Meine Verlorenen Erinnerungen von ichisan (Die Geschichte eines Landes) ================================================================================ Prolog: Prolog - Mein Land -------------------------- Prolog 1 Mein Land Als mein Großvater mir das erste mal mein Land zeigte, fand ich es riesig. Zu groß für ein kleines Mädchen, wie mir. Dennoch blieb ich stark. Andere Länder wollten meine Wälder, meine Berge und meine Wiesen. Sie wollten die Schätze in meinem Boden und die Tiere, die sich auf mir tummelten. Ich versuchte, mich gegen sie zu wehren, doch ohne Hilfe wäre ich bald untergegangen. Es war ein kleiner Junge, der sich mir annahm, mich unterstützte und mir Halt gab. Es war eine schöne Zeit doch mein Bruder zog weiter an mir. Als einer meiner Freunde, der Herzog Bolko II, starb konnte mich niemand mehr halten und mein Bruder nahm mich zu sich. Er war zwar gutherzig, lieb und ich mochte seine Musik, doch war mein Land, nicht mehr mein Land. Aber er war schwach und andere Nationen versuchten mich zu bekommen. Mein Land wurde in drei Teile geteilt und ich war auch keine Nation mehr. Ich konnte mein Erbe, mein Land, das mir mein Großvater überlassen hatte nicht halten und verlor alles. Ich wohnte zwar weiter bei meinem großen Bruder und hörte ihm weiter bei seinen Konzerten zu, aber es war nicht das gleiche. Ich versuchte mich neu zu finden, also zog ich zu jemanden, der ein Teil meines Landes besaß. Er war komisch. Irgendwie viel zu feminin und oft trug er Kleider und tanzte durch das Haus. Er war unnütz und die ganze Reise war auch sinnlos. Also zog ich weiter nach Norden, in das Land, was den Rest meines Landes besaß. Doch ich sollte nicht so weit kommen, mit ihm zu reden. Denn auf einem kleinen Waldweg wurde ich aufgehalten. Es waren Räuber. Sie überfielen mich und töteten mich. Da ich keine Nation mehr war, konnte ich nicht mehr wiedergeboren werden. Das Erbe Schlesiens geht verloren, bis sich das Volk irgendwann erhebt und auch ich wieder eine Nation mit eigenem Land bin. Kapitel 1: Erwachen ------------------- kapitel 1 ERWACHEN "... dich..." "... ich kenne dich..." "... wie... dein Name..." Um mich herrum ist alles Schwarz. Ich höre nur diese eine Stimme. Sie ist sanft und fürsorglich, hat aber auch etwas strenges und verwirrendes. Diese tiefe, männliche Stimme weckt in mir etwas vertrautes... Ein Junge spielt auf einer Wiese und der Wind fegt um unsere Ohren. Er bläst mein Kleid auf spielt mit seinem schwarzen Gewand. Ich bin rundum glücklich... Ich versuche meine Augen zu öffnen doch irgendetwas macht sie schwer wie Blei und die Dunkelheit bleibt. Ich werde hochgehoben. Ist es der Mann, der gerade noch mit mir gesprochen hatte? Wahrscheinlich. Doch bin ich nicht im Stande irgendetwas zu sagen, mich zu wehren oder nur zu Bewegen. Meine Glieder wollen mir nicht gehorchen, meine Arme hängen einfach nur schlapp herab und meine Beine wollen nicht diemeinen sein. Ein leises Stöhnen entweicht meiner Kehle und nun packt mich der Mann etwas fester und fängt an zu rennen. Diese Hilflosigkeit macht mir zu schaffen, doch ich kann nichts anderes tun, als in seinen Armen zu hängen und zu hoffen, das alles gut wird. Doch diese verdammte Dunkeheit umhüllt mich immernoch, wie ein schwarzer Schleier, der nicht einmal den kleinsten Schimmer durchlässt. "Warte nur!", sagt er, "Ich werde dich zu Feliks bringen, es ist nicht mehr weit... Halte durch..." Durchhalten? Natürlich würde ich durchhalten. Das habe ich immer... Das sanfte auf und ab der Schritte des Mannes machten mich schläfrig. Ich würde so gerne schlafen. Tief in das Traumland hinabsinken, fernab von allem komischen, verwirrenden. Aber weg von diesem Mann, der