Meine Creepypastas von Sky- (Paranormale (Horror) Geschichten) ================================================================================ Harvey the Skinner: Die Thule-Verschwörung ------------------------------------------ „Aua! Johnny, sei doch ein bisschen vorsichtiger!“ „Stell dich mal nicht so an Herzchen und entspann dich, sonst tut es noch mehr weh.“ „Nur weil du so verdammt grob sein musst. Und wenn du nicht gleich aufpasst, bist du deine Hand gleich los!“ „Hey, ich weiß was ich tue. Ist ja nicht mein erstes Mal. Aber ehrlich gesagt würde es doch viel lustiger werden, wenn ich ein Schwesternkostüm anhätte.“ Ein strafender Blick traf Johnny wie einen Pfeil, den er aber mit einem amüsierten Lächeln völlig ignorierte und mit seiner Arbeit fortfuhr. Während Harvey mit nacktem Oberkörper bäuchlings auf dem Bett lag, hatte sein Mitbewohner mehrere Akupunkturnadeln in seinen Körper gesteckt und schien dabei seinen Spaß zu haben. Kein Wunder, denn in gewisser Hinsicht war Johnny nicht nur ein Arsch, sondern auch ein verdammter Sadist. Eigentlich würde Harvey lieber auf solch eine Behandlung verzichten, aber da er durch eine schwere Operation schon seit fast drei Wochen unter chronischen Schmerzen litt und sich weigerte, Schmerzmittel zu nehmen, hatte Johnny eine etwas andere alternative Behandlungsmethode vorgeschlagen. Tatsächlich verstand Johnny sein Handwerk, aber manchmal war er einfach grob und hatte seinen kleinen Spaß dabei, wenn Harvey herumjammerte. Er besaß eben einen echt miesen Charakter. „Und? Hat sich diese Operation denn wenigstens für dich gelohnt?“ „Du kannst doch durch meine Augen sehen, dann weißt du doch, wie die ganze Sache ausgegangen ist.“ „Natürlich, aber das heißt noch lange nicht, dass ich auch in dein Innerstes blicken kann. Und außerdem wäre es doch ziemlich langweilig, wenn wir nichts zum Reden hätten. Mit Chris kann ich ja leider nicht reden, wenn du nicht da bist. Der Gute ist ja recht anhänglich, da könnte man glatt neidisch werden.“ Harvey sagte nichts dazu, sondern strafte Johnny mit einem weiteren bösen Blick. Schließlich, als die Behandlung vorbei war, zog der Mitbewohner mit dem miesen Charakter nach und nach die Nadeln heraus. „Um auf deine Frage zurückzukommen“, sagte Harvey schließlich, er seinen Kopf auf den Armen abgelegt hatte. „Mir kam es darauf an, das Richtige zu tun. Warum soll ich denn ein kleines Kind sterben lassen, nur weil ich einen Hass auf den Vater schiebe, weil der mir in den Kopf geschossen hat und für Chris’ Tod verantwortlich ist? Aber ich denke, dass sich die Sache gelohnt hat. Die kleine Celia wird dank der neuen Niere wieder gesund und ihr Vater hat seine Fehler bereut. Allein, dass er jetzt auch selbst gegen seine kriminellen Kollegen vorgehen will, ist doch ein guter Fortschritt und bringt mich meinem Ziel näher. Jetzt wird sich nicht nur äußerlich, sondern auch im Inneren etwas ändern.“ „Ich finde aber trotzdem, dass du ganz schön übertrieben hast“, sagte Chris schließlich, der sich die ganze Zeit zurückgehalten und den beiden bloß zugehört hatte. „Ihm zu drohen, dass du seiner Tochter etwas antust, war doch wohl ein bisschen heftig, findest du etwa nicht?“ „Wenn er keinen Schock fürs Leben gekriegt hätte, dann hätte er bis an sein Lebensende diese Feiglingshaltung und würde sich von seinen Kollegen unter Druck setzen lassen, wenn sie Straftaten begehen. Wer in eine Extremsituation gerät und den Tod konfrontiert, kann über sich selbst hinauswachsen.