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Meine Creepypastas

Paranormale (Horror) Geschichten
von

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Der Puppenmacher

Mein Vater hatte schon immer eine etwas seltsame Leidenschaft für Puppen aller Art gehabt. Irgendwann begann er selbst welche zu machen, vorzugsweise aus Porzellan. Dieses seltsame Hobby hatte ganz neue Dimensionen angenommen, als meine ältere Zwillingsschwester Alice von einem Auto überfahren wurde und daraufhin starb. Seitdem hatte er sich vollständig zurückgezogen und finanziert uns beide und sein Hobby durch den Verkauf seiner Puppen. Dabei hatte er als Chirurg ganz gut verdient und mit 18 Jahren bereits eine Ausbildung zum Prothesenmacher abgeschlossen. Aber irgendwann war er es Leid gewesen, von kranken und verstümmelten Menschen umgeben zu sein. Nach dem Tod von Alice hat er sich seine eigene Welt erschaffen. Eine Art eigenes Märchen, in dem er mit seinen über alles geliebten Puppen lebt. Mich selbst sieht er gar nicht mehr und wenn, dann spricht er immerzu von seinen Puppen. Manchmal macht mir das ein wenig Angst, denn hin und wieder hat er angedeutet, dass ich als eine Puppe viel mehr an Perfektion heranreichen würde als die Menschen. Inzwischen nennen die Leute in der Nachbarschaft unser Haus das „Puppenhaus“. Tatsächlich kann man nirgendwo hingehen, ohne von diesen unheimlichen Glasaugen beobachtet zu werden. Ich habe keine genaue Zahl, aber ich schätze, dass mein Vater ungefähr 1000 Puppen im Haus hat und wahrscheinlich sind es sogar noch mehr. Platz genug haben wir dafür. Nachdem Großvater nämlich gestorben ist, haben wir eine Villa geerbt, die inzwischen zu einer Art kleinen Schloss umgebaut worden ist. Alles sieht aus, als entstamme es dem Barock. Mein Vater ist fasziniert vom Barock und der Renaissance und ist auch ein Kunstliebhaber. Aber nichts übertrifft seine Leidenschaft zu Puppen. Manchmal habe ich schon fast das Gefühl, es ist eine Besessenheit von ihm. Immerhin zwingt er mich schon dazu, diese altmodischen Rüschenkleider zu tragen und mir die Augen zu schminken, damit sie schön groß aussehen. Er sieht es gerne, wenn ich mich wie eine Puppe kleide. Wenn ich mich hingegen wie ein normales Mädchen meiner Altersklasse kleide, dann ignoriert er mich die meiste Zeit und redet mit mir wie mit einer Fremden. Wenn ich hingegen diese Kleider anziehe und mich wie eine Puppe kleide, dann ist er liebevoll und fürsorglich zu mir. Also habe ich es mir angewöhnt, immer diese unbequemen Kleider zu tragen. Mein Vater hat seine eigene Werkstatt im Westflügel, welches er auch sein „Atelier“ nennt. Seine Puppen sind wirklich gefragt und er ist auch sehr geschickt. Er macht die besten Porzellanpuppen der Welt und er macht es mit solch einer Hingabe, dass es mich schon manchmal erschreckt.

In eine Schule darf ich nicht gehen, das hat mein Vater so beschlossen. Stattdessen werde ich von einem Privatlehrer unterrichtet und das Haus darf ich auch nicht verlassen. Naja, manchmal darf ich draußen im Garten spielen. Es ist schon manchmal etwas einsam, besonders wenn mein Vater in seinem Atelier ist und an seinen neuen Puppen arbeitet. Zu meinem letzten Geburtstag hat er mir auch eine Puppe geschenkt, der ich den Namen Beatrice gegeben habe. Sie trägt ein schwarzes Kleid mit goldenen Stickereien und roten gerafften Saum. Da ich keine Freunde zum Spielen habe, wurde Beatrice zu meiner einzigen Freundin. Sie ist nicht die Einzige Puppe in meinem Zimmer. Insgesamt sind es zwanzig Stück und sie sitzen alle auf ihren Regalplätzen und starren ins Leere. Alle tragen Namen und haben ihre eigene Geschichte. Aber keine von ihnen liebe ich so sehr wie Beatrice. Mein Vater hat sie nämlich nur für mich alleine gemacht. Zusammen mit ihr, Loreley und Madeleine sitze ich oft am Tisch und trinke mit ihnen zusammen Tee. „Sag mal Amara, wollen wir nachher im Garten spielen?“ fragte mich Beatrice und sah mich mit ihren rehbraunen Augen an. Ich stellte die Teetasse ab und lächelte. „Gerne. Aber vorher kommt noch ein wichtiger Kunde für Papa und da wollte ich dabei sein.“