mich gerettet hatte... Und ich schlief ein... Er weckte mich, indem er einen Grashalm immer wieder über mein Gesicht fahren ließ. Meine Nase kitzelte und ich muss niesen. Er vezieht angewiedert das Gesicht und wischt sich meine Spucke mit seinem Ärmel aus den Augen. Ich muss lachen. Es ist ein herzliches Lachen, welches nichts von den Sorgen , die ich eigentlich habe vermuten lässt. Was ist los mit mir? Dass ich nicht normel bin, weiß ich schon lange. schon seite ein paar hundert Jahren... Dennoch ist mein Land jung. Früher waren wir Normaden und Siedler aus anderen Ländern. Meinem Opa habe ich auch viel zu verdanken. Aus seinem Volk bin ich entsprungen. Doch als mein Großvater verschwand stritten sich meine Brüder um mich. Wer sollte mich erziehen? Also habe ich Zuflucht bei meinem besten Freund gesucht: Dem Heiligen Römischen Reich. Seitdem sind wir jeden Tag zusammen. Wir spielen und lachen zusammen, als eine Einheit. Er beschützte mich auch, wenn sich Bruder Österreich und Bruder Preußen sich wieder einmal um mich stritten. Er wollte nur immer wieder zu diesem kleinen Balg Italien. Ich weiß nicht, was er an ihr fand aber eigentlich konnte es mir auch egal sein, nur ließ es mich nicht mehr los. Mein Herz schmerzte immer, wenn ich sie sah und fühlte mich ihr überlegen, wenn er meine Hand nahm. Dann waren da die Schmetterlinge, wie Österreich mir einmal erklärt hatte. Es ist ein schönes Gefühl... Das Zimmer, in dem ich lag, als ich aufwachte war irgendwie groß und pompös. Seit einigen Minuten liege ich nur so da in diesem Riesigen Himmelbett und starre einfach nur so an die Decke. Außer mir war keiner im Raum und das war gut so. Ich hätte nich gewusst, was ich sagen sollte und vor allem, WIE ich es sagen sollte. In meinem Kopf schwirren viele Wörter umher, viele in verschiedenen Sprachen und Dialekten. Wenn ich ab und an die Augen schließe und versuche, mich auf eine Sprache zu fixieren, bekomme ich Kopfschmerzen. Dennoch, ein Bild war immer da. Es tantze vor meinen Augen und ließ sich nicht wegwischen. Ein forsches Kinn, umramt von säuberlich zurückgekämmten Haare, unter einer schwarzen Kopfbedeckung. Der ebenfalls schwarze Umhang tanzt im Wind und seine blauen Augen fixieren mich, sie dringen in mich und machen mich irgendwie leblos. Ich weiß nicht, wie lange ich hier schon liege, draußen ist es dunkel, also schlafen alle. Ich werde hier wahrscheinlich noch bis zum Morgen liegen bleiben müssen, bis jemand kommt, um ich aufzuklären. Ich kann mich zwar wieder bewegen, doch sind meine Arme und Beine irgendwie Taub, als hätte ich lange Zeit geschlafen. Ich seufze einmal tief und drehe mich auf die Seite. Was war passiert, bevor mich der Mann aufgesammelt hatte? Ich versuche mich zu erinnern doch da ist ein Leere, als wäre davor gar nichts gewesen, aber was war mit meinem Traum? War dies nicht eine Erinnerung? Aber es wirkte so real, die gefühle wirkten so real. Mein Herz schmerzte und ich presse meine Hand gegen meine Brust. Die Gedanken an diesen Jungen waren so intensiv, ich will gar nicht daran denken, ob dies nur Fantasie war oder Wirklichkeit... Ich WOLLTE, dass es Wirklichkeit war... Und so schlief ich wieder ein... Opa Germanien und ich stehen auf einem Berg. Er sieht mich an und fängt plötzlich an zu lachen. "Das ist nun dein Land", sagt er, "es ist zwar nur ein kleines Land, aber es hat alles, was du brauchst." "Klein?! Das ist doch nicht klein...", erwiedere ich. Erst antwortet er nicht. Er starrt auf die Wiesen und Felder vor uns und atmet tief ein und aus. Dann nimmt er mich auf den Arm und schaut mir tief in die Augen, ehe er sagt: "Im Gegensatz zu den Großen Mächten, wie mir oder dem Römischen Imperium