Zum Inhalt der Seite

Helgoland

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Helgoland
 

Ich stehe an der Reling eines Schiffes. Der Wind bläst mir ziemlich kalt ins Gesicht. Es sieht stark nach Regen aus. Trotz allem sind die Wellen schön anzuschauen. Wie sie sich unter mir am Körper des Schiffes brechen. Würde ich das Geländer loslassen und meinen Arm nach unten strecken, würde ich sicherlich einige Tropfen auf meinen Fingern spüren.

Stattdessen aber ziehe ich den Reißverschluss meiner Windjacke höher. Wahrscheinlich erkälte ich mich noch.
 

Als ich Schritte hinter mir höre, drehe ich mich um. Aber es ist nicht Susanne, die kommt, sondern eine Familie. Vater, Mutter und zwei Mädchen. Sie gehen an mir vorbei ans andere Ende des Decks und schauen, wie ich auch, aufs Meer hinaus.

Susanne ist unten und holt uns was Heißes zu trinken. Gegen die Kälte. Weshalb wir nicht unter Deck sind, hat zwei gute Gründe. Zum einen wird mir unten immer schlecht, obwohl kein starker Seegang ist. Zum anderen ist es unten proppenvoll und stickig, was auch noch zu meiner Übelkeit beiträgt. Die Familie hat sich vermutlich aus demselben Grund die Treppe hoch geflüchtet.
 

Plötzlich spüre ich etwas Warmes in meinem Rücken.

“Musstest du lange warten? Sorry, war echt viel los da unten.”, meint Susanne erschöpft und wischt sich den imaginären Schweiß von der Stirn.

Ich drehe mich um und Sanne drückt mir meine Tasse in die Hand. Kaffee rabenschwarz, ohne Milch, ohne Zucker. Ihre eigene Tasse riecht nach Schokolade, die sie meiner Meinung nach immer viel zu süß trinkt, da sie sich zusätzlich meine Portion Zucker reinschüttet, die ich ihr schenke.

Ich bedanke mich für den Kaffee und streiche ihr liebevoll über die Wange. Von der anderen Seite des Decks kann ich Zigarettenrauch riechen. Der Familienvater hatte sich eine Kippe angezündet.

Sanne erwidert meine Berührung und streichelt meine strähnigen Haare, die vergessen habe zusammenzubinden.
 

Mit einem Mal fühle ich noch etwas. Ein Blick, der feindselig und eiskalt ist und von der Mutter kommt. Wir haben ihr doch nichts Böses getan, oder?

“Lesben”, kann ich sie zischen hören. Wahrscheinlich hat sie schon die ganze Zeit geguckt. Ich sehe, wie ihre jüngere Tochter an ihr rumzupft. Sie wirkt nicht so, als wollte sie Aufmerksamkeit. Das Mädchen will die Mutter davon abhalten, zu starren.

Inzwischen hat auch Sanne gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Sie dreht sich ebenfalls um und schaut auf die Szene.
 

Der Vater raucht immer noch, die ältere Tochter erklärt ihm etwas und gestikuliert heftig dabei. Die Jüngere dreht uns gerade wieder den Rücken zu und lässt die Mutter stehen. Sie hat wohl aufgegeben und schämt sich jetzt für diese verklemmte Frau.

“Deb, ist was? Deborah!?” Sanne stößt mich leicht an.

“Nichts.”, lüge ich und wende mich ihr zu. Eigentlich müsste ich das schon gewohnt sein. Leute, die einem komische oder sogar angewiderte Blicke zuwerfen. “Gehen wir zum vorderen Ende?”

“Gute Idee.”, stimmt mir Sanne zu. Dann zieht sie mich weg von den Leuten und ihren Blicken, die wohl immer wehtun werden, wenn sie mich treffen.
 

Gerade als wir an der Schnauze des Schiffes ankommen, bricht die Sonne durch. Das Wasser glitzert ein wenig. Ich hebe den Blick und sehe schon die Lange Anna, das Wahrzeichen von Helgoland, rote Sandsteinfelsen, die die Küste der Nordseeinsel säumen.

“Hat sich doch gelohnt, hm?”, fragt Sanne hinter mir mit ein wenig Genugtuung in der Stimme. Sie nimmt einen Schluck Schokolade, stellt sich neben mich und umschlingt meine Taille. Heute früh musste sie mich noch überzeugen, dass der Wetterdienst mit seiner guten Prognose Recht behalten würde.

Ich lache sie an, bin glücklich.

Sie grinst zurück. “Ach Deb…”, seufzt sie.
 

Ende



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Evilsmile
2013-01-13T13:16:02+00:00 13.01.2013 14:16
Hachja, Helgoland, Erinnerungen werden wach. Das ist echt ein schönes Fleckchen Erde. Feeernweeh! T__T
Dir ist eine tolle Momentaufnahme gelungen, bei der man für zehn Minuten richtig hineingezogen wird.
Das sind wirklich subtile Gesten, die signalisieren, dass sie ein Paar sind. Die Mutter hat ja einen ziemlich gut geeichten Blick - Ich kannte es eher so dass homophobe Menschen sowas nicht realisieren bis ihnen der komplette Zaun winkt... Wenigstens ist die Tochter cool drauf.
Schön mal wieder was von dir zu lesen, Lotos.


Zurück