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Meine Creepypastas

Paranormale (Horror) Geschichten
von

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Harvey the Skinner: Der Informant

Die Luft war erfüllt von Zigarettenrauch und die Beleuchtung war mehr als miserabel. Keines der beiden Dinge störte Harvey großartig, er saß am Tresen und trank mit einem düsteren Blick einen Drink und dachte nach. Im Hintergrund liefen gerade die aktuellen Top 100 der Charts und einige finster dreinblickende Typen spielten Billard, oder saßen zusammen und tranken Bier oder hochprozentige Drinks. Harvey hatte es sich in einer Ecke bequem gemacht und sich ein Headset aufgesetzt. Nicht etwa um zu telefonieren, sondern um sich mit seinem verstorbenen Freund Chris zu unterhalten, den nur er sehen und hören konnte, ohne dass ihn nicht gleich jeder für verrückt hielt. Chris saß neben ihm und sah ebenso nachdenklich aus. „Tja“, sagte er nach einer Weile des Schweigens. „Gar nicht so einfach das alles, nicht wahr? Zwar hast du gelernt, wie man Leute abschlachtet, aber leider fehlt dir etwas ganz Wichtiges.“ Harvey ließ ein leises Grummeln vernehmen und trank einen Schluck Wodka. Er hatte jetzt dringend etwas Hochprozentiges nötig. „Ich weiß selbst, dass mir zur Durchführung meines Plans die Opfer fehlen. Leider ist das Ganze nicht so einfach wie man es sich vorstellt und ich wusste, worauf ich mich einlasse. Zwar könnte ich mir so viele Namen aus dem Ärmel schütteln, aber das Problem ist, dass ich nicht einfach so loslegen kann. Was, wenn ich Unschuldige erwische, die zu Unrecht angeklagt und freigesprochen wurden? Wenn mir das nur ein einziges Mal passiert, dann war alles umsonst. Außerdem könnte ich es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren.“

„Und was ist mit den Polizisten, die für unser Dilemma verantwortlich sind und die Juristen, die dich ins Gefängnis gebracht haben?“ Hier stürzte Harvey sein Glas hinunter und rieb sich die Augen. „Ich habe schon Jeff gesagt, dass ich keine Rache will. Rache macht das Geschehene nicht ungeschehen und nimmt auch nicht den Schmerz. Mit Rache macht man sich doch nur etwas vor und ich will mich nicht von Emotionen leiten lassen, sonst verliere ich irgendwann mein Ziel aus den Augen. Außerdem bin ich erst seit gestern wieder draußen und da wollte ich nicht gleich wieder in den Knast, weil ich eine Gruppe Polizisten umbringe. Trotzdem kann ich auch nicht ewig weglaufen, immerhin habe ich bereits einen Menschen umgebracht.“ Sie schwiegen beide bedrückt und Harvey ließ gedankenverloren seinen Blick durch die Bar schweifen. Nicht weit von den Billardspielenden Gestalten saß ein junger Mann von knapp 16 oder 17 Jahren, der am Tresen saß und von dort aus auf die Dartscheibe zielte. Jedes mal Bulls Eye… Wenigstens einer, der Glück hatte. Schließlich unterbrach Chris diese bedrückende Stille und schlug vor „Wie wär’s, wenn wir einfach mal irgendwo hingehen und uns von diesen Dingen ablenken? Manchmal kommen die besten Ideen ganz zufällig und dann wird dir auch sicher etwas Gutes einfallen.“

„Vielleicht hast du Recht. Aber ich glaub, das wird wohl heute nichts mehr. Vielleicht ist es besser, wir gehen wieder nach Hause, bevor ich noch zu viel trinke.“ Gerade wollte Harvey aufstehen, da ließ sich plötzlich jemand neben ihn in die Bank fallen und legte einfach die Füße auf den Tisch. Es war der Typ, der soeben noch Dart gespielt hatte. „Meine Güte, ihr zieht ja Gesichter, dass einem direkt die Laune am Saufen vergehen kann. Ist denn jemand gestorben oder was?“

„Entschuldige mal“, rief Harvey gereizt und stand nun auf. „Was zum Teufel ist dein Problem, Mann? Suchst du etwa Streit?“

„Hey Harvey, jetzt komm mal runter…“, versuchte Chris ihn zu beruhigen und hielt ihn am Arm fest. „Johnny ist ein alter Kumpel von mir.“ Als Harvey das hörte, beruhigte er sich wieder etwas und setzte sich hin. Dieser „Johnny“ kannte Chris? Dann hatte er sich vielleicht gezielt zu ihm gesetzt, weil er mit ihm sprechen wollte? Harvey blieb misstrauisch und fragte nach. „Kennen wir uns etwa?“

„Nicht direkt, aber dafür deinen Freund Chris. Wir haben uns vor einer gefühlten Ewigkeit kennen gelernt. Wie geht’s dem alten Poeten denn so?“ Harvey senkte den Kopf, als er diese Frage hörte und wieder fühlte er diesen Schmerz in seiner Brust. Offenbar wusste Chris’ alter Bekannter nichts davon und so entschied er sich, seinen Ärger runterzuschlucken und ihm die traurige Botschaft schonend beizubringen. „Chris ist… vor einigen Monaten verstorben…“

„Ach echt?“ fragte Johnny verwundert und schien nicht den leisesten Anflug von Trauer oder Anteilnahme zu zeigen. Stattdessen zeigte er sich etwas irritiert und bemerkte beiläufig, während er seinen Martini trank. „Dabei sieht er mir doch recht munter aus.“ Nun war Harvey endgültig verwirrt. Wie zum Teufel konnte Johnny denn Chris sehen, wenn er doch eigentlich gar nicht da war? Harvey war sich sicher gewesen, dass nur er alleine Chris sehen und hören konnte. Seitdem er mit Chris’ transplantierten Gehirn in seinem Kopf aufgewacht war und ihn sehen konnte, hatte er sich die Frage gestellt, ob er verrückt wurde, ob bei der Operation ein Fehler unterlaufen war, oder ob er nicht sogar einen Geist sehen konnte. Und jetzt kam so ein dahergelaufener Kerl daher, der Chris von früher kannte und ihn genauso wie Harvey sehen konnte. Harvey war so durcheinander, dass er noch nicht einmal fragen konnte, wie das überhaupt möglich war. Erst als ein kahl geschorener Mexikaner mit unzähligen Tätowierungen zu ihnen kam, wurde Harvey aus seiner anfänglichen Schockstarre gerissen. „Ey was glotzt du so blöde?“ Johnny trank ungerührt seinen Martini weiter und fragte kalt und gelassen „Hast du ein Problem, Taccogesicht?“ Noch nie hatte Harvey gesehen, wie ein Mann so schnell rot vor Wut im Gesicht wurde. Wütend packte er Johnny am Kragen und zerrte ihn vom Sitz hoch. Er nahm es gelassen hin. „Pass auf was du sagst du Hurensohn, oder ich werde dir ein Loch in den Schädel knallen.“ Hier aber warf Johnny ihm einen äußerst giftigen Blick zu und seine Augen leuchteten in einem dämonischen Rot auf. In ihnen schien ein infernalisches Höllenfeuer zu lodern. Nun war es Johnny, der den Mexikaner am Arm packte und ihn mit solcher Kraft zudrückte, dass er unter Schmerzensschreien brach. „Pass du besser auf. Wenn du willst, kannst du gerne Ärger haben.“ Und damit schlug Johnny ihm direkt ins Gesicht und der Mexikaner flog quer durch die Bar, wobei er den Billardtisch mit sich riss. Harvey begriff gar nicht, was da eigentlich passiert war und hatte auch keine Zeit dafür, da rief Chris plötzlich „Pass auf!“ und schon flog eine leere Bierflasche auf Harvey zu und nur eine schnelle Reaktion rettete ihn. Johnny hingegen grinste breit und ließ seine Fingerknöchel knacken. „Na, wen von euch Knalltüten darf ich noch die Fresse polieren?“