ist dieses winzige Stück Land nahezu bedeutungslos. Doch wenn du dich umblickst siehst du weite Steppen, große Wälder und fruchtbares Land. Das ist wertvoller, als alles andere. Wenn du das hast, kann dir niemand etwas vormachen. Doch es wird Menschen geben und es wird auch Nationen geben, die versuchen werden, dir das wegzunehmen. Doch du darfst dich nicht unterkriegen lassen! Du bist eine tapfere Kriegerin und du darfst dich auch nicht Scheuen, bei jemanden um Hilfe zu bitten! Du bist ein eigenes Land und deine Bewohner zählen auf dich!" Sein Blick schweifte wieder ab und sein Gesicht und seine Augen wirkten auf einmal so alt und müde, als wollte er nicht mehr. Auch ich richte meinen Blick wieder auf die Hügel und Wiesen, die vor mir lagen und nun erstrahlen sie alle für mich in einem neuen Licht. Das ist nun MEIN Land... Es ist ein seltsames Gefühl, all die Menschen und Tiere und die Verantwortung... Aber bin ich bereit dafür? Ich denke, dass Opa Germanien mir dieses Land sonst nicht anvertaut hätte. Ja, ich bin dafür bereit! Opa Germanien, du wirst deine Entscheidung nicht bereuen! Ich wache auf und die Sonnenstrahlen scheinen mir direkt ins Gesicht. Es ist schön, wieder diese Wärme zu spüren und mich dem Gefühl hinzugeben, geborgen zu sein. Erst bemerkte ich es nicht, doch ich war nicht allein. Ich drehe mich auf die Seite, um den Sonnenstrahlen zu entgehen und sein blonder Kopf ist direkt neben mir. Er hat ihn in seinen muskulösen Armen begraben und sitzt auf einem Stuhl, direkt neben meinem Bett. Seine Haare sind säuberlich zurückgekemmt und sein Kleiderstil ist einfach nur schlicht. Langsam richte ich mich auf um mich im Zimmer weiter umzusehen. Außer uns beiden ist hier niemend. Dieser Mann ist mir irgendwie vertraut. Ich kann es nicht erklären und dieses Gefühl der Ungewissheit ist mir fremd. Auch dieses Zimmer und die ganze Situation sind mir Fremd. Ich will nach draußen, in die freie Natur! In diese Landschaft aus meinem Traum. Aber gleichzeitig weiß jede Faser meines Körpers, dass es noch nicht so weit ist, nach Hause zurückzukehren, in die Weite meines kleinen Landes. Wenn es denn Realität war, was ich träumte. Aber daran habe ich so gut, wie keine Zweifel. Erschöpft lasse ich mich also wieder in meine Kissen fallen. Eine Weile starre ich einfach nur auf diesen Kopf. Dann auf seine Arme. Sie sind schon ziemlich muskulös und lassen auch auf einen muskulösen und gut trainierten Körper schließen. Dennoch sind sie vernarbt von vielen Kämpfen und Schlachten. Ich hebe meinen Arm und streiche langsam mit meinen Fingern über diese Nartben. Es muss weh getan haben, sie zu bekommen. Ich fahre langam seinen Arm hinauf, zu seinen Schulterblättern. Auch sie fühlen sich unter dem Shirt muskulös an und zittern leicht bei jedem Atemzug. Doch plötzlich geht ein beben durch seinen ganzen Körper und er hebt seinen Kopf. Schnell ziehe ich meinen Arm zurück und schlüpfe weiter unter die Decke. Seine großen blauen Augen starren mich eine Weile lang einfach nur an. Mein Kopf ist wie leer gefegt und all die Gedanken und Gefühle, die mich vorher beschäftigt hatten, haben sich in seinen Augen verloren. Die Welt um mich herum verschwand und das einzige, was mich vereinnahmt sind seine tief blauen Augen. "Du bist aufgewacht." Wer hatte das gesagt? Ich glaube, er war es, aber die Worte, die aus seinem Mund kommen, sind in einer Fremden Sprache. Die Worte formen sich in meinem Kopf und es liegen schon die rechten Antworten parat, aber nicht in meiner Sprache, sondern in seiner. Es war eine plumpe Sprache, ohne jeden Klang, jedoch ist sie mir vertraut, als hätte ich sie früher öfter gesprochen. Er erhebt sich langsam und ich folge ihm