Die Wette von Niekas ================================================================================ Kapitel 1: Die Wette -------------------- „Glaub ich dir nicht.“ Der Himmel, den die untergehende Sonne leuchtend orange färbte, wurde von einem Durcheinander aus Stromkabeln zerschnitten. Die Hitze des Tages stand noch in den Straßen Konohas, und selbst oben auf dem Dach wehte kaum ein Lüftchen. Es war kein guter Abend für eine Babysitter-Mission für zwei Genin. „Egal, ob du mir glaubst. Ist wirklich so.“ Wütend schüttelte Iruka den Kopf und strich ein paar zu lange Haarsträhnen hinter sein Ohr. Die unerbittliche Sonne der vergangenen Wochen hatte seine Haare heller und seine Haut dunkler gemacht. „Ich glaub das nicht.“ „Ist so“, beharrte Mizuki und verschränkte die sehnigen Arme hinter dem Kopf. Er war zu drahtig für einen Jungen seines Alters und zu blass für das Ende des Sommers. „Das denkst du dir doch nur aus.“ „Glaubst du, auf so etwas würde ich kommen, wenn es nicht wahr wäre? Als ob ich mir etwas so Absurdes ausdenken könnte. Auch nicht im Traum.“ Erneut schüttelte Iruka den Kopf. „Du bist...“, begann er. „Was?“ „Komisch.“ Mizuki lächelte. „Meinst du?“ „Immer gewesen“, murmelte Iruka, der nicht genau wusste, wieso er es gerade jetzt aussprach. Natürlich war Mizuki komisch, immer gewesen. Aber deswegen musste man es ihm noch lange nicht unter die Nase reiben – wer konnte wissen, wie er darauf reagieren würde? „Wollen wir wetten?“ „Ich wette nicht“, sagte Iruka und schüttelte den Kopf. „Warum nicht?“ „Wetten ist Glücksspiel, und Glücksspiel ist ein Laster. Etwas, wovon man sich fernhalten sollte.“ „Haben deine Eltern gesagt, nehme ich an.“ Iruka verlagerte auf den klapprigen Dachziegeln sein Gewicht und betrachtete den Baum, der direkt neben dem Haus stand. Ein Vogel saß auf einem der obersten Äste und zwitscherte unmelodisch vor sich hin. „Deine Eltern haben bestimmt auch gesagt, du sollst nicht schwänzen“, fuhr Mizuki einfach fort. „Was dich in Akademie-Zeiten nicht daran gehindert hat, es zu tun.“ „Ich geh nicht mehr auf die Akademie.“ „Du hast die Abschlussprüfung doch nur mit Schummeln geschafft, erzähl mir nichts.“ „Hab ich nicht.“ „Mir kannst du's sagen, oder?“ „Ausgerechnet dir? Nein, kann ich nicht.“ Wer dumme Fragen stellte, bekam dumme Antworten, und man konnte Mizuki nicht vertrauen. Das war eine Tatsache. „Ist ja nicht so, dass du nichts tun würdest, was deine Eltern dir verboten haben...“ „Ich wüsste nicht, was es dich angeht, was meine Eltern mir verboten haben.“ „Ich nehme an, Mädchen bespannen war auch dabei?“ „Halt den Mund.“ „Alkohol?“ „Ich habe gesagt, du sollst...“ „Zigaretten?“ „Die Zigaretten hast du mir zuerst angedreht.“ „Stimmt.“ Mizuki wirkte zufrieden mit sich. „Ich nehme an, du hattest sie von deinen Brüdern.“ Diesmal war es Mizuki, der den Baum anstarrte. „Wir haben beide viel verloren, Iruka“, sagte er langsam. „Alles wegen diesem verfluchten Dämon.“ Dem hatte Iruka nichts hinzuzufügen. „Hast du je über Rache nachgedacht?“ „Meine Eltern waren Shinobi“, sagte Iruka steif. „Sie sind für ihr Dorf gestorben, wie sie es sich gewünscht hätten.“ „In deiner Welt möchte ich leben.“ „Was?“ „Meine Brüder haben es sich nicht gewünscht“, sagte Mizuki, ohne Iruka anzusehen. „Ich meine, ja, siebzehn ist gut, siebzehn ist okay. Aber fünfzehn ist zu früh zum Sterben, viel zu früh, und neun... neun Jahre alt war er, Iruka. Neun. Und so ein verdammtes Wunderkind, so begabt, so früh von der Akademie ab, und was hat es ihm gebracht? Kanonenfutter, Iruka. Genin und Kanonenfutter. Nichts weiter. Hätten wir nicht das Glück gehabt, damals noch auf der Akademie zu sein, hätten sie uns auch verheizt.