eine Sektflasche in die Höhe hielt. „Also ich bin dafür, dass wir diese peinliche Stimmung hier mal auflösen und etwas Spaß haben. Was sagt ihr?“ Zwei Wochen später besuchte Mia das Geschäft Cats und trat zu ihr nach hinten in die Backstube. „Caaaaaat~“, rief sie und lächelte breit. „Lykhan hat seine Chefin überredet. Es gibt jetzt offiziell das 'Verliebten-Paket'. Ja, an dem Namen muss noch gearbeitet werden, aber hey, deine Cupcakes werden nun mit den Sträußen verschickt.“ „Wirklich?“, fragte die Rothaarige erfreut, trat zu Mia und umarmte sie fest. „Das ist klasse! Ich hoffe, es kommt an.“ „Und wie. Lykhan sagte, dass es allein jetzt schon zwanzig Vorbestellungen gibt.“ Das Lächeln Caterinas nahm nun etwas zu, so, dass Mia die Braue kurz hochzog. „Warum guckst du so?“ „Du hast viel übrig für ihn, oder?“ Wohl zum ersten Mal, seit sie Mia kannte, wurde diese etwas verlegen. „Nuuuuun... wir haben heute Abend unser drittes Date. Ich hoffe, er küsst mich heute endlich, wenn nicht, werde ich mich wohl auf ihn werfen. Er ist so toll, auch wenn er immer so böse guckt, wenn er nachdenkt.“ Sofort lachte Cat und nickte Mia zu, ehe sie sie noch einmal umarmte. „Ich wünsche dir, dass es passiert. Niemandem wünsche ich es mehr als dir, Mia.“ Dass sie beide nun so glücklich waren. Es konnte nicht besser werden. Kapitel 3: Das moderne Hänsel und Gretel ---------------------------------------- Aufregung herrschte in der Backstube von „Fairytales“, dem trendigsten kleinen Cupcakeladen in New York. Der Laden existierte nicht einmal zwei Jahre, und eilte dennoch seinen Ruf voraus. Vor noch einem Jahr, als der Laden in den Kinderschuhen steckte, war es Caterina nicht möglich gewesen, für ihrem Laden zu der Pâtisseriemesse zu reisen. Doch heute, heute war der Tag gekommen. Die große Pâtisseriemesse war in New Jersey und sie, Caterina Burmingham, würde einen Stand dort haben. „Stell dir nur vor, Hugo! Wenn es dort Firmen gibt, die die Cupcakes über die New Yorker Grenzen hinaus bestellen würden... Wir würden nicht mehr nur lokal die Cupcakes verkaufen. Das könnte echt was Großes werden.“ Hugo, der das kleine blaue Auto steuerte, in dem beide fuhren, lächelte ihr kurz zu, konzentrierte sich aber weiterhin auf die Autobahn. „Du bist ziemlich aufgeregt, was? Mach dir keine Gedanken. Du wirst das Ding rocken und den Schicki-Micki-Frauen und den Schnösel-Typen schon gefallen.“ Cat kicherte und nickte, ehe sie ihr neues Smartphone herausholte, an welchen ein kleiner Cupcake-Anhänger hing. „Ich rufe noch schnell Mia an. Sie und Lykhan wollten mit den Ausstellungs-Cupcakes nachkommen.“ „Wieso hast du sie nicht gleich mitgenommen?“ „Nein, das geht doch nicht, sie müssen so frisch wie möglich sein.“ Mit diesen Worten wählte sie die Nummer ihrer besten Freundin, während Hugo etwas schmunzelte. „Hey, Mia! Wir fahren gerade die Abfahrt nach New Jersey runter. Ihr könnt also bald nachkommen. […] Okay, hab dich lieb. Bis dann!“ So legte sie auf und blickte wieder zu Hugo, der dies bemerkte und nur kurz darauf an einer Ampel auch ihr seinen Blick schenkte. „Was ist los?“ Doch statt einer Antwort bekam er zuerst einen Kuss. „Danke, dass du mich begleitest, Hugo.“ „Ist doch Ehrensache.“ Zur gleichen Zeit beendete Mia den Anruf in Caterinas Pâtisserie. „Cat ist jetzt in New Jersey. Wir können also loslegen.“, sagte sie, während sie ihr Handy noch einmal piepen hörte. „Ach, Mist! Mein Akku ist leer.