Scare me von Reid (Criminal Minds) ================================================================================ Kapitel 7: Vollendete Tatsachen ------------------------------- Als wäre die 'Flucht' aus dem Auto so geplant gewesen, fuhr die U-Bahn der Linie 17 gerade ein, als Spencer den unteren Absatz der Treppe erreichte. Sieben Minuten Fahrt, vier Minuten Fußweg zum FBI Gebäude und zweieinhalb Minuten Treppen steigen, dann war das Büro der Behavioural Analysis Unit erreicht. Nicht dass der junge Statistiker nicht schon im Vorwege die genaue Zeit gewusst hatte, die er benötigen würde, er erreichte das Großraumbüro auch vor Derek, der sich wohl oder übel durch Quanticos Verkehr hatte schlagen müssen, der um diese Zeit deutliche Verzögerungen bedeutete. Auch JJ und Rossi waren noch nicht wieder zurück gekehrt, sodass lediglich Emily an ihrem Schreibtisch saß und an einer Tasse Kaffee nippte. Teamleiter Aaron Hotchner trat gerade aus seinem Büro und hob eine Braue in dem sonst so reglosen Gesicht. „Wo ist Morgan?“ fragte er seinen jüngsten Mitarbeiter und blickte kurz auf den braunen Umschlag in seinen Händen. „Sucht nen Parkplatz.“ war Spencers knappe Antwort. Vermutlich sogar nicht einmal eine Lüge. Noch immer deutlich aufgebracht trat Reid in die kleine Teeküche und schenkte sich einen großen Kaffee ein. Koffein und Zucker waren genau die richtige Mischung, die er nun brauchte. Bevor er jedoch die sechs Zuckerwürfel in der schwarzen Brühe versenken konnte, tauchte Hotch im Türrahmen auf und warf den Umschlag auf die Arbeitsplatte. „Reid, du solltest dir das ansehen.“ meinte er mit seiner ruhigen, ernsten Stimme. „Zieh dir Handschuhe an.“ fügte er noch hinzu und reichte dem Angesprochenen ein Paar der weißen Latexhandschuhe, die sie für die Spurensicherung verwendeten, ehe er die Arme vor der Brust verschränkte. Spence nahm sie entgegen, schob seine langen, schlanken Finger in das anschmiegsame Material und zog einen Stapel Fotos aus der Papiertasche hervor, die zwar an die BAU adressiert, aber nicht frankiert war. Der Anblick ließ ihn unwillkürlich aufstöhnen. Das erste der Bilder zeigte ihn selbst, einen großen Becher Kaffee zwischen Unterarm und Brust geklemmt, während er gerade seine Geldbörse in der ledernen Umhängetasche verstaute. Ein unangenehmes Kribbeln ging durch seinen Körper, Ausgangspunkt war wohl sein Magen, der sich schmerzlich zusammenzog, und wanderte von dort durch alle Nervenbahnen bis in seine Zehen und die Haarspitzen. „Wann ist das gekommen?“ fragte er und blickte das nächste Foto an, das ihn, an der Kleidung und den Lichtverhältnissen unverkennbar an einem anderen Tag zeigte, wie er gerade einen kleinen Abfallbeutel in der Tonne hinter seinem Haus verschwinden ließ. „Prentiss und ich waren noch unterwegs, als es abgegeben wurde. Jenna von der Poststelle sagt, dass der Kurier es reingereicht hat.“ Spencer nickte lediglich, obwohl diese Information so gut wie gar keinen Wert hatte. Das Zittern in seinen Fingern bestmöglich unterdrückend blätterte er sich durch den weiteren Stapel dieser skurrilen Ausstellung, mit ihm selbst in der Hauptrolle. Auf seinen Gliedern lag eine Gänsehaut, die nicht nachlassen wollte und in seinen Ohren rauschte es unheilvoll. Jetzt war es nicht mehr möglich zu ignorieren, dass sich jemand viel zu tief in sein Privatleben einmischte. „Kannst du dir das in irgendeiner Weise erklären?“ fragte Hotch nun den Jüngeren, der mit dem Rücken zu ihm stand. „Nein. Ich meine..ja, ich bekomme seit ein paar Wochen immer wieder merkwürdige Anrufe von einem Fremden. Er sagt nie etwas, aber manchmal kann ich ihn atmen hören.“ Seine Stimme war zum Ende des Satzes hin immer leiser geworden, sodass er sich jetzt räusperte um zumindest ein wenig Haltung zu bewahren. „Mein Briefkasten wurde aufgebrochen, und jemand hat meine Fußmatte geklaut, aber ich hab gedacht, sowas kommt eben hin und wieder vor.“ „Ich will dich nicht beunruhigen, Reid, aber gerade in Verbindung mit dem aktuellen Fall solltest du kein Risiko eingehen. Wir alle haben die Bilder der Opfer gesehen. Es ist nicht gesagt, dass eine Verbindung besteht, aber du passt genau in seinen Typus.“ „Wurden die anderen Opfer denn auch...belästigt?“ Noch immer drehte er sich nicht um, konnte nicht fassen, was er hier gerade in Händen hielt. Eine komplette Dokumentation seines so durchgeplanten, täglichen Lebens. „Nein, Prentiss und ich haben mit Donovans Eltern gesprochen. Er hat sich weder merkwürdig verhalten, noch ist ihnen etwas aufgefallen in den Tagen, bevor er auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle im Kino verschwand. JJ und Rossi wollten nach der Besichtigung des Fundortes mit den Calebs sprechen.“ „Es ist also nicht gesagt, dass diese Bilder und die Anrufe etwas mit dem Fall zu tun haben.