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Meine Creepypastas

Paranormale (Horror) Geschichten
von

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Annie - Die Vorgeschichte

Seit ich klein war, habe ich die Sommer immer auf der Farm meiner Tante verbracht, die irgendwo im Niemandsland war und dort blieb ich bis zum Herbst. Meine Eltern waren beide berufstätig und im Sommer meist auf Geschäftsreisen, weshalb sie mich nicht alleine lassen konnten. Ich selbst wurde nie gefragt. Sie haben mich einfach samt meiner Sachen ins Auto geladen und dort hinten abgesetzt und mir viel Spaß gewünscht. Dafür habe ich meine Eltern gehasst. Einen ganzen Sommer auf einer langweiligen Farm, wo der Tag schon um 5 Uhr begann und es überall nach Kuhmist stank. Viel lieber hätte ich mit meinen Freunden den Sommer verbracht, statt im Heu zu wühlen. Die einzigen Kinder, mit denen ich hätte spielen können, waren Steve, Spencer, Jimmy und Annie. Annie war das jüngste Kind in der Nachbarschaft und gehörte zu der Sorte Kinder, die einem ständig hinterher rannten, egal wie oft man versuchte, sie loszuwerden. Als ich Annie zum ersten Mal traf, war sie knapp drei Jahre alt gewesen und sie sah aus, wie Anne mit den roten Haaren aus den Büchern. Sie könnte aber auch „Little Orphan Annie“ sein, jedoch waren deren Haare extrem lockig und außerdem etwas kürzer. Sie hatte feuerrotes Haar, das sie zu Zöpfen zusammengeflochten hatte und sie trug meist ein hellblaues Kleid. Annie war die kleine Schwester von Spencer und auch dieser schien sie nicht sonderlich gut leiden zu können. Wie wir alle war er von ihr genervt und versuchte sie bei jeder Gelegenheit abzuschütteln.

Ich war zehn oder elf Jahre alt, als ich wieder auf die Farm geschickt wurde. Der Sommer war brütend heiß und es herrschte zu dieser Zeit eine hohe Brandgefahr, da das Gestrüpp und das Gras völlig ausgetrocknet waren. Geregnet hatte es seit fast zwei Wochen nicht mehr und die meiste Zeit verbrachte ich mit Steve, Spencer und Jimmy damit, mit dem Fahrrad zum See zu fahren, wo wir uns eine Abkühlung verschaffen konnten. Wir stellten die Fahrräder beiseite und zogen unsere Klamotten aus, die wir über unseren Badehosen getragen hatten. Gleich sofort starteten wir ein Wettrennen, wer als Erstes im Wasser war und ganz knapp gewann Jimmy, dicht vor mir. Spencer war der Letzte, was aber auch daran lag, dass er mittendrin stehen blieb und sich umdrehte. Grund dafür war Annie, die uns wie immer gefolgt war. Sie hatte ihr Stofftier, einen ziemlich ramponierten Stoffhasen dabei und rief uns zu. „Verdammt Annie, hör auf uns ständig hinterher zu laufen.“

„Darf ich auch mitspielen?“ fragte sie völlig unbeeindruckt in dem gleichen quengelnden Ton, wie sie ihn immer an den Tag legte, wenn sie um etwas bat. Sie schien dabei überhaupt nicht zu merken, dass sie uns auf die Nerven ging. Man muss aber auch vor Augen halten, dass Annie damals gerade erst fünf Jahre alt war und viele Kinder oft dazu neigten, die Abweisungen anderer Kinder zu ignorieren, besonders wenn sie so fürchterlich anhänglich waren. „Nein, du darfst nicht mitspielen, Annie! Geh nach Hause, wir wollen nicht mit dir abhängen!“ Doch Annie bewegte sich nicht von der Stelle und so beschlossen wir, sie zu ignorieren. Stattdessen begannen wir nun damit, Steine aufzusammeln und sie ins Wasser zu werfen. Daraus wurde wieder ein kleiner Wettstreit, wer denn am weitesten werfen konnte. „Deine Schwester ist echt nervig“, sagte Steve schließlich, als er einen großen, faustgroßen Stein ins Wasser warf. „Kannst du nicht irgendetwas machen, dass sie uns endlich von der Backe bleibt?“