“ „V wie Vendetta, richtig?“ kam es von Johnny, der zwar nicht die gleiche literarische Begeisterung teilte wie die beiden Schauspieler, aber dafür war er in Filmen sehr bewandt. Harvey nickte zur Bestätigung. „So in der Art habe ich mir das gedacht. Allerdings werde ich wohl in der nächsten Zeit kaum etwas ausrichten können. Manchmal kann ich kaum stehen. Naja, so brauch ich für eine gewisse Zeit wenigstens nicht mehr Menschen zu häuten oder aufzuschlitzen. Da bin ich auch mal froh drum.“ Johnny schwieg dazu und begann die Nadeln zu reinigen. Über irgendetwas machte er sich Gedanken, allerdings war ihm nicht anzusehen, was es war. „Alles in Ordnung bei dir, Johnny? In der letzten Zeit bist du irgendwie nachdenklich.“ Doch anstatt zu antworten, legte er die letzten Nadeln beiseite und ging einfach. Doch anstatt durch die Tür, verschwand er einfach durchs Fenster. Es war eben eine von Johnnys sehr merkwürdigen Angewohnheiten, immer durch Fenster zu klettern. Das lag vermutlich daran, dass er einfach jemand war, der aus Prinzip gegen Gesetze, Regeln und Gewohnheiten verstieß. Aber er selbst verlangte von anderen, dass sie sich nach seinen Regeln zu richten hatten. Nun, Harvey hatte sich mit diesem schwierigen Zeitgenossen gut arrangieren können und auch wenn er es nicht offen zugeben würde, war er froh, dass Johnny bei ihm wohnte. So hatte er wenigstens einen lebenden Mitbewohner, der ihn von seinem Kummer und seinen schwermütigen Gedanken ablenken konnte. Auch wenn er ihn manchmal an den Rand des Wahnsinns trieb… Schließlich, nach einigen Stunden klingelte das Telefon und als Harvey abnahm, meldete sich Johnnys Stimme. Er klang genauso vergnügt wie sonst und grüßte, als wäre nichts gewesen. „Heyho Harv, wie schaut’s aus? Kannst du dich wieder gut bewegen?“ „Äh ja, es geht mir gut. Wieso fragst du?“ „Dann komm am besten in unseren Lieblingspub. Es gibt da nämlich etwas sehr Interessantes. Mal zur Abwechslung keine Päderasten-Priester und kriminellen Beamten. Hättest du vielleicht Interesse an einer antisemitischen Organisation, die sich mit Experimenten an Menschen beschäftigt?“ Harvey runzelte die Stirn, als er das hörte. „Ist das nicht ein bisschen 40er-Jahre-mäßig?“ „Nicht ganz. Das Ganze begann schon fast 30 Jahre vorher und die Gruppe besteht bis heute noch. Und wenn mich meine Informationen nicht täuschen, hat nicht nur Chris etwas damit zu tun gehabt, sondern auch eine Reihe von anderen Menschen.“ Diese Information genügte Harvey, um sofort einzuwilligen, sich Johnnys Worte anzuhören. Wenn es etwas mit Chris’ Tod zu tun hatte, dann musste er der Sache nachgehen. Als das Gespräch beendet war, sah Harvey verwundert seinen verstorbenen Freund an, den nur er und Johnny sehen und hören konnten. „Erklär mir das mal, Chris: Was zum Teufel hast du mit einer Gruppe Nazis zu tun?“ „Keine Ahnung, ich hatte noch nie etwas mit solchen Leuten zu tun“, antwortete sein bester Freund und zuckte dabei mit den Achseln. „Johnny ist der Einzige, der zu meinen wirklich ungewöhnlichen Bekanntschaften zählt. Womöglich erfahren wir die Antwort, wenn wir erst einmal bei Johnny im Pub sind.