Meine Creepypastas von Sky- (Paranormale (Horror) Geschichten) ================================================================================ Harvey the Skinner: Die Ausbildung ---------------------------------- Lärm von den Zellen und den Gängen hallte durch die langen Flure wider und die kühle Luft roch nach feuchten Kellern. Es war nicht gerade gut geheizt und die Deckenleuchten flackerten teilweise. Harveys Blicke wanderten lauernd durch den weitläufigen Trakt und es war nicht die Spur von Angst in seinen Augen zu sehen, obwohl einige der Insassen ihm allein schon mit ihren Muskeln das Genick brechen konnten. Und einige von ihnen waren auf Frischfleisch aus, über das sie herfallen konnten und wer hier Schwäche zeigte, war verloren. Gehorsam ließ er sich von den Wachen zu seiner Zelle führen, wohl wissend, wer dort auf ihn wartete. Er musste vorsichtig sein, durfte nicht eine Sekunde lang verängstigt oder unsicher wirken, sonst war er so gut wie tot. Die Tür hinter ihm fiel zu und aus der dunklen Ecke der Zelle funkelte ihn ein mörderisches Augenpaar an. Trotz des Lärms konnte er ein Zischen hören, als würde jemand durch geschlossene Zähne atmen und eine raue fast unmenschliche Stimme sagte mit einem schaurigen Kichern „Wie ich sehe, ist mein neuer Zellengenosse eingetroffen. Herzlich Willkommen in deinem neuen Zuhause…“ Etwas bewegte sich in der Ecke und aus dem Dunkel trat eine Gestalt hervor, die einen so bizarren Anblick gab, als sei sie aus einem Horrorfilm entsprungen. Das Gesicht war so weiß wie Schnee, das lange ungepflegte Haar pechschwarz wie Kohlen und die Augen weit aufgerissen, als würden sie niemals blinzeln. Die Lippen waren kaum noch vorhanden, blutrot und genauso von einer lederartigen Struktur wie das Gesicht. Die Wangen waren mit Fäden zusammengenäht worden, da man sie vor längerer Zeit aufgeschlitzt hatte, sodass ein krankes Grinsen dieses monströse Gesicht zierte. Und dieses Grinsen entblößte Zähne, die eigenhändig spitzgefeilt worden waren, um das bizarre Gesamtbild abzurunden. Auch die Hände, die von alten Brandverletzungen zernarbt waren, sahen nicht besser aus und die Fingernägel waren lang und spitz gewachsen wie dämonische Krallen. Harvey hatte sich auf so einen Anblick gefasst gemacht, war aber innerlich trotzdem entsetzt, einen Menschen in solch einem Zustand zu sehen. „Die Ehre ist ganz meinerseits, Jeffrey Blalock.“ „Lassen wir doch diese Förmlichkeiten und nenn mich einfach Jeff.“ „Okay, Jeff. Ich bin Harvey C. Dahmer.“ „Ja ich weiß, ich kenn deinen Fall bereits. Ein wirklich mickriger kleiner Fisch im Vergleich zu den Schwerverbrechern, die sie hier eingesperrt haben. Wenn ich richtig informiert bin, haben sie dich wegen Widerstandes gegen die Polizei, falscher Verdächtigung und übler Nachrede zu sechs Monaten verknackt. Ein echt hartes Urteil, hat mich wirklich gewundert, warum sie dich wegen solchen Lappalien direkt eingebuchtet haben. Noch dazu, weil du in ausgerechnet dieses Gefängnis kommst und dann noch zu mir. Weißt du eigentlich, was mit meinen Zellgenossen passiert?“ „Du bringst sie um, schon klar. Ich bin ebenfalls informiert. Aber sag mal Jeff: wie kommt es, dass sie dich überhaupt schnappen konnten?“ Harvey legte seine Tasche mit seinen wenigen Habseligkeiten auf das untere Bett, da Jeff bereits das obere für sich beansprucht hatte. Dieser hatte seine Hände in die Hosentaschen vergraben, stand ein wenig geduckt da und zischte leise beim Atmen durch die Zähne. Er grinste, was aber mehr wie die bizarre Grimasse eines Horrorclowns aussah. „Ich hab ein klein wenig Abwechslung gebraucht und hier lässt es sich eine Zeit lang gut leben.“ Harvey verzog nicht ein Mal die Miene, er zeigte sich bewusst kühl und desinteressiert, um nicht den Anschein zu erwecken, Jeff mache ihn nervös. Er wusste, dass dieser Psychopath nur auf eine Gelegenheit wartete, um ihn nach allen Regeln der Kunst zu zerfleischen. Es fiel ihm nicht sonderlich schwer, die Rolle des Furchtlosen zu spielen und anderen Leuten etwas vorzutäuschen. Immerhin war er ein ausgezeichneter Schauspieler, der alle Rollen, die er spielte, in absoluter Perfektion beherrschte. Und er war nicht in die Höhle des Löwen gegangen, um sich umbringen oder verstümmeln zu lassen. Weder von Jeff, noch von sonst irgendjemand anderem wollte er sich in diesem Gefängnis umbringen lassen. Er hatte ein Ziel, das er um jeden Preis erreichen wollte und dazu war er doch dieses Risiko eingegangen. Nicht umsonst war er ausgerechnet mit Jeff the Killer in einer Zelle, denn er brauchte ihn für seine Zwecke. Es galt nur, ihn auch dazu zu bewegen, mitzumachen und das war das eigentliche Problem. Wenn es er nicht richtig anging, würde es noch böse enden. Langsam und vorsichtig musste er sich der Bestie nähern, damit sie nicht sofort über ihn herfiel. Erst einmal galt es, Jeff zu beobachten, ihn genauer zu studieren und somit einen guten Zeitpunkt auszumachen, ihn auf jenes Thema anzusprechen. Die Zelltüren wurden geöffnet und die Insassen gingen Reih und Glied in die Kantine, während sie von den wachsamen Augen der Wärter misstrauisch und wachsam beäugt wurden. Harvey beobachtete sein ganzes Umfeld sehr genau und es war nicht gerade schwer zu erkennen, wer hier im Gefängnis das Sagen hatte und wer nicht. Hier waren Mörder, Bandenmitglieder, Drogendealer, Bankräuber und Kinderschänder vertreten. Und obwohl es nie offen ausgesprochen wurde, herrschte unter den Insassen eine strenge Hierarchie. Die Drogenbosse und Bandenchefs standen an oberster Stelle, danach kamen die einfacheren Verbrecher und ganz unten waren die kleinen Fische und noch weiter darunter, der so genannte Abschaum, bildete sich aus Kinderschändern und Kindermördern. Denn selbst unter so gefährlichen Kriminellen gab es so etwas wie Tabus und meist waren diese Kinderschänder und jugendlichen Straftäter die Prügelknaben und „Knastbräute“ der höher gestellten Insassen. An der obersten Stelle stand immer der Shutcall, der King unter den Insassen. Shutcall war der Gefängnisjargon für „Häftlingsboss“. Er