Sanfte Augen von Myokardinfarkt-chan ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Verdammt, war der Kerl schnell. Ich wagte es nicht einmal den Kopf umzudrehen und mich nach meinem Verfolger umzusehen. Er ließ sich ja auch nicht abhängen. Hätte ich mich nicht in dieser ungünstigen Lage befunden, hätte ich ihn dafür sogar bewundert. Kaum jemand schaffte es mich über einen so langen Zeitraum zu verfolgen. Völlig gleich, wie oft ich abrupt abbog, über welche Zäune und Wände ich kletterte und mich ins Dunkle drückte, völlig gleich. Mein unbekannter Verfolger blieb dicht hinter mir, schien zu ahnen welchen Weg ich einschlug und blieb dicht an meinen Fersen. Mein Herz schlug hart gegen die Innenseite meiner Brust und trieb meine schmerzenden Glieder weiter an. Stehen bleiben wäre fatal, das wäre es dann gewesen. Und ich hatte weiß Gott noch keine Lust hier zu krepieren. Keine Ahnung wie lange schon dieses Katz und Maus Spiel ging. Meine schmerzenden Füße und die trockene Kehle verrieten nur, dass es nicht mehr lange so gehen würde. Wieder bog ich ab, eine längliche Gasse entlang, an deren Ende ein hoher Gitterzaun stand. Mit einem Satz sprang ich nach oben, bekam den Rand des Gitters zu fassen und zog mich an ihm hoch. Ich schwang meine Beine über den Zaun und ließ los. Fast im selben Augenblick hörte ich ein Surren und ein Pfeil bohrte sich nur wenige Zentimeter von mir entfernt in den Boden. Ich machte einen Satz zurück. Robin Hood war mir schon wieder viel zu nah. Beinahe hätte sein Pfeil mich getroffen. Das jedoch war ein Irrtum. Zu diesem Zeitpunkt war es mir noch nicht klar gewesen, aber er verfehlte nie sein Ziel. Mit einem lauten Knall explodierte die Spitze des Pfeils. Die Druckwelle schleuderte mich fünf Meter weiter gegen eine Häuserwand aus Beton. Ein dumpfer Schmerz durchzog augenblicklich meinen Körper, angefangen vom Rücken aus. Es roch nach verbranntem Fleisch. So schnell es ging rappelte ich mich wieder auf. Ich wandte der Gasse meinen Rücken zu und lief wieder los. Der zweite Fehler. Ich hatte sie. Die Explosion hatte sie wie geplant aus dem Konzept gebracht. Mein Pfeil traf genau ins Ziel, nämlich ihren linken Oberschenkel. Er bohrte sich tief in ihr Fleisch und würde ihre obere Gesäßaterie durchtrennen. Das würde reichen um sie zu stoppen. Mit einem Satz sprang ich auf das unter mir liegende Häuserdach, die Frau nicht aus den Augen lassend. Nach einem kurzen Aufschrei war sie vorn über auf die Knie gefallen. Ich rannte über das Dach, meinen eigenen rasselnden Atem ignorierend. Sie hatte mich ganz schön aus der Puste gebracht. Jetzt griff sie nach dem Pfeil und zog ihn mit einem Ruck raus. Ich eilte eine kleine Feuertreppe hinunter, auf ein weiteres, tieferes Dach, bis ich schließlich auf dem Boden der Gasse landete. Sie drehte sich um, den Pfeil wegwerfend. Ich griff nach einem weiteren Pfeil. Sie stützte sich ab und hob den Oberkörper. Ich legte an. Zielte. Sie war im Begriff wieder aufzustehen. Wäre ich nicht in dieser Lage gewesen, ich hätte sie für ihre Ausdauer bewundert. Der Pfeil bohrte sich oberhalb ihres linken Schulterblatts in ihr Fleisch, der Zweite wenig später in die rechte Schulter. Der Aufprall sorgte dafür, dass sie zurück auf den Rücken fiel, auf dem Boden gefesselt. So wie beabsichtigt. Ihre Waffe hatte sie bereits verloren. Sie war jetzt keine Gefahr mehr. Langsam ging ich auf die am Boden liegende Frau zu. Der Zaun war wegen der Explosion weggerissen worden und der Weg durch die Gasse war frei. Die Frau hob erneut den Oberkörper. Vor Schmerz stöhnend setzte sie sich auf und zog sich langsam die Pfeile aus den Schultern. Ich weiß, dass sie mich gesehen hatte. Aber sie ahnte wohl, dass es keinen Sinn hatte erneut wegzulaufen. Tatsächlich sah sie mich zuerst gar nicht an. Erst als sie die Pfeile zur Seite gelegt hatte hob sie den Kopf. Ihr Gesicht war verschwitzt und blass. Schmutz klebte an ihren Wangen. Ihre Lippe blutete. An der Schläfe bahnte sich ein dünnes Rinnsal Blut seinen Weg ihr Gesicht hinab. Meine Augen wanderten hinab und ich griff nach Hinten. Wie in Zeitlupe sah ich wie der Mann einen Pfeil aus seinem Köcher nahm, anlegte und die Sehne spannte. Ich hörte wie das dünne Seil immer weiter gespannt wurde, bis es nicht mehr weiter ging. Und ich sah, wohin der Mann zielte, wohin die Pfeilspitze schießen würde, sobald er den Pfeil von der Sehne lassen würde. Genau in mein Herz. Er würde sich direkt in meine Brust bohren, dort ein unschönes Loch