„Was zum Teufel hat der Kerl für ein Problem, Chris?“

„Er ist etwas speziell“, versuchte Chris zu erklären, aber man sah ihm an, dass ihm Johnnys rüpelhaftes Verhalten mehr als unangenehm war. Binnen weniger Sekunden herrschte eine heftige Prügelei, in die auch schließlich Harvey mit reingezogen wurde. Ein bärtiger Rocker mit Lederjacke bekam ihn nämlich am Kragen zu fassen und wollte ihm einen Faustschlag ins Gesicht verpassen, da gelang es Harvey mit Müh und Not, sich von ihm zu befreien und ihn mit einem Barhocker niederzuschlagen. „Verdammt noch mal du Vollidiot“, rief er Johnny zu, der offenbar sichtlich Spaß zu haben schien. „Musste das unbedingt sein?“

„Hey, ich hab nicht angefangen, sondern die Taccofresse da hinten.“ Trotzdem scheint der Kerl seinen Spaß daran zu haben, andere zu provozieren, dachte Harvey und entschied sich lieber für den Rückzug. Er legte das Geld für seinen Drink auf den Tresen und ging schon in Richtung Ausgang, da schrie jemand hinter ihm auf und als er sich umdrehte, kam ein weiterer Rocker und hatte ein Messer in der Hand. Er kam so plötzlich, dass Harvey gar nicht mehr rechtzeitig reagieren konnte, doch da tauchte Johnny wie aus dem Nichts auf und packte die Klinge. Sie schnitt eine tiefe Wunde in seine Hand, aber er achtete gar nicht darauf, sondern trat den Angreifer in den Bauch und riss ihn von den Füßen. „Hey, wer von euch Pappnasen hat gesagt, dass hier mit Waffen gekämpft wird?!“

„Na wir, du Pisser.“ In dem Moment richtete der Mexikaner eine Pistole auf die beiden und drückte ab. Die Kugel schoss direkt auf Harvey zu, doch Johnny stellte sich dazwischen und fing sie mit seinem Arm ab. Sie bohrte sich tief bis in den Knochen und blieb stecken. Nicht einmal eine Miene verzog er, obwohl es doch unglaublich schmerzen musste. Wer zum Teufel ist dieser Typ, fragte sich Harvey und sah, wie Blut aus Johnnys Wunde tropfte. „Nun gut“, sagte er schließlich und funkelte den Mexikaner böse an. „Wenn wir also schon Waffen mit ins Spiel bringen, das kannst du gerne haben!“ Johnny griff in seine Tasche, doch in dem Moment traf ihn eine Kugel direkt in die Stirn und Blut spritzte auf. Harvey sah entsetzt, wie sein Retter zu Boden fiel und sich eine Blutlache ausbreitete. „Scheiße“, rief er und wich zurück. Diese Typen hatten Johnny umgelegt und er war mit Sicherheit der Nächste. Chris ergriff Harveys Arm und zerrte ihn in Richtung Tür. „Los hau ab Harvey, bevor sie dich auch umbringen.“ Gerade wollte Harvey gehen, da fiel der nächste Schuss und streifte ihn nur knapp an der Schulter. „Hey, wo willst du denn bitteschön hin?“

„Ich will keinen Ärger machen, sondern einfach nur gehen.“

„Ist mir so was von egal. Wer mir den Arm bricht, ist ein toter Mann und dich werde ich ebenso kalt machen wie deinen Freund.“ Das war’s, dachte Harvey und sah, wie der Lauf auf ihn gerichtet wurde. Er wird mich einfach abknallen und ich kann nichts dagegen tun. Was für ein Alptraum. Erst gestern aus dem Knast gekommen und jetzt gleich eine durchlöcherte Leiche in einer Bar. Harvey, der wusste, dass eine Flucht in dieser Situation unmöglich war und noch nicht einmal eine Waffe bei sich trug, musste wohl oder übel dem Tod ins Auge sehen. Er schloss die Augen und bereitete sich auf die Kugel vor, da hörte er plötzlich laute Schreie und ein dumpfer Knall, als würde jemand zusammenbrechen. Als er die Augen öffnete, sah er tatsächlich an die fünf Männer am Boden liegen. In ihren Köpfen steckten Wurfmesser. Doch das eigentlich Unfassbare war, dass Johnny wieder aufstand. Dabei floss immer noch Blut aus seiner Wunde und man sah auch deutlich, dass die Kugel ihn erwischt hatte. Aber wie zum Teufel konnte der Kerl überhaupt noch am Leben sein? Der Schuss hätte ihn entweder töten oder ins Koma bringen müssen. Auch der Mexikaner war entsetzt und schoss noch mal und traf dieses Mal Johnnys Brust. Der Verletzte taumelte zurück und spuckte Blut. Doch anstatt endgültig umzufallen, rief er wütend „Scheiße du Arschloch, das tat weh!“

„Wer oder was bist du eigentlich?“ Johnny taumelte ein wenig und presste eine Hand auf seine Stirn. Blut tropfte auf den Boden und war der beste Beweis dafür, dass das keine Täuschung war. Er war wirklich verletzt, daran bestand kein Zweifel. Aber warum war er nicht tot? Harvey verstand das nicht. „Wer ich bin, fragst du? Dann schreib dir mal Folgendes auf: Ich bin der Typ, der deinen mexikanischen Arsch höchstpersönlich in die Hölle verfrachten wird.“ Etwas blitzte in Johnnys Hand auf und es folgte eine schnelle Bewegung, die Harvey kaum mit den Augen verfolgen konnte. Kurz darauf war ein Dartpfeil zu sehen, der sich direkt in die Stirn des Mexikaners bohrte und ihn tötete. Johnny ließ den Blick durch die Runde wandern, doch die anderen hatten eindeutig genug. Das war ihnen eindeutig nicht geheuer und so war die Schlägerei beendet. Johnny holte aus seiner Hosentasche ein Taschentuch hervor und wischte sich das Blut aus dem Gesicht. „Scheiße… die wissen auch echt nicht mehr, wie man sich richtig nach alter Schule prügelt. Aber nein, heutzutage wird sofort nach der Waffe gegriffen. Das ist mal wieder typisch Amerika. Ich hasse diesen Drecksladen… Und jetzt komm Kleiner, ich hab die Schnauze voll und brauch jetzt einen Drink.“ Damit schleifte Johnny den völlig verwirrten Harvey hinter sich her und verließ die Bar. „Hey Moment mal“, rief Harvey und wollte sich losreißen, doch Johnny hielt ihn fest und so blieb ihm nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. „Wo willst du mit mir hin und was hat das alles zu bedeuten?“

„Schnauze halten und mitkommen.“

„Tu lieber was er sagt“, meldete sich schließlich Chris, der den beiden folgte. „Keine Sorge Harvey. Du kannst Johnny vertrauen. Er ist zwar ein Ekel, aber ist nicht unser Feind.“

„Du solltest besser auf ihn hören Harv!“ pflichtete Johnny bei und betrat schließlich einen irischen Pub, der ein Hinterzimmer besaß, welches der Verletzte ohne Umschweife für sich beanspruchte. Zwar war dieses bereits besetzt, aber er schmiss die Pokerrunde hochkant raus und schloss die Tür, um ungestört zu sein. Schließlich setzte er sich auf einen der Stühle und begann mit einem Messer zu hantieren und die Kugel aus seinen Arm zu schneiden. „Ich hasse es, wenn diese verdammten Dinger stecken bleiben. Sorgt jedes Mal für Ärger an der Flughafenkontrolle. Oh Mann, die Jungs spielen heutzutage echt nicht mehr fair. Kaum wird man ausfallend, schon wird geschossen. Ist wenigstens bei dir noch alles dran, Harv?“