“ murmelte Reid, mehr zu sich selbst, in dem kläglichen Versuch, sich zu beruhigen. „Und doch ist die Möglichkeit durchaus gegeben.“ ertönte nun Dereks Stimme direkt hinter ihm. Wie lange der andere Agent ebenfalls im Raum war, vermochte er nicht zu sagen, nur, dass sich seine ohnehin so starke Gänsehaut nun um noch einen weiteren, nicht unwesentlichen Grad verstärkte. Morgan beugte sich über die Schulter seines Kollegen und betrachtete ebenfalls die Zeugnisse von dessen plötzlicher Übelkeit. „Richtig.“ antwortete Aaron hinter ihnen und atmete hörbar tief durch. „Ich glaube nicht an Zufälle.“ brummte Derek bedeuteutungsschwanger und richtete sich wieder auf. Sofort schürte sich in Spencer der Verdacht, dass dieser ihn mit seiner Aussage noch einmal wegen ihres peinlichen Gespräches im Wagen triezen wollte, doch als er sich mit finsterem Blick zu dem älteren Kollegen umdrehte, war es aufrichtige Sorge, die in dessen dunklen Augen stand. „Die Opfer unseres Unbekannten wurden auch nicht gestalkt.“ „Nein, aber sie sind auch nicht in die Geschichte mit Seaker verwickelt.“ Welch wahre und deprimierende Worte. Rossis und JJ's Bericht nach, wurde auch Peter Caleb vor seinem Ableben nicht offenkundig von einem Fremden verfolgt, was auch zur Theorie ihres vorläufigen Profiles passte, das besagte, dass der Täter sich seine Opfer spontan und nur anhand ihres Äußeren aussuchte. Dennoch war das Team besorgt über die neusten Ereignisse, und die angespannte Stimmung den verbleibenden Nachmittag über, ließ sich kaum leugnen. Spencer wurde behandelt wie ein rohes Ei, was noch weiteren Unmut in ihm auslöste. Eigentlich hatte er sich um Seakers Lebenslauf kümmern wollen, doch seine Gedanken schweiften immer wieder ab. Mittlerweile hatten sie Kopien der Fotos gemacht, die er nun, seinem Gedächtnis sei Dank chronologisch ordnete. Er konnte sogar das genaue Datum der einzelnen Bilder nennen, doch schien dahinter keine Struktur zu stecken. Die letzten Stunden bis zum Feierabend zogen sich zäh wie ein Kaugummi hin. Immer wieder wanderte der Blick der braunen Augen zu der großen Uhr, die über der Tür angebracht war. Einerseits wünschte Spencer sich nichts sehnlicher, als sich endlich zurückziehen zu können, andererseits jedoch war sein warmes Nest nicht mehr so privat, wie es sein sollte, wie er es brauchte, was ihn am allermeisten belastete. Als es schließlich endlich soweit war, schnappte er sich seine Tasche, verabschiedete sich knapp von seinen Kollegen und eilte die Treppen herunter, sodass der wesentlich athletischere Derek es sogar schwer hatte, den jungen Mann einzuholen. An der Tür jedoch, gelang es ihm schließlich. „Ah-ah-ah, wo willst du denn hin?“ fragte er und dirigierte Spencer an der Schulter in Richtung der Tür die nicht nach draußen, sondern in die Tiefgarage führte. „Ich fahre dich.“ setzte er noch hinzu, und ließ keinen Zweifel daran, dass er eine Widerrede nicht dulden würde. Sein Blick sagte, dass eine andere Option absolut nicht zur Debatte stand, und Spencer, der für eine Diskussion eindeutig zu geschlaucht war, fügte sich resigniert seufzend und die Augen verdrehend seinem Schicksal. Und so saßen die beiden Männer wenige Minuten später erneut schweigend und in ihren Gedanken versunken im Wagen, bis Reid sich aufrichtete und seinen Kollegen verdutzt anblickte. „Du bist falsch abgebogen.“ murrte er und wand den Kopf nocheinmal in die Richtung, die sie eigentlich hätten nehmen müssen. „Bin ich nicht. Wir fahren zu mir.“ „Wieso zu dir?“ keuchte Spencer und starrte Derek entgeistert an. „Weil ich keine Lust habe, ebenfalls das Amateurmodel für diesen kranken Spinner zu spielen.“ „Wieso du?“ „Glaubst du wirklich, dass ich dich allein lasse?“ Morgan schnaubte ungläubig und fuhr stur weiter den Weg, den er jeden Abend nahm, wenn er nach Hause fuhr. Reid knurrte leise, diese Wendung gefiel ihm absolut nicht. Sein einfaches, kleines Leben geriet gerade völlig aus den Fugen, eine Tatsache, die für jemanden wie ihm einer mittelschweren Katastrophe gleichkam. „Ich habe nicht einmal Kleidung zum Wechseln dabei.“ maulte er und schob die Unterlippe etwas vor, was Derek mit einem Grinsen quittierte. Er deutete mit dem Kopf auf den Rücksitz. Die kleine, dunkelblaue Reisetasche war dem jungen Profiler sehr bekannt. Sie enthielt Kleidung zum Wechseln und Badezimmerutensilien, falls das Team einmal in einem dringenden Fall irgendwo angefordert wurde. „Gibt es noch mehr vollendete Tatsachen, vor die du mich stellen willst?“ fragte er schnippisch und verengte die Augen etwas. „Jep.“ antwortete Derek, ohne den Blick von der Straße zu nehmen. „Es gibt Steak zum Abendessen. Finde dich damit ab.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)