„Was soll ich schon machen? Meine Eltern sagen mir ja ständig, ich soll sie gefälligst mitnehmen. Mich kotzt es doch auch total an. Ich würde sie ja auch am liebsten loswerden und das am besten für immer. Geschwister nerven doch nur.“ Steve, ich und Jimmy waren Einzelkinder und somit fiel Spencer aus der Reihe mit Annie. Er selbst wäre auch lieber ein Einzelkind wie wir oder zumindest hätte er lieber einen gleichaltrigen Bruder, mit dem man wenigstens Spaß haben konnte. Aber eine Klette wie Annie wollte keiner von uns als Schwester haben. Manchmal, wenn wir von unseren Eltern oder wie in meinem Falle von meiner Tante genötigt wurden, mit Annie zu spielen, versuchten wir es immer per Losung auszumachen. Keiner wollte von uns freiwillig mit Annie spielen, denn sie war viel zu jung und außerdem ein Mädchen. Und meist war es so, dass Mädchen und Jungs sich in dem Alter gegenseitig nicht ausstehen konnten. Dies äußerte sich auch insbesondere dadurch, dass die meisten Jungs sich zu irgendwelchen Anti-Mädchen-Clubs zusammenschlossen. Nun, wir hatten unseren „Wir hassen Annie“ Club. Dabei war es nicht in unserer Absicht, dass wir sie schikanierten und quälten. Wir schlossen sie ganz einfach aus und machten ihr klar, dass wir nichts mit ihr zu tun haben wollten. Sie machte es einem auch nicht wirklich leicht, sie nicht zu hassen. Annie war eine weinerliche Nervensäge.

Die ganze Zeit, während wir am See spielten, Steinchen warfen oder Schiffchen schwimmen ließen, blieb Annie in der Nähe und fragte immer wieder, ob sie mitspielen durfte. Wir ignorierten sie jedoch und als es Abend wurde, schnappten wir unsere Räder und fuhren zurück. Drei mal dürft ihr raten, wer uns folgte. Wir vier verabredeten uns, dass wir am nächsten Tag in den Wald gehen würden, wo wir ein eigenes Clubhaus hatten. Dieses hatte Jimmys Vater gebaut und es befand sich oben auf einem Baum und besaß eine Strickleiter. Dies brachte uns den Vorteil, dass wir somit ganz ungestört waren und Annie loswerden konnten.

Es war knapp neun Uhr, als ich meine Lieblingscomics, ein paar belegte Brote und zwei Dosen Cola in den Rucksack packte und mich gerade von meiner Tante verabschieden wollte. „Wo gehst du denn hin?“ fragte sie mich, da sie eigentlich erwartet hatte, dass ich erst am Nachmittag weggehen würde. „Ich treff mich mit den anderen im Clubhaus.“

„Dann sei aber wieder zurück, bevor es dunkel wird und pass bitte auf dich auf. Manchmal treiben sich merkwürdige Gestalten im Wald herum. Also vergiss nicht: Sprich nicht mit Fremden, nimm nichts von ihnen an und gehe nicht mit ihnen mit.“