hatte das Sagen und genoss Respekt und Achtung. Um diesen Rang inne zu haben, brauchte man folgende Dinge: Gefolgsleute, Ansehen und vor allem Mittel, um sich andere gefügig zu machen. Und das waren Suchtmittel wie Drogen und Zigaretten. Wer den Stoff lieferte, stieg steil auf in der Hierarchie, egal ob er ein Kleinkrimineller, oder ein Bandenchef war. Aber dazu musste man sich durchsetzen und die Schwächen seiner Gegner zu seinem Vorteil machen. Zwar war Harvey nur für sechs Monate im Gefängnis, aber es schadete durchaus nicht, sich zu informieren und zu wissen, vor wem man sich in Acht nehmen musste. Schon bald hatte er drei potentielle Kandidaten herausgepickt, die für die Position des Shutcalls in Frage kamen: Der ehemalige Boss einer Straßengang namens Colton Rhimes, der Menschen- und Drogenhandel in großem Stil betrieben hatte. Als Nächstes war noch das Oberhaupt einer Rockerbande namens A.J. Miltner und zu guter Letzt Jeremy Fisher, der im großen Stile Drogen schmuggelte. Während Harvey seine Umgebung sehr genau analysierte, entging ihm nicht, dass Jeff ihn die ganze Zeit über genau im Auge behielt. Warum er das tat, konnte sich er nicht erklären. Vielleicht hatte der entstellte Serienkiller Langeweile und wartete eine passende Gelegenheit ab, um ihm die Kehle aufzuschlitzen. Auf jeden Fall sollte er sich erst einmal gedeckt halten, damit dieser Psychopath nicht auf irgendwelche Gedanken kam. Da Harvey es meisterhaft verstand, sich unauffällig zu verhalten und trotzdem den Anschein zu wecken, mit ihm sollte man sich nicht anlegen, konnte er sich die Perversen vom Hals halten und sich aus so manchen Situationen befreien. Wenn er mit Jeff in der Zelle saß, redeten sie kaum miteinander und in der Zeit, in welcher er alleine war, schrieb er Kurzgeschichten und Essays, oder er las Thomas Manns Werk „Buddenbrooks“ in der deutschen Originalfassung. Übersetzungen waren noch nie sein Ding gewesen. Am dritten Tag jedoch kam es, wie es kommen musste. Kenny Spades, ein mehrfacher Sexualstraftäter, der nun wegen Totschlags saß, fing ihn ab und nahm ihn in die Mangel. „Du hattest ja noch gar nicht deine Willkommensparty, Neuer“, verkündete er mit einem breiten Grinsen und holte ein Springmesser heraus, welches er offenbar irgendwie in den Knast geschmuggelt hatte. „Und weißt du, ich hab da so einen kleinen Tick. Mit Blut und Geschrei wird es erst richtig heiß…“ „Danke, aber darauf verzichte ich lieber“, entgegnete Harvey kühl und hielt sich bereit, einen möglichen Angriff abzuwehren und dann stiften zu gehen. Aber als Spades über ihn herfallen wollte, da tauchte plötzlich Jeff auf und rief „Hey Spades, du sollst beim Spielen doch nett zu den anderen Kindern sein.“ „Verpiss dich Jeff, du störst.“ Was soll das, fragte sich Harvey und war irritiert. Wieso mischte sich der denn plötzlich ein und was versprach er sich davon? Der inhaftierte Schauspieler konnte sich das Ganze nicht wirklich erklären und entschloss sich erst mal dazu, Jeffs wahre Absichten herauszufinden und sich weiterhin für den Ernstfall bereit zu halten. Der Serienmörder ergriff Spades' Hand und drückte das Handgelenk so fest, dass dieser das Messer nicht mehr festhalten konnte, sodass es zu Boden fiel. Wütend schlug er mit der Faust nach ihm, doch der Serienkiller wich einfach zur Seite aus und stieß ihm einen Brieföffner direkt in die Halsschlagader. Spades riss die Augen weit auf und presste eine Hand gegen seinen Hals, während er nach hinten taumelte. Jeff packte ihm am Schopf, drückte seinen Kopf in den Nacken und stach ihm die Augen aus, dann stieß er sein Opfer zu Boden. Dieser zappelte hilflos und geblendet auf dem Boden herum und röchelte, wodurch er auf eine bizarre Art und Weise wie ein Fisch auf dem Trockenen wirkte. Jeff nahm das Messer des Sterbenden an sich, packte Harvey am Arm und zerrte ihn mit sich. „Es wird gleich einen Lockdown geben und wenn wir in der Nähe sind, heißt das für die nächsten zwei bis drei Monate Extraurlaub in der Isolationszelle.“ Der Killer zog seine blutverschmierte Jacke aus, warf sie in eines der offen stehenden Belüftungsrohre und holte aus einem Versteck eine zweite hervor, die er gegen seine alte auswechselte. Offenbar hatte er schon eine gewisse Übung darin, Häftlinge abzustechen und betrieb das schon eine ganze Weile so. „Moment mal, was ist denn ein Lockdown?“ „Wenn es zu gewaltsamen Übergriffen mit Schwerverletzten oder zu Todesfällen kommt, werden die Häftlinge für den Rest des Tages in die Zellen gesperrt.“ Jeff führte Harvey auf dem direkten Weg zur Zelle zurück und tatsächlich dauerte es keine zehn Minuten, bis der Lockdown ausgerufen und alles verriegelt wurde. Kaum, dass die Wachen für einen Moment außer Sichtweite waren, packte er Harveys Arm, drehte ihn auf den Rücken und drückte ihn mit dem Gesicht zur Wand, wobei er ihm ein Messer an die Kehle hielt. Der inhaftierte Schauspieler blieb ruhig und fragte „Was soll das werden, Jeff?“ „Das sollte ich eher dich fragen. Ich merke doch, dass du irgendetwas ausheckst und mich die ganze Zeit beobachtest. Schon, als du hier rein kamst, hab ich dir sofort angemerkt, dass du etwas im Schilde führst. Du beobachtest alles und jeden hier und ich will wissen, wieso. Ich lass mich nämlich nicht gerne ausspionieren, weißt du?“ So ist das also, dann hat mich mein Gefühl also doch nicht getäuscht, dachte Harvey und atmete tief durch. Jeff hat mich also tatsächlich beobachtet, weil er gespürt hat, dass ich etwas vorhabe. Nun, wenn das so war, dann machte es keinen Sinn mehr, weiterhin zu schweigen. „Du hast Recht Jeff, ich bin mit einem bestimmten Plan hergekommen. Ich hab dich beobachtet, weil du dich von den anderen Häftlingen hier deutlich unterscheidest. Es ist die Grausamkeit deiner Taten und die Art, wie du tötest, die meine Aufmerksamkeit erregt hat.“ „Nun komm mir bloß nicht mit zu vielen Komplimenten, sondern rück direkt mit der Sprache raus.“ „Ich will, dass du mir beibringst, wie man Menschen tötet.