„Erklär mir lieber, was das alles zu bedeuten hat. Wer zum Teufel bist du und vor allem: Was bist du?“ Johnny biss die Zähne zusammen, als er die Kugel aus seinem Arm zog. Er presste sein blutverschmiertes Taschentuch auf die Wunde und fluchte leise. Die Verletzung an seinem Kopf war vollständig verschwunden. „Wenn du schon studiert hast, kannst du doch eins und eins zusammenzählen, Schlaumeier.“

„Du… du bist kein Mensch?“

„Hundert Punkte für den Kandidaten.“

„Und was bist du dann?“

„Wir tragen viele Namen und haben im Grunde keinen wirklichen. Wir leben seit langer Zeit unter euch und verstecken uns. Wir sind keine Menschen und sehen äußerlich genauso aus wie ihr. Im Prinzip bin ich genauso wie du ein Schauspieler, der sich hinter der Maske eines Menschen versteckt.“

„Und was war zwischen dir und Chris?“

„Das kann er dir gern selbst erklären. Zwar plaudere ich sehr gerne aus dem Nähkästchen, aber man sollte die Geheimnisse von Freunden lieber nicht ausplaudern.“ Harvey sah zu Chris, der ein wenig verlegen aussah. Er zögerte noch, aber dann erklärte er, dass er Johnny in einer Selbsthilfegruppe kennen gelernt und sich so mit ihm angefreundet hatte. Harvey war fassungslos. „Wieso zum Teufel hast du mir nie erzählt, dass du in einer Selbsthilfegruppe warst?“

„Das war, bevor wir uns auf der Uni wiedergetroffen haben. Ich hatte eine Zeit lang Probleme und war von Antidepressiva abhängig. Ich war in einer Selbsthilfegruppe für Medikamentenabhängige und Johnny hat mir schließlich Mut gemacht und mir sehr geholfen.“ Harvey musste sich erst einmal setzen, um das alles zu verdauen. Sein bester Freund war medikamentenabhängig und in einer Selbsthilfegruppe gewesen? Und jetzt traf er auf einen komischen Typen namens Johnny, der allem Anschein nach kein Mensch war und genauso wie er Chris sehen konnte? „Wieso kannst du Chris sehen?“ Johnny, der nun aus seiner Tasche eine Flasche Whiskey sowie zwei Gläser rausgeholt hatte, schenkte sowohl sich selbst als auch Harvey ein. Dieser nahm dankend an und stürzte es sogleich runter, Johnny tat es ihm gleich. „Vielleicht, weil ich ihn mit deinen Augen sehen kann. Das ist meine Spezialität. So weiß ich, was auf der ganzen Welt los ist und ich kenne wirklich alle schmutzigen Geheimnisse. Angefangen davon, was der Papst so heimlich auf macht, wenn keiner zusieht und welche Pornos der Präsident versteckt hat. Und so weiß ich auch von deinem kleinen Geheimnis, mein Freund. Du willst Menschen töten, um etwas in dieser Welt zu bewegen, richtig?“ Harvey war sich nicht ganz sicher, was das alles zu bedeuten hatte und woher Johnny von seinen Plänen wusste. Außer ihm selbst, Jeff und Chris wusste niemand davon und weder Jeff noch Chris würden etwas ausplaudern. „W… woher weißt du…“

„Mensch, hast du mir nicht zugehört? Ich bin kein Mensch und ich kann durch die Augen anderer Menschen sehen. Ich sehe, was sie tun, wenn sie glauben, sie sind unbeobachtet. Um einen literarischen Vergleich zu nennen: Voll die 1984-Nummer! Totale Überwachung Non-Stop. Ist ein guter Vorteil beim Pokern…“ Harvey hatte genug von der ganzen Scheiße und stand auf. Das alles wurde ihm langsam zu dumm. Nun gut, dass der Typ nicht normal war, das sah er ein, aber diese Masche hier kaufte er ihm nicht ab. Eigentlich wollte Harvey gehen, da rief Johnny ihm hinterher „Du steckst gerade in einem echten Dilemma Kumpel. Zwar hat dir der gute Jeff gezeigt, wie du Menschen die Haut abziehen kannst, aber leider fehlen dir die Opfer. Und du hast Angst, dass du Unschuldige erwischen könntest, nicht wahr?“ Harvey erstarrte, als er das hörte und fassungslos sah er Johnny an, der ihn listig angrinste. Dieser Kerl war ihm nicht geheuer. Woher wusste er nur von seinem Problem, wieso konnte er Chris sehen und was wollte er von ihm? Letztere Frage beantwortete er schließlich, indem er ihm eine Liste in die Hand drückte. „Hier sind die Namen von 20 Polizisten, die genau in dein Schema passen. Sie haben wirklich viel Dreck am Stecken, angefangen von Korruption bis hin zu Körperverletzung, Mord und Totschlag. Sie alle wurden freigesprochen und die Opfer hatten das Nachsehen. Du kannst gerne die Liste selbst überprüfen, alle Einträge sind stimmig. Betrachte sie als kleines Geschenk von mir.“ Harvey nahm die Liste entgegen und fand auch Namen von Polizisten, die ihm bekannt vorkamen. Neben den Namen waren Kontaktdaten, Adressen und Vergehen verzeichnet. Dieser Johnny hatte sich wirklich viel Arbeit gemacht, doch Harvey ahnte, dass da ein Haken an der Sache war und so fragte er nach. Johnny holte aus seiner Tasche ein kleines Medikamentendöschen heraus und warf sich zwei Tabletten ein. Harvey erhaschte einen kurzen Blick auf das Etikett. Es waren Schmerzmittel.

„Ich finde deine Idee interessant und ehrlich gesagt erinnerst du mich ein wenig an mich selbst. Offen gesagt war ich auch mal so drauf, dass ich gegen jene gekämpft habe, die ihre Macht für ihre kriminellen Machenschaften missbrauchten und anderen geschadet haben. Ich weiß wie hart es ist und eben weil ich deine Beweggründe verstehe, will ich dir helfen. Das Töten selbst kann ich dir nicht abnehmen, aber zumindest kann ich dir Arbeit abnehmen und dir dabei helfen, Opfer zu finden, die genau in dein Schema passen. Natürlich musst du nicht ja sagen, es ist nur ein Angebot und betrachte diese Liste hier als eine kleine Aufmerksamkeit von mir. Natürlich steht es dir frei, die Liste auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Du musst dich auch nicht sofort entscheiden.“

„Wer genau bist du eigentlich?“

„Die meisten nennen mich Johnny the Devil, aber ich vermeide es lieber, mich so zu nennen. Es gibt schon bereits jemanden, der diesen Titel mehr als verdient hat. Von den Leuten, die mich besser kennen, werde ich auch Johnny the Trickster genannt. Um es klarzustellen: Ich bin weder gut noch böse und stehe stets auf meiner eigenen Seite. Ich bin ein Betrüger und Falschspieler und breche für gewöhnlich Regeln, Gesetze und Tabus, aber ich sorge auch für ein Umdenken. Also unterscheide ich mich gar nicht allzu sehr von dir, nur mit der Ausnahme, dass du viel ehrlicher bist als ich.“

„Und wieso sollte ich dir vertrauen, wenn du selbst von dir behauptest, ein Lügner und Betrüger zu sein?“

„Weil wir beide das gleiche Ziel verfolgen. Ich kämpfe auf meine Weise, du auf deine. Und da du momentan nicht weiterkommst, will ich dir helfen. Irgendwie finde ich dich sympathisch und außerdem wäre Chris sicher nicht wirklich begeistert, wenn ich seinen besten Freund verarsche.“

„Da hast du Recht“, bestätigte Chris und nickte. Er hatte sich gegen den Pokertisch gelehnt und die Arme verschränkt. „Und dass du Harvey helfen willst, ist wirklich nett von dir. Ich weiß, dass du normalerweise niemals irgendetwas umsonst machst.“