“ Da hatte er auch nicht ganz Unrecht und wenn Chris tatsächlich zu solchen Individuen Kontakt gehabt hätte, dann hätte er es Harvey längst gesagt. Sie beide hatten nie Geheimnisse voreinander gehabt. „Wobei…“ begann Chris schließlich, verschränkte die Arme und legte den Kopf nachdenklich nach hinten. „Es gab in meiner Schulzeit einen Jungen an der Schule, der etwas seltsam war. Das war kurz bevor ich zu deiner Schule wechselte. Er war eigentlich ein netter Kerl, aber er hatte etwas ziemlich Unheimliches an sich, sodass die meisten Kinder Angst vor ihm hatten. Sie hatten sogar versucht gehabt, ihn umzubringen, indem sie ihn die Treppen hinuntergestoßen oder ihn aus dem Fenster geworfen hatten. Der schlimmste Vorfall aber war schließlich der Grund, warum ich die Schule schnellstmöglich wechseln wollte, weil ich Angst vor den anderen bekam.“ „Wieso? Was ist passiert?“ „Sie haben den Jungen zuerst verprügelt und ihm dann Säure ins Gesicht geschüttet. Er konnte sich gerade noch retten, indem er seine Augen mit seinem Arm schützte. Trotzdem hat es ihn den Arm, die untere Gesichtshälfte, als auch Brust und Hals verätzt. Er hat fürchterlich geschrieen und die Kinder sind einfach abgehauen. Ich bin bei ihm geblieben und hab versucht, ihm zu helfen, bis der Notarzt eintraf. Das hat mich selbst Jahre später beschäftigt.“ Das war wirklich eine schlimme Geschichte und für Harvey kaum vorstellbar. Wie konnten Kinder bloß so grausam sein und einen wehrlosen Jungen zuerst verprügeln und ihn dann mit Säure entstellen? „Hat er es wenigstens geschafft?“ „Ja. Er ist kurz darauf weggezogen und lebte mit seiner Schwester und seiner Cousine in einer anderen Stadt. Allerdings ereignete sich ein schrecklicher Unfall und seine kleine Schwester als auch seine Cousine kamen ums Leben. Danach habe ich nichts mehr von ihm gehört.“ „Wirklich eine schreckliche Geschichte. Da hast du Recht. Aber lass uns am besten gleich gehen, solange die Schmerzen noch nicht zurückgekommen sind.“ Harvey warf sich seine rote Lederjacke über und nachdem er seine Stiefel angezogen hatte, machte er sich auf den Weg zum Pub, wo er bereits von Johnny erwartet wurde. Dieser vertrieb sich die Wartezeit mit einem Dartspiel, wobei das Ergebnis immer wieder „Bull’s Eye“ war. Johnny verfehlte niemals sein Ziel. Obwohl es noch nicht einmal vier Uhr war, trank er bereits einen Martini und schien bei deutlich besserer Laune zu sein als vor wenigen Stunden. „Hey ihr zwei, da seid ihr endlich.“ Johnny warf die letzten beiden Dartpfeile und traf wie immer in die Mitte, bevor er sich dann eine etwas ruhigere Ecke suchte, wo sie in Ruhe reden konnten und nicht auffiel, dass sie sich mit einer nicht existierenden dritten Person unterhielten. Da Harvey noch nichts Alkoholisches trinken wollte, bestellte er sich einfach eine Cola. Aus seiner Tasche, die Johnny meist bei sich trug, holte er eine Akte hervor und legte sie Harvey auf den Tisch. „Erinnerst du dich noch an den Chirurg, der an euren Köpfen herumgeschnibbelt hat?“ Harvey musste überlegen, denn an seine Zeit im Krankenhaus konnte er sich nur noch schwach erinnern und Namen wollten ihm nicht mehr so wirklich einfallen. „Ich glaube, es war ein deutscher Name… Aber ich kann mich nicht mehr erinnern.