„Jaha…. Das weiß ich doch. Ich bin doch kein Baby so wie Annie.“ Ich setzte meinen Rucksack auf und verabschiedete mich von meiner Tante. Draußen wartete bereits Jimmy auf mich, der gerade einen tiefen Zug von seinem Asthmaspray nahm und mich durch seine Brille hindurch anschaute, die seine Augen so stark vergrößerte, dass wir ihn auch zum Spaß Jiminy Cricket nannten. „Und? Bist du soweit fertig?“ fragte er mich und machte noch mal Gebrauch von seinem Asthmaspray. An der Straße wartete bereits Steve ungeduldig und rief uns zu, dass wir uns beeilen sollten. An seinen Knien, Ellebogen und Schienbeinen hatte er mehrere Pflaster, da er oft riskante Stunts vollführte und sich dabei immer wieder Kratzer und Schürfwunden zuzog. Markant an ihm war auch seine rote Baseballcap mit dem Logo seiner Lieblingsmannschaft, die er wirklich niemals abnahm, außer vielleicht zum Baden und Schlafen. Außerdem hatte er eine große Lücke zwischen seinen oberen Vorderzähnen, durch die er sogar kleine Wasserfontänen spritzen konnte. Er würde demnächst eine Zahnspange bekommen, jedoch war er vehement dagegen, weil er nicht wie ein Loser aussehen wollte. Wir setzten uns auf die Räder und fuhren den Weg entlang, bis wir auf dem kleinen Hof von Spencers Familie ankamen. Hauptsächlich hatte sich seine Familie auf die Viehzucht beschränkt und wenn nichts zu tun war, vertrieb sich Spencer die Zeit, indem er hinter den Hühnern herjagte, während Annie lieber mit der Katze spielte. Spencer hatte sich am Hühnerstall vorbeigeschlichen und hatte sein Fahrrad dabei. Wir wollten ihm schon zurufen, aber da signalisierte er uns mit Gesten, dass wir still sein sollten. Offenbar wollte er sich klammheimlich davonmachen, damit Annie uns nicht hinterherlief. Doch daraus wurde leider nichts, denn Annie hatte uns schon vom Fenster aus gesehen und kam schon herbeigeeilt. Wütend darüber drehte sich Spencer zu ihr um und rief ihr zu. „Annie, lass uns in Ruhe. Hau ab.“

„Wo wollt ihr denn hin? Ich möchte mitgehen!“

„Wir gehen in unser Clubhaus und da haben Mädchen keinen Zutritt. Also darfst du auch nicht rein.“

„Das ist unfair. Ich will auch mitspielen!“ Doch schon stiegen wir auf unsere Räder und fuhren so schnell wir konnten davon. Wir hatten nämlich keine Lust, dass Annie uns folgte. Der Weg zum Wald führte am Hof von Spencers Familie vorbei zu einer Allee, von wo es aus über eine Holzbrücke ging. Nach fünfzehn Minuten Fahrt hatten wir diese überquert und erreichten schließlich den Anfang des Waldes. Zu unserem Erstaunen stand nun dort ein Schild, welches letzten Sommer noch nicht da gewesen war. „Der Zutritt ist nach Einbruch der Dunkelheit nicht gestattet. Eltern haften für Ihre Kinder.“ Ich wandte mich an meine Freunde und fragte, seit wann das Schild denn dort stand. Keiner von ihnen wusste es so genau. „Wahrscheinlich seit letztem Winter. Da hat sich ein Kind nachts im Wald verirrt, ist in eine Grube gefallen und kam nicht mehr raus. Schließlich ist es dort erfroren.“

„Und dafür stellen die jetzt extra ein Schild auf? Ich kapier’s nicht.“ Wir fuhren weiter und erreichten nach einiger Zeit das Baumhaus. Die Fahrräder lehnten wir gegen den Baum und kletterten die Strickleiter hoch. Das Baumhaus war wirklich stabil gebaut und würde sogar einem Sturm standhalten. Es war nämlich mit zwei weiteren Stützpfeilern versehen, damit auch nichts passieren konnte. Außerdem war das Dach abgedichtet, sodass wir sogar bei Platzregen trocken blieben. Ich holte die Comics aus meinem Rucksack und verteilte sie an die anderen. Da der Ort hier sehr abgeschieden war, gab es keinen Laden, wo man sich Comichefte kaufen konnte und so waren die anderen stets begierig darauf, sich meine Sammlung anzusehen. Dadurch war mein Ansehen in der Gruppe sehr hoch gestiegen und das hatte mir es auch sehr erleichtert, mich mit den dreien anzufreunden, obwohl ich nicht von hier war. Spencer war der wohl größte Fan meiner Comicsammlung und schnappte sich direkt das Erste, was er in die Finger kriegen konnte. Doch die Leserunde sollte nicht lange währen, denn schon vernahmen wir eine vertraute, nervige Stimme, die uns laut aufstöhnen ließ. Es war Annie. Sie war uns doch hinterhergelaufen und stand nun direkt unter unserem Baumhaus. Spencer und ich lehnten uns zum Fenster raus und sahen, wie sie uns zuwinkte. „Annie, hab ich dir nicht gesagt, du sollst uns in Ruhe lassen?“