“ Hier ließ der entstellte Mörder ihn los und schon brach er in ein schallendes Gelächter aus. Er kugelte sich regelrecht vor Lachen und musste sich den Bauch festhalten, so als sorge er sich darum, dass dieser ihm noch platzen könnte. Dann steckte er das Messer weg und hielt sich stattdessen am Bett fest, um nicht auch noch umzufallen. Der Kerl kriegte sich schon gar nicht mehr ein vor Lachen und hatte sogar Tränen in den Augen. „Du… du willst…“, brachte er unter seinem wahnsinnigen Gelächter hervor und schaffte es erst, sich zu beruhigen, als einer der Wachmänner gegen die Zellgitter schlug und rief „Ruhe da drin!“ Jeff kam langsam wieder runter, bekam aber sein amüsiertes Grinsen nicht aus dem Gesicht. „Sag mal, hörst du dich selbst reden, was du da für einen Schwachsinn erzählst? Du bittest allen Ernstes mich darum, dass ich dir das Töten beibringe? Mal ganz im Ernst: Wenn du mich verarschen willst, bist du an den Falschen geraten. Wenn du es irgendjemandem heimzahlen oder dich rächen willst, dann mach das bitteschön alleine und lass mich da raus. Wenn du nicht den Mumm aufbringst, jemanden abzustechen, dann ist das allein dein Problem und nicht meines, kapiert? Versuch erst mal erwachsen zu werden, Junge.“ „Es geht mir nicht um Rache“, erklärte Harvey mit fester Stimme und sah Jeff todernst an. „Ich bin durchaus in der Lage, jemanden umzubringen. Aber es geht mir nicht darum, bloß einfach zu töten, indem ich einfach so Leute erschieße, erschlage oder ersteche. Ich will ein Blutbad anrichten, wie man es in den letzten Jahren und Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat. Und es soll ein so entsetzlicher Anblick werden, dass es die ganze Nation entsetzt und erschüttert. Und nicht nur die Nation, sondern die ganze Welt.“ Jeffs Lachen war nun endgültig gewichen und er sah seinen Zellengenossen mit einem Blick an, der sich nur schwer deuten ließ. Es war schwer festzustellen, ob er ihn für dumm, oder für übergeschnappt hielt. Schließlich aber verdüsterte sich sein Blick und er schien irgendwie gereizt oder genervt zu sein. „Hör mal gut zu, Junge: Wenn du mich hier für dumm verkaufen willst, dann musst du lebensmüde sein. Und einschleimen hilft bei mir auch nicht. Besonders nicht, wenn du mich dabei noch verarschen willst.“ „Ich will weder das eine noch das andere. Ein Sprichwort sagt: Im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist. Und es ist mein voller Ernst.“ „Was will ein Doktor oder Schauspieler denn schon groß anstellen? Bleib besser hinter deinen Büchern, du verschwendest meine Zeit und meine Nerven.“ Aber Harvey blieb fest stehen. Er wollte sich jetzt nicht abbringen lassen, sondern deutlich zeigen, wie ernst es ihm wirklich war. „Gehen wir doch eine Wette ein“, schlug er schließlich vor und das ließ seinen Gegenüber aufhorchen. „Wenn ich dir beweise, dass ich zu mehr fähig bin, als bloß zu lernen oder zu unterrichten, dann wirst du mir alles beibringen, was ich wissen will und vor allem wissen muss. Wenn ich es nicht schaffen sollte, kannst du mich umbringen.“ Der Typ pokert hoch, dachte Jeff und sein Interesse wurde geweckt. Noch nie war ihm jemand begegnet, der so ein hohes Risiko einging und trotz seiner offensichtlichen Nachteile dermaßen überzeugt von sich war. Entweder war dieser Kerl total übergeschnappt, oder aber er unterschätzte ihn tatsächlich. Er wollte ihn auf die Probe stellen. „Und was genau hast du bitteschön vor?“ „Sag du mir, was ich tun muss und ich werde es machen. Etwas, das sich hier sonst keiner trauen würde.“ Eindeutig pokerte Harvey sehr hoch, aber er war sich seiner Sache sicher, denn er war sich seiner Fähigkeiten durchaus bewusst und hatte Vorkehrungen getroffen, die ihm seinen Job erleichtern sollten. Was auch immer Jeff fordern mochte, er würde es noch übertreffen. So viel stand fest. Mit einem heimtückischen Grinsen setzte sich der Killer auf den Tisch, den Harvey zum Schreiben für seine Essays und Kurzgeschichten nutzte. „Also gut, dann werden wir mal sehen, wie selbstgefällig du noch weiterhin grinsen wirst, wenn du mir den Glücksbringer des Shutcalls bringen sollst. Du weißt doch, was ein Shutcall ist, oder?“ „Der Häftlingsboss. Ist es vielleicht dieser Drogenboss Jeremy Fisher?“ „Exakt! Da er die Ware liefert, ist er der unumstrittene King hier und jeder weiß, dass er einen Glücksbringer hat: ein Springmesser mit einer ganz besonderen Gravur. Es ist eine Spezialanfertigung und einzigartig. Er legt es nie aus der Hand und wenn du es schaffen solltest, es ihm abzunehmen, werde ich meinen Hut vor dir ziehen (wenn ich denn einen hätte) und unsere Abmachung erfüllen. Seien wir mal großzügig und machen einen Zeitraum von 14 Tagen aus. Es gibt in diesem Spiel nur eine einzige Bedingung: Alles ist erlaubt, außer Taschendieberei. Ich werde dich wie ein Schießhund beobachten und alle deine Schritte verfolgen. Sollte ich das Gefühl haben, du versuchst es ihm wie ein Taschendieb aus der Tasche zu klauen, dann steche ich dich auf der Stelle wie Kenny Spades ab, ganz egal, ob da Wärter in der Nähe sind. Ansonsten ist alles erlaubt. Egal ob du ihn dafür umbringst, ihn verarschst, bezahlst oder jemanden engagierst, der das für dich tun würde.“ Das klang fair und mit einem siegessicheren Lächeln erklärte Harvey „Ich brauch für so etwas die Hälfte der Zeit.