Welt zwischen den Worten von MoonlightWhisper ([Rundum-Wichteln die Zweite]) ================================================================================ Kapitel 3: Runde 3 = Farbenfroh ------------------------------- Joshua hatte sich immer für eine Person gehalten, die ein natürliches Verständnis für Farben hatte. Vielleicht kam es daher, dass er viel malte. Er hatte in der Grundschule angefangen und von da an war es ein Hobby für ihn gewesen. In der Oberstufe bemerkt er, dass ihm nichts wirklich gelingen wollte, außer das Malen. Also entschied er sich Illustration zu studieren. Jetzt ein Jahr, nach dem er angefangen hatte zu studieren, wusste er, dass es die beste Entscheidung gewesen war, die er hätte treffen können. Er war zu Besuch bei seinen Eltern, da er nach Kassel gezogen war für das Studium und gerade Semesterferien hatte. „Josh? Lange nicht gesehen Kumpel!“ Joshua drehte sich um. Er hatte eigentlich nur schnell etwas für seine Mutter einkaufen gehen wollen und hatte nicht damit gerechnet, einen alten Klassenkameraden zu treffen. Felix war immer noch genau so dürr wie zur Schulzeit. Seine dunkelblonden Haare waren nun kürzer und standen ihm wild vom Kopf ab. Seine braunen Augen strahlten immer noch genauso freundlich wie eh und je. „Hey Felix“, begrüßte Joshua ihn mit einem verhaltenen Lächeln. Er hatte Felix gemocht, doch sie waren nie die besten Freunde gewesen. Wenn er so recht überlegte, hatte er nie wirklich enge Freunde in der Klasse gehabt. Klar hatte er mit ein paar Jungs rumgehangen, aber es fühlte sich an, als wäre er die meiste Zeit allein gewesen. „Was machst du so?“, plauderte Felix fröhlich weiter. „Ich kaufe für meine Mutter ein“, erwiderte Joshua kurz angebunden und fühlte sich unbehaglich. „Nein, ich meinte, was machst du mit deinem Leben? Was tust du im Moment? Studierst du? Machst du eine Ausbildung? So was halt“, stellte Felix mit einem sanften Lächeln richtig. „Oh, klar. Ich studiere Illustration in Kassel und du?“ Joshua versuchte höflich zu sein. Es war nett ein bekanntes Gesicht zu sehen. Er hatte Freunde in Kassel, natürlich, aber sie waren eher eine Zweckgemeinschaft. Uwe war introvertiert und man konnte sich nur wirklich beim Schach spielen mit ihm unterhalten. Jana hing fast die ganze Zeit an Thomas Lippen und wenn sie das nicht tat, redete sie davon, wie toll Thomas beim letzten Handballspiel gewesen war. Ja und Thomas redete entweder von Sport oder ließ sarkastische Kommentare vom Stapel. Da war eine leichte Unterhaltung wie diese eine nette Abwechslung. „Cool. Ich studiere auch. Ich will Lehrer werden. Musik und Physik“, erklärte Felix und wirkte ein wenig zerstreut, als er sich durch die Haare fuhr. „Seltsame Mischung“, bemerkte Joshua. „Es geht. Ich meine, eine ausgeprägte musikalische Begabung liegt bei uns in der Familie und Physik war mein bestes Fach in der Schule. Ich kann einfach beides ziemlich gut, also warum sollte ich es nicht unterrichten?“ Felix lachte leise. „Es ist echt cool dich wieder zu sehen, Josh. Ich dachte schon du wärst irgendwo verloren gegangen. Du hättest ja mal eine SMS schreiben können“, plapperte Felix weiter. „Ja hätte ich. Sorry.“ Es tat Joshua echt Leid. Vielleicht hatte er hier doch bessere Freunde zurückgelassen, als er gedacht hatte. „Ist ja jetzt nicht weiter schlimm. Hast du Zeit? Ich hatte gerade echt Lust ein wenig an der Playstation zu zocken und zu zweit ist es lustiger. Ich weiß schließlich auch noch, wie du bei Kais Geburtstag alle abgezockt hast.“ Über diese Entscheidung musste Joshua nicht lange nachdenken. „Ich muss nur kurz die Einkäufe nach Hause bringen, dann können wir ruhig spielen.