„Du meinst dieses komische Walross mit dem Monokel?“ fragte Loreley und kicherte. „Der sah ja wirklich ulkig aus.“

„Ein britischer Gentleman, wie er sagte. Er sieht irgendwie aus wie Mr. Monopoly, nur dass sein Schnurrbart wie der eines Walrosses aussieht. Und dann noch dieser dicke Bauch. Er spricht auch immer so komisch und schnauft immer wie eine Dampflok, wenn er die Treppen raufgeht.“ Loreley, Madeleine und Beatrice begannen zu lachen. Wenn wir zusammen bei einer Runde Tee saßen, tratschten wir gerne über die Kunden meines Vaters. Es war so ziemlich das Einzige, worüber wir reden konnten. Früher hatten wir noch über meine alten Stofftiere gesprochen, wie zum Beispiel den alkoholabhängigen Teddy Mr. Winky, der sich über das Leben beschwert. Als Mr. Winky sich aus dem Fenster stürzte und irgendwo in der Hecke verschwand, konnten wir nur noch über den kleptomanischen Stoffoktopus Prof. Oktavian oder über die manisch depressive Plüschkatze Miss Kitty von Catshire sprechen, die immer wieder neue Selbstmordversuche unternahm und alle bisher scheiterten. Dann aber warf mein Vater sie alle weg und jetzt habe ich nur noch die Porzellanpuppen. Selbst mein allerältestes Kuscheltier, den neurotischen Stoffelefanten Sir Benjamin, wurde entsorgt. Vater brauchte den Platz, weil er seine geliebten Puppen nicht in irgendwelche Kisten sperren wollte. Er hat sogar jemanden engagiert, der sich allein nur um die Puppenpflege kümmert.

„Warum schauen wir nicht mal im Atelier deines Vaters vorbei? Es ist doch sicherlich sehr interessant, ihm bei der Arbeit zuzusehen!“

„Eigentlich hat Vater mir das verboten. Aber wir können gerne mal vorbeischauen.“ Ich nahm Beatrice auf den Arm und ging mit ihr die Treppen hinunter und wollte gerade zum Atelier gehen, da klingelte es an der Haustür. Da mein Vater immer höchstbeschäftigt war, musste ich die Tür öffnen. Es war aber nicht der britische Kunde, der wie ein Walross aussah, sondern zwei Polizisten. Etwas erschrocken trat ich zurück und drückte Beatrice fester an mich. „Was kann ich für Sie tun?“

„Wir wollen uns gerne ein bisschen mit deinem Vater unterhalten. Wo finden wir ihn?“

„Er ist in seinem Atelier. Ich rufe ihn sofort.“ Ich nahm das Telefon an der Wand, mit welchem man direkt im Atelier anrufen konnte und sagte meinem Vater Bescheid. Das mit dem Telefon war seine Idee, da er fast 17 Stunden täglich im Atelier arbeitete und wirklich jeden verbot, seine Werkstatt zu betreten. Damit konnte er in aller Ruhe und völlig ungestört arbeiten und wusste auch sofort Bescheid, wenn Kunden oder sonstige Leute auf ihn warteten. „Sind Sie auch wirklich von der Polizei?“

„Nun, genauer gesagt sind wir vom FBI.“ Der etwas Jüngere, der ganz offensichtlich mexikanische Wurzeln hatte, beugte sich ein wenig runter, um mit mir auf Augenhöhe zu sein, dann zeigte er mir seine Marke. Ich wusste leider nicht, wie solche aussehen, aber warum sollten sie denn lügen? Nur eines machte mich doch stutzig. „Was will das FBI denn von Papa? Hat er etwas verbrochen?“