“ „Es war ein deutscher Name, da hast du Recht. Er heißt Johann Hinrich Helmstedter, er lässt sich aber nur bei seinem Zweitnamen nennen. Ich hatte da so ein ungutes Gefühl bei diesem Namen und als ich dann meine Fähigkeiten bei ihm eingesetzt habe, wurde ich schließlich bestätigt: Der Kerl ist ein Verbrecher der übelsten Sorte. Er ist ein KZ-Arzt und hat in den 30ern und 40ern für die Nazis Experimente an Menschen durchgeführt und in den 50ern für die Amerikaner diese Experimente fortgesetzt.“ Johnny zog ein Foto aus der Akte hervor und zeigte es Harvey. Der Mann auf den Bild hatte eine sehr charismatische und elegante Erscheinung, sein aschblondes Haar war zurückgekämmt und seine Augen waren blaugrau. Es war eindeutig der Chirurg, den Harvey gesehen hatte, aber da stimmte etwas nicht. Der Kerl war nie und nimmer älter als 35 Jahre. Wenn Johnny Recht hatte, dann musste der Kerl mindestens 80 Jahre alt sein. „Willst du mich auf den Arm nehmen? Der Kerl ist nie und nimmer so alt. Oder ist das etwa kein Mensch, so wie du?“ „Doch, er ist ein Mensch. Auch wenn er charakteristisch keiner ist. Er verfügt über erstaunliche Fähigkeiten, die er sich bei seinen Experimenten angeeignet hat.“ „Er hat den Jungbrunnen für Hitler entdeckt?“ Johnny lachte, als er das hörte. „Der war gut! Nein, er hat keinen Jungbrunnen entdeckt und auch nicht die absolute Unsterblichkeit. Lies es dir mal selbst durch, dann erkläre ich dir alles Weitere.“ Nach einigem Zögern nahm Harvey die Akte und begann sich die Notizen und gesammelten Dokumente durchzulesen, die Johnny für ihn zusammengetragen hatte. Was er da las, konnte er nur schwer glauben. Dieser Hinrich Helmstedter hatte zu Beginn der 20er ein Experiment begonnen, indem er einen Menschen von Geburt an vollständig isoliert in einem fensterlosen Kellerraum aufwachsen ließ und ihn dort gefangen hielt. Ziel war es herauszufinden, wo Träume ihren Ursprung hatten und ob sie nur durch die Einflüsse der Umwelt entstehen konnten. Die Person, die im Keller eingesperrt war, hatte niemals das Tageslicht erblickt und wurde unzählige Male der psychischen und physischen Folter unterzogen. Und da diese Person trotzdem von Dingen träumen konnte, die sie noch nie in ihrem Leben gesehen hatte, war das für Helmstedter der Beweis gewesen, dass Träume woanders ihren Ursprung haben mussten. So kam er auf ein Wesen, das er als Dream Weaver bezeichnete. Er glaubte, in diesem Wesen den Ursprung aller Träume und die Wurzel des Individualismus gefunden zu haben. Es gelang ihm schließlich, mit solch einem Wesen in Kontakt zu treten und er sollte im Auftrag der Thule-Gesellschaft einen Pakt mit diesem Wesen schließen. Da der Körper des Dream Weavers vor langer Zeit weggesperrt wurde und er sich nur in der Paralleldimension, die er auch die Traumdimension nannte, frei bewegen konnte, war er auf Helmstedter angewiesen. Er lehrte ihn alles über die Dream Weaver und unterstützte seine Experimente. Im Austausch dafür sollte der Dream Weaver ihm ein Mädchen namens Sally ausliefern. Harvey stutzte, als er das las. „Meint er etwa die Sally?“ Johnny nickte. „Sally Kinsley. Sie ist eine Nekromantin und eine äußerst mächtige noch dazu. Sie hat zu Lebzeiten zwei Städte in Schutt und Asche gelegt und hätte das Potential, die ganze Welt zu zerstören.