Gute Nacht Britta von Gisi ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Britta starrte mit verweinten Augen aus dem Fenster. Sie wischte sich mit dem Handrücken ihrer Rechten über die Nase und drückte mit der Linken Filly ganz fest. Eigentlich war sie mit zehn Jahren schon zu alt für Filly, aber besondere Zeiten bedurften besonderen Mitteln, wie Oma immer zu sagen gepflegt hatte. Ich selbst saß an meinem Schreibtisch, was half es auch ihm nachzusehen. Mama würde ihm die Tür nicht wieder auf machen, das hatte sie ihm oft genug angedroht. „Komm Britta, geh vom Fenster weg“, sagte ich, doch sie rührte sich keinen Schritt. Sie blieb schweigend an meinem Fenster stehen und drückte ihre Tränen- und Rotznassen Hände gegen die Scheiben. Frau Schneider würde mir wieder die Schuld für die dreckigen Scheiben geben, schließlich tat sie das immer. „Komm jetzt. Es hilft doch eh nichts, wenn du hier stehen bleibst.“ „Bist du denn gar nicht traurig?“, fragte sie mit zittriger Stimme ohne mich anzusehen. Dumme Frage natürlich war ich traurig, aber ändern konnten sie und ich doch eh nichts. Mama und Papa hatten das so entschieden, wir wurden nicht nach unserer Meinung gefragt. Ich frage mich nur warum das passiert ist? Eins ist sicher ich gebe nicht Britta die Schuld daran, sie ist immer so lieb und sie ist doch auch noch so klein. Sie kann es nicht gewesen sein. Manchmal frage ich mich ob ich wohl Schuld war. Ich bin ihr älterer Bruder ich hätte wenigstens mal etwas sagen können, oder auch mal Schuld zugeben können. Mama und Papa hatten immer so viel Ärger mit mir und ihr. Opa meinte jetzt würden Mama und Papa sich wenigstens nicht mehr in unserer Gegenwart streiten, aber ich bin mir nicht sicher ob das auch stimmt. Britta riss mich aus meinen Gedanken, als sie zu mir kam und mich umarmte. „Phillip, ich hab Angst, dass Mama und Papa bös auf mich sind, weil ich die kleine Statue kaputt gemacht habe.“ „So ein Unsinn Britta“, versuchte ich sie zu beruhigen. Die Statue war zwar ein wertvolles Erbstück, wie Mama immer sagte, aber ich wusste das Mama und Papa sie immer hässlich gefunden hatten, daran konnte es nicht liegen. Viel eher lag es an meinen schlechten Schulnoten, oder den vielen Ermahnungen unseres Schulleiters. „Du gehst nicht zu ihnen“, hörte ich Mamas Stimme laut schreien. „Sie sind immer noch meine Kinder.“ „Schlimm genug.“ „Irma, ich will mich nur von ihnen verabschieden.“ „Du gehst nicht in dieses Zimmer. Du wohnst hier nicht mehr“, schrie meine Mutter weiter. Britta hielt es nicht mehr aus. Sie ließ mich los und lief zur Tür. Sie öffnete die Tür und als sie unseren Eltern gegenüber stand schrie sie laut auf und drehte sich im Kreis. Sie schlug mit den Händen um sich als hätte sie eine Biene gestochen. Mama und Papa versuchten sie aufzuhalten doch sie trat und schrie, schlug, biss und kniff um sich. „Britta“, versuchte Mama sie zu beruhigen, doch sie hörte nicht. „Britta, Maus. Ich bitte dich sei doch lieb. Hm? Sei ruhig und sag Papi tschüss“, doch auch das half nicht. Sie schrie sogar noch mehr und in ihrem blinden Umherirren lief sie mit dem Kopf gegen den Türrahmen und fiel zu Boden. Ich wusste nicht was genau passiert war, ich hörte nur noch Mamas erschrockenes Schreien und Papas Handytasten piepen. Als ich in den Flur ging sah ich, dass Britta am Boden lag und da war überall Blut. Auf ihrem Gesicht, in ihren Haaren, auf Mamas Händen. Blut, Blut, Blut. Schweißnass erwachte ich. Durch das geöffnete Fenster wehte mir der kalte Frühlingswind entgegen und irgendwo in der Ferne heulte eine Sirene. Ich schlug die Bettdecke zurück und ging zum Fenster. Es war nicht das erste Mal das mich die Ereignisse der Vergangenheit in meinen Träumen einholten. Ich dachte oft an Britta, an Mama und Papa und fragte mich dann warum das alles so kommen musste. „Phillip?“, Nelly hatte sich im Bett aufgesetzt und sah mich aus ihren dunklen Augen an. „Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte sie mich und ich nickte. Ich schloss das Fenster und ging zurück zum Bett. „Du bist ja total heiß, hast du Fieber?“, Nelly hielt ihren Arm an meine Stirn. „Es ist alle in Ordnung Nell, ich habe nur schlimm geträumt.“ „Ganz bestimmt?“, sie sah mich so besorgt an. Ich nickte. „Ganz sicher“, antwortete ich ihr. „Schlaf du nur schon wieder ein, ich will noch einmal nach den Kindern sehen.“ Sie nickte und ich drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. „Ich liebe dich“, flüsterte sie. „Ich liebe dich auch“, gab ich ihr zurück. Dann ging ich die Treppe hinunter in die Kinderzimmer. Sie schliefen alle vier wie Steine. Sie waren jetzt so alte wie Britta und ich damals. Doch ihnen sollte erspart bleiben was ich durchmachen musste. Auf dem Weg zurück in mein Zimmer fiel mein Blick auf die Bilder im Treppenhaus. Britta lächelte mich breit an mit Filly im Arm. In solchen Augenblicken habe ich immer das Gefühl das sie neben mir steht und mich anlacht oder ausschimpft. Nein, sie kann ich nie vergessen. „Gute Nacht Britta“, flüsterte ich und strich ihrem Abbild liebevoll über die Wangen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)