“ So kam es das Joshua das erste mal das Haus von Felix betrat. Sie kannten sich zwar seit sie elf Jahre alt waren, aber zum spielen war er nie zu Felix gegangen. Das Haus stach nicht heruas. Ein Flur beim Eingang, eine geschlossene Tür zur Rechten, eine offene Tür durch die sie ins Wohnzimmer traten, welches offen ins Esszimmer und zur offenen Küche überging, eine Tür die vom Esszimmer aus zu einem weiteren Flur führte, eine weiter geschlossene Tür im Flur und eine Treppe. Joshua folgte Felix die Treppe hoch und in sein Zimmer. „Setz dich schon mal. Willst du was trinken?“ Felix lächelte und stand weiter im Türrahmen. Joshua ließ sich in eins der Sitzkissen fallen die sich vor dem Fernseher mit der Spielkonsole befanden. „Gerne“, nuschelte Joshua. Felix schaute ihn erwartungsvoll an. Von unten erklang plötzlich Musik. Es erinnerte ihn an einige Klassische Stücke die er mal gehört hatte, aber er konnte das Instrument nicht identifizieren. Felix räusperte sich. „Was möchtest du denn trinken?“ „Oh. Wasser wäre gut“, antwortete Josh schnell und wollte sich nicht zu sehr den Kopf über die Musik zerbrechen. Felix verschwand wieder auf der Treppe. Kurz darauf verstummte die Melodie. Erst als Joshua hörte, dass jemand die Treppe wieder heraufkam, begann das Instrument erneut zu spielen. Joshuas Blick wanderte durch das Zimmer. Der Sitzsack auf dem er saß war blau, der neben ihm war Rot. Hinter ihm an die Wand geschoben war ein Bett und zu seiner linken beim Fenster stand ein großer Schreibtisch. Dieser war sehr aufgeräumt. Aufgeräumter als Joshuas eigener, viele Ordner waren dort in einem Fach verstaut. „Falls es dich stört kann ich meine Schwester fragen, ob sie nicht ein anderes mal Cello üben möchte“, unterbrach Felix die Gedanken seines alten Schulfreundes während er sich auf den roten Sitzsack fallen ließ und zwei Gläser vor sie abstellte. „Nein ist schon okay. Ich mag Musik“, gab Josh von sich. Irgendwas hatte ihn stutzen lassen, als Felix seine Schwester erwähnt hatte. Da war etwas, da war er sich sicher. „War deine Schwester nicht Blind?“, fragte er aus heiterem Himmel, weil es ihm wieder eingefallen war. Felix gluckste. „Ja, das ist sie, wie kommst du jetzt darauf?“ „Wie kann sie das Cello spielen?“ Joshua wusste selber nicht woher er diese Unverschämtheit nahm, es zu fragen. „Es ist einfacher“, begann Felix, stand auf und klopfte sich imaginären Staub von der Hose bevor er fort fuhr: „wenn du sie selber fragst.“ Joshua starrte auf Felix Hand, die der andere ihm hin hielt. Jetzt hatte er sich da schon rein manövriert, da musste er es auch zu ende bringen. Josh schluckte einmal und nahm Felix Hand entgegen. Der Freund half ihm auf und gemeinsam gingen sie wieder in das Erdgeschoss. Ohne zu klopfe riss Felix die Tür auf, die am unteren Ende der Treppe war. Joshua blinzelte in ein hellen Raum. Die Wände waren in einem sanften gelb gestrichen und die gesamte Wand gegenüber der Tür bestand aus einem großen Fenster. Vor dem Fenster im Sonnenlicht saß ein Mädchen und spielte Cello. Ihre dunkelblonden Haare waren zu einem Zopf geflochten, der ihr locker über die Schulter hing. Sie trug eine leichte weiße Bluse mit kurzen Ärmeln und eine schwarze Röhrenjeans. Ihre Augen hatte sie geschlossen und ein Lächeln lag auf ihren schmalen schön geschwungenen Lippen. Ihre linke Hand führte den Bogen elegant und schnell über die Seiten des Instrumentes, das zwischen ihren Beinen stand und von ihrer rechten Hand aufrecht gehalten wurde und zugleich befand sie sich am Griffbrett. Das Mädchen hielt inne. Sie drehte den Kopf nicht zur Tür und öffnete auch nicht die Augen. Im Profil beobachtete Joshua wie sie sprach. „Soll ich aufhören?