“ Sie hätte am gestrigen Abend wohl doch nicht zu lang mit ihr telefonieren sollen. Und das nur, weil sie sie beruhigen musste, wegen dem heutigen Tag, als ob die Rothaarige dies nicht super hinbekommen würde. Seit Cat ihr eigenes Lädchen hatte und von ihrer schrecklichen Familie fort war, war sie fast schon ein selbstbewusstes junges Mädchen geworden. „Mia? Miiaaaa?“ Nun endlich wachte sie aus ihrer kleinen Trance auf und sah zu der blonden Allegra, die zusammen mit ihrer Mutter bei Caterina angestellt war. „Oh, ja, was ist los?“, fragte sie leise und schenkte ihr ihre Aufmerksamkeit. „Der Teig der Cupcakes ist fertig. Hilfst du uns mit der Butterkrem? Und die Zuckerdeko ist auch noch nicht ganz fertig.“ „Ja, klar! Lass uns loslegen.“ Das Auto hielt und nur wenig später luden Caterina und Hugo die Kartons mit den vorbereiteten Ausstellungsstücken aus dem Kofferraum. „Komm schnell, Hugo.“, sagte die gefärbte Rothaarige und lächelte dem Wuschelkopf zu. „Nur mit der Ruhe, wir haben noch so viel Zeit.“ „Ja, aber ich will, dass alles perfekt ist, und Perfektion bedeutet Zeit.“ So betraten sie das Gebäude, in dem die riesige Messe stattfinden würde. Einige Banner waren an der hohen Decke aufgehangen worden. Vor allem die ganz großen Pâtisserien hatten die größten bekommen. Sie selbst durfte nur auf das Logo an ihrem Stand hoffen. 'Jacobsons Pastries and more' war ein Vertreter, der mit seinem Stand eine Großfläche der Halle beanspruchte. Natürlich. Sie waren nach wie vor die Giganten der Branche. Doch als sie das Banner ihrer Stiefmutter sah, das nur wenige Schritte vom Eingang entfernt war, stockte sie. Kurz darauf kamen ihre Stiefschwestern, natürlich fein herausgeputzt, auf sie zu. „Sieh... mal... einer... an!“, sagte Meredith und hob abfällig ihre Augenbrauen. „Was machst DU denn bitte hier?“ Nun mischte sich auch Priscilla ein, die wohl vor kurzem bei ihrer Stammfriseurin Cloudelle zur Haarverlängerung gewesen war. Es sah mehr als unnatürlich aus. Priscilla indes ließ keine Regung in ihrem Gesicht zu. Da war die Botoxspritze wohl wieder etwas zu tief gestochen worden. Doch anstatt mit ihnen zu streiten, trat Cat einfach an ihnen vorbei. „Was jetzt? Haust du ab?“ „Als ob dein kleiner Laden je an uns rankommen würde!“ Hugo jedoch wollte dies nicht so hinnehmen. „Meine lieben Damen, meine lieben Damen.“, sagte er und lächelte den Mädchen zu. Auch Cat blieb stehen und sah überrascht zu Hugo und dessen Handlungen. „Wir wollen doch keinen Krieg mit einer Schönheitschirurgie beginnen. Bitte bleiben Sie in Ihrem Business.“ Cat kicherte, während Hugo zu ihr kam. Priscilla und Meredith indes blieb der Atem stehen. Was wagte er sich da herauszunehmen? „A-also...“ „D-das hab ich noch nicht erlebt!“ „Dreck gesellt sich eben gern zu Dreck.“ Doch Caterina und Hugo gingen weiter. Kümmerten sich nicht mehr um das Gerede der Mädchen, sondern suchten ihren Stand. „E410“, wisperte Caterina leise und suchte und suchte, bis sie am Ende der Halle endlich einen kleinen, leeren Stand mit der richtigen Nummer entdeckte. „Ohje, das habe ich nicht gewusst.“, sagte sie leise und blickte zu Hugo. „Hoffentlich findet man uns hier.“ „Ach...“, wisperte der Brünette und strich über den Kopf des Mädchens. „Spätestens wenn sie deine Cupcakes hier riechen, kommen sie in Scharen. Mach dir keinen Kopf.“ „Mia, wir sind fertig!“, rief Clara, die Mutter Allegras, die gerade die letzten Figuren auf die Cupcakes setzte. Mia nickte etwas und setzte die Gebäckstücke in den letzten der fünf babyblauen Kartons. „Ich hoffe, Lykhan ist schon da. Wir sind schon recht spät dran. Wenn der Verkehr gut ist, brauchen wir schon rund eineinhalb Stunden. Aber wir sind fast in der Rush Hour. Cat wird mir den Kopf abreißen.