mit meinem Blick. Auch er lässt mich nicht aus seinen Augen, bis er sich umdreht und zur Tür rausgeht. Auch ich setzte mich langsam hin und warte darauf, dass irgendetwas geschieht Nach einigen Sekunden kommt aus dem Flur ein Schrei, dem ein junger Mann mit blonden, vielleicht etwas zu langen, Haaren folgt. Er stürmt durch das Zimmer und springt auf mein Bett, sodass auch ich auf und ab springen muss. Er nimmt mich in seine Arme und schreit:"Oh, jesteś obudzony! Przegapilem ci tak!" Du bist aufgewacht! Ich habe dich so vermisst! Langsam gewöhnt sich mein Kopf an die verschiedenen Sprachen, obwohl mir Polnisch vertrauter ist, als Deutsch. "Kenne ich dich?", erwiedere ich in flüssigem polnisch. "Oh, Hanna! Sag mir nicht, du hast alles vergessen?", meint er enttäuscht. Doch dann kommt wieder der Deutsche, auch er spricht polnisch: "Natürlich kann sie sich nicht erinnern! Schlesien ist seit ewigkeiten keine Nation mehr!" Kapitel 2: Meine Brüder ----------------------- Kapitel 2 Meine Brüder Die Beiden erklärten mir, dass ich einmal das Land Schlesien war. Doch als man mir mein Land wegnahm, konnte ich nicht mehr wiedergeboren werden und ich starb. Aus irgendeinem Grund bin ich jedoch wieder auf der Welt erschienen und das ist es, was ihnen so zu schaffen macht, denn es ist alles so verwirrend. Sie versuchen alles, um mir meinen Aufenthalt angenehmer zu machen, dennoch fühle ich mich irgendwie fremd. Das große Haus und seine Bewohner sind auch komisch. Zum einen ist da der Deutsche, Ludwig, er weicht mir nicht von der Seite und ist immer für mich da. Dann sind da noch Feliks, der Pole, und drei junge Männer, die hin und wieder mal vorbeischauen, Eduard, Toris und Raivis. Sie sind auch Nationen, obwohl sie alle ein wenig naiv und unselbstständig sind. Aber am meisten zu schaffen macht mir ein Mann, der vor ein paar Tagen erst angekommen ist. Er ist groß und kämmt seine pechschwarzenhaare ähnlich zurück, wie Ludwig. Als er ankam, stellte er sich als Roderich Edelstein vor. Oft sitzt er im Musikzimmer und spielt Klavier. Ich höre ihm gerne zu, denn seine Musik weckt Erinnerungen von Bällen und prachtvollen Kleidern an ebenso prachtvoll geschmückten Menschen, die den ganzen Saal mit ihren Gerüchen zu einem einzigen Durcheinander an Eindrücken machten. Es sind intensive Erinnerungen voll mit Liebe und Glück. Auch Ludwig setzt sich manchmal zu uns und hörte einfach nur zu. Er ist immer so ernst und lacht fast nie. Auch jetzt sitzen wir wieder im Musikzimmer und hören Roderich beim spielen zu. Ich habe mich zu Ludwig in eine Ecke gesetzt und lausche nun gespannt einer Sonate von Chopin. Auch genieße ich die Zeit mit Ludwig, denn irgendein Gefühl sagt mir, dass die ruhige Zeit bald vorbei sein wird, denn eine bedrohliche schwarze Wolke nähert sich der Villa. Die Sonate endete klangvoll und ich stehe auf, um zu applaudieren, aber bemerke neben mir einen schlafenden Mann. Also lasse ich ihn weiter schlafen und schleiche hinüber zu Roderich. "Du spielst so schön!", lobe ich ihn und er deutet eine Verbeugung an. "Er ist schon wieder eingeschlafen", beschwere ich mich. Doch er meint nur: "Lass ihn. In letzter Zeit bekommt er kaum Schlaf. Er macht sich viele Sorgen." "Sorgen? Worüber?" "Über dich, über sein Land, über... Gilbert...", meinte er. Doch ich konnte sehen, dass er mir irgendetwas verschwieg. Was war das? Auch bei Ludwig hatte ich es ein paar mal bemerkt. Was ist es, dass sie mir nicht erzählen wollen? Was würde passieren? Auch dieser Gilbert... Selbst Feliks wurde komisch, wenn ich diesen Namen erwähnte. Aber für den Moment lasse ich es bleiben und wende mich wieder an Roderich: "Sollen wir ihn wecken?" "Nein, lass ihn