„Bitte lasst mich rein! Ich möchte mit euch mitspielen!“

„Sag mal, bist du dumm oder so was? Hau ab oder ich erzähle Mum, dass du mal wieder ins Bett gemacht hast!“ Da brachen wir alle in schallendes Gelächter aus, als wir das hörten und begannen Annie Schimpfnamen zuzurufen. Daraufhin begann sie zu weinen und rannte davon. Spencer atmete erleichtert auf und wir setzten uns zurück in die Runde. „Endlich ist sie weg.“ Und tatsächlich tauchte Annie für den Rest des Tages nicht mehr auf und als es langsam Abend wurde, kehrten wir wieder nach Hause zurück. Annie war inzwischen auch wieder auf dem Hof und hatte ihrer Mutter alles erzählt, woraufhin Spencer einen ziemlichen Anschiss bekam, wie wir anderen übrigens auch. Doch er sah sich im Recht und protestierte damit, dass Annie ihn partout nicht in Ruhe lassen wollte. Seine Mutter erklärte jedoch, dass es ihn durchaus nicht umbringen würde, wenn er seine kleine Schwester einfach mal mitspielen lassen würde. Für uns stand jedoch fest, dass eher die Welt untergehen würde, als dass wir so etwas jemals tun würden. Denn Annie war zum einen ein Mädchen und zum anderen war sie einfach zu klein. Wir konnten mit einem fünfjährigen Mädchen nichts anfangen. Sie konnte nicht mal lesen und außerdem war sie kaum zu ertragen. Wir würden also dabei bleiben, uns heimlich fort zu schleichen, Annie zu ignorieren und zu versuchen, sie irgendwie loszuwerden. Da wir für die Gemeinheiten zwei Tage Hausarrest bekamen, konnten wir uns erst später treffen und an dem Tag wollten wir mit selbst gebastelten Angeln zum See gehen, um dort Fische zu fangen. Wir stellten uns darauf ein, dass uns Annie wieder hinterherlaufen würde und tatsächlich machte sie das auch, allerdings nicht, um uns darum zu bitten, mit ihr zu spielen. Als Spencer ihr nämlich sagte, sie solle endlich abhauen, weil sie nicht mitspielen durfte, sagte sie in einem trotzigen Ton „Ich will auch nicht mitspielen. Ich hab jetzt nämlich einen Freund, mit dem ich spielen kann und der ist ab heute auch mein neuer großer Bruder!“ Dabei zog sie eine Schmollmiene und hielt ihren Stoffhasen fest im Arm. Wir glaubten ihr jedoch kein Wort, denn es gab in der Nachbarschaft weit und breit keine anderen Kinder, mit denen sie spielen konnte. Aber das war uns egal und so sagten wir ihr, sie könne ruhig verschwinden und mit ihrem neuen Freund spielen. Daraufhin sagte Annie trotzig „Das mache ich auch. Und ihr seid alle doof! Und du bist nicht mehr mein großer Bruder, Spencer!“

„Das ist mir doch egal“, rief er gereizt und spuckte aus. „Ich wollte sowieso nie eine Schwester haben. Hau doch ab und lass uns in Ruhe!“ Und siehe da, Annie ging weg und den ganzen Tag über ließ sie uns in Ruhe. Zuerst waren wir froh darüber, doch als von ihr auch am Nachmittag nichts zu sehen war, machte sich Spencer doch Sorgen. Was, wenn ihr etwas passiert war? Jimmy und Steve schafften es jedoch schließlich, ihn auf andere Gedanken zu bringen und als wir am Abend wieder zurückkehrten, war Annie wieder da und sie schien gut gelaunt zu sein. Freudestrahlend erzählte sie uns (sie wollte uns auch ein wenig neidisch machen), dass sie mit ihrem neuen Freund den ganzen Tag über mit ihr gespielt habe und er im Gegensatz zu Spencer viel netter zu ihr wäre. Wir schenkten ihren Worten jedoch keine Beachtung, weil es ganz offensichtlich war, dass sie diesen Freund doch nur erfunden hatte. Es war ein Trick, damit wir es uns anders überlegten und sie doch mitspielen ließen. So etwas wie umgekehrte Psychologie. Aber darauf fielen wir nicht rein und sagten stattdessen, dass wir froh seien, dass wir sie endlich los waren. Sie selbst streckte uns beleidigt die Zunge raus und sagte in einem trotzigen Ton „Mr. Longlegs ist sowieso viel cooler als ihr alle zusammen.“