“ „Hör auf damit“, sagte Iruka und spürte sein Herz hastig schlagen. „Sag sowas nicht. Wenn noch Krieg wäre, könnten sie dich am nächsten Baum aufknüpfen dafür.“ „Ist aber kein Krieg mehr“, erwiderte Mizuki und zuckte die Achseln. „Und bringt das irgendjemanden zurück, Iruka? Lebt davon irgendwer wieder?“ Iruka presste die Lippen zusammen. „Können wir nicht von etwas anderem reden?“ „Stimmt, wir waren gerade noch bei einem ganz anderen Thema. Was war es noch gleich?“ „Der Kleine.“ „Ah, richtig.“ „Ich glaube dir immer noch nicht.“ „Es stimmt. Niemand darf darüber reden, aber es ist so.“ „Als ob.“ Iruka versuchte, verächtlich zu klingen, obwohl er innerlich schon fast überzeugt war, dass Mizuki die Wahrheit sagte. Etwas so Groteskes konnte nicht einmal er sich ausdenken. „Hast du je an Rache gedacht, Iruka?“, fragte Mizuki sanft. Langsam wandte Iruka sich um und stützte sich auf dem Dach ab. Hinter ihnen lag das schräge, geöffnete Fenster, durch das man in ein kleines Zimmer sehen konnte. In einem Gitterbett lag ein Kind, fast noch ein Säugling, in ein Tuch gewickelt. Seine Augen waren geschlossen. „Weißt du“, sagte Mizuki beiläufig, „es hat diesen Punkt auf dem Kopf, irgendwo da. Du drückst den Daumen rein, und es geht direkt ins Hirn. Dann ist es tot. So einfach.“ „Nicht im Ernst.“ „Ist so“, bekräftige Mizuki, streckte probeweise die Hand aus und krümmte die Finger. „Ungefähr so.“ „Das ist eklig“, murmelte Iruka und betrachtete die kleinen, geballten Fäuste des Kindes. Seine blonden Haare waren verschwitzt, das Gesicht von der Hitze gerötet. Auf seinen Wangen zeichneten sich je drei Striche ab, harmlose Striche, die er für Narben oder seltsame Muttermale gehalten hätte, wenn Mizuki nichts gesagt hätte. Aber Mizuki hatte etwas gesagt. „Du traust dich nicht.“ „Was?“ „Du traust dich eh nicht. Rache zu nehmen, meine ich.“ „Ich brauche keine Rache“, sagte Iruka fest. „Die bringt mir niemanden zurück.“ Mizuki schwieg einen Moment und lachte dann auf eine bittere Art. „Warum bist du so ein verdammt moralischer Mensch, Iruka?“ „Ich glaube dir immer noch nicht“, sagte Iruka und rutschte auf dem Dach ein Stück nach unten, weg von dem Fenster. „Als ob dieses kleine Ding der Dämon wäre.“ „Wollen wir wetten?“ „Was?“ „Ich sage, er ist es. Hältst du dagegen?“ „Du willst wetten? Wie sollen wir feststellen, wer gewonnen hat?“ „Ich kann's beweisen.“ „Wie? Jemand anderen fragen können wir wohl kaum. Du hast gesagt, niemand darf darüber reden.“ „Ich beweise es dir“, sagte Mizuki mit leuchtenden Augen. „Eines Tages. Ohne irgendjemanden zu fragen. Dieses Kind ist ein Dämon, Iruka, es ist das pure Böse. Eines Tages wird sich das von allein zeigen.“ „Als ob“, murmelte Iruka. „Also, wetten wir?“ „Ich wette nicht.“ Die Sonne war schon beinahe hinter den Dächern verschwunden, die Hitze lag drückend auf ihnen. Iruka hob die Hand und wischte sich die verschwitzten Haare aus der Stirn. In dem Baum in der Nähe sang der Vogel noch immer unmelodisch vor sich hin. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, wie Mizuki langsam einen Shuriken aus der Tasche an seinem Bein angelte, kurz zielte und warf. Der messerscharfe Stern zischte durch die Luft und der Vogel verstummte. „Also schön“, sagte Mizuki und lächelte Iruka an. Etwas war falsch an diesem Lächeln, auch wenn Iruka erst Jahre später sollte sagen können, was es war. „Wir wetten nicht. Aber ich werde es dir trotzdem beweisen, Iruka. Eines Tages.“ „Tu, was du nicht lassen kannst“, sagte Iruka und zuckte die Achseln. „Wann kommt eigentlich unsere Ablösung?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)