„Es sind nur ein paar einfache Fragen. Weißt du, in der letzten Zeit sind einige Kinder verschwunden und manche davon auch in dieser Gegend. Vielleicht hat dein Papa ja etwas gesehen und kann uns da weiterhelfen.“ Aber ich spürte sofort, dass das nur ein Teil der Wahrheit war. Diese Männer vom FBI waren nicht bloß auf der Suche nach Augenzeugen hier. Sie hatten meinen Vater im Verdacht, etwas mit den verschwundenen Kindern zu tun zu haben. Aber warum? Mein Vater war vielleicht ein wenig eigen und hatte eventuell ein psychisches Problem, aber er war ganz gewiss kein Mörder oder Entführer. Er hatte doch nur seine blöden Puppen im Kopf. Beatrice sah mich an und sagte „Die wollen deinen Vater ganz sicher mitnehmen.“

„Du hast ja eine reizende Puppe. Darf ich mal sehen?“ Zögernd gab ich dem FBI Agenten Beatrice und er sah sie sich an. Erstaunt hob er die Augenbrauen und murmelte „Wow, sogar mit echtem Haar. Sie ist sehr schön. Hat sie auch einen Namen?“

„Beatrice. Mein Vater hat sie mir zum Geburtstag geschenkt.“ Ich nahm Beatrice wieder zurück und wartete ungeduldig. Schließlich kam mein Vater den Korridor hinunter und hatte seine Schürze bereits abgelegt. Er sah ein wenig erschöpft und gestresst aus, aber ich kannte ihn schon so. Er reichte dem FBI Agenten die Hand und setzte sein charmantes Lächeln auf. „Was kann ich für Sie tun?“

„Wir hätten da ein paar Fragen bezüglich der verschwundenen Kinder aus der Nachbarschaft.“ Vater sah ein klein wenig irritiert aus, dann aber zuckte er mit den Achseln und sagte „Okay, kein Problem. Ich helfe Ihnen gerne weiter, wenn ich kann.“

„Würden Sie uns dann bitte begleiten?“ Damit wandte sich Vater mir zu. „Ich bin bald wieder da. Sei schön brav, während ich weg bin.“ Ich hatte kein gutes Gefühl dabei, als mein Vater mit ihnen wegging. Es war, als würden sie ihn abführen und einsperren. Ich war zwar oft allein, aber dass zwei Männer vom FBI kommen würden, um meinen Vater zur Befragung mitzunehmen, war schlimmer für mich.

Erst am Abend kam Vater wieder zurück, aber er wollte mir keine expliziten Auskünfte über das Gespräch geben. Immer wieder, wenn ich ihn fragte, sagte er nur „Es waren nur ein paar Routinefragen. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.“ Doch ein Teil von mir war sich sicher, dass Vater mir etwas verheimlichte. Ich konnte nur nicht sagen was. Was, wenn mein Vater tatsächlich hinter dem Verschwinden der Kinder steckte? „Papa, wird der Entführer mich auch holen?“ Dabei sah ich ihm tief in die Augen und versuchte, seine Gefühle oder seine Gedanken zu erraten. Doch mein Vater besaß schon immer ein Pokerface und ich wusste nicht, was ihm gerade durch den Kopf ging. Schließlich lächelte er und tätschelte mir den Kopf. „Wenn du ein liebes Mädchen bist und tust, was dein Papa dir sagt, dann brauchst du keine Angst zu haben.“ In diesem Moment hatte ich irgendwie Angst vor ihm. Diese Antwort, die er mir gab, war etwas beunruhigend und mich ließ dieser Zweifel einfach nicht los.

Auch in den nächsten Tagen bemerkte ich ein seltsames Verhalten an meinem Vater. Er empfing so gut wie keine Besucher mehr und war ausschließlich nur noch über das Haustelefon zu erreichen. Außerdem konnte ich an ihm beobachten, dass er nur noch Augen für seine Puppen hatte. Ja er begann nun sogar mit ihnen zu sprechen, als wären es seine eigenen Kinder. Und er behandelte sie auch so. Ich bereitete mich schon innerlich darauf vor, dass bald die Männer in weiß kommen und ihn in eine Zwangsjacke stecken würden. Es war nur noch eine Frage der Zeit, dessen war ich mir sicher. Da mir die Sache mit den Kindern Kopfzerbrechen bereitete, begann ich nun regelmäßig die Zeitung zu lesen und die Nachrichten zu sehen. Erst da erfuhr ich, dass ca. 15 Kinder im letzten Jahr verschwunden sind und seit Anfang diesen Jahres genau die gleiche Anzahl. Darunter auch einige aus unserer Nachbarschaft. Da ich in der Villa sehr isoliert lebe, habe ich davon nichts mitbekommen und wusste dementsprechend also nichts Konkretes darüber. Bis jetzt gab es keinerlei Informationen zum Entführer und es tauchten weder Erpresserbriefe noch die Leichen auf. Deshalb ging man davon aus, dass die Kinder noch lebten. Oder ihre Leichen gut verscharrt waren. „Das ist ja beängstigend“, murmelte Beatrice, als sie zusammen mit mir die Tagesnachrichten sah. „Hoffentlich finden sie diesen Entführer bald.“