“ Mit einem Händedruck besiegelten sie die Wette und gleich am nächsten Tag begann er damit, seine Pläne umzusetzen. Bereits im Vorfeld hatte er damit gerechnet, dass es auf so etwas Ähnliches hinauslaufen würde und da er sich auf seinen Gefängnisaufenthalt vorbereiten konnte, hatte er seine Wartezeit nicht untätig verbracht. Ein paar der Gefängniswärter nämlich hatte er im Vorfeld bestochen oder mit brisanten Fotos, Aufnahmen und mit anderen unschönen Details erpresst, sodass diese für ihn Drogen ins Gefängnis schmuggeln würden und das nicht gerade kleine Mengen! Auch hatte er bereits im Vorfeld dafür gesorgt, dass Fisher und seine Leute auf dem Trockenen lagen und die Sicherheitsvorkehrungen verschärft wurden, sodass die Drogenkuriere nicht mehr durchkamen. Somit war er der Einzige, der das Gefängnis versorgen konnte. Zuerst aber brauchte er Leute, die mitmachten und ihm gehorchten. Das war auch kein Problem, denn er kannte eine Bande von Rockern, die sich immer zum Pokern trafen und um hohe Geldbeträge spielten. Mindesteinsatz waren 2.000$. Harvey sprach sie an und erklärte, dass er gerne mit einsteigen würde. Mit einer etwas schüchternen wie naiven Art schaffte er es den Anschein zu erwecken, dass er zwar mal gepokert hatte, aber keine großen Erfahrungen besaß. Als Sicherheit, dass er auch tatsächlich zahlen konnte, legte er die Einstiegssumme in Bar auf den Tisch und erklärte, dass seine Eltern genug Geld hätten. Da die Gier dieser Leute größer war und sie sich ihrer Sache sicher waren, ließen sie ihn mitspielen. Hier aber wandte Harvey eine umgekehrte Taktik an, um seine Gegner auszutricksen. Da er Dramaturgie studiert hatte und als einer der besten Theaterschauspieler bekannt war und zudem Psychologe war, konnte er den Anschein erwecken, als hätte er überhaupt keine Ahnung, wie man richtig pokerte. All die kleinen Symptome, die Nervosität und ein schlechtes Blatt verraten konnten, wandte er so dezent an, dass es nicht zu offensichtlich war und er trotzdem auffallen musste. Das Endergebnis war, dass er den Spielern so hohe Summen entlocken konnte, dass sie es kaum bezahlen konnten. Er hatte geblufft, nicht um ein gutes Deck vorzutäuschen, sondern um sich zum Opfer und zur Zielscheibe zu machen. Da sie ihn so nicht bezahlen konnten und ihn beinahe noch gelyncht hätten, beschwichtigte er sie mit der Erklärung, dass er diese Situation vergessen wird, wenn sie ihm dafür ein paar Gefälligkeiten erweisen würden. Hierauf legte er einen 200g-Beutel Koks auf den Tisch und weihte sie in seinen Plan ein, Drogen zu schmuggeln. So hätten auch sie etwas davon. Binnen zweier Tage hatte Harvey nicht nur den Drogenhandel im Gefängnis vollständig unter Kontrolle, sondern auch Leute an seiner Seite. Er hatte extra mit so viel Stoff auf einmal aufgefahren, weil er wusste, dass es sich rasend schnell im Knast herumsprechen würde. Und tatsächlich dauerte es nicht einmal einen halben Tag, bis er unzählige Anfragen erhielt. Drogen und Zigaretten lieferte er in Mengen, die Aufsehen erregen mussten. Und da der Shutcall seine Position unbedingt halten wollte, war abzusehen, dass er versuchen würde, Harvey entweder umzubringen oder ihn zu einem Deal zu bewegen. Da dieser aber inzwischen genauso viele Leute auf seiner Seite hatte wie Jeremy Fisher, würde die zweite Option zutreffen. Am fünften Tag schon kam der amtierende Shutcall zu ihm und bot ihm die Zusammenarbeit an. Harvey würde ihn mit Stoff beliefern und er würde seine Sicherheit, Einfluss und Macht garantieren. Zwar war Harvey inoffiziell besser gestellt als Fisher, aber er willigte trotzdem ein, weil er die Wette mit Jeff bedenken musste. Bevor er aber per Handschlag einwilligte, fragte er direkt „Woher weiß ich, dass ich mich auf dich verlassen kann und welche Garantie kannst du mir geben, dass du mir nicht in den Rücken fallen wirst?“ Da Fisher unter enormen Zugzwang stand, weil er wusste, dass der Schauspieler alle Fäden in der Hand hielt und ihn noch absägen würde. Also gab er ihm seinen Glücksbringer als Zeichen für sein Vertrauen und als Garantie. Somit war Harvey innerhalb von fünf Tagen zur rechten Hand des Häftlingsbosses geworden und hatte die Wette gewonnen. Doch damit wollte er sich nicht zufrieden geben, denn er wollte ein Zeichen setzen und Jeff zeigen, dass er, obwohl er „bloß“ ein Bücherwurm und Schauspieler war, genauso gefährlich sein konnte wie ein Schwerkrimineller. Da ein Zeitraum von 14 Tagen vereinbart worden war, nutzte er die Zeit, um Fishers Leute auf seine Seite zu bringen. Er bot ihnen bestes Heroin für gewisse „Freundschaftsdienste“ an und als der neunte Tag sich dem Ende zuneigte, wurde erneut der Lockdown ausgerufen und die Nachricht ging durchs Gefängnis, dass Jeremy Fisher, Colton Rhimes und A.J. Miltner ermordet worden waren. Diese Morde waren von anderen Häftlingen begangen worden, welche sofort in die Isolierzellen eingesperrt wurden. Damit waren die drei mächtigsten Häftlinge aus dem Weg geräumt. Mit einem siegessicheren und eiskalten Lächeln warf Harvey Jeff das Messer von Fisher zu, welches Ziel der Wette war. Und tatsächlich zeigte sich der Psychopath tief beeindruckt. „Respekt, ich ziehe meinen Hut vor dir“, sagte er während er das Messer begutachtete. „Du hast es nicht nur geschafft, Fisher seinen Glücksbringer abzuluchsen, sondern auch noch zum neuen Shutcall aufzusteigen. Offenbar bist du doch nicht so eine halbe Portion, wie ich dachte.“ „Eines sollte man sich merken“, sagte Harvey schließlich und lehnte sich gegen den Tisch. „Man sollte sich vor Psychologen und Schauspielern hüten. Schauspieler beherrschen das Talent, anderen perfekt etwas vorzuspielen, was sie nicht sind und Psychologen können ihre Gegner jederzeit durchschauen und das Wissen gegen sie verwenden.“ „Nun, zumindest würdest du einen sehr guten Trickbetrüger abgeben. Das hast du schon mal bewiesen. Ob du es schaffst, Menschen nicht bloß umzubringen, sondern sie nach allen Regeln der Kunst abzuschlachten, das steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Aber ich halte mein Wort. Ich werde dir alles beibringen was ich weiß und dir helfen, zu einem Monster zu werden.“ Hier aber hob Jeff drohend den Zeigefinger und grinste seinen Zellengenossen mordlustig an. „Wenn ich merken sollte, dass du nicht aufmerksam bist oder du das alles nicht ernst genug nimmst, wirst du es bitter bereuen. Sollte ich auch nur einen Moment lang Unsicherheit bei dir sehen oder merken, dass du nicht aufpasst oder solltest du mir langweilig werden, oder mir auf die Nerven gehen, bringe ich dich um. Wir sind keine Freunde und du solltest dir immer vor Augen halten, dass du niemanden hier trauen kannst, vor allem nicht mir. Es kann aus völlig heiterem Himmel passieren und aus einer Laune heraus, dann solltest du bereit sein. Sonst liegst du hier als Leiche auf dem Boden!