“ Johnny erklärte Harvey, dass Nekromanten Menschen mit einer unglaublich starken negativen Seelenenergie waren, die mit dieser Kraft in der Lage waren, den Tod zu beeinflussen. Sie konnten nach ihrem Tode wieder ins Leben zurückkehren und sogar andere Menschen töten oder retten. Die meisten kehrten in ihren Körper zurück, aber Sally war so ungeheuer mächtig, dass sie keinen normal sterblichen Körper mehr brauchte, sondern sich selbst einen eigenen erschuf, in welchem sie als ein gewöhnliches Mädchen leben konnte. „Eine Gruppe von Parapsychologen, die ebenfalls für Thule arbeiteten, hatten versucht, den Nekromanten die Kraft zu entziehen und damit auch Sally. Sie wollten diese Macht für ihre kriminellen Machenschaften benutzen. Aber Sally machte ihnen mithilfe von Christine (jene Frau, die ich seit längerer Zeit suche) einen Strich durch die Rechnung. Sie nahm den Nekromanten all ihre Kraft und gemeinsam mit ihrem Nachfahren und Christine gelang es ihr, Thules Pläne zu durchkreuzen. Sie konnten damit das Projekt Harmagedon aufhalten. Ein weiteres Projekt ist dieses Dream Weaver Projekt und genau da kommt Chris ins Spiel.“ Hier wurde auch Chris neugierig und schaute den beiden über die Schulter, um selbst einen Blick in die Akte werfen zu können. „Helmstedter gelang es in seinen Experimenten, Menschen die Fähigkeit zu geben, das Unterbewusstsein zu manipulieren und auszuspionieren. Damit waren sie in der Lage, all unsere unterbewussten Handlungen zu steuern und unsere Erinnerungen zu lesen. Schließlich entwickelten sie sogar die Fähigkeit, das Unbewusstsein zu steuern.“ Harvey, der durchaus mit Freuds und Hartmanns Theorie des Unter- und Unbewusstseins vertraut war, erklärte es für Chris, für den das alles etwas unverständlich war. „Das Unbewusstsein ist ein separater Teil des Unterbewusstseins und beinhaltet sämtliche Vorgänge in unserem Körper, auf die wir keinen Zugriff haben. Also zum Beispiel der Stoffwechsel, die Hirnfunktionen und das Herz. Das Unterbewusstsein ist wie eine Art Filter, um unser Bewusstsein nicht zu überfordern. Es filtert viele Einflüsse und Reize aus, die wir nicht direkt wahrnehmen und viele Bewegungen, die bei uns so automatisch ablaufen, werden vom Unterbewusstsein gesteuert. So ist es uns möglich, mehr als nur eine Sache zu tun. Während wir also atmen, blinzeln und laufen, können wir mit anderen reden. Sonst wären wir kaum dazu in der Lage. Im Unterbewusstsein sind auch all unsere Erinnerungen abgespeichert. Selbst jene, auf die wir nicht zurückgreifen können.“ „Ich sehe schon, ein Doktor der Psychologie versteht sein Fach“, lobte Johnny, allerdings klang er ein klein wenig sarkastisch dabei. Dies war aber darauf zurückzuführen, dass er Harvey ein klein wenig ärgern wollte. Chris erschauderte, als er das hörte. „Gruselig, dass manche Menschen zu so etwas in der Lage sind.“ „Die meisten sind sowieso tot. Insgesamt leben nur noch drei von ihnen. Sie nennen sich selbst Konstrukteure und die vierte ist erst letztens getötet worden. Einer davon ist der werte Doktor Helmstedter, die anderen sind einmal sein jüngster Halbbruder und dessen bester Freund.“ „Dieser Mistkerl hat einen Bruder?“ „Ja, aber der ist harmlos. Im Gegensatz zum Rest der Familie ist er ein ehrlicher Kerl und man kann ihm vertrauen.“ „Schön und gut“, sagte Chris schließlich, der ein wenig ungeduldig wurde. „Aber was hat das alles mit mir zu tun?