schlafen. Soll ich dir noch etwas vorspielen?", fragt er. "Noch etwas? Aber was ist mit Ludwig? Würde er dann nicht aufwachen?" Er lacht und meint: "Nein, der wacht so schnell nicht auf! Also? Soll ich?" "Ja, ich höre dir so gerne zu!", erwiedere ich und drehe mich um, um auf meinen Platz zurückzukehren, doch Roderich ergreift meine Hand und zieht mich zu ihm auf den Schemel. Er hebt seine Hände, lässt sie einmal kurz über die Tasten gleiten, ohne einen Ton zu spielen und hält dann mitten in der Bewegung an. Kurz schweben seine Hände über der Tastatur bis er dann langsam die ersten Akkorde spielt. Die Klänge des Klaviers erfüllen den ganzen Raum. Seine Finger strichen einfach nur über die Tasten und die Hämmer im inneren des Klaviers schienen von ganz allein zu schlagen und Beethovens Klänge erfüllen den Raum. Doch auch irgendwann ist dieses Stück vorbei und Roderich lässt seine Hände wieder sinken. "Früher hast du auch gern gespielt", meint er mit einem Lächeln in seinem Gesicht. Ich soll Klavier gespielt haben? Vorstellen kann ich es mir... Langsam streiche auch ich mit meinen Finger über die Tastatur. Die Kälte und das abwechselnde Spiel der schwarzen und weißen Tasten ist mir zugleich vertaut, aber auch fremd. Roderich hat wohl meinen zweifelnden Ausdruck bemerkt, denn nun ergreift er meine rechte Hand und legt seine Finger auf meine. "Das ist ein C ...", erklärt er und drückt meine Finger sanft auf eine Taste. "... und das ein D, ein E...", fuhr er fort. Und langsam dämmerte es mir. "F, G, A, H, C", sagte ich stolz und drücke die Tasten selbst. "Genau!", lachte er, "Kannst du auch noch Akkorde?" Jetzt nehme ich auch meine linke Hand und spiele eine rasche Tonfolge. Ich weiß nicht, was ich da spiele, aber es ist etwas, das ich sehr oft gespielt habe. Leider weiß ich irgendwann nicht mehr weiter und breche ab. Doch Roderich fängt nur an zu lachen und meint: "An der Stelle hattest du immer Probleme! Es ist dein Lieblingslied, nicht wahr?" Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll, denn das Lied habe ich gerade zum ersten mal gehört. Ich kann nicht leugnen, dass es nicht schön war, aber ich würde es nicht als mein Lieblingslied bezeichnen. Dennoch ... wieso habe ich gerade DIESES Lied gespielt? "Es ist die Deutsche Nationalhymne", erklärt Roderich, "Es ist auch Ludwigs Lieblingslied, obwohl meine Bundeshymne um einiges Klanghafter ist." Mit einem Lächeln auf seinen Lippen stimmt er auch hier die ersten paar Töne an. "...Und das hier ist die, von unserem lieben Feliks, die Mazurek Dabrowskiego!" Nun spielt er einen flotten Marsch und wiegt seinen Kopf im Takt des Liedes. Doch plötzlich brach er ab und fragt: "Hast du dich überhaupt schon bei ihm bedankt?" Jetzt habe ich den Faden verloren. "Hä? Wovon redest du?", frage ich also. "Hast du dich schon bei Feliks bedankt?", versucht er mir zu sagen, doch als er mein verdutztes Gesicht sieht, legt er die Stirn in Falten und klappt den Flügel zu. "Du solltest dich bei ihm bedanken. Schließlich hat er dich, Ludwig und mich kurzzeitig aufgenommen, bis... naja, du solltest dich bei ihm bedanken!" Mit diesen Worten durchquert er den Raum, blickt nocheinmal zu Ludwig und schüttelt einfach nur den Kopf. "Ich glaube, er ist im Stall...", sagt er noch und verlässt das Musikzimmer. "Bringst du mir das Klavierspielen bei?" Meine Nase reicht noch nicht mal über die Tastatur hinaus, dennoch will ich genauso schön spielen können, wie mein großer Bruder Roderich! Damit kann ich das Heilige Römische Reich bstimmt beeindrucken! Wenn ich sein Lieblingslied lerne und ihm vorspiele, ist er vielleicht nicht mehr böse auf mich... "Großer Bruder? Bringst du es mir bitte bei?" frage ich