“ Jeff bluffte nicht, das wusste Harvey genau. Dieser Kerl war extrem gefährlich und man durfte ihn keinesfalls unterschätzen. „Hab verstanden!“ Und so begann Jeff damit, seinem "Schüler" alles zu zeigen, was er über das Töten wissen musste. Er erklärte ihm, wie man Menschen schnell und effektiv tötete, wenn es ganz plötzlich geschehen musste und wie man Spuren am besten beseitigen konnte. Auch lehrte er ihn, wie man seine Morde am besten vorbereiten konnte und welche Vorgehensmuster sich am besten bewährt hatten. Harvey lernte schnell und stellte niemals Jeffs Anschauungen oder Methoden in Frage. Als es aber darum ging, eine persönliche Signatur zu entwickeln, mussten sie überlegen. Jeff erklärte „Jeder Serienmörder hat seine persönliche Signatur, sodass man sofort erkennt, dass er diese und jene Morde begangen hat. Meist wählt man seine Signatur danach, was man mit seinen Morden ausdrücken und welche Botschaft man vermitteln will. Was willst du bezwecken oder besser gesagt, was hast du vor?“ „Ich will der Welt ein Zeichen setzen, indem ich den Leuten die Maske vom Gesicht reiße und ihnen zeige, was für ein Abschaum sich dahinter verbirgt. Seien es Kirchenleute die Kinder missbrauchen, Politiker oder Polizisten.“ „Klingt ganz danach, als wolltest du dich als Rächer der Nation aufspielen.“ „Nein, ich bin kein Rächer. Rächer gehen emotional vor und machen oft keinen Unterschied, ob sie Unschuldige mit hineinziehen, oder nicht. Und die Toten und Opfer will ich gar nicht erst rächen, weil ich weiß, dass es nichts an der Vergangenheit ändert. Shakespeare sagte mal „Betrauere nicht, was nicht zu ändern ist sondern ändere, was zu betrauern ist.“ Ich will nicht aus rein persönlichen Motiven handeln und mich von Emotionen leiten lassen, sondern der Welt den Spiegel vorhalten, ob sie es nun will oder nicht. Worte und gute Taten haben bisher wenig bewegt aber Angst, Leid und Terror hingegen haben die ganze Welt geprägt.“ Jeff schien trotzdem nicht ganz zu verstehen, was Harvey eigentlich genau bezweckte und begnügte sich erst einmal damit. Schließlich fragte er „Und was hat dich dazu bewegt? Wieso willst du das tun?“ Harvey offenbarte ihm seine Geschichte und was ihm passiert war. Der Serienmörder hörte ihm aufmerksam zu und nickte bedächtig. „Verstehe. Deshalb haben sie dich auch wegen Widerstandes gegen die Polizei und wegen falscher Verdächtigung eingebuchtet. Zwar klingt mir das alles trotzdem eher nach einem Rachefeldzug aber gut, ich will keine Predigt halten. Ich hab dir mein Wort gegeben und werde es auch halten. Und ich glaub auch schon, ich hab eine gute Idee: Weißt du vielleicht, wie man Menschen die Haut abzieht?“ „Ich hab es noch nie versucht, aber der Gedanke ist mir auch schon bereits gekommen.“ „Okay. Wenn du die Aufmerksamkeit der Welt auf dich ziehen willst, dann reicht es nicht bloß allein, Leute einfach die Haut abzuziehen. Du musst ein Massaker anrichten, dass selbst den Bullen schlecht wird. Das Wichtigste ist: eine Botschaft zu hinterlassen. Eine offene Nachricht an die ganze Nation. Die Medien werden sich darum reißen und es überall in die Nachrichten bringen. Für sie ist es ein gefundenes Fressen, wenn ein Serienmörder ein Manifest hinterlässt. Vor allem, wenn er das Interesse einer großen Mehrheit vertritt und damit für viel Diskussionsstoff sorgt. außerdem solltest du darauf achten, deine Tatorte sehr genau zu wählen. Sie in einer versifften New Yorker Wohnung zu bunkern, wird nichts bringen. Wenn du einen Pfaffen killst, dann lass seine Leiche in einer Kirche finden und am besten in einem so bizarren und unheimlichen Zustand wie nur möglich. Willst du einen Politiker töten, dann in seinem Büro oder in einem öffentlichen Gebäude. Schreib dir das für die Zukunft auf.“ Jeff lieferte eine Reihe von Ideen und Anregungen, deren Inhalte so unfassbar krank und abscheulich waren, dass selbst Harvey fast die Sprache wegblieb. Er beschrieb auch alles so bis ins kleinste abartige Detail, dass einem beim Zuhören allein schlecht wurde. Und obwohl Harvey auch übel wurde, während Jeff ihm bis ins kleinste Detail alles über das Ausweiden von Menschen erzählte, hörte er zu. Natürlich passte er gut darauf auf, niemals Schwäche vor anderen zu zeigen oder Jeff zu nerven, aber dann kam es doch zu einem Angriff. Vielleicht lag es daran, dass er etwas unvorsichtiger wurde, da er leichtes Fieber hatte. Jedenfalls hatte sich Jeff urplötzlich auf ihn gestürzt und ihn mit dem Messer attackiert. Der Schauspieler wehrte sich nach Leibeskräften, doch war er kaum in der Lage, seinen Angreifer abzuwehren. Jeff stach wie ein Verrückter auf ihn ein und neben diversen Stichverletzungen zog sich Harvey tiefe Schnittwunden an der linken Wange und am Hals zu. Nur mit Mühe gelang es ihm, seinem Angreifer einen Tritt in die Magengrube zu verpassen und ihm mit dem Messer von Fisher einen Stich knapp unterhalb des Brustkorbes zu geben, woraufhin der Psychopath von ihm abließ. Da sie beide schwer verletzt waren, wurden sie ins Krankenhaus gebracht. Harvey musste operiert werden, überlebte aber und Jeff ebenfalls. Es stand aber fest, dass Harvey wohl Narben davontragen würde, aber das kümmerte ihn nicht weiter. Eines Abends, als er mit bleiernem Kopf im Bett lag, saß plötzlich sein Lehrmeister und Beinahe-Mörder neben ihm. „Willst du mich endgültig umbringen?“ „Hey, ich hatte dich im Vorfeld gewarnt. Aber ich muss zugeben, du hast dich wirklich gut geschlagen. Normalerweise sind alle meine Opfer mausetot. Außerdem wollte ich dich auf die Probe stellen und mich überzeugen, ob du auch wirklich das Zeug dazu hast, in der gleichen Liga zu spielen wie ich.“ „Und zu welchem Ergebnis bist du gekommen?