“ Johnny seufzte und auf einmal schwand dieses listige Grinsen, was er sonst immer an den Tag legte. Er hatte irgendwie etwas Bedrücktes angenommen, was sowohl Harvey als auch Chris nicht behagte. „Das Ganze ist sehr kompliziert. Ihr müsst wissen, dass Thule hinter der Waffe eines alten Kultes her ist. Es ist ein Buch, welches durch sieben Siegel verschlossen ist. Für diese Siegel gibt es vier Schlüssel und mit diesem Buch könnte man Katastrophen von apokalyptischen Ausmaßen auslösen. Und ich muss es wissen, denn ich habe sowohl das Buch als auch die Schlüssel versteckt, um die Welt vor ihrem sicheren Ende zu bewahren.“ Zuerst sah Harvey Johnny ungläubig an und verstand nicht, was er davon halten sollte, aber er sah auch keinen Grund, warum sein Mitbewohner ihn verarschen würde. Immerhin war selbst kein Mensch und da war dieses Gerede von einer Waffe dieser Art gar nicht mal so unwahrscheinlich. „Und was hat das nun jetzt mit Chris zu tun und warum man mir sein Gehirn eingepflanzt hat?“ „Ich habe Chris damals nicht zufällig in der Selbsthilfegruppe getroffen“, gestand Johnny schließlich und kratzte sich verlegen am Kopf. Chris wollte gerade etwas sagen und ihm war anzusehen, dass er nicht gerade erfreut war, aber da kam Johnny ihm zuvor. „Ich weiß nicht warum, aber seit Jahrhunderten werden Menschen mit dem Wissen geboren, wo sich diese vier Schlüssel befinden. Papst Urban war der Erste und er schrieb Folgendes: Der erste Schlüssel liegt in den Händen eines Engels, der zweite befindet sich im Besitz des Teufels, der dritte wird von einer Hexe verwahrt und der Schnitter Tod trägt den vierten Schlüssel. Ich vermute, dass es daran liegt, dass ich damals meine eigenen Erinnerungen entfernt habe. Falls ich nämlich gefangen genommen werden sollte, dürften sie niemals von mir erfahren, wo sich diese Waffen befinden. Wie gesagt: Es würde den Untergang der Welt bedeuten. Chris war der Letzte, der mit diesem Wissen zur Welt kam und irgendwie erfuhr Thule davon. Da ich sie mit meinen Fähigkeiten im Auge behalten konnte, konnte ich schneller handeln und löschte seine Erinnerungen an die Schlüssel, die allein für sich schon extrem gefährlich sind und Katastrophen auslösen könnten. Ich dachte, dass es genügen würde, um ihn vor diesen Leuten zu schützen. Aber anscheinend hatte das nichts gebracht und so ließ Thule ihren Einfluss bei der Polizei spielen, damit Chris verhaftet wurde.“ Harvey erinnerte sich an Dawsons Gespräch, der ihn in den Kopf geschossen hatten und dessen Kollegen für Chris’ Tod verantwortlich waren. Er hatte von einer Namensverwechslung gesprochen, aber trotzdem wollte man unbedingt Chris verhaften. War dies alles etwa eine Art Verschwörung gewesen? „Dummerweise starb Chris und Helmstedter konnte unmöglich an das Unterbewusstsein eines Toten heran, weil er weder dies noch überhaupt ein Bewusstsein besitzt. Also nutzte er auch deine Situation Harvey, und pflanzte dir Chris’ Gehirn ein. So hoffte er, an die Informationen zu kommen. Allerdings hat es nicht funktioniert…“ „Weil Chris diese Erinnerungen nicht mehr besitzt?“ Johnny nickte und trank den Rest seines Martinis. Nun bestellte sich auch Harvey etwas Hochprozentiges, um diese Neuigkeiten erst einmal zu verdauen. „Es liegt aber auch daran, dass etwas Unerwartetes bei der Operation passierte. Etwas, das dieser Nazi-Doktor niemals für möglich gehalten hätte. Zuerst war ich mir nicht sicher gewesen und habe die letzten Tage und Wochen nachgeforscht. Aber inzwischen bin ich mir fast sicher: Chris hier ist gar keine Einbildung oder ein Symptom für eine Geisteskrankheit. Sein Geist, also sein Bewusstsein und Unterbewusstsein existiert immer noch. Allerdings bloß in sekundärer Form, da sich sein Gehirn in deinen Körper befindet und somit dein Ich dominiert! Da euer beider Bewusstsein koexistiert, könnt ihr miteinander kommunizieren und du kannst ihn sogar sehen.