nochmals, da er in Gedanken versunken ist. Dann fragt er:"Wieso willst du es lernen?" "Naja, du spielst so schön", antworte ich, "Und wenn ich genauso schön spiele, ist mir das Heilige Römische Reich vielleicht nicht mehr böse, denn er mag deine Musik auch so gerne..." Jetzt lächelt er und sagt wieder in Gedanken, mehr zu sich selbst: "Er mag meine Musik?" Aber dann verfinstern sich seine Züge wieder. Gedankenverloren streichen seine Finger über den schwarzen Lack des Flügels. Einige Minuten lang verharrt er so in dieser Bewegung, als wäre er mit sich selbst im Konflikt. Warum will er es mir nicht beibringen? Ich habe doch nichts falsches getan... "Willst du es wirklich lernen?", fragt er dann nochmals. "Ja. Unbedingt", erwiedere ich fest entschlossen. Er seufzt einmal ganz tief und rutscht dann zur Seite, damit ich mich dort hinsetzen kann. Schnell klettere ich neben ihm auf den Schemel. Er seufzt nocheinmal und versucht mir die Grundlagen beizubringen: "Die weißen Tasten sind die ganzen Töne, die schwarzen, die dazugehörigen Halbtöne..." Auf diese Weise lernen wir jeden Abend. Ich versuche, mich anzustrengen, um meinen großen Bruder stolz auf mich zu machen. Ich lerne schnell und kann auch schon bald einige Melodien spielen. Immerwieder frage ich nach dem Lieblingslied vom Heiligen Römischen Reich, doch mein Bruder meint immer nur, dass es noch viel zu schwierig für mich wäre. Doch ich übe weiter und werde auch immer besser. Auch mein Bruder zögert nicht mehr so oft, wenn ich ihn frage, ob wir zusammen Klavier spielen können. Ich genieße die Zeit, in der er mir das Klavierspielen beibringt... Roderich hatte Recht. Feliks ist in dem kleinen Stall, hinter dem Haus, indem er seine Pferde hielt. Auch Toris ist hier und die beiden unterhalten sich. Ich finde es süß, dass die beiden so viel Zeit miteinander verbringen. Ich bleibe in der Tür stehen und schaue den beiden einfach nur zu. Sie unterhalten sich angeregt, doch bin ich zu weit weg, um etwas zu verstehen. Nach einer Weile verabschiedet sich Toris mit einer langen Umarmung. Auf dem weg nach draußen winkt er mir noch zu, bevor er wieder ins Haus rennt. Ich gehe dann hinüber zu Feliks, welcher sich wieder seinem Pferd gewidmet hatte. "Feliks...", begann ich. "Cześć! Hanna, was verschafft mir die Ehre?", unterbricht er mich. Ich lache und antworte: "Ich wollte mich bedanken" "Bedanken? Wofür?" "Naja, du nimmst Ludvig, Roderich und mich einfach so bei dir auf", antworte ich ihm, doch er unterbricht mich schon wieder: "Ach, das ist doch gar nichts! Du bist meine kleine Schwester! Außer dir hatte ich noch nie eine, ich bin froh, dass du wieder da bist!" Er lacht wieder und nimmt meine Hände in seine. "Alle freuen sich, dass du wieder da bist!" Feliks' sonniges Gemüt erstaunt mich immer wieder, denn er hat so gut, wie immer gute Laune. Und sein Lachen steckt an. Auch ich muss nun Lachen und wir beide lachen gemeinsam. "Kannst du noch reiten?", fragt er dann unvermittelt. "Reiten? Konnte ich früher reiten?", frage ich zurück. "Ja! Du warst die beste Reiterin, die ich je gesehen habe! Komm, ich zeige dir dein Pferd, dann reiten wir zusammen aus!" Er lässt meine Hände los und eilt in die andere Ecke des Stalls. Dort kramt er in irgendeiner der vielen Kisten herum und kommt mit Zaumzeug zurück. "Komm schon!", herrscht er mich an und zeigt in eine andere Box mit einem Holsteiner. "Der Sattel hängt dort hinten! Ich hoffe, du erkennst die Ähnlichkeit, mit deiner kleinen Stute! Er ist einer ihrer Nachfahren." "Wie bitte?" "Naja, du hast Koń hier gelassen, als du gegangen bist!" Ohne noch irgendetwas zu erwiedern, gehe ich hinüber zu dem Pferd und berühre sanft seine Nüstern. Er