“ Allegra lächelte. „Cat doch nicht.“ Gut, sie hatte auch wieder recht. Der letzte Karton schloss sich. Während Mia zwei nahm, kam Allegra mit den letzten dreien mit ihr hinaus. „Oh, danke, Lykhan, dass du da bist!“ Der junge, schwarzhaarige Mann stand an einem Auto, die Hände in den Hosentaschen seiner dunklen Jeans. Die Lederjacke war locker um die Schultern gelegt. Begrüßen tat er sie mit einem Kuss, ehe er ihr die Kartons abnahm und sie auf die Rückbank setzte. „Wir müssen uns beeilen. Wir sind viel zu spät dran.“ „Keine Sorge.“, sagte Lykhan und lächelte ihr kurz zu. „Schaffen wir schon.“ Nur wenige Minuten später befanden sie sich auf dem Highway. Doch Mia verzweifelte dennoch. „Mist... Lykhan, kann ich dein Handy benutzen? Ich muss Cat Bescheid sagen, dass wir länger brauchen.“ Doch Lykhan schüttelte den Kopf. „Hab's nicht bei.“ „Wie? Du hast es nicht bei? Wie kann man denn ohne Handy das Haus verlassen?“ „Nun... Passiert eben manchmal. Ich finde die Dinger nicht so wichtig.“ Mia schluckte, nickte dann aber. „Ich hoffe, Cat bekommt keine Panik.“ Doch genau dies geschah am hinteren Ende der Halle. „Wo ist sie denn bloß?“, fragte Cat etwas aufgebracht und sah auf die Uhr. „In einer halben Stunde werden die Gäste eingelassen.“ Und die Journalisten liefen bereits jetzt herum. Sogar einige Kamerateams waren hier zu sehen. Wie sollte sie da ruhig bleiben? „Cat! Cat!“, sagte Hugo und griff sie, um sie an sich zu drücken. „Hey, atme mal durch! Wird schon alles gut gehen.“ „Und wenn nicht? Wenn ein Fernsehteam hierher kommen will und die Reporterin kosten?“ „Mia kommt schon pünktlich, beruhige dich.“ Doch Cat konnte sich nicht beruhigen. Stattdessen nahm sie ihr Handy hervor und wählte Mias Nummer. „Sie hat es ausgemacht! Wieso hat sie es ausgemacht?“ Da Hugos Worte jedoch nichts nutzten, packte er sie abermals und gab ihr einen Kuss. Erst jetzt war die Rothaarige so perplex, dass sie wirklich durchatmete und an etwas anderes dachte. Doch als die Besucher in die Messehalle gelassen wurden, waren Mia und Lykhan noch nicht bei Cats Stand angekommen. Stattdessen liefen sie mit den Kartons beladen die Straße entlang. Sie waren nicht mehr weit von der Messe entfernt. Leider bemerkten sie dabei nicht, dass einige der Cupcakes in den beiden Kartons von Mia langsam aber sicher ihre Form verloren. Die Butterkrem schmolz gemächlich und durchweichte die Ecke des unteren Bodens. Es dauerte nicht lang, bis die ersten Tropfen sich bildeten und eine Spur hinter der Brünetten hinterließen. Lykhan ging etwas schneller als sie und erreichte so den Eingang der Messe zuerst. Dort drehte er sich zu ihr um und wartete auf sie. „Mia...“, sagte er schließlich und seufzte etwas. „Die Cupcakes in deiner Schachtel sind hinüber. Schau doch, was für eine Spur du hinter dir herziehst.“ Ein kleiner Mops, der mit seiner Besitzerin unterwegs war, schleckte den Boden unter den missgünstigen Blicken der Halterin ab. Immer wieder zog sie ihn weg, doch wenn sie dies tat, leckte er am nächsten Fleck. „Nicht doch...!“, sagte Mia schließlich und hob den Karton etwas über ihr Sichtfeld, um den Schaden zu sehen. „Das war der erste Karton, den wir fertig hatten, wenn wir uns beeilen, kommt der Rest noch gut an.“ So trat sie mit ihm schnell ein. Durch die Pässe, die Cat ihnen besorgt hatte, konnten sie die Kassenhäuschen passieren und sofort auf das Gelände. „Weißt du, an welchem Stand sie sind?