„Wer?“

„Mr. Longlegs. So wie Daddy Longlegs.“ Damit sprach Annie auf die Figur Daddy Langbein aus dem Jean Webster Briefroman an, wo es darum ging, dass ein groß geratener Kerl mit langen Beinen der anonyme Wohltäter eines Waisenmädchens war und sie ihm monatlich Briefe schrieb. „Warum nennst du den Typen wie die Romanfigur?“

„Weil er auch ganz lange Beine hat wie eine Spinne. Er ist echt nett und er ist im Gegensatz zu euch echt cool.“

„Dein doofer Freund ist doch gar nicht echt.“ Schließlich verschwand Annie beleidigt und knallte die Zimmertür hinter sich zu. Sie blieb den ganzen Abend dort und schmollte. Wir ignorierten ihr Gezicke, denn wir wollten sowieso nichts mit ihr zu tun haben. Und außerdem waren wir der festen Überzeugung, dass Annie uns anlog und nicht zugeben wollte, dass sie keine Freunde hatte. Aber uns war es egal. Wir vier verbrachten den Abend draußen, wo wir zelten wollten. Spencers Vater machte ein Lagerfeuer, über welchem wir Marshmallows grillten. Dabei erzählten wir uns gruselige Horrorgeschichten. Angefangen vom Metzger, der Kinder zu Wurst verarbeitete und besessenen Puppen bis hin zu einem Wesen, das im Wald lebt und Kinder verfolgt, um sie anschließend zu töten. Schließlich wurde es langsam dunkel und wir verkrochen uns langsam ins Zelt. Ich wachte mitten in der Nacht auf, da wurde ich von einer Stimme geweckt, von der ich zunächst glaubte, dass ich sie nur geträumt habe. Langsam öffnete ich die Augen und setzte mich auf. Steve, Spencer und Jimmy schliefen noch und die Stimme war auch weg. Hatte ich sie mir nur eingebildet? Gerade wollte ich mich wieder hinlegen, da hörte ich wieder die Stimme. Sie war dieses Mal lauter und ich konnte so etwas wie ein „Ja“ hören und dann ein Kichern. Es klang nach einem Mädchen. Ob das Annie war? Ich war so schlaftrunken, dass ich nur mit Mühe das Zelt öffnen konnte und ich öffnete es auch nur einen Spalt breit, damit ich mich auch schnell wieder hinlegen konnte. Und tatsächlich glaubte ich, Annie in ihrem Nachthemd zu sehen. Sie stand vor ein paar Bäumen und schien ins Leere zu sprechen. Ohne nachzuschauen, mit wem Annie da überhaupt sprach, zog ich den Reißverschluss vom Zelteingang zu und legte mich wieder hin. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war ich mir sicher, dass ich diese seltsame Szene mit Annie, die da zu den Bäumen sprach, nur geträumt hatte. Ich konnte mich auch nur sehr schwammig daran erinnern, da ich zu müde gewesen war. Deshalb vergaß ich das auch sehr schnell wieder und zusammen gingen wir zum See, um dort schwimmen zu gehen. Auch dieses Mal lief Annie uns nicht hinterher, sondern ging in den Wald, um sich mit Mr. Longlegs zu treffen. Es war herrlich ruhig, jedoch wurde Spencer etwas unruhig. Keiner von uns hatte diesen Mr. Longlegs getroffen und was war, wenn es ein Erwachsener war, der Annie etwas antun wollte? Spencer redete mit uns darüber, jedoch sahen wir das Ganze anders. „Spencer, jetzt scheiß dich mal nicht ein. Annie zieht diese ganze Nummer doch nur ab, weil sie dich dazu bringen will, mit ihr zu spielen. Sie verarscht dich noch nur.“