“ Jeff grinste und begann mit einem Skalpell zu spielen, welches er wohl geklaut hatte. „Weißt du, normalerweise hätte ich solche Typen wie dich schon in den ersten 12 Stunden kaltgemacht. Aber mir hat dieser Blick in deinen Augen gefallen. Ich glaube, du könntest es tatsächlich schaffen, ein Monster zu werden. Und im Grunde hast du es dir ja sehr gut überlegt. Du hast gesagt, du hättest es auf Menschen abgesehen, die sich hinter der Maske von Vorbildern und Anführern verstecken und ihre Positionen ausnutzen, um Menschen zu schaden, so wie dir und deinen Freund. Ich dachte zuerst, du hast sie nicht mehr alle, aber inzwischen glaube ich jetzt doch verstanden zu haben, warum du diesen Weg gewählt hast. Wirklich sehr clever. Du weißt, dass die Polizei versuchen wird, dein Muster zu durchschauen und alle potentiellen Opfer ausfindig zu machen, die in dein Schema passen. Und das bedeutet automatisch, dass sie die kriminellen Machenschaften ihrer eigenen Leute aufdecken wird und diese ganzen Skandale publik werden. Du bringst da einen enormen Stein ins Rollen, der eine Lawine auslösen wird. Deine Aktionen werden mit Sicherheit Chaos auslösen, ist dir das klar?“ „Natürlich, aber dieses Chaos wird es sein, das den Schmutz vertilgen und die Ordnung wiederherstellen wird.“ „Und was wirst du mit den Leuten machen, die dein Leben zerstört haben? Willst du denn keine Rache für deinen Freund üben?“ Hier sah Harvey ihn mit einem leicht düsteren Blick an. Er sah fürchterlich aus, doch er wirkte immer noch, als könnte er es jederzeit mit Jeff aufnehmen. „Rache bringt die Toten nicht wieder zurück und ändert auch nichts an der Vergangenheit. Wenn es sich um einen einmaligen Fall handelt, werde ich es akzeptieren. Sollte ich aber herausfinden, dass diese Polizisten so etwas schon öfter in der Vergangenheit getan haben, werden sie meine ersten Opfer sein.“ „Wow, trotz allen immer noch so prinzipientreu?“ „Ohne Prinzipien würde ich ein Monster so wie du werden. Ich will ein Monster zum Zweck sein und nicht mehr. Ich weiß, dass es für die anderen keinen Unterschied machen wird und dass das, was ich tun werde, im Grunde falsch ist. Sollten sie mich eines Tages verhaften und zum Tode verurteilen, werde ich es akzeptieren und mich meinem Schicksal fügen. Bis dahin aber werde ich sehr viel Blut vergießen… Und du wirst mich auch nicht aufhalten.“ Jeff begann zu lachen und grinste breit, was aber wie eine wahnsinnige gespensterhafte Fratze aussah. „Ich will dich doch nicht aufhalten, das habe ich niemals behauptet.“ „Und wieso bist du hier?“ „Weil jetzt deine letzte Lektion ansteht.“ Er holte aus seiner Hosentasche eine Kugelschreibermine und öffnete damit Harveys Handschellen, mit denen er ans Bett gefesselt war. Da der Schauspieler noch ein klein wenig benommen durch die vielen Schmerzmittel war, zerrte Jeff ihn hoch und führte ihn zur Tür. „Es wird Zeit, dass du deinen ersten Mord begehst!“ Wie sich herausstellte hatte der psychopathische Serienkiller, während Harvey noch unter der Wirkung der Betäubungsmittel gestanden hatte, bereits Vorkehrungen getroffen und brachte seinen Schüler zum Lieferanteneingang, wo derzeit nichts los war und sie somit ungestört hindurchgehen konnten. Die Tatsache, dass es bereits nachts war, kam ihnen zugute. Die Polizisten, die eigentlich die Zimmer bewachen sollten, waren verschwunden und höchstwahrscheinlich von Jeff getötet worden. Der Weg führte sie zu einem leer stehenden Haus, nicht weit vom Krankenhaus entfernt. „Sag mal, wie lange war ich eigentlich weggetreten?“ „Fast vier Tage. Siehst zwar immer noch beschissen aus, aber heute ist die ideale Nacht, um aus dir einen richtigen Mörder zu machen.“ „So viel Engagement kennt man ja gar nicht von dir. Womit hab ich diese Ehre denn bitteschön verdient?“ „Wenn wir uns eines Tages wieder gegenüberstehen werden, will ich sehen, ob du es tatsächlich schaffen kannst, mich zu töten. Wäre doch wirklich amüsant zu sehen, ob der Schüler den Lehrer übertreffen kann.“ Jeff war eindeutig verrückt, aber Harvey wollte diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen, und obwohl er noch völlig neben der Spur war, so fühlte er sich durchaus imstande, jemanden zu töten. Sie betraten schließlich einen Keller, wo ein Mann auf einem Tisch lag. Er sah tot aus und trug die Kleidung eines Polizisten. Als Harvey näher trat, glaubte er nicht recht zu sehen als er merkte, dass der Kerl noch atmete und fragte Jeff, was mit dem Kerl los war. „Ich wollte es dir ein bisschen einfacher gestalten und hab ihm eine Ladung Tetrodotoxin, also Kugelfischgift, verpasst. Er ist vollständig paralysiert, kriegt aber trotzdem alles mit. Der Witz ist, dass er sich nicht wehren kann, geschweige denn überhaupt schreien.“ Er brach in ein sadistisches Gelächter aus und gab dem vollständig paralysierten Polizisten einen Klaps auf die Wange. Harvey war nicht nach Lachen zumute. „Und wer zum Teufel ist das?“ „Officer Steve Thompson. Der Kerl hat in der Vergangenheit ganz schön viel Unsinn angestellt. In den letzten sechs Monaten hat er vier Tote zu verbuchen und er hat einen Jugendlichen bei einem Straßenkrawall derart zusammengeschlagen, dass dieser bis heute noch im Koma liegt. Den letzten Klopper hat er sich geleistet, als er eine Leibesvisitation bei einer Frau durchführte und sie dabei nicht bloß durchsucht hatte. Die Frau hat ihn angezeigt, ist aber selbst zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, weil sie ihn sexuell genötigt hat und handgreiflich wurde. Also doch genau das, was du suchst.“ Jeff schien irgendwie ziemlich großen Spaß zu haben, das merkte selbst ein Blinder. Offenbar hatte er jetzt ein neues Hobby gefunden und das war, andere zum Mord anzustiften und selbst dabei Zuschauer in der ersten Reihe zu sein. Bei einem so kranken Hirn wie seinem war das ja auch nicht weiter verwunderlich. Auf einem anderen Tisch hatte er alle nötigen Werkzeuge ausgebreitet und erklärte, wie Harvey vorgehen sollte und was er zu beachten habe, wenn er einem Menschen wirklich die Haut entfernen wollte. „Ich schlage vor, du probierst es erst einmal an einer einfachen Stelle. Dazu eignet sich sehr gut der Torso. Als Erstes musst du die Kleidung entfernen.