schnaubt leicht und ich hebe auch die andere Hand, um ihn zu kraulen. An seinem Hals spüre ich seine Muskeln und das Pulsieren einer Ader. Es ist ein schönes Pferd und ich will es reiten, in die Natur und den Wind in meinen Haaren und an meiner Haut spüren. Ich entferne mich langsam von dem Hengst und gehe rüber zu der Wand mit dem Sattel. Langsam schiebe ich meine Hände unter das große ledrige Teil und versuche, es anzuheben und bemerke schnell, dass es ziemlich schwer ist. Ich nehme alle meine Kraft zusammen, um ihn von der Stange zu heben, doch das tatsächliche Gewicht überfordert mich und ich falle samt Sattel auf den Boden. Lachend kommt Feliks wieder auf mich zu und hilft mir mit dem Sattel, indem er das Ungetüm von mir runter nimmt und ihn auf den Hengst sitzt. Dann hilft er mir auf und meint mehr zu sich selbst: "Ich muss dir wohl alles nocheinmal beibringen... Komm, setzt dich aufs Pferd!" Ich seufze und stelle mich an die Flanke des Tieres. Als ich gerade meinen Fuß in den Steigbügel setzen will, hustet Feliks. Irgendetwas habe ich falsch gemacht, denn Feliks Gesicht sprach Bände. "Von links", meint er nur und schlendert hinüber zu seinem Pferd. Nach ein paar Anläufen schaffe ich es, den Hengst in die Richtung zu lenken, in der ich ihn haben will. "Traust du dir auch mehr zu? Wir könnten in den Wald reiten...", schägt Feliks schließlich vor. Da dies eine gute Gelegenheit ist, um zu üben, stimme ich dem zu. Doch der Wald ist anstrengender, als ich gedacht habe, denn die Unregelmäßigkeiten im Boden, oder zu tief hängende Äste machen mir zu schaffen. Feliks allerdings macht sich nur lustig über mich und reitet ständig vorraus. Dennoch versuche ich immer wieder, mit ihm Schritt zu halten und auch manchmal in Trab oder sogar in den Galopp zu reiten, um ihn wieder einzuholen. Auch an den Umgang mit dem Pferd gewöhne ich mich langsam. Das Spiel der Muskeln an seinem Rücken und am Hals sind, genauso wie die Kraft, die in diesem Tier steckt, über alle Maßen beeindruckend. Ich liebe das Reiten und alles, was dazugehört. Schon bald rasen Feliks und ich durch den Wald, sodass die Schatten der Bäume im Abendlicht nur zu einem einzigen Wirbel an Farben und Formen verschwimmen. Die Atmosphäre und der Klang der Hufen auf dem Waldboden sind berauschend und ich vergesse ganz, wer, oder was, ich bin. Die vergangenen Tage und meine ungewisse Zukunft sind vergessen. Zumindest für diesen Augenblick. Schließlich meint Feliks: "Lass uns wieder Heim reiten. Die Pferde und ich werden langsam müde! Außerdem muss ich noch Abendessen kochen..." Das macht Spaß! Reiten ist so befreiend. Ich finde es schön, das mir mein Bruder reiten beigebracht hat. Jeden Tag reite ich mit meiner Stute in den Wald und manchmal kommt mein Bruder sogar mit. Wir machen dann immer Picknick auf eine Wiese, mit Sandwiches mit Wurst und Käse. Feliks' Wurst ist zwar nicht annähernd so gut, wie die vom Heiligen Römischen Reich, aber seine Wälder sind besser. Dort kann man besser reiten und es gibt so viele Tiere, die ich beim Heiligen Römischen Reich nicht gesehen habe.Aber ich war, genauso, wie bei Roderich, immer nur drinnen. Ich liebe es, draußen zu sein! Mein Bruder bereitet gerade wieder ein Picknick vor, damit wir ausreiten können. "Wann bist du fertig?" "Gleich, hab ein wenig Geduld!" Er hängt noch seine Schürze weg und tänzelt hinüber zum Picknickkorb. Ich nehme die Brote und folge ihm. Nachdem der Korb gepackt ist, schlendern wir hinüber zum Stall. "Wo reiten wir heute hin?", fragt er mich, wie immer mit einem lächeln im Gesicht. Ich weiß sofort, was ich antworten soll, ich nenne ihn meinen Lieblingsplatz: "Ich will zu dem alten Feld, wo so viele Mohnblumen