„Ich glaub echt nicht, dass Annie so was macht. Die ist doch gerade erst seit drei Jahren stubenrein.“ Wir hatten alle Mühe, ihn auf andere Gedanken zu bringen und konnten doch noch den ganzen Tag Spaß haben. Schließlich aber, als wir am Abend zurückkehrten, sah ich, dass der Sheriff des Ortes bei meiner Tante war. Ich eilte ins Haus, da ich zunächst dachte, dass etwas passiert war. Meine Tante saß in ihrem Korbsessel und sprach mit dem Sheriff, wobei sie sehr ernst aussah. „Tante Liz, ist was passiert?“

„Weißt du mein Junge, der Sheriff erzählte mir gerade, dass sich eine unheimliche Gestalt im Wald herumtreibe und dass aus ganz bestimmten Gründen alle Kinder eine Ausgangssperre nach 19 Uhr haben. In den Wald dürft ihr übrigens auch nicht mehr.“

„Wie bitte? Warum das denn? Das ist nicht fair!!!“ Doch alles protestieren half nichts. Es stand nun fest, dass wir nicht mehr ins Baumhaus gehen durften. Wütend darüber traf ich mich mit meinen Freunden am Tag darauf und auch deren Familien hatte der Sheriff einen Besuch abgestattet. „Total bescheuert, dass wir nicht mehr ins Baumhaus dürfen, nur weil der alte Peterson mal wieder einen streunenden Hund für einen Wolf gehalten hat!“ „Ja genau. Das ist doch scheiße. Also ich weiß ja nicht wie ihr darüber denkt, aber ich lass mir nicht verbieten, ins Baumhaus zu gehen. Immerhin sind wir die letzten Tage auch hingegangen und nichts ist passiert. Ich lass mir nicht vorschreiben, was ich tun oder lassen soll!“ Steve hatte sich richtig in Rage geredet und tatsächlich war er jemand, der sich nichts vorschreiben oder verbieten ließ. Deshalb hatte er auch schon mit zehn Jahren angefangen zu rauchen. Spencer und ich stimmten ihm zu, Jimmy zögerte jedoch ein wenig. Doch leider hatten wir nicht bedacht, dass wir so laut redeten, dass uns auch Annie hören konnte. Die kam direkt zu uns geeilt und rief, dass wir richtig Ärger bekommen würden, wenn unsere Eltern und meine Tante davon erfuhren. Wir waren jedoch fest entschlossen, das Verbot zu ignorieren und zu unserem geliebten Baumhaus zu fahren. Annie hielt uns jedoch nicht auf. Stattdessen nahm sie ihr Fahrrad und fuhr uns hinterher. Allerdings hatte sie erst vor kurzem Fahrrad fahren gelernt und war noch so unsicher und langsam, dass wir sie nach wenigen Minuten längst abgehängt hatten. Wir stellten die Fahrräder an einem Baum ab und kletterten nach und nach hinauf ins Baumhaus. Schließlich war Spencer der Letzte, der gerade auf der Strickleiter war, da kam Annie angefahren und leider bekam sie das Absteigen nicht hin, woraufhin sie mit dem Fahrrad umfiel. Sie begann zu heulen und stand langsam wieder auf. Spencer eilte ihr nicht zu Hilfe, er kletterte aber auch nicht weiter hoch. Er schien eher zu zögern. „Annie, geh nach Hause!“

„Aber Mommy und Daddy haben verboten, in den Wald zu gehen.“

„Das ist mir egal!“

„Spencer, lass uns wieder nach Hause gehen! Mein Knie tut weh und ich blute. Ich will nach Hause. Komm bitte!“ Währenddessen schluchzte Annie so laut, dass sie zwischendurch nur sehr schwer zu verstehen war. Spencer war deutlich genervt von Annies Geflenne und rief „Dann geh allein nach Hause!“