“ Chris, der von Psychologie kaum eine Ahnung hatte, verstand nur Bahnhof. Harvey hingegen konnte diese Gedankengänge deutlich besser nachvollziehen, war aber sehr skeptisch. Er hatte noch nie von solch einem Fall gehört und es erschien ihm auch relativ unmöglich. Eigentlich hatte er sich sowieso gefragt, warum er trotz des fremden Gehirns immer noch er selbst war. Das wäre eigentlich unmöglich. Johnny erklärte, dass der Mensch aus drei Komponenten bestand: Einer Seele, einem Geist und einem festen Körper. Der Körper war das Gefäß für die ersten beiden Komponenten. Die Seele war der Lebensatem und das, was den Menschen erst lebensfähig machte. Sie teilte sich in positive und negative Energie auf. Die positive repräsentierte das Leben und die negative den Tod. Der Geist repräsentierte das Bewusstsein und Unterbewusstsein und alles, was dazugehörte. „Da die Seele und der Geist quasi im Kopf sitzen, hat sich der Geist oder sogar beides auf deinen Körper übertragen, als man dir Chris’ Hirn einpflanzte. Und da sowohl dein Geist als auch der von Chris unterschiedliche Hirnströme aussenden, die sich überlappen, führte dies zu einer Bewusstseinsanomalie. Das machte es für Helmstedter völlig unmöglich, euch beide auszuspionieren, oder zu beeinflussen. Heißt als: Ihr seid gegen die Konstrukteure immun.“ Harvey atmete erleichtert auf, als er das hörte. Gleichzeitig kamen ihm sogar ein paar Tränen. „Ich… ich bin nicht verrückt?“ „Zumindest nicht in dem Sinne.“ Der Drink kam und Harvey stürzte seinen Whiskey in einem Zuge runter und bestellte sich gleich den nächsten. Zu hören, dass Chris’ Erscheinung nicht auf eine Geisteskrankheit beruhte, sondern von einer Bewusstseinsanomalie herrührte, war eine unendliche Erleichterung für ihn. Auch Johnny schien seine Freude zu teilen, genauso wie Chris. Sie unterbrachen diese ernste Angelegenheit, um Harvey die Chance zu geben, sich erst einmal mit der neuen Situation anzufreunden und vor allem die Tatsache zu feiern, dass Chris keine Halluzination war, sondern er wirklich da war. Doch nach einer Weile beendete Johnny diese Pause und berichtete weiter. „Jedenfalls ist die Thule-Gesellschaft nach wie vor hinter diesen Schlüsseln her und ebenso hinter dem Buch. Wenn ihnen das gelingen sollte, werden sie eine Säuberung einleiten, der mindestens drei bis vier Milliarden Menschen das Leben kosten könnte. Vergesst nicht: Diese Organisation verfolgt die gleichen Ziele wie einst die Nazis: Die Erschaffung einer absolut reinen menschlichen Rasse, die allen anderen überlegen ist. Nämlich die der Arier. Und deshalb werden sie alle erbarmungslos jagen und auslöschen, die nicht in ihr Schema passen. Ausländer, Rassenmischlinge, Behinderte, Alte und Kranke. Heißt also, es würde einen Genozid bedeuten.“ Ein Genozid? Harvey dachte an die Worte Johnnys, die er ihm bei seinem ersten Treffen mit ihm gesagt hatte. Johnny hatte damals seine Mutter aufgehalten, einen Genozid einzuleiten, bei dem sie auch ihren eigenen Sohn auslöschen wollte. Ein schrecklicher Verdacht kam Harvey schließlich. „Hat deine Mutter mit Thule zu tun?