„Hoffentlich kommt er nicht hierher und nimmt mich auch mit.“

„Ach was. Dein Vater hat doch gesagt, dass du sicher bist, solange du auf ihn hörst. Dein Vater weiß, was er tut.“ Aber ich hatte das Gefühl, dass mein Vater mehr wusste, als er zugab. Und wenn er wirklich die Kinder entführt hatte, mussten sie sich irgendwo in diesem Haus aufhalten. Und mit Sicherheit waren sie in seinem Atelier, welches nicht einmal ich betreten durfte. Doch wollte ich das wirklich wissen? Wollte ich wirklich wissen, ob mein eigener Vater ein Entführer war? Und was sollte ich tun, wenn er tatsächlich die vielen Kinder gekidnappt hatte? So viele Fragen schwirrten mir durch den Kopf und ich hatte Angst um Vater, auch wenn wir nicht gerade das engste Vater-Tochter-Verhältnis hatten.

Schließlich traf es sich, dass zwei weitere Kinder verschwanden und mein Vater von den FBI Agenten noch einmal zur Befragung abgeholt wurde. Ich war wieder alleine und dieses Mal hatte ich Zeit und Gelegenheit, mir sein Atelier mal anzusehen und mich endgültig davon zu überzeugen, ob er hinter den Entführungen steckte oder nicht. Da ich nicht alleine gehen wollte, nahm ich Beatrice mit und machte mich zusammen mit ihr auf den Weg. Das Atelier befand sich in einem separaten Gebäude, welches man durch einen langen Korridor erreichen konnte. Es war mit einem speziellen Schloss gesichert, wo man ein Passwort eingeben musste. Ich versuchte es zunächst mit „Dollhouse“, doch es erwies sich als falsch, also versuchte ich es mit „Doll“ und „Puppet“. Immer wieder ein Fehlschlag, bis ich schließlich „Porcelain“ eingab, da er alle seine Puppen aus Porzellan anfertigte. Tatsächlich war es richtig und das Schloss wurde entriegelt. Ich öffnete die Tür und betrat zum ersten Mal in meinem Leben das Atelier.
 

Der Raum, den ich als erstes erreichte, war die Galerie, wo mein Vater seine ersten Werke in Glaskästen aufbewahrte. Es war eine Art kleines persönliches Museum, auf das er besonders stolz war. Hauptsächlich waren hier Puppen, aber im zweiten Raum bewahrte Vater die Prothesen auf, die er ab und zu für besondere Kunden herstellte. Tatsächlich trug auch ich eine Prothese. Bei einem Sturz brach ich mir nämlich das Bein und anstatt es zu operieren, amputierte mir der Chirurg es einfach. Vater hatte das Krankenhaus verklagt und mir dann eine Prothese aus Porzellan angefertigt. Sie war aus einem speziellen Porzellan, welches viel robuster und widerstandsfähiger, aber auch leichter war, als diese normalen Prothesen. Sie sah einfach viel schöner aus und war dementsprechend teuer. Die Idee war meinem Großvater gekommen, der damals vor langer Zeit da Prothesengeschäft in Bukarest geführt hatte. Zu den damaligen Zeiten herrschten dort große Unruhen und da Metall sehr teuer war und Holz viel zu schnell abnutzte und sich zudem nicht sehr gut eignete, war er schließlich auf die Idee gekommen, Porzellanprothesen anzufertigen. Diese Kunst wurde in der Familie weitergereicht und nun nutzte mein Vater diese Kenntnisse, um Puppen herzustellen. Die Prothesengalerie war genauso aufgebaut wie die für die Puppen: Alles in Glaskästen wie in einem Museum. Sogar eine Handprothese hatte mein Vater aus Porzellan gemacht. Doch als ich diesen Raum betrat, konnte ich einen sehr schwachen aber dennoch sehr unangenehmen Geruch wahrnehmen. Aber wie gesagt, er war sehr schwach und nur dann wahrnehmbar, wenn man sich darauf konzentrierte.