„Spencer, du bist so gemein!“

„Na und? Und du gehst mir tierisch auf die Nerven! Ich wünschte echt, ich hätte keine Schwester, sondern wäre ein Einzelkind! Ich hasse dich!!!“ Sogar wir waren geschockt, als Spencer das sagte und wir fragten uns, ob er das tatsächlich so ernst meinte, oder ob er das im Affekt gesagt hatte, damit Annie endlich abhaute. Annie jedenfalls weinte nun noch lauter und rief „Du bist so fies! Ich will dich gar nicht mehr als Bruder! Mr. Longlegs ist viel netter als du!“ Und damit rannte sie in den Wald hinein. Spencer sah ihr noch eine Weile nach, dann rief er „Dann soll doch dein Mr. Longlegs dein neuer Bruder werden. Mir doch egal!“ Es kam jedoch keine Antwort und so begann Spencer, nun weiter die Strickleiter hinaufzuklettern. Bevor er jedoch oben ankam, hörte er plötzlich Annie laut schreien. Es klang aber nicht danach, als wäre sie wieder gestürzt und hätte sich wehgetan. Nein, sie schrie wie am Spieß, als wäre sie in Gefahr. Sofort sprang Spencer hinunter und rannte in die Richtung, in die Annie verschwunden war. Wir kletterten hinunter und eilten ihm hinterher. Da ich der schnellste Läufer von allen war, hatte ich Spencer schnell eingeholt. Ihm stand die Angst ins Gesicht geschrieben und er rief immer wieder Annies Namen. Als Spencer seine kleine Schwester deutlich um Hilfe schreien hören konnte, wurde er noch schneller und ich hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Schließlich stolperte ich über eine hervorstehende Wurzel und fiel der Länge nach hin. Steve und Jimmy waren längst aus der Puste und quälten sich nur noch vorwärts. Spencer war schließlich hinter ein paar Bäumen verschwunden und plötzlich hörten wir ihn auch schreien. „Scheiße! Was passiert hier nur?“ fragte Jimmy, der offensichtlich Angst hatte und zitternd nach seinem Asthmaspray griff. Ich kam dank Steves Hilfe wieder auf die Beine und nahm die Verfolgung auf. Schließlich kam ich auf eine Lichtung, wo ich Spencer fand. Dieser kauerte auf dem Boden und zitterte am ganzen Leib. Das Entsetzen stand ihm im Gesicht geschrieben und er bekam kein einziges Wort heraus. Irgendetwas musste ihm solch eine Angst eingejagt haben, dass er sich sogar in die Hose gemacht hatte.
 

Selbst die Polizei konnte Annie nicht finden und Spencer brachte kein Wort mehr hervor. Er starrte apathisch ins Leere und weinte manchmal. Der Psychologe erklärte, dass er unter Schock stünde und betreut werden müsste. Doch selbst die Psychologen konnten nicht zu ihm durchdringen. Irgendetwas musste Spencer gesehen haben, was ihn völlig traumatisiert hatte.

Der Sommer nahm für uns ein sehr abruptes Ende, als wir von der Polizei befragt wurden. Meine Eltern holten mich sofort ab und kehrten mit mir nach Hause zurück. Knapp vier Monate später erfuhr ich, dass Spencer Selbstmord begangen habe. Er war vom Dach der Scheune gesprungen und sei im Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen. Diese Nachricht erschütterte die ganze Gemeinde und ich fuhr mit meinen Eltern zurück, um an der Beisetzung teilzunehmen. Jimmy, Steve und ich konnten es nicht fassen und verstanden nicht, warum Spencer das getan hatte. Die aufgelösten Eltern erzählten, dass Spencer seit dem Verschwinden von Annie unter Alpträumen litt und ständig in Angst gelebt hatte, weil ihn Mr. Longlegs verfolge, der auch Annie entführt hatte. Man hatte versucht, diese Alpträume und Ängste auf das Trauma zurückzuführen, welches er bei Annies Entführung erlitten hatte.