„Na, es ist doch nicht umsonst“, entgegnete Johnny schließlich und stand auf. Er war wohl im Begriff zu gehen. „Ich für meinen Teil glaube daran, dass Harvey es vielleicht schaffen könnte, die erhoffte Lawine auszulösen. Und als ich selbst gegen eine Übermacht gekämpft hatte, da war ich auch nicht alleine. Wobei ich zugeben muss, dass das eine ganz andere Liga war. Harvey will pädophile Priester, korrupte und kriminelle Politiker und ebenso kriminelle Polizisten töten, um die Welt zum Umdenken zu bewegen und ich habe damals für das Überleben vieler Menschen gekämpft. Damals wäre es beinahe zu Rassentrennungen und zum Genozid an „Mischlingen“ gekommen. Kranke Vorstellung, aber leider wahr. Zum Glück wurde dieser Wahnsinn gestoppt, bevor er beginnen konnte… das hätte schlimme Katastrophen zur Folge gehabt. Aber dein Anliegen ist von ähnlicher Wichtigkeit und wenn ich helfen kann, indem ich dir meine Fähigkeiten als Informant zur Verfügung stelle, tue ich das gerne. Du kannst mich jederzeit erreichen, wenn du deine Entscheidung getroffen haben solltest, Harvey.“ Damit reichte Johnny ihm eine Karte, auf der eine Mobiltelefonnummer verzeichnet war. Statt eines vollständigen Namens stand da einfach nur „Johnny“. Offenbar wollte er lieber so anonym wie möglich bleiben. Damit verabschiedete sich Johnny und war schon fast zur Tür raus, da hielt Harvey ihn mit einer letzten Frage zurück, die ihn interessierte. „Wer war es gewesen, der einen Genozid einleiten wollte?“ Johnny drehte sich nicht um, legte aber eine Hand an den Türrahmen, so als wollte er sich abstürzen und schwieg kurz. Er schien nachzudenken, ob er wirklich die Antwort sagen wollte, aber dann sagte er mit einem fast traurigen Unterton in der Stimme „Die gleiche Frau, die mich zur Welt gebracht hat.“ Und damit verschwand Johnny durch die Tür, ohne sich von Harvey oder Chris zu verabschieden.
 

Harvey kehrte mit einem gemischten Gefühl zurück in seine Wohnung und warf sich aufs Bett. Der Alkohol machte sich allmählich bemerkbar und er wollte sich einfach nur hinlegen und schlafen. Er fühlte sich wie gerädert und ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es schon vier Uhr morgens war. Doch obwohl er todmüde war und sich kaum noch bewegen konnte, fand er keine Ruhe. Dieser Johnny ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. Er hatte einen Kopf- und Brustschuss einfach so überlebt, als wäre es gar nichts gewesen und er konnte seinen verstorbenen Freund Chris ebenfalls sehen. Und er hatte ihm eine Liste mit Namen hinterlassen… „Sag schon, was bedrückt dich? Ist es wegen Johnny?“ fragte Chris, der an seinem Bett saß und besorgt aussah. Harvey zog seine Jacke aus, machte aber keine Anstalten, sich umzukleiden, sondern blieb im Bett liegen. „Ich weiß nicht, was ich von der ganzen Sache halten soll. Ich trau diesem Typen einfach nicht über den Weg. Er kommt einfach zu mir, quatscht mich an, zettelt einen Streit an, bei dem er zwei Mal angeschossen wird und noch nicht einmal einen Notarzt braucht und dann erzählt er mir, dass er mir helfen will. Sag du mir doch, was ich davon halten soll. Wer ist dieser Johnny eigentlich?“

„Tja, viel weiß ich nicht über ihn“, gestand Chris und wich verlegen Harveys Blick aus. „Bevor ich an die Schule für Hochbegabte kam, ist so einiges passiert, das ich nicht ganz verarbeiten konnte und da ich zu dem Zeitpunkt niemanden hatte, mit dem ich reden konnte, fing ich an, Antidepressiva zu nehmen.“

„Was ist denn passiert? Wurdest du gemobbt?“

„Nicht ich, aber ein ehemaliger Mitschüler von mir. Ich kannte seine Zwillingsschwester sehr gut und war mit ihr befreundet. Sie… sie hat unter furchtbaren Umständen Selbstmord begangen und das hat mich ziemlich verfolgt. Und als dann mein anderer Bekannter zusammen mit seiner fünfjährigen Schwester Opfer im Hafenwasser ertrank, hab ich den totalen Zusammenbruch gehabt und verfiel in Depressionen. Da ich merkte, dass ich dabei war, medikamentenabhängig zu werden und deshalb bin ich auf Anraten des Heimleiters in eine Selbsthilfegruppe gegangen. Du weißt ja, ich bin im Waisenhaus aufgewachsen. Naja, und in der Selbsthilfegruppe habe ich dann Johnny kennen gelernt. Er hat ziemlich hohe Dosen an Schmerzmitteln genommen, hat aber lange Zeit nicht wirklich mitgemacht und war genauso ein Arsch wie Doktor House. Aber ich hab ihm eine Chance gegeben, weil ich dachte, er ist vielleicht kein schlechter Kerl. Immerhin warst du früher auch nicht besser. Du hättest mich immerhin fast verprügelt, weil ich deiner Meinung nach ein Streber war. Jedenfalls, als ich mich dann nach der Selbsthilfegruppe mit Johnny getroffen hatte, kamen wir näher ins Gespräch und ich habe gemerkt, dass er trotz dieser unausstehlichen Art kein schlechter Kerl ist und wir haben uns angefreundet.“

„Warum hast du mir nie von ihm erzählt?“

„Weil Johnny verschwunden ist, kurz bevor wir beide uns an der Uni wiedergetroffen haben. Er sagte, dass er einige wichtige Dinge zu tun habe und er deswegen verschwinden müsse. Danach kam er auch nicht mehr zur Selbsthilfegruppe und da ich nicht einmal seinen Nachnamen kannte, war es mir auch nicht möglich, ihn zu finden.“

„Wusstest du, dass er kein Mensch war?“ Chris nickte und erzählte, wie er davon erfahren habe. Johnny habe ihm damals seine Fähigkeiten vor Augen geführt, indem er sich selbst die Augen verbunden hatte und Chris mehrere Karten aus einem Deck ziehen ließ. "Niemals hatte er falsch gelegen und auch die Symbole, die ich gezeichnet hatte, waren allesamt richtig. Aber er hatte mich gebeten, niemandem davon etwas zu sagen.“

„Und warum nicht?“

„Weil einige Leute ihn töten wollen.“ Harvey dachte an Johnnys Worte, als er ihn fragte, gegen wen er gekämpft hatte und wer damals einen Genozid einleiten wollte. Dieselbe Frau, die ihn zur Welt gebracht hatte… seine Mutter? Wollte seine eigene Mutter ihn töten? Wenn das stimmte, musste das echt hart sein. „Warum war Johnny von Schmerzmitteln abhängig?“

„Keine Ahnung. Er hat eigentlich nie wirklich viel von sich selbst erzählt, sondern lieber über andere getratscht. Er ist auch nicht gerade einfach. Ständig hat er sich mit der Polizei angelegt, suchte immer wieder Streit und hatte vor nichts und niemandem Respekt. Daran scheint sich bis heute nichts geändert zu haben…“