“ „Höchstwahrscheinlich. Ich weiß es leider nicht genau, weil sie offenbar sehr zurückgezogen lebt und sich im Hintergrund hält. Aber das würde zumindest erklären, warum Thule von dem Buch weiß. Es gehörte einem antiken Kult an, der noch vor den ersten Religionen existierte und sozusagen die Wurzel des Gottesglaubens darstellt. Dem Kult gehören höhere Wesen an, die von den Menschen wie Götter verehrt wurden.“ „Und was weißt du alles über den Kult?“ Doch ein niedergeschlagenes Kopfschütteln war das ungute Anzeichen dafür, dass Johnnys Gedächtnis nicht mehr ganz auf der Höhe war. „Ich kann mich kaum noch an damals erinnern, weil ich viele meiner Erinnerungen gelöscht habe, damit meine Mutter das Buch und die Schlüssel nicht finden konnte. Ich weiß nur, dass sie uns alle verraten hat und ich deshalb zusammen mit einigen anderen diesen Kult verlassen habe. Ich wollte von Rassen-, Kultur- und Religionstrennung und der absoluten Reinheit nichts wissen und fand diese Methoden verachtenswert. Kurz bevor ich die meisten meiner Erinnerungen löschte, versteckte ich die vier Schlüssel und das Buch und war mir sicher, dass es niemals wieder zu einer solchen Beinahe-Apokalypse kommen würde. Nicht wenn ich das verhindern kann.“ „Das heißt, wir müssten mehr über den alten Kult in Erfahrung bringen, um mehr über unsere Gegner zu erfahren und wie wir sie aufhalten können.“ Das bestätigte Johnny und schon kam er mit einem Vorschlag. „In Bayern hat Thule einen Stützpunkt, wo sich wahrscheinlich nützliche Aufzeichnungen über die Projekte und den alten Kult finden müssten. Kommt aber ganz darauf an, was du willst, Harvey.“ Hier brauchte er nicht lange zu überlegen und erklärte „Wenn ich ein noch schlimmeres Unglück verhindern kann, indem ich Thule zerschlage und verhindere, dass sie die Schlüssel und das Buch in die Hände kriegen, dann werde ich natürlich alles tun, was dafür nötig ist. Was meinst du Chris?“ Auch dieser war absolut einverstanden und damit war die Sache beschlossen. Sie würden sich nach Bayern aufmachen, den Stützpunkt stürmen und Informationen über den alten Kult und die Experimente der Thule-Gesellschaft sammeln, um mehr über ihren wahren Gegner zu erfahren. Die korrupten Beamten und pädophilen Priester waren jetzt erst einmal zweitrangig. Wenn Johnny Recht hatte und eine Organisation von antisemitischen Soziopathen versuchte tatsächlich, mit einer apokalyptischen Waffe einen Genozid einzuleiten, der Milliarden von Menschen das Leben kosten würde, hatte dies den absoluten Vorrang. Harvey würde schon dafür sorgen, dass sie niemals ihre Pläne verwirklichen würden. Selbst wenn der Preis dafür sein Leben war, er würde diese Welt nicht einfach so aufgeben und sie einer Bande von Verrückten schutzlos ausliefern. „Aber eines beschäftigt mich noch“, sagte Harvey schließlich und legte die Stirn in tiefe Falten. „Wenn Chris so ungeheuer wichtig für Thule ist, war es vielleicht ein Zufall, dass er gestorben ist oder ist da etwas passiert, wovon nicht einmal Dawson etwas gewusst hatte? Was, wenn es jemanden gab, der ihn zum Schweigen bringen wollte?“ „Um das herauszufinden, müssen wir den Stützpunkt auseinander nehmen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)