Wir selbst standen unter Schock, als sie Spencers Sarg langsam hinabließen und brachten kein Wort hervor. Stattdessen hörten wir nur das Schluchzen der trauernden Familie und das laute Weinen und Wehklagen der Mutter, die hilflos mit ansehen musste, wie ihr Sohn ins Grab hinabgelassen war. Unsere unbeschwerten Sommer waren für immer vorbei und zwischen uns sollte für immer Spencers schrecklicher Tod stehen. Ich für meinen Teil wollte nicht mehr hierher zurückkehren. Die Erinnerung war einfach zu schmerzhaft. Wir trafen uns schließlich ein letztes Mal in Spencers Zimmer, um innerlich Abschied von unserem Freund zu nehmen. Ich fühlte mich schrecklich und hätte am liebsten geweint. Ich konnte aber nicht, weil ich es immer noch nicht fassen konnte. Spencer war tot, niemand von uns würde ihn jemals wieder sehen. Schließlich holte Steve die kleine Schuhschachtel unter Spencers Bett hervor und erzählte, dass er darin seine größten Schätze darin aufbewahrte, wie zum Beispiel eine alte Goldmünze, eine Taschenuhr aus Messing und ein paar andere Sachen. Doch als er die Schachtel öffnete, fanden wir keine solchen Gegenstände vor, sondern Zettel. Es waren insgesamt acht Seiten, auf die mit einem schwarzen Stift verstörende Botschaften geschrieben worden waren. Eine Seite zeigte ein paar Tannen und Bäume und dazwischen eine sehr große Gestalt. Auf einer weiteren war wieder die schwarze große Gestalt gemalt und daneben hatte Spencer immer wieder „No, no, no, no“ geschrieben. Und auch die restlichen Seiten waren unheimlich. Wir lasen Sachen wie „Can’t Run“ oder „Help Me“, „Follows“, „Don't look... or it takes you“, „Leave me alone“ und „Always watches, no eyes“. Doch das Verstörendste von allen war, dass die schwarze Gestalt auf den Zeichnungen kein Gesicht hatte. Und uns wurde nun mit einem Male klar, wer wirklich hinter Mr. Longlegs steckte und wir begriffen, was Annie da eigentlich verschleppt hatte und warum Spencer Selbstmord begangen hatte. Er hatte nicht Selbstmord begangen, weil er sich die Schuld an Annies Verschwinden gab. Nein, er wollte sterben, weil er entsetzliche Angst vor diesem Ding hatte, das ihn daraufhin auch verfolgt hatte. Denn er wusste, dass es ihn auch holen würde.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Dies ist meine Idee, wie es mit Slender the eight Pages begonnen haben könnte. Hierbei bestehen aber mehrere Möglichkeiten, wie sie entstanden sein könnten:
1. der traumatisierte Spencer fertigte sie als stummen Hilfeschrei an
2. Die verschwundene Annie hat sie hinterlassen und er hat sie eingesammelt
3. Keiner von beiden hat die Seiten verfasst und die Freunde hielten sie irrtümlich für Spencers Zeichnungen
Dies ist hier auch nur die Vorgeschichte zu Slender Man Story. Deshalb müsst ihr euch auch nicht wundern, warum die Auflösung schon so früh ist. Es wird auf jeden Fall spannender! Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  GodOfMischief
2013-08-08T19:40:34+00:00 08.08.2013 21:40
Ich mus meinem Vorredner in einer Sache recht geben: Man wusste wirklich recht früh, was hier Sache ist.
Aber mit hat die Darstellung der Kinder gefallen, die Jungs mit ihrer Ausdrucksweise wirklich manchmal rotzfrech und die kleine Annie, wie sie immer wieder versucht mit ihrem Bruder und seinen Freunden mitzuspielen.
Und zu deinem Nachwort: Möglichkeit 1 klingt recht logisch, aber für eine Fortsetzung (oder wohl eher ein Prequel) bietet sich ja eindeutig Möglichkeit 3 an ;D
Von:  Miyavj
2013-08-08T08:22:17+00:00 08.08.2013 10:22
Malwieder super, aber ich finde diesmal weiß man ein bisschen zu schnell was Sache ist :(
schon bei dem Namen "Mr Longlegs" wars eigentlich klar, was ich irgendwie schade finde, da es den "Überraschungseffekt" nicht gibt^^
Antwort von:  Sky-
08.08.2013 17:13
Ja, kann schon sein dass es nicht ganz die beste CP ist, aber es gibt auch noch eine Fortsetzung zu "Annie". Dies war ja so ungefähr der einleitende Teil.
Antwort von:  Miyavj
08.08.2013 18:53
Ich freu mich drauf :) Hab deine Pastas quasi an einem Tag verschlungen als ich drauf gestoßen bin xD sollte deshalb keine Beleidigung oder so sein^^


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