„Dem kann ich nur zustimmen.“ Irgendwann schließlich fand Harvey doch ein bisschen Schlaf und gleich, als er am nächsten Tag aufwachte, begann er sich die Liste genauer anzusehen. Um wirklich sicherzugehen, dass alle diese Leute zu Recht hier standen und tatsächlich in sein Schema passten, musste er sie alle überprüfen und Nachforschungen anstellen. Da Harvey nicht dumm war und schon mit 20 Jahren seinen Doktortitel in der Psychologie hatte und zum Teil auch wirklich abgebrüht war, konnte er das Umfeld seiner potentiellen Opfer problemlos aushorchen und Beweise sammeln. Seine Talente als Schauspieler kamen ihm zugute, dass er sich perfekt tarnen und seine Mitmenschen täuschen konnte. Er zog wirklich jede Rolle nach allen Regeln der Kunst durch. Angefangen von einem Rechtsanwalt über ein gleichgesinntes Opfer bis hin zum Journalisten, der die Wahrheit aufdecken wollte. Da er sich an der Universität intensiv mit Körpersprache und Mikroexpression beschäftigt hatte, war es ihm möglich, sofort festzustellen, wann sein Gegenüber log oder die Wahrheit sagte. Binnen zwei Wochen hatte er genug Beweise gesammelt, um festzustellen, dass alle 20 Personen schuldig waren. Sie alle hatten Verbrechen begangen und konnten sie dank ihrer Position vertuschen, oder ihrer Strafe entkommen. Gleich am darauf folgenden Tag begann Harvey, seine Pläne in die Tat umzusetzen. Seine ersten Opfer waren zwei Polizisten, die sich mehrmals der Körperverletzung im Dienst schuldig gemacht hatten. Sie hatten auf einen Jungen krankenhausreif geschlagen und dieser war an seinen Verletzungen gestorben. Trotz der erdrückenden Beweislage wurden sie nie belangt und das war es, was Harvey gesucht hatte. Wo die Justiz offensichtlich versagte, würde er in Aktion treten und mit seinen grausamen Taten die Welt auf diese Missstände aufmerksam machen. Indem er zum Verbrecher wurde, würde er vielleicht etwas bewegen und die Welt ein kleines Stückchen verbessern. Die beiden Polizisten konnte er recht einfach überwältigen, indem er sie direkt nach dem Dienst abfing und betäubte. Schließlich brachte er sie in ein leer stehendes Haus, wo er sie auf OP-Tische legte und sie entkleidete. Er entkleidete und fixierte sie anschließend mit Gurten, da er das Tetrodotoxin später einsetzen wollte. Er wartete geduldig, bis die beiden Polizisten zu sich gekommen waren und begann nun langsam die Tische zu umrunden, während er seinen Opfern in die Augen sah. „Guten Morgen die Herrschaften. Ich hoffe, Sie liegen nicht allzu unbequem.“

„Wer… wer sind Sie und was haben Sie mit uns vor? Was ist das hier?“

„Mich kennen Sie nicht. Mein Name ist Harvey und ich werde Sie jetzt gleich töten.“ Der Polizist verlor jegliche Farbe im Gesicht und geriet in Panik. Er stemmte sich mit aller Macht gegen die Gurte, aber es war vollkommen zwecklos. „Warum tun Sie das? Wenn es um etwas Persönliches geht, dann…“

„Mir geht es nicht um persönliche Dinge. Gegen Sie persönlich habe ich überhaupt nichts und ich habe Sie auch deswegen nicht ausgesucht, weil Sie ein Polizist sind. Es geht mir lediglich darum, der Welt ein Zeichen zu setzen und mit meinen Taten die Menschen zum Nachdenken anzuregen. Indem ich Sie beide und noch 18 weitere Menschen töte, werde ich die ganze Welt erschüttern, wenn sie erst einmal sehen, zu was ich fähig bin. Glauben Sie mir, eigentlich will ich ja gar keine Menschen umbringen, aber leider hat die Justiz weitestgehend versagt, als Sie Ihre Verbrechen einfach so unter den Teppich kehren konnten. Zum Beispiel den Jungen, den Sie krankenhausreif geschlagen haben oder den Familienvater, welchen Sie bei einem Einsatz erschossen haben. Sie haben Ihre Position und Ihre Macht schamlos ausgenutzt, um sich vor Ihrer gerechten Strafe zu drücken und haben dafür andere ins Unglück gestürzt. Aber ich kann Ihnen versichern: Es geht mir nicht um Rache oder so. Den Opfern kann ich ihre Verstorbenen nicht zurückbringen, indem ich Sie töte. Aber indem ich ein wahres Blutbad anrichte und der Welt meine Botschaft hinterlasse, werde ich sie alle dazu zwingen, sich selbst den Spiegel vorzuhalten und die Menschen dazu bewegen, sich selbst gegen diese Ungerechtigkeiten zur Wehr zu setzen. Sollte ich also merken, dass mein Stein, den ich ins Rollen bringen werde, die gewünschte Lawine auslöst, besteht für mich gar kein Grund mehr, Menschen zu töten. Verstehen Sie? Aber leider muss ich jetzt jemanden töten und glauben Sie mir: Das wird für uns alle kein Vergnügen.“ Der Kerl ist verrückt, dachte Officer Benson und drehte den Kopf, wo sein Kollege ebenfalls da lag, allerdings war dieser noch bewusstlos. Harvey breitete auf einem Tisch mehrere Werkzeuge aus und begann seine Messer zu schleifen. „Keine Sorge. Ich bin erst mal mit Vorbereitungen beschäftigt und solange Ihr Kollege noch betäubt ist, haben wir alle Zeit der Welt, uns in Ruhe zu unterhalten. Erzählen Sie ruhig: Wie war es denn, einen Menschen zu töten, ohne dafür belangt zu werden?“

„Ich weiß nicht, wovon Sie reden! Ich habe streng nach Vorschriften gehandelt und der Typ hatte eine Waffe in der Hand!“

„Eine Soft-Air Pistole um genau zu sein und als er diese abgelegt hatte, weil er es mit der Angst zu tun bekam, prügelten Sie auf ihn ein. Ihre Kollegen haben Sie gedeckt und sich allesamt des Meineids schuldig gemacht. Haben Sie sich mal überlegt, wie es der Familie geht?“

„Ich habe es nicht mit Absicht getan, verdammt. Ich stand so unter Stress die letzten Tage, da habe ich vielleicht etwas überreagiert.“

„Das kann ich gut nachvollziehen“, erklärte Harvey und musterte Officer Benson mit einem eiskalten Blick. „Jedem gehen irgendwann mal die Sicherungen durch. Ich selbst war damals nicht besser. Ständig habe ich mich geprügelt, andere herumgeschubst und ständig nur Ärger gekriegt, bis meine Eltern mich sogar zur Adoption freigeben wollten, weil sie mich nicht mehr im Griff hatten. Aber wenn man schon so einen Mist verzapft, muss man auch die Verantwortung dafür tragen und dazu stehen, was man getan hat. Und Fakt ist, Sie haben unschuldige Menschen auf dem Gewissen und sich vor Ihrer Strafe gedrückt, indem Sie Ihre Machtposition ausgenutzt haben. Sind Sie sich eigentlich im Klaren darüber, was Sie da eigentlich angerichtet haben? Polizisten haben eine Vertrauensposition! Wenn die Menschen Hilfe brauchen und in Not sind, an wen wenden sie sich dann? Natürlich die Polizei! Und wenn diese das Vertrauen dieser Menschen in solch einer schamlosen Weise missbraucht, an wen sollen sie sich da noch wenden? Wem können sie noch vertrauen? Genau in diesem Moment greifen diese Menschen in ihrer Verzweiflung selbst zur Waffe oder beenden einfach ihr Leben. Ihr ganzes Leben wird zerstört und das alles richten Sie und Ihre Kollegen an und sind sich nicht einmal im Klaren darüber, was das für andere bedeutet. Es ist Ihnen vollkommen egal, wie es Ihren Opfern geht und ich werde der ganzen Welt einen Denkzettel verpassen und zeigen, dass es an der Zeit ist, diesen Schmutz zu beseitigen. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich will gar nicht erst zu Mord und Totschlag aufrufen mit meiner Aktion. Ich will einfach nur das Bewusstsein der Menschen wecken und nach sorgfältiger Überlegung ist mein Plan sogar erfolgsversprechender als eine Straßendemonstration.“