“ Harvey gehorchte und zog dem Polizisten die Jacke und das Hemd aus, sodass der Oberkörper frei lag. Im Gesicht war keine Regung zu sehen und die Augen schauten starr zur Decke. Irgendwie fühlte er sich unwohl. Es war das erste Mal, dass er einen Menschen umbringen würde und am liebsten hätte er das Gesicht des Mannes verdeckt, damit es ihm leichter fiel. Aber das ließ Jeff nicht zu. „Wenn du den Blick deiner Opfer nicht ertragen kannst, wirst du es niemals schaffen. Stell dir vor, sie wehren sich, schreien herum und betteln um Gnade. Was willst du dann tun? Wenn du zu einem Monster werden willst, darfst du keinerlei Gnade zeigen und darfst nicht eine Sekunde zögern. Du musst lernen, deine Menschlichkeit über Bord zu werfen und solche Gefühle wie Angst oder Mitleid abzuschalten. Wenn du das schaffst, dann gelingt es dir auch, Menschen auf solch eine Weise zu töten. Keine Sorge, das erste Mal ist immer etwas schwierig. Ich hab es zwar auf Anhieb ziemlich gut hingekriegt, aber auch nur, weil ich ein Psychopath bin.“ Bei diesen letzten Worten kicherte er und lief langsam auf und ab, während er wartete, dass sein Schüler endlich anfing. Dieser nahm ein Skalpell in die Hand und setzte die Klinge an den Brustkorb. Jeff schaute ihm genau auf die Finger. „Pass aber auf, dass du nicht zu tief schneidest. Es reicht, wenn du oberflächlich schneidest und dann langsam die Haut vom Fleisch schälst.“ Harvey führte den ersten Schnitt durch und versuchte, seinem Opfer nicht in die Augen zu sehen. Trotzdem entging ihm nicht, dass dem Paralysierten Tränen kamen. Er wusste, dass sein Opfer Schmerzen litt, aber er durfte jetzt nicht aufhören. Wenn er es jetzt nicht schaffte, dann waren all seine Bemühungen umsonst gewesen. Indem er sich auf das hier und jetzt und damit auf seine Arbeit konzentrierte, gelang es ihm, alles andere um ihn herum auszublenden. Er ließ sich von Jeffs Worten lenken und kaum, dass er sich versah, hatte er den Schnitt zu Ende geführt und begann nun damit, die Haut langsam und vorsichtig zu entfernen. Hier und da waren einige Schnitte noch etwas grob und unbeholfen, aber summa summarum leistete er gute Arbeit und schließlich hatte er die ganze Haut vom Brustkorb bis zum Unterleib entfernt. Seine Hände waren blutverschmiert, er selbst war schweißgebadet und ihm wurde speiübel. Jeff klopfte ihm auf die Schulter und grinste. „Sehr gut. Für dein erstes Mal hast du saubere Arbeit geleistet. Und nun wird es Zeit, ihm den Gnadenstoß zu geben. Vergiss nicht, er lebt immer noch.“ Am liebsten wäre Harvey lieber ins Krankenhaus zurückgekehrt, denn ihm war fürchterlich elend zumute. Aber dann erinnerte er sich an den Grund, warum er all das getan hatte und dachte an all den Schmerz und die Trauer, die er in der Vergangenheit empfunden hatte. Chris… er dachte an seinen verstorbenen Freund Chris und das war es, das ihm half, all sein Mitgefühl und seine Angst loszulassen. Er holte zum Schlag aus und stieß seinem Opfer das Skalpell in die Brust. Ein leises, kaum hörbares Stöhnen war zu hören, doch da stieß er erneut zu. Jeff beobachtete das Ganze schweigend und mit deutlicher Zufriedenheit. Als der Polizist tot war und Harvey erschöpft das Skalpell fallen ließ, hielt Jeff ihn am Arm fest, um ihn auf den Beinen zu halten. Der Schauspieler war schneeweiß im Gesicht und sah aus, als würde er jeden Moment zusammenbrechen. Sein Kreislauf war völlig im Keller und wurde schließlich zu einem Stuhl gebracht, auf den er sich setzen konnte. „Gratuliere“, zischte der Psychopath grinsend. „Du hast deinen ersten Mord begangen. Na, wie hat es sich angefühlt?“ Doch Harvey antwortete erst nicht. Ihm wurde kurzzeitig schwarz vor Augen und kalter Schweiß lief ihm das Gesicht runter. Schließlich aber fand er doch die Kraft zum Sprechen. „Es fühlte sich beschissen an.“ „Aber zum Ende hin hast du es doch noch geschafft, zu einem Monster zu werden und diesen Typen abzustechen. An was hast du gedacht?“ „An Chris und an den Grund, warum ich das alles so wollte.“ „Gut, das solltest du dir immer vor Augen halten, wenn du nicht bei jedem Mal zusammenklappen willst wie jetzt. Bleib erst mal sitzen und zieh deine Klamotten aus. Ich räum den Saustall hier auf.“ Gerade wollte sich Jeff der Leiche widmen, da hielt Harvey ihn zurück. „Beantworte mir eine Frage, Jeff: Wie hat es sich angefühlt, seine eigene Familie zu töten?“ Hier aber wurde dieser still und das Grinsen auf seinem Gesicht verschwand. Eine Weile schwieg er, aber schließlich antwortete er „Ich habe nichts gedacht oder gefühlt, als ich es tat. Wenn man den Verstand verliert, denkt man nichts. Als Psychologe müsstest du es ja am besten wissen. Man handelt völlig irrational und schert sich einen Dreck darum, ob es die eigene Familie ist, oder dein Todfeind. Als diese Arschlöcher mich fast umgebracht hatten, da hat sich in meinem Kopf etwas ausgeschaltet und ich hab im Grunde nur gehandelt, ohne zu denken.“ „Hast du denn niemals den Mord an deiner Familie bereut?“ Für einen Moment sah Jeff Harvey mit einem Blick an, der beinahe darauf schließen lassen konnte, dass er ihm sofort mit dem Skalpell die Kehle aufschlitzte für diese Frage. Harvey wusste, dass es extrem gefährlich war, so etwas überhaupt zu fragen und dass sein Lehrmeister ihn dafür umbringen würde. Aber er war so neben der Spur, dass er das gar nicht in Betracht zog. Zu seinem Erstaunen machte Jeff überhaupt keine Anstalten, ihn umzubringen. Er senkte den Blick und sagte mit einer fast traurigen Stimme „Ich… ich wollte meinen Bruder nicht töten. Zu meinen Eltern hatte ich nie ein sonderlich gutes Verhältnis aber Liu war nicht bloß mein Bruder, sondern auch mein bester Freund. Ich wollte ihn beschützen, aber ich war letzten Endes nicht in der Lage, ihn vor mir selbst zu schützen. Aber wie du schon sagtest: Die Vergangenheit kann man nicht ändern. Deshalb ist es mir irgendwann egal geworden, wen ich umbringe. Ich gebe dir einen guten Rat mit auf dem Weg mein Freund: Vergiss niemals, weshalb du das alles tust. Halte dir immer dein Ziel vor Augen und vor allem, wie schrecklich für dich dieser erste Mord war. Denn in dem Moment, wo es dir Spaß macht, Menschen auf so eine Weise zu töten, wo du beginnst ihre Schmerzensschreie zu genießen und auch keine Reue mehr empfindest, dann bist du bereits ein Monster. Du hast dir einen echt harten Weg ausgesucht. Es wird nicht leicht für dich werden, wenn du dir deine Menschlichkeit bewahren willst. Du wirst schlaflose Nächte haben und dir immer wieder vor Augen halten, dass du Menschen tötest, die Familien und Freunde haben.