“ Doch Lykhan verneinte und ging mit ihr ziellos durch die Menge. Zum Glück waren noch keine Besucher hier, sondern 'nur' Journalisten, so, dass sie sich um die Kartons vorerst nicht mehr allzu viele Gedanken machen mussten. Dennoch schienen sie im Kreis zu laufen. Nach einer viertel Stunde hielt Mia Lykhan auf. „Hier waren wir schon!“, sagte sie seufzend und deutete in eine andere Richtung. „Versuche es mal da lang.“ Doch diese Entscheidung bereute sie schon nach wenigen Schritten. Während Lykhan weiterlief, ohne Bedenken, hielt sie inne und sah auf das große Logo der Firma von Caterinas Stiefmutter. „Lykhan... wir nehmen einen anderen Weg.“, sagte sie leise, doch da war er schon weiter gelaufen und von einer jungen Frau des Standes entdeckt worden. Sie redete auf ihn ein und... Mia stockte der Atem und ihre Wangen plusterten sich etwas auf. Dieses Weibsbild hatte die Dreistigkeit, seinen Arm entlangzustreichen und ihm schöne Augen zu machen. Eilig lief die Brünette auf das Schauspiel zu, doch als die Blondine, die bei Lykhan stand, dies bemerkte, zog sie ihren Freund mit hinter den Stand und gab ihm eine Probe. Da er beladen war, fütterte sie ihn mit einem ekelhaften Lächeln. „Lykhan?“, sagte Mia mit einem leicht vorwurfsvollem Ton und blickte zu ihm, während der Karton in ihren Armen weiter auf den Boden tropfte. Lykhan sowie seine Fütterin blickten wieder zu ihr. Doch ehe ihr Freund sprechen konnte, hatte sich schon die Blondine vor ihr aufgebaut. „Du machst unseren Verkaufsbereich dreckig.“, sagte sie bissig und nahm einen Lappen, um ihn auf die Kartons von Caterina zu tun. „Wisch das auf und gehe dann wieder.“ Mia schnaubte böse und stellte ihre Kartons ab, während Lykhan noch einen Keks in den Mund geschoben bekam. Na klasse. Sie sollte hier Putzfrau spielen und er wurde gefüttert? Wieso ließ er sich überhaupt von dieser kleinen Hexe anfassen und füttern? Wusste er nicht, was er ihr damit antat? Doch anstatt ihm nun eine Szene zu machen, nahm sie den Lappen an sich und wischte die Tropfen ihres Kartons schnell fort. Sie hätte wohl das gleiche verlangt, wenn dies bei Caterinas Stand geschehen wäre. Dass der abgestellte Karton den Boden hinter dem Tresen weiter verschmutzte, bemerkte sie nicht. Stattdessen nahm sie, als sie fertig war, die Kartons wieder an sich und schnaubte. „Lykhan! Wir müssen nun wirklich los.“ Doch die Blondine schüttelte den Kopf und wollte hinter den Tresen treten, um eine weitere Ladung verschiedenster Kekse zu holen. „Lykhan sieht ganz verhungert aus. Ich werde ihm lieber noch ein paar Biskuits unserer Bäckerei anbieten. Vorwurfsvoll blickte Mia zu Lykhan, der jedoch nur kauend die Schultern zuckte und erneut diesen Blick aufgelegt hatte, der ihr manchmal die Adern frieren ließ. Doch dies gehörte zu ihm. „Nun komm...“, hauchte sie ihm zu. „Wir verschwinden schnell.“ „Aber das ist unhö~“ Im gleichen Moment blickte er auf und sah zu der fallenden und aufschreienden Blondine. Die Pfütze des Kartons hatte sie wohl zu Fall gebracht. „Nun schnell weg!“, sagte Mia direkt, ergriff seine Hand und zog ihn vom Stand fort. Lykhan blickte besorgt zurück, doch Mia beruhigte ihn. „Um die wird sich schon gekümmert.“ So ging sie mit ihm schnell weiter, während man noch zwei Reihen hinter dem Stand das Klagen und Fluchen der Blondine hören konnte. „Das war eine Mitarbeiterin der Firma von Cats Stiefmutter.“ Lykhan schien aufzuhorchen und dann nachzudenken. Mia seufzte, verdrehte die Augen und half nach. „Ich habe dir doch erzählt, wie sie sie behandelten!