Als ich den Flur betrat, wurde er ein wenig stärker, aber ich konnte nicht genau abschätzen, aus welchem Raum er kam. Der nächste Raum war die Schneiderei, wo mein Vater die Kleider für die Puppen anfertigte. An der Wand hingen überall Skizzen, überall lagen Stoffballen und Miniaturmannequins, die bereits die neuesten Kleider trugen. Es gab eine Nähmaschine, alle möglichen Schneiderutensilien und auf einem Tisch lagen bereits ein paar Puppen, die Vater schon vorbereitet hatte. Sie waren blond, blauäugig und trugen weiße Sommerkleidchen mit roten Mustern, dazu noch passende Häubchen. Ich ging den Flur entlang zur nächsten Tür und fand mich schließlich in der Zweitwerkstatt wieder, wo die bereits gefertigten Puppenteile noch mal nachgeschliffen und dann zusammengebaut wurden. Mein Vater benutzte Kugelgelenke, damit die Bewegungen flüssiger waren. Ein ähnliches System nutzte er bei meiner Prothese. In den Regalen lagen ordentlich aneinandergereiht kahle Puppenköpfe, denen teilweise noch die Augen fehlten. Es gab einen großen Schrank mit diversen Schubladen. In denen fand sich Farbe für die Lippen, Lider und Augen, Schrauben und Federn und noch viele andere Dinge. Dieser Raum war genauso interessant wie die anderen zuvor, aber ich wusste, dass es noch eine andere Werkstatt gab. Nämlich die, wo das Porzellan gebrannt wurde. Also verließ ich die Puppenwerkstatt und betrat den nächsten Raum. Dort war der Geruch viel stärker, jedoch war der von Glut und Kohle deutlich dominanter. Hier befand sich der Ofen, in dem mein Vater die Puppenkörperteile brannte. In diesem Raum bewahrte er auch das Material dazu auf. Zu meinem Erstaunen besaß es aber keine flüssige sondern eine teils grobe Pulverform. Dabei dachte ich immer, das Material für Porzellan sei flüssig. Andererseits… ich konnte mich nur schwammig daran erinnern, dass mein Vater einmal erklärte, dass Porzellan aus Erde und Gesteinen gewonnen wurde, oder zumindest Teile davon. Außerdem spielte Kalk eine wichtige Rolle. Aber ein Porzellan war ganz speziell. Es galt als das feinste, edelste und weißeste Porzellan von allen: Fine Bone China. Nur wusste ich nicht mehr genau, was da noch mal drin war, was es so besonders machte. Beatrice war auch aus diesem Porzellan gemacht worden.

Da dieser Raum eine zu schlechte Luft hatte, sah ich ihn mir nicht weiter an und betrat schließlich den letzten Raum, der mit diversen Türschlössern gesichert war. Diese waren aber nicht abgeschlossen, da mein Vater wohl in Eile gewesen war. Durch die Fugen kam eine leichte Brise und als mir die um die Nase wehte, roch ich sofort, dass es die miefige Luft war, die ich schon in der Galerie gerochen hatte. „Halt besser die Luft an. Da drin scheint es fürchterlich zu stinken“, warnte mich Beatrice und dann öffnete ich die Tür. Der Geruch war so stark, dass er mich überkam wie eine Monsterwelle. Er war so widerlich, dass meine Augen bereits zu tränen anfingen und mir schlecht wurde. Und vor allem der metallische Geruch war furchtbar. Der Raum war deutlich anders als die anderen zuvor. Es gab hier keine Fenster, nur dicke Wände. An den Wänden hingen Sägen, Messer und noch andere Werkzeuge und es gab einen großen Tisch mit Stahlfläche. Dieser war sauber poliert, doch der Boden war voller dunkler, eingetrockneter Flecken. Außerdem klebten einige dunkle Spritzer am Waschbecken. In diesem Moment verspürte ich eine gewisse Beklemmung und drehte den Blick in eine Ecke. Dort war eine Art Bottich, in dem für gewöhnlich etwas abgekocht wurde. Er war groß, sehr groß sogar und das Wasser war noch heiß. Der Deckel war groß wie eine U-Bootluke und ließ sich nur sehr schwer öffnen. Sie war viel zu schwer und so gab ich es auf.