„Welcher Plan?“

„Ich werde erst einmal zwanzig Morde begehen und die Tatorte so bestialisch gestalten, dass es um die ganze Welt gehen muss. Und mein Manifest, das ich hinterlasse, wird meine Botschaft an die Bevölkerung sein. Die Polizei wird dieses Manifest unter Verschluss halten, aber die Medien haben so ihre Methoden. Eben weil ich so wichtige Themen anspreche, werden sie alles versuchen, mein Manifest in den Nachrichten zu veröffentlichen oder zu erwähnen und die Menschen werden sich allein schon aus Neugier damit auseinander setzen. Denn ein offensichtlich gestörter Psychopath, der Leuten die Haut abzieht, erregt bei weitem mehr Aufmerksamkeit und Interesse als jemand, der laut schreiend mit einem Demonstrationsschild durch die Straßen rennt. Und die Polizei wird nicht untätig bleiben. Indem ich gezielt solche Individuen wie Sie jage, werden sie alles in ihrer Macht setzen, um neue potentielle Opfer zu finden. Und dann werden die Polizei und das FBI auch auf den Schmutz in ihren eigenen Reihen aufmerksam und ihn zur Verantwortung ziehen. Die Menschen werden sich gegen die raffgierigen Politiker zur Wehr setzen oder den Papst unter Druck setzen, dass er endlich aufhört, die pädophilen Priester im Vatikan vor dem Gesetz zu verstecken.“

„Aber… aber wenn Sie mich töten, sind Sie doch auch ein Verbrecher. Das ist doch ein Widerspruch!“

„Keineswegs“, erklärte Harvey und lächelte herablassend. „Ich werde zwar zum Verbrecher und für die Menschen werde ich zu einem Monster. Aber ich tue Böses, um Gutes zu schaffen und ich bin allein nur deshalb grausam, um gute Absichten zu erhalten. Außerdem bin ich für den Moment bereit, wenn sie mir entweder die Giftspritze geben, oder mich auf den elektrischen Stuhl setzen. Merken Sie sich das, Officer Benson: Wer anderen Schlimmes antut, sollte das nur tun, wenn er bereit ist, dass auch ihm etwas Schlimmes angetan wird. Wenn Sie wirklich Reue empfunden hätten, dann hätten Sie für Ihr Vergehen geradestehen müssen. Und außerdem gibt es einen gravierenden Unterschied zwischen Richtigkeit und Notwendigkeit. Aber jetzt ist es zu spät. Stattdessen haben Sie die Ehre, Teil des Steins zu sein, der eine gewaltige Lawine auslösen wird. Damit Sie mir nicht so viel herumzappeln, werde ich Ihnen etwas geben. Mein Lehrmeister hat mir Tetrodotoxin empfohlen, wissen Sie was das ist? Das ist Kugelfischgift. Ist eigentlich ziemlich gefährlich, aber wenn es richtig dosiert ist, kann es einen Menschen vollständig lähmen, ohne ihn direkt zu töten. Wirklich praktisch.“ Damit stach Harvey die Spritze direkt in den Oberarm seines Opfers und gab ihm die Injektion. Officer Benson schrie in Panik und warf seinen Kopf umher, doch Harvey blieb ruhig, doch in seinem Blick lag etwas Seltsames, was man nicht genau deuten konnte. „Glauben Sie mir ruhig Officer. Sie werden nicht der Einzige sein, der leidet. Es wird mir genauso wehtun wie Ihnen, aber das ist die Bürde, die ich mir selbst auferlege. Die Schuldgefühle, die Angst, der Ekel und die Alpträume werden meine Strafe sein und mich gleichzeitig daran erinnern, dass ich noch ein Mensch bin. Solange ich keinen Gefallen am Töten und Foltern entwickle und es mir kein sadistisches Vergnügen bereitet, Leuten bei vollem Bewusstsein die Haut abzuziehen, weiß ich nämlich, dass ich noch kein wirkliches Monster bin. Denn das ist es, wovor ich am allermeisten Angst habe. Und in dem Moment, wo ich zu einem richtigen Monster werde, kann ich keine Menschen mehr töten. Vergessen Sie nicht, dass ich bloß ein Monster zum Zweck bin! Wenn die Zustände nicht so dramatisch wären, dann würde ich niemals einen Menschen töten. Halten Sie mich ruhig für verrückt oder überheblich. Was ich Ihnen sage, ist die volle Wahrheit und das, was ich wirklich denke.“ Harvey wartete, bis die Lähmung vollständig eingesetzt hatte. Er vergewisserte sich, dass sein Opfer tatsächlich bewegungsunfähig war, dann nahm er die Gurte ab. Officer Benson folgte ihm mit den Augen und hatte Angst vor dem, was kommen würde. Noch größer wurde seine Angst aber, als er sah, wie sein Entführer blass wurde und zu schwitzen begann. Dieser Verrückte hatte auch Angst… aber warum tat er es trotzdem? Der hatte sie nicht mehr alle, er war nicht richtig im Kopf. Nun legte Harvey eine Hand auf Officer Bensons Brust und begann den ersten Schnitt zu setzen. „Als Erstes werde ich bei den einfachsten Stellen anfangen. Torso, Rücken, dann die Arme und Beine. Zu allerletzt werde ich Ihnen die Haut vom Gesicht schälen und der Menschheit zeigen, wie hässlich Sie unter dieser Haut wirklich sind. Ich werde allen zeigen, dass Sie es nicht wert sind, die Haut eines Menschen zu tragen. Dafür besitzen Sie nämlich nicht genug Menschlichkeit!“ Harvey erhob das Skalpell und stand kurz davor, es Officer Benson in die Brust zu rammen, aber er hielt mitten in der Bewegung inne. Der Polizist sah, wie seine Hand zitterte und sich in Harveys Augen Tränen sammelten. „Scheiße“, murmelte er und rieb sich die Tränen mit dem Handrücken weg. „Trotz allem bin ich immer noch viel zu emotional bei der Sache. Ich brauch wohl etwas mehr Übung, um meine Gefühle unter Kontrolle zu halten… Aber… wenn Typen wie Sie nicht gewesen wären, dann hätte es nicht so weit kommen müssen. Dann hätte mein bester Freund nicht sterben müssen… Dann hätte ich jetzt nicht sein verdammtes Hirn transplantiert bekommen, weil man mir eine verfickte Kugel in den Kopf geschossen hat!!!“ Harvey schaffte es nicht, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten und sank in die Knie. „Sie haben nicht die geringste Ahnung, was Sie und die anderen mit solchen Aktionen eigentlich anrichten. Wie viele Leben Sie damit zerstören und wie vielen Sie ihre Träume und Hoffnungen nehmen. Den Glauben an Gerechtigkeit… den Glauben an die Menschlichkeit… Aber Ihnen ist es scheißegal. Hauptsache, Sie können Ihre eigene Haut retten. Und selbstsüchtige skrupellose Menschen wie Sie sind es, die ich vor der ganzen Welt demaskieren werde, selbst wenn ich dabei draufgehen sollte. Nur so kann ich etwas ändern und verhindern, dass sich solche Tragödien wiederholen.“ Diese Stimme, die so erfüllt von Schmerz, Wut und Trauer war, schnürte Bensons Brust zu. Er sah in diese Augen, in denen sich Verzweiflung, Hass und Hoffnungslosigkeit widerspiegelten. Die Augen eines Menschen, der nichts mehr zu verlieren hatte, weil er zuvor alles auf einem Schlag verloren hatte. Und in ihnen glaubte Officer Benson auch, die Augen seiner Opfer zu sehen. Ob sie genauso verzweifelt und hoffnungslos waren wie dieser junge Mann da? Oder war es vielleicht der Blick der Mutter, deren Sohn er fast umgebracht hatte, nur weil er einfach mal Frust ablassen wollte? „Stellen Sie sich vor, jemand hätte es Ihrer Familie angetan. Könnten Sie dann genauso kaltblütig darüber hinwegsehen?“ Officer Benson hätte gerne geantwortet, aber er war nicht im der Lage dazu. Aber er spürte auch, dass selbst Worte nichts bewirkt hätten. Nicht bei ihm. Für Harvey waren Worte schon lange nicht mehr von Bedeutung. Denn Worte konnten ein gebrochenes Herz nicht heilen. Ein brennender Schmerz riss den Polizisten aus seinen Gedanken, als Harvey nun mit seiner Arbeit begann. Viel zu schnell und viel zu tief schnitt er die Haut auf, aber das war ihm egal. Solange er es schaffte, beim Abziehen keine Fehler zu machen, war es egal. Obwohl seine Augen immer noch von Tränen gerötet waren, wirkten sie auf einmal vollkommen leer. Verzweiflung, Schmerz und Hass waren gewichen. Harveys Gesicht wirkte auf einmal wie kalter Marmor und war völlig ausdruckslos geworden. Auch die Augen wirkten auf einmal leer. Ein Schalter schien sich bei ihm umgelegt zu haben und völlig ungerührt begann er nun, den ersten Teil der Haut zu entfernen. Er ging nun viel professioneller ans Werk und schaffte es, die Haut vollständig von Brust, Bauch und Unterleib abzutrennen. Diese Wunden brannten entsetzlich und schmerzten, dass es den Polizisten beinahe um den Verstand raubte. Am liebsten hätte er geschrieen, sich herumgeworfen, um sich seiner Schmerzen zu entäußern, aber er war zur stummen Regungslosigkeit verdammt. Schließlich drehte Harvey ihn auf den Rücken und fuhr dort mit seiner Arbeit fort. „Ich hoffe, Sie spüren den Schmerz auch deutlich, Officer Benson. Denn vergessen Sie nicht: Es soll uns beiden gleichermaßen wehtun.“ Fast eine Stunde brachte Harvey damit zu, sein Opfer fast vollständig von Haut zu befreien und legte das blutverschmierte Skalpell schließlich beiseite. Dafür nahm er etwas in die Hand, was wie eine elektrische Knochensäge mit Kreisblatt aussah. Als Harvey das Gerät anschaltete, ertönte ein unheilvolles Surren. „So, Officer Benson. Jetzt, da ich Sie von Ihrer Maske befreit habe, ist es an der Zeit, dass ich jetzt mit dem eigentlichen Blutbad beginne.“ Ohne die Miene zu verziehen, schnitt Harvey erst die Finger ab, dann die Hände, Füße, Unterarme, Oberarme und auch die Beine wurden in ihre Einzelteile zerlegt. Die Luft war schwer vom Blutgeruch und kaum, dass die Extremitäten nach allen Regeln der Kunst amputiert waren, entledigte Harvey ihn seiner Organe. Exakt dieselbe Prozedur wiederholte er bei seinem zweiten Opfer. Innerhalb von vier Tagen hatte er alle zwanzig Leute getötet und trat nun in die letzte Phase seines Plans ein. Mit Nägeln befestigte er die Organe seiner Opfer an die Wände, mit den Häuten aber hatte er anderes im Sinn. Nachdem er diese getrocknet und behandelt hatte, begann er, Bezüge daraus zu nähen und das Zimmer auf bizarrste Art und Weise damit zu dekorieren. Er selbst war leichenblass und sah aus, als müsste er sich jeden Moment übergeben. Tatsächlich hatte er sich kurz nach der Ausweidung seines ersten Opfers erbrechen müssen und erlitt beim zweiten und dritten Mal beinahe einen Kreislaufzusammenbruch. Aber jetzt war es endlich vorbei… fürs Erste zumindest. Erschöpft saß er auf einem Stuhl und wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn. Seit Tagen hatte er kaum geschlafen, weil ihn die schrecklichen Bilder seiner Opfer verfolgten. Aber das war der Preis, den er freiwillig dafür zahlte. Chris kniete neben ihm und hielt seine Hand. „Hey Harvey, was hast du?“