“ „Achja... tut mir Leid. Ich habe es vergessen.“ Mia seufzte und nickte, bis sie bemerkte, dass sie nicht darauf geachtet hatte, wohin sie liefen. „Wo sind wir eigentlich?“ Seufzend ließ sie die Schultern hängen. „Die Cupcakes werden zerfließen, bevor wir sie finden.“ „Wieso denn?“, fragte plötzlich eine bekannte Stimme. Schlagartig drehte sich die Brünette um und erblickte einen Rotschopf. „CAT! Endlich! Wir haben euch die ganze Zeit gesucht.“ So drückte sie ihr die Kartons in die Hand und schluckte. „Der Untere ist leider hin. Aber der Rest ist noch gut.“ Cat kicherte kurz und nickte. „Solange die noch gut sind.“ Sie hatte schon bemerkt, dass Mia sich Mühe gab, sie zu finden, so wollte sie ihr keine Vorwürfe machen. Dennoch war sie neugierig, als sie die ersten Cupcakes anrichtete und Hugo auch Lykhan die Ware abnahm. „Wieso hast du nicht einfach angerufen?“ „Mein Akku ist leer. Und diese Flitzpiepe hat keines dabei.“ So lehnte Mia sich an Lykhan und lächelte vorsichtig. „Wir haben den Stand deiner Stiefmutter gesehen.“ „Ja, ich weiß, dass sie hier sind, wir haben ihn auch gesehen...“ Caterina seufzte und drehte sich zu Mia, um ihr einen Cupcake zu reichen, den diese auch zögerlich annahm. „Hey, Cat!“, sagte sie sofort und legte den Arm um sie. „Du rockst das Ding hier, ok? Du bist so viel besser als diese Tussis.“ Doch in diesem Moment stupste Hugo die beiden Frauen an und deutete auf ein Kamerateam. Die Frau am Mikro war ihnen allen bekannt. Es war die Freundin von Nick Jacobson. Der Sohn der größten Pâtisseriekette in New York. „Sie haben ja eine witzige Methode, Leute zu ihrem Stand zu locken!“ Sie deutete auf die bunten Tropfen am Boden. „Hallo, dürfen wir Sie interviewen, Miss?“ Cat schluckte und stotterte ein zögerliches 'Ja', bis sie auf das Mikrofon blickte und dort erkannte, um welchen Sender es sich bei dem Kamerateam handelte. Mia und Lykhan sowie Hugo hielten sich im Hintergrund, während das Mädchen auf das Mikrofon deutete. 'The CW', ein Sender, der in die ganze USA, Kanada und Mexiko ausstrahlte. Immer nervöser schien die Rothaarige zu werden. Zumal dies kein Nachrichtensender war, sicher würde der Beitrag in einer Show verwendet werden. Umso mehr Mühe musste sie sich nun geben. Mia hielt ihr beide Daumen gedrückt. „3...2...1... Sind drauf!“ „Wir sind hier auf der Pâtisseriemesse in New Jersey. Ich stehe momentan beim Stand der 'Fairytales Patisserie'. Neben mir die Besitzerin: Caterina Burmingham.“ Nun endlich drehte sich die Dame zu der jungen Frau. „Sie sind mit ihrem Laden nun recht bekannt in New York. Wie sind sie auf die Idee mit dem Märchendesign für ihre Gebäcke gekommen?“ Cat schluckte und atmete durch, ehe sie lächelnd antwortete. „Ich fühlte mich irgendwann an ein Märchen erinnert und zeichnete eine Skizze dazu in ein kleines Buch. Mein Freund fand diese gut und so haben wir begonnen, kleine Modelle anzufertigen und sie zu verkaufen. Ja, so ist es gekommen.“ Die Moderatorin nahm eines der Cupcakes von der Tresenfläche und hielt es in die Kamera. Ein kleines Lebkuchenhaus war auf dem Cupcake geformt worden. „Hier können Sie eines der Werke von Miss Burmingham bewundern. Ich nehme an, es handelt sich um Hänsel und Gretel?“ „Ja, das stimmt.“ „Haben Sie zu den Feiertagen auch Themen-Cupcakes vorbereitet?“ „Nun... zum letzten Valentinstag hat sich der Blumenhandel 'KLEEBLATTZAUBER IMMERGRÜN' bereit erklärt, mit den Sträußen, die sie versenden, auch ein Paket Cupcakes anzubieten. Sie drehten sich um Liebe und den Valentinstag. Sie waren ein großer Hit. Zu Ostern haben wir uns bereits auch einiges einfallen lassen.