Schließlich entdeckte ich in der Nähe der Werkbank eine Art Falltüre wie aus dem Sweeney Todd Film. Sie ließ sich durch einen Fußschalter öffnen und führte in den Keller hinab. Von dort unten wehte ein bestialischer Gestank zu mir rauf und sofort ging ich vom Fußschalter runter. Was zum Teufel war bloß da unten, dass es so infernalisch stank? Auch wenn mir dabei unsagbar schlecht wurde, musste ich es mir ansehen.

Sofort verließ ich die Werkstatt wieder und stieg die Treppen hinunter in den Keller. Aufgrund meiner Prothesen brauchte ich für gewöhnlich länger als ein normaler Mensch und ich musste mich am Geländer festhalten, um nicht zu stürzen. Kaum hatte ich die letzte Stufe erreicht, sah ich schon eine große, schwere Metalltür. Sie ließ sich nur sehr schwer öffnen und ich musste all meine Kraft aufwenden, um sie aufzuziehen. Der Gestank raubte mir beinahe das Bewusstsein und ich konnte vor lauter Tränen kaum etwas sehen. Meine Augen brannten, meine Lunge ebenfalls und mir wurde schwindelig. Noch schlimmer aber wurde es, als ich wohl das Entsetzlichste in meinem Leben sah: Einen riesigen Metallbehälter, bis kurz unter den Rand gefüllt mit Organen und Kleidungsfetzen. Sie schwammen in einer dickflüssigen, braunroten Brühe, in der sie sich nach und nach aufzulösen schienen. Es war Säure. So schnell es mir meine Prothese erlaubte, flüchtete ich aus dem Keller und ging wieder zurück in die Werkstatt, um mir den Bottich näher anzusehen. Es gelang mir nur mit äußerster Anstrengung, die Luke zu öffnen und zu sehen, was sich da drin befand. Und was ich sah, bestätigte meinen entsetzlichen Verdacht. Es waren Knochen. Und nicht nur irgendwelche Knochen: Darunter befand sich der nackte Schädel eines Kindes. Jetzt erinnerte ich mich auch daran, was mein Vater über dieses hochwertige Fine Bone China sagte: Die wichtigste Zutat waren zu 53% Knochenmehl von Rindern. Doch mein Vater hatte in seinem kranken Wahn nicht irgendwelche minderwertigen Tierknochen genommen. Er hatte die Kinder entführt und aus ihren Knochen Puppen angefertigt. Entsetzt starrte ich auf Beatrice und erinnerte mich an die Worte des FBI Agenten…
 

Echtes Haar…
 

Ich schrie laut auf und warf Beatrice weg. Sie prallte gegen die Wand und zerbrach. Dann sah ich auf meine Prothese und brach in Tränen aus. Sie war auch aus Porzellan. Meine Prothese bestand aus den Knochen anderer Kinder.

„Ich dachte, ich hätte dir klipp und klar gesagt, niemals mein Atelier zu betreten.“ Ich drehte mich nicht um, als ich die Stimme meines Vaters von der Tür her hörte. Ich unternahm keinen Fluchtversuch oder versuchte, mit ihm zu reden. Der Schock saß einfach zu tief. Mir war klar, dass ich hier nicht mehr rauskommen würde. Mir war nun klar, dass mich mein Vater nun auch zu einer Puppe machen würde….



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Yoshiro15
2015-05-25T21:10:58+00:00 25.05.2015 23:10
Waaaaaaaaa.*hin und her wipp* Das ist sooooo gruselig. Ich hasse diese Puppen. Wua. Sehr gut geschrieben. O.o

YYoshiro15
Von: abgemeldet
2013-05-27T14:52:42+00:00 27.05.2013 16:52
Wiiiiiiderlich! XD
Ich hasse generell Puppen, die machen mir schon seit Kindertagen Angst.
Die Geschichte ist echt super geschrieben, konnte mir alles gut vorstellen. o_O *Gänsehaut*
Freue mich auf weitere Geschichten von dir ;-)

LG_Nessa1_
Von:  _Supernaturalist_
2013-05-24T11:37:08+00:00 24.05.2013 13:37
Ich hasse auch Puppen...furchtbare Dinger...Vorallem diese Porzellandinger. Diese Pasta ist wohl ein guter Beweis für meine Abneigung.
Wirklich gute Pasta, wobei ich mich frage, warum sämtliche Eltern aus Horrorgeschichten ein bisschen Psycho sind...


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