wachsen! " "Wohin?", fragte er erstaunt, "Soweit bist du schon geritten? Wow, ich bin erstaunt! So einen weiten Weg hätte ich dir nicht zugetraut." Ein schönes Lob von meinem Bruder! Stolz grinse ich ihn an und renne vorraus zum Stall. "Hey, Koń! Wir reiten wieder aus!", rufe ich aufgeregt meinem Pony zu. Schnell hole ich dann den Sattel von der Stange und setze ihn auf das Pferd. Dann zurre ich noch die Gurte zurecht und stelle die Steigbügel ein. Das Zaumzeug ist bereits fertig, also muss ich nur noch auf meinen Bruder warten. Vorsichtig führe ich mein Pony aus der Box, in den Hof und warte dort auf Feliks. "Du brauchst zu lange!", rufe ich ihm von außen zu. "Du bist zu schnell!", kommt es von drinnen zurück und ich muss lachen. Irgendwann kommt er dann auch gemütlich nach draußen geschlendert. "Können wir?" "Ja! Auf gehts!", rufe ich zurück und wir reiten los. Lange reiten wir einfach nebeneinander her und lassen immer mehr Weg hinter uns zurück.Die Pferde brauchen ab und zu eine Pause und so machen wir an verschiedenen Stellen Halt. Doch langsam wird es Mittag und ich bekomme hunger. Zum Glück ist es auch nicht mehr weit und schon bald sehe ich das Feld. Durch die letzten paar Bäume leuchtet bereits das Rot von tausenden Mohnblumen. Es war in einen roten Teppich gehüllt, wo jede einzelne Blüte ihren Teil dazu beiträgt, das Feld erstrahlen zu lassen. Ich erinnere mich, wie ich das letzte mal hier gewesen war, doch da war es nicht mal annähernd so schön gewesen, wie heute. Über das ganze Feld sah man nichts anderes, wie den Klatschmohn. Feliks kümmert sich nun um das Abendessen und ich will wieder nach Ludwig sehen. Im Musikraum ist er nicht mehr und auch nicht in seinem Zimmer. Also frage ich Roderich, den ich zwischendurch im Flur getroffen habe, doch der weiß ebenfalls nicht, wo er sich befindet. Als ich im Wohnzimmer suche, bemerke ich ihn auf dem Balkon. Er steht einfach nur da und starrt in die Ferne. Selbst, als ich mich neben ihn an das Geländer stelle, blickt er nicht auf und fixiert nur den Horizont. Nach einer Weile frage ich dann schließlich: "Woran denkst du?" Er seufzt und antwortet: "An meinen Bruder..." "Roderich?", frage ich weiter, da ich nun neugierig geworden bin. "Nein, an meinen anderen Bruder." Ich wusste gar nicht, dass Ludwig noch einen weiteren Bruder hat. Wieso hat er ihn nie erwähnt? Ich frage mich, wie er wohl so ist. Vielleicht ist er genauso kühl und stark, wie Ludwig? Obwohl sich Geschwister-Nationen nie wirklich ähnlich sind, kann ich es mir vorstellen. "Was ist denn mit ihm?", bohre ich weiter. Lange antwortet er nicht und starrt einfach weiter in die Ferne. Er scheint zu überlegen, was er jetzt antworten soll, dann seufzt er und antwortet: "Wir haben uns gestritten" Jetzt blickt er mich an und in seinen Augen liegt eine tiefe Traurigkeit. "Er hat mir etwas weggenommen", fuhr er fort, "ich habe seitdem nicht mehr mit ihm geredet..." Das überrascht mich jetzt. Ich habe Ludwig nie für jemanden gehalten, der sehr Nachtragend ist. "Was hat er dir denn weggenommen?" "Etwas, das mir sehr wichtig war", antwortet er und sieht wieder weg. Was konnte ihm so wichtig sein, dass er es seinem Bruder nicht verzeihen konnte? Und das sage ich ihm auch: "Ich weiß zwar nicht, was da zwischen euch vorgefallen ist, aber ich finde, dass es wichtig ist, verzeihen zu können. Immerhin ist er dein Bruder! Ich bin mir sicher, dass er inzwischen ein schlechtes Gewissen hat. Sei ihm ..." "Da ist er...", unterbricht er mich. "Wer?" "Gilbert...". antwortet er und verschwindet nach drinnen, ohne noch einen letzten Blick auf unseren neuen Besucher zu werfen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)