“ Sie trat kurz nach hinten zu einen Karton und kam mit einem etwas größeren, bunten Ei nach vorn. Die Moderatorin schien verwirrt. „Und... dies ist?“ Caterina schmunzelte und schlug das Ei etwas auf. „Die Schale besteht aus feinem Zucker und im Inneren befindet sich der Cupcake.“ Und tatsächlich eröffnete sich ein Minicupcake mit einem kleinen Küken auf der Oberfläche. „Wie niedlich!“, rief die Moderatorin begeistert und blickte zu der Dame hinter der Kamera, die andeutete, dass die Zeit gleich rum war. „Nur zu gern würde ich weitere Werke von Ihnen sehen, leider ist die Zeit fast um. Kann man die Cupcakes bei Ihnen vorbestellen?“ „Ja natürlich, einfach auf unsere Internetseite www.fairytalescupcakes.net gehen und dort bestellen oder uns einfach anrufen. Wir liefern gern.“ „Vielen Dank, Miss Burmingham!“ So ging das rote Licht der Kamera aus und die Moderatorin wandte sich ihr zu. „Das sind fantastische Ideen, die Sie haben! Ich wünsche ihnen das Beste.“ „Ich danke Ihnen. Wollen sie einige Modelle vielleicht mitnehmen?“ „Sehr gern!“ Der gestrige Tag war noch lang gewesen und die Cupcakes schneller fort, als sie gedacht hatten. Vielleicht hätten sie doch einige mehr vorbereiten sollen. Doch nun war Caterina einfach froh, zu schlafen und sich zu erholen. Doch dem wurde ein Strich durch die Rechnung gemacht, als das Handy der Rothaarigen klingelte. Müde nahm sie ab und nuschelte ein 'ja' in den Hörer. „Cat? Allegra hier! Dein Auftritt gestern! Ich habe ihn gesehen. Und oh, mein Gott! Hast du dir mal die Bestellungen im Internet angesehen? Mum ist am Telefon, die kommt gar nicht mehr nach mit dem Aufnehmen.“ Cat wurde wacher und setzte sich auf. Sofort lächelte sie und bekam kaum ein Wort raus, während Hugo müde ihren Rücken streichelte. „Das... ist großartig. Ich komme gleich vorbei, ok?“ So legte sie auf und sah zu Hugo. Dass Allegra noch nicht fertig war, hatte sie nicht bemerkt. „Ich glaube, das gestern war ein großer Erfolg. Uns rennen die Leute nun nicht nur hier die Bude ein!“ Hugo lächelte, zog sie zu sich hinunter und küsste sie. „Und nun willst du schon wieder ins Geschäft?“ „Ich muss!“ Abermals klingelte ihr Telefon und, ohne auf den Display zu sehen, nahm sie ab. „Ich komme gleich, Allegra.“ „Tut mir Leid, Sie enttäuschen zu müssen, Miss. Samuel Jacobson hier, ich habe von Ihren Kreationen gehört. Nach dem Bericht gestern kam meine Fast-Schwiegertochter dann auch noch mit einigen Proben von Ihnen heim. Exzellent, wirklich exzellent! Ich bin an einer Zusammenarbeit sehr interessiert.“ Vor Schreck war Cat fast in eine Starre verfallen und ließ das Telefon einfach auf die Bettdecke fallen. „Miss Burmingham?“ Schnell nahm Hugo das Handy an sich. „Hier Mr. Weslow. Können Sie mir vielleicht Ihre Nummer geben, dann machen wir einen Termin aus. Miss Burmingham ist im Moment unpässlich.“ Nur wenig später gab Hugo ihr einen Kuss und legte ihr Handy in ihre Hand. „Ich glaube, das wird eine Menge Arbeit.“ Cat jedoch schluckte und nickte etwas. „Dass... das alles mal so groß wird.“ Doch letztendlich lächelte sie. „Ich wollte nie etwas anderes, als dass die Leute meine Cupcakes mögen.“ „Das tun sie nur nicht...“ Sofort blickte sie in seine Augen. Doch Hugo lächelte. „Sie lieben sie.“ Ein Kuss versiegelte die Lippen der beiden, ehe sie nochmal in die Kissen sanken. Es würden anstrengende, aber wundervolle Wochen werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)