„Ich fühl mich beschissen, das ist alles. Oder wie würdest du dich fühlen, wenn du als normaler Mensch so ein Blutbad anrichtest, obwohl du es eigentlich gar nicht ertragen kannst?“

„Harvey, bitte überleg dir noch mal, ob du das wirklich tun willst. Du machst dich nur selbst kaputt und du weißt nicht, ob du wirklich etwas mit dieser Aktion bewegen kannst.“

„Und woher soll ich wissen, dass sich etwas ändern wird, wenn ich es nicht mehr tue? Wenn ich einfach einen Rückzieher mache und meinen Plan verwerfe, dann hätte ich das alles gar nicht tun müssen. Dann hätte ich diese Menschen gar nicht umbringen müssen… dann… dann hätte ich sie völlig umsonst umgebracht.“ Chris senkte traurig den Blick und hielt Harveys Hand fest. „Du riskierst so viel und wirst letzten Endes doch nichts gewinnen, selbst wenn du es schaffen solltest. Ich habe einfach nur Angst, dass du irgendwann daran zerbrechen wirst, Harvey.“

„Es geht nicht darum, was ich dazugewinnen kann, sondern darum, ob ich überhaupt gewinnen kann. Wenn auch nur eine Hand voll Menschen meine Botschaft versteht, dann habe ich doch etwas geschafft. Wer nicht kämpft, kann nicht gewinnen. Aber genug davon. Wir sollten gehen, bevor die Polizei eintrifft. Ich habe denen einen anonymen Hinweis gegeben, bevor noch irgendein anderer das hier findet. Ist zwar unwahrscheinlich, aber ich will keine Unschuldigen mit reinziehen.“ Damit erhob sich Harvey und legte einige beschriebene Seiten auf einen Tisch und positionierte sie so, dass sie sofort ins Auge fallen mussten. Sein Manifest… seine Botschaft an die ganze Welt und seine Warnung an jene, die er von nun an jagen würde.
 

Um sich von den Strapazen, dem furchtbaren Gestank und dem entsetzlichen Anblick zu erholen, ging Harvey zurück in seine Wohnung, wo er fast eine halbe Stunde lang unter der Dusche kauerte. Egal was er auch tat, es stank wirklich alles nach Blut ihm war entsetzlich schlecht. Nachdem er ein paar Aspirin und Magentabletten eingenommen hatte, zog er seine Jacke an und machte sich auf den Weg. In einem irischen Pub bestellte er sich erst einmal einen Whiskey und betrachtete die Karte, die Johnny ihm dagelassen hatte. „Der Kerl hat nicht gelogen“, sagte er nach einer sehr langen Zeit des Schweigens. „Alle Namen waren korrekt.“

„Willst du ihn anrufen?“ fragte Chris und sah ihn prüfend an. Harvey zögerte jedoch mit seiner Antwort, sondern trank einen Schluck und spürte, wie der Alkohol seine erlösende Wirkung tat. „Es könnte mir tatsächlich Arbeit ersparen, wenn ich einen Informanten hätte. Allerdings traue ich dem Braten nicht wirklich, weil ich diesen Johnny nicht einzuordnen weiß. Er mag zwar dein Freund sein und womöglich will er mich tatsächlich unterstützen, aber ich schaffe es nicht, ihn zu durchschauen. An der Universität habe ich Psychologie studiert und alles über Mikroexpression gelernt. Ich weiß, wann jemand lügt und was er fühlt, während er spricht. Aber dieser Johnny verstand es perfekt, seine wahren Absichten vor mir zu verbergen. Und das bereitet mir Sorgen.“

„Du bist eben jemand, der gerne die volle Kontrolle hat und anderen überlegen ist, nicht wahr? Du hast dich seit damals kein bisschen verändert. Derselbe Dickkopf, der immer stärker als andere sein muss, um bloß nicht schwach zu wirken.“

„In einer Welt, wo die Starken regieren, kann man nur überleben, wenn man stark ist. Das müsstest du als Waisenkind verstehen.“

„Und immer noch derselbe Zyniker.“ Dazu sagte Harvey nichts, sondern trank noch einen Schluck. Er begann nun die Nummer in sein Handy einzutippen und wollte gerade die Nummer anrufen, da ließ sich jemand ihm gegenüber auf die Bank fallen und legte die Füße auf den Tisch. „Na Schätzchen, hattest du Sehnsucht nach mir?“ Harvey konnte es nicht wirklich glauben, als sich da gerade Johnny zu ihm gesetzt hatte. Wie viel hatte er von seinem Gespräch mit Chris mitbekommen und seit wann war er hier? „Wo… woher weißt du…“