“ „Das ist der Preis, den ich zahle. Aber ich kann nicht mehr zurück…“ „Da hast du wohl Recht.“ Harvey wischte sich den Schweiß von der Stirn und zog sein blutverschmiertes Shirt aus. Sowohl dieses als auch die Messer warf Jeff zusammen mit der Leiche auf einen Stapel Holz und Zeitungen und übergoss alles mit Benzin. „Was hast du vor?“ „Wonach sieht das wohl für dich aus? Ich fackle das Haus ab. Es ist sowieso nicht bewohnt und da dies hier bloß ein Testmord war, darf dieser erst einmal nicht mit dir in Verbindung gebracht werden, bis du dir eine passende Identität zurechtgelegt hast. Außerdem sind hier überall deine Fingerabdrücke. Um alles komplett zu vernichten, eignet es sich am besten, ein kleines Feuer zu legen. Für die Zukunft solltest du dir eine elegantere Lösung einfallen lassen. Jeden Tatort abzufackeln wird dir eher den Ruf eines Feuerteufels einbringen.“ Harvey hörte nur mit Mühe zu. Er versuchte wieder auf die Beine zu kommen, jedoch wurde ihm erneut schwarz vor Augen und er musste sich übergeben. Nachdem Jeff seine Vorbereitungen abgeschlossen hatte, verließen sie das Haus und als der entstellte Serienmörder die Benzinspur anzündete, brannte das Haus binnen weniger Sekunden lichterloh. Sie beide eilten zurück ins Krankenhaus und gingen wieder zu ihren Zimmern. Wie sich später herausstellen sollte, hatte Jeff die Wachmänner gar nicht getötet, sondern ihnen bloß ein starkes Schlafmittel verabreicht und sie erst einmal versteckt, damit niemand Verdacht schöpfte. Er kettete Harvey wieder ans Bett, hatte jedoch selbst keine Lust, wieder ins Gefängnis zurückzugehen. „Mein Urlaub ist jetzt vorbei und ich kehre wieder zu meiner eigentlichen Tätigkeit zurück. Ich hab mein Wort gehalten, nun sieh zu, dass du das Beste daraus machst. Vergiss nicht: Um eine Welt zu erschüttern, muss man unvorstellbar grausam sein.“ „Grausam, nicht unnatürlich will ich sein. Und grausam muss ich sein, um eine gute Absicht zu erhalten. Der Anfang ist gemacht, aber das Schlimmste steht noch bevor.“ „Hamlet, nicht wahr? Du zitierst wirklich wie ein Poet… wie ein Poet des Todes. Mach’s gut, Harv. Vergiss nicht, ich werde weiterhin ein Auge auf dich haben. Eines Tages werden wir uns wieder gegenüberstehen und dann wird sich herausstellen, wer von uns beiden der Bessere ist. Enttäusche meine Erwartungen nicht.“ Damit verschwand Jeff und als die Polizei anrückte, war er unauffindbar. Harvey ging, nachdem seine Verletzungen verheilt waren, ins Gefängnis zurück und blieb dort drei Monate, bis er wegen guter Führung vorzeitig entlassen wurde. Bis dahin blieb er der unumstrittene Shutcall und niemand wagte es, sich mit ihm oder seinen Leuten anzulegen. Nach seiner Entlassung brauchte er jedoch eine Weile, bis er überhaupt wieder an sein eigentliches Vorhaben denken konnte. Stattdessen ging er zum Friedhof, kaufte beim Floristen einen Strauß weißer Rosen und legte sie an einem Grab nieder. In dem Grabstein, der von einem kleinen Engel bewacht wurde, war folgende Inschrift eingemeißelt: „Chris Dullahan *14.02.1988 †22.10.2013 And so died a noble heart. Good-Night, dear friend. And flights of angels sing thee to thy rest.” „Es ist immer wieder ein komisches Gefühl, hier zu sein“, ertönte eine Stimme neben ihm und als Harvey sich nach rechts umschaute, sah er Chris neben sich stehen. Er sah genauso aus wie damals und trug wie immer seinen lilafarbenen Schal, die dunkelblaue Jacke und seinen Streifenpullover. „Schon merkwürdig, mein eigenes Grab zu sehen.“ „Hasst du mich eigentlich für das, was ich getan habe?“ „Was für eine Frage. Ich könnte dich doch niemals hassen, Harvey! Deine Taten mag ich zwar nicht befürworten, aber warum sollte ich dich abhalten? Würdest du auf einen Toten hören, wenn du ihn für eine durch eine Geisteskrankheit entstandene Halluzination hieltest, oder eine durch Tollerei erzeugte Halluzination für einen toten Freund? Problem ist, dass nur du mich siehst und hörst. Eine typische Hamlet-Situation: Er sah seinen Vater, doch die Mutter hielt ihren Sohn für verrückt.“ „Also bin ich verrückt, oder du bist wirklich da.“ „Entweder das, oder es ist damals bei der Operation etwas schief gelaufen. Der Arzt sagte ja, dass es ein experimenteller Eingriff war und dass es Komplikationen geben könnte. Es wäre also möglich, dass ich kein Geist und auch keine durch Wahnsinn hervorgerufene Halluzination bin, sondern eine Halluzination, hervorgerufen durch Spätfolgen durch die Hirntransplantation.“ Harvey fühlte einen tiefen Stich in seinem Herzen und wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. All der Kummer, den er in den letzten drei Monaten zurückgehalten hatte, brach mit einem Male heraus und er ließ ihm freien Lauf. „Es tut mir Leid…“, brachte er schließlich hervor. „Hätte ich damals anders reagiert, dann hättest du nicht sterben müssen.“ „Gib dir nicht die Schuld dafür.“ Tröstend legte er eine Hand auf Harveys Schulter. Das Schlimmste aber an dieser Geste war, dass dieser sie deutlich spürte, als wäre Chris wirklich noch da. „Niemand von uns hat Schuld daran, was passiert ist. Egal welchen Weg du von nun an gehen wirst, ich werde für dich da sein. Und nun komm, es wird langsam kalt, sonst wirst du wieder krank.“ Harvey nickte und zündete noch eine Grabkerze an, bevor er zu seinem Wagen ging. Er wusste, dass es für ihn keinen Weg mehr zurückgab. Mit dem ersten Mord, den er begangen hatte, hatte er auch gleichzeitig sein Schicksal gewählt. Er wusste, dass er einen unglaublich harten Weg gewählt hatte und dass er noch viel mehr leiden würde. Aber er würde trotzdem weiter vorangehen und seinen Weg mit Leichen pflastern. Und es würde noch eine Menge Blut und Tränen fließen… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)