produzieren und meinem Leben in dieser Gasse hier schließlich ein Ende bereiten. Ich hatte verloren. Aber irgendwann musste das wohl passieren. Jeder verlor irgendwann. Und wenn man, wie ich, immer hoch pokerte so musste ich auch akzeptieren das der Preis den ich zu zahlen hatte hoch war. Ich hatte keine Angst vorm sterben. Der Tod hatte mit der Zeit seinen Schrecken für mich verloren. Er war mehr eine Unannehmlichkeit, die ich solange wie möglich hatte vermeiden wollen. Nein wirklich, ich hatte nicht vorgehabt so früh zu sterben. Nicht hier. Nicht so. Aber er hatte mich und sobald seine Finger den Pfeil loslassen würden wäre es das gewesen. Ich hob den Kopf. Ich wollte ihm in die Augen sehen wenn er mich tötete. Bisher hatte er nur auf sein Ziel geschaut, doch er merkte wohl, dass ich ihn ansah. Sein Blick hob sich ein Stück, so dass er mir in die Augen sehen konnte. Vermutlich hätte er auch getroffen, wenn er die Augen einfach zu gemacht hätte. In der schlecht beleuchteten Gasse war es nicht einfach zu erkennen, aber ich glaube er hatte blaue Augen. Ein mattes blau-grau das mich völlig ruhig betrachtete, während die Pfeilspitze noch immer auf meine Brust zielte. Keine kalten Augen. Sanfte Augen. Schöne Augen. Blöd nur, dass sie mein Ende bedeuten würden. Ich weiß nicht, warum ich es nicht tat. Mitleid hatte ich keines. Ich kannte ihre Geschichte, kannte die Liste ihrer Opfer. Ich wusste auch, dass sie mich in meiner Situation nicht verschont hätte. Oh nein, sie hätte geschossen. Das hat sie mir später selbst beteuert. Also warum hatte ich den Pfeil nicht losgelassen, warum sie nicht umgebracht, wie es meine Aufgabe gewesen wäre? Sie stellte mir dieselbe Frage. Als ich langsam die Spannung von der Sehne nahm, langsam den Arm sinken ließ und den Pfeil schließlich wieder in den Köcher zurück steckte. „Was soll das?“, hatte sie gerufen, als ich mich umdrehte. „Wieso bringst du nicht zu Ende, was du begonnen hast?“ „Heißt das, du möchtest sterben?“ Keine Antwort. „Das habe ich mir gedacht.“ Ich setzte mich in Bewegung. Die Frau aber ließ nicht locker. „Ich weiß, dass du hier bist um mich umzulegen.“ „Ach was.“ Ich klappte meinen Bogen wieder ein und hängte ihn mir auf den Rücken. Ich würde ihn nicht mehr brauchen. „Wer bist du?“ Nun blieb ich stehen. „Hawkeye.“ „Deinen Namen.“ Ich schwieg. Ich sollte einer Killerin nicht meinen Namen verraten. Vor allem nicht, nachdem ich ihr einen Pfeil in den Oberschenkel geschossen hatte. „Clint.“ „Natasha.“ Langsam wand ich ihr den Kopf zu. Sie saß noch immer auf dem Boden und schaute mich an. Nicht wütend. Nicht rachsüchtig. Nur fragend. „Dann bis zu unserer nächsten Begegnung , Tasha.“ Ich weiß nicht genau, warum ich es nicht tat. Sie wollte nicht sterben. Und ich nicht derjenige sein, der sie getötet hatte. Der Mann bog ab und verschwand aus meinem Blickfeld. Die Sekunden vergingen, die Minuten aus. Es kam nicht oft vor, dass ich sprachlos war. Und noch weniger, dass ich nicht wusste was ich tun sollte. Dieser Zustand dauerte nur wenige Minuten und doch hatte ich das Gefühl, dass sich etwas in mir verändert hatte. Ich verstand es einfach nicht. Ich verstand nicht, wieso er mich verschont hatte. Und ich hasste es, wenn ich etwas nicht verstand. Clint war sein Name gewesen. Hawkeye. Ich wusste wer er war und für wen er arbeitete. Es würde nicht allzu schwer sein ihn zu finden. Und tatsächlich war es das auch nicht. Vielleicht hatte S.H.I.E.L.D sogar gewollt das ich sie finde, wer weiß. Fury jedenfalls schien mich erwartet zu haben. Ich glaube nicht, dass Clint ihm gesagt hat, was in der Gasse passiert war. Und ich weiß nicht wieso Fury es gebilligt hatte, dass er seinen Auftrag unvollendet aufgegeben hatte. Ich lief über. Vielleicht war das sogar geplant gewesen. Furys Gedankengänge waren völlig undurchdringlich. Genauso wie die von Clint. Ich war ihm noch am selben Tag begegnet. Gerade als ich Furys Büro verlassen hatte. „Wir können uns glücklich schätzen sie auf unserer Seite zu haben Natasha!“, meinte dieser in einem Tonfall, der nicht gerade vor unsagbarer Freude strotzte. Aber das war mir gleich. Auf dem Gang dann stand Clint. Er lehnte an der Wand und hatte mir den Kopf zugedreht. Er hatte gewartet. „Hallo Tasha.“ „Hallo Clint.“ „Ich sehe deinen Schultern geht es wieder besser.“ Er lächelte. Wirkte zufrieden. Oder erleichtert? „Stimmt. Irgend so ein Arsch hat mir zwei Pfeile durchgejagt.“ Er lächelte immer noch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)