„Ich hatte es dir doch gesagt. Ich sehe alles, was du siehst, deshalb kann ich auch Chris sehen und verstehen. Und außerdem kommt noch die Tatsache hinzu, dass ich einfach viel zu neugierig bin, als dass ich dir nicht hinterherspionieren könnte. Ich wollte sehen, was du tust und wie du dich schlägst. Auch wenn ich offen gestanden einen miesen Charakter habe, so hast du mein aufrichtiges Mitgefühl.“ Johnny bestellte sich ein Bier und setzte sich nun richtig hin, wobei er nun die Arme auf den Tisch legte und sich vorbeugte. Ein seltsamer Glanz lag in seinen glutroten Augen, die nichts Menschliches verrieten. „Ich mach dir folgendes Angebot, Harv: Ich werde dir meine Fähigkeiten zur Verfügung stellen, um dir bei deinem Plan zu helfen. Zwar mag ich nicht den Eindruck erwecken, aber ich glaube an das, wofür du einstehen willst und ich finde dich irgendwie… süß. Aber wie Chris schon mal sagte: Für gewöhnlich mache ich nichts umsonst oder besser gesagt gratis!“ Ein heimtückisches Grinsen verriet nichts Gutes und Harvey beschlich das Gefühl, als würde ihn dieser Dienst von Johnny noch so einiges kosten. Der Kerl war ein Schlitzohr und ein Betrüger, wenn es darauf ankam. Harvey funkelte ihn misstrauisch an und fragte „Was willst du von mir?“

„Nichts, was du nicht entbehren könntest. Und das sind zwei Dinge. Erstens: Ich suche nach jemandem und es ist mir ungeheuer wichtig, diese Person zu finden. Trotz meiner Fähigkeit habe ich sie aus den Augen verloren und ich weiß auch nicht, unter welchem Namen sie sich aktuell nennt. Hast du schon mal diese Frau hier gesehen?“ Damit reichte Johnny ihm ein Foto, auf dem eine junge Frau von vielleicht 20 Jahren zu sehen war. Sie hatte feuerrotes Haar, ebenso rote Augen und trug zu einer weißen Bluse eine rote Weste, auf welcher der Name „Christine“ genäht war. Um den Hals trug sie Goldschmuck und ihr Blick verriet, dass sie es faustdick hinter den Ohren hatte und man sie niemals unterschätzen sollte. „Ich will lediglich wissen, ob du sie schon mal gesehen hast.“

„Nein, noch nie. Und du?“ Chris sah Harvey über die Schulter und schaute sich das Foto genauer an. Er überlegte eine Weile, dann schien ihm etwas einzufallen. „Ich selbst nicht, aber ein Bekannter von mir hat von einem Mädchen erzählt, das der Beschreibung nach auf dieses Foto passt. Sie fährt einen Hudson Hornet und verschwindet ebenso plötzlich, wie sie immer auftaucht.“ Diese Antwort schien Johnny zu genügen und er lächelte zufrieden. „Gut, das genügt mir zu wissen, dass sie noch da ist.“

„Wer ist das und wieso suchst du nach ihr?“

„Ach, das ist so ne komplizierte Familienkiste. Gut, da du dank Chris schon mal den ersten Teil erfüllt hast, bin ich mir sicher, dass du auch den zweiten erfüllen kannst. Fragt sich nur, ob du dir das wirklich zumuten kannst.“ Na super, jetzt kommt’s, dachte Harvey missmutig und leerte schließlich sein Glas. „Und was wäre das?“

„Wie gesagt: Es ist nichts, was du nicht entbehren könntest und ich bin auch nicht an solch materielle Dinge wie Geld interessiert. Geld verliert Wert, Reichtum vergeht… Aber der Mensch bzw. Nichtmensch hat gewisse Grundbedürfnisse. Und Tatsache ist, dass ich diese ewige Herumwanderei leid bin. Fakt ist, ich brauch ne Bleibe und wenn wir in Zukunft so viel miteinander zu tun haben werden, könnten wir auch genauso gut die ganze Zeit aufeinander hocken. So hab ich wenigstens jemanden, den ich mit meinen unerträglichen Attitüden in den Wahnsinn treiben kann. Bis jetzt hat es niemand länger als zwei Wochen mit mir ausgehalten. Wenn du bereit dafür bist, dich dieser zusätzlichen Herausforderung zu stellen, werde ich dir helfen. Egal was du wissen willst, ich werde dein Informant sein.“ Harvey dachte zuerst, Johnny wollte ihn bloß verschaukeln, als dieser doch tatsächlich statt Geld oder ähnlichem bloß zu seinem Mitbewohner werden wollte. Das war doch lächerlich, aber andererseits… irgendwie passte es auch zu so einem schrägen Kerl wie ihm. Chris sah abwechselnd zu seinen beiden Freunden und fragte „Und? Was sagst du dazu, Harvey?“

„Na schön. Wenn es bloß das ist, dann würde ich sagen: Der Deal steht.“ Mit einem Handschlag besiegelten sie ihre Abmachung und damit holte Johnny sogleich eine neue Liste raus. „Um hier ein wenig Abwechslung reinzubringen, habe ich dieses Mal 16 Priester aufgeschrieben, die während ihres Amtes kleine Jungen angefasst und sie zu unschönen Dingen gezwungen haben. Einziger Haken ist allerdings, dass die meisten von ihnen aus Deutschland stammen.“

„Schon okay, ich wollte mich sowieso nicht bloß allein auf Amerika beschränken.“ Harvey wollte schon die Liste entgegennehmen, doch Johnny hielt sie zurück. „Ich hab dir noch vergessen, eine Kleinigkeit zu sagen: Wenn ich eines nicht ausstehen kann, dann ist es Folgendes: Schleich dich niemals, aber auch wirklich NIEMALS von hinten an mich ran oder komm mir mit irgendwelchen dämlichen Rückenklopfern. Wenn du das machst, breche ich dir den Arm. Und vor allem: Finger weg von meinen Sachen.“ In diesem Moment sah Johnny ihn mit einem Blick an, der verriet, dass er nicht scherzte. Es war der gleiche bösartige Blick wie Jeff, als dieser ihn gewarnt hatte, dass er ihn sofort töten würde, wenn er unachtsam wurde. „Schon verstanden.“ Sogleich verschwand das mörderische Funkeln in seinen Augen und Johnny lächelte zufrieden. „Gut, dann werden wir sicherlich gute Freunde werden, mein lieber Harvey.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Johnny hat gewisse Ähnlichkeiten mit Christine, ist aber bei weitem abgebrühter und rücksichtsloser. Er ist kein wirklicher Feind, aber auch nicht wirklich ein zuverlässiger Freund. Man darf ihm nicht immer vertrauen, aber weil er einst einen ähnlichen Kampf wie Harvey bestritt, ist er zum ersten Mal wirklich ehrlich, oder zumindest teilweise.
Johnny gibt nie wirklich viel von sich preis, aber so viel steht fest: Er hat vor nichts und niemandem Respekt, hasst es auf dem Tode, wenn man ihn von hinten überrascht und er ist abhängig von Schmerzmitteln. Im Grunde ist er eine Jugendversion von Dr. House xD Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Lyrael_White
2014-02-25T13:26:07+00:00 25.02.2014 14:26
Du verstehst es wirklich sehr gut, die Fäden der verschiedenen Storys auf interessante Weise zu einem hervorragendem Gewebe zu verknüpfen.
Ich erwarte mit Spannung über was wir hier noch alles stolpern werden ausser den tiefsten Abgründen der Gesellschaft und der menschlichen Seele.

Kleiner Hinweis am Rande im dritten Satz verwendest du zweima das Wort "gerade", ich würde es durch ein anderes Wort ersetzen oder zumindest das zweite weglassen um den Lesefluss zu erhöhen.


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