“, fragte sie sanft. „Nein musst du nicht. Mein Kumpel Josh hatte eine Frage“, gab Felix zurück. „Und warum redest du dann für ihn“, antwortete sie keck. „Joshua ist schüchtern. Ich habe dir doch von ihm erzählt.“ Felix Schwester lachte und drehte ihr Gesicht zur Tür. „Nimm es Felix nicht übel. Ich will immer das er mir seine Freunde so genau wie möglich beschreibt, Joshua. Ich bin Olivia“, stellte sich das Mädchen direkt vor.„Was wolltest du denn wissen?“ Joshua schluckte hart, die Situation war ihm schon irgendwie unangenehm. Kaum hatte er das getan, sah er wie eine von Olivias Augenbrauen skeptisch hoch wanderte. „Ich habe mich gefragt wie du...“, er stockte. Er wusste wie unsensibel es von ihm gewesen war das zu fragen, aber er vergaß manchmal das so etwas unhöflich war. Er war es nicht gewöhnt auf Gefühle von anderen zu achten. „Wie ich spielen kann?“, erriet das Mädchen. Er nickte, bis ihm einfiel dass Olivia das nicht sehen konnte. „Ja“, gestand er unwohl. „Musik ist meine Farbe. Ich sehe keine Farben, aber wenn ich spiele, dann habe ich ein ungefähres Gefühl was blau ist. Was gelb ist“, erklärte sie ohne wirklich verletzt oder genervt zu wirken. Sie spielte einen Ton. Josh wusste nicht welcher es war, doch er verstand vielleicht ein wenig was sie meinte, als sie dazu sagte: „Das war grün.“ Dann kicherte sie. „Mein Hände funktionieren ja super und für Musik braucht man keine Augen. Nur Hände, Ohren und vielleicht die Stimme wenn man singt.“ Er schwieg und blickte zu Felix. Dieser hatte einen Ausdruck im Gesicht, der Joshua unbekannt war. Bruderliebe? Beschützerinstinkt? „Wollt ihr einen Moment zuhören?“, fragte sie unschuldig und drehte ihr Gesicht wieder in die Anfangsposition. „Gerne“, hörte Joshua sich selber sagen und auch Felix schien von dieser Antwort überrascht. Trotzdem deutet Felix auf das ordentlich gemachte Bett. Sie beide setzte sich auf die Bettdecke, die in einem Bezug steckte, der von roten Blumen gespickt war und ansonsten weiß. Olivia fing wieder an zu spielen. Es klang schön und wild. Es schien keine auswendig gelernten Noten zu sein, sondern das was ihr gerade auf der Seele lag. Plötzlich stoppte sie wieder. „Du musst schon die Augen schließen, sonst funktioniert es nicht“, raunte Olivia. Verwundert sah Josh zu Felix und formte mit den Lippen: „Woher?“ Felix zuckte mit den Achsen. Joshua atmete tief durch und schloss seine Augenlider. Die Musik setzte wieder ein. Doch da waren zu viele Gedanken. Er versuchte seinen Kopf leer zu bekommen, sich auf die Töne zu konzentrieren und dann geschah es. Er sah bei jedem Ton einen Farbigen Punkt aufleuchten vor seinem inneren Auge. Sie wurden zu wilden Klecksen und dann zu verschwommenen Bildern. Fast wie ein Aquarellbild, bei dem man zu viel Wasser verwendet hatte. So saßen ein paar Minuten da und lauschten Felix Schwester und ihrem Spiel auf dem Cello. Dann gingen sie hoch und spielten, auf der Konsole wie sie es eigentlich vorgehabt hatten. Als Joshua Abends wieder bei sich zu hause war, wollte ihm die Begegnung mit Olivia nicht aus dem Kopf gehen. Er hatte immer gedacht, er hätte ein gutes Verständnis für Farben. Doch heute hatte ihm ein blindes Mädchen gezeigt das er zu sehr in Linien dachte. Seine Farben mussten immer klar definiert sein und es durfte kein verlaufen geben. Doch ihre Farben waren wild gemischt und nicht klar zu bestimmen gewesen. Joshua drehte seine Musikanlage laut auf und schloss die Augen. Es dauerte einen Moment bis sein Kopf klar war, bis er sich auf die Töne konzentrieren konnte, doch als dies eintraf, malte er. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)