Der Fluch von Okkasion ================================================================================ Kapitel 4: IV ------------- Nachdem Liviu für eine knappe Stunde ziellos durch die Straßen Elmenors geirrt war, entschied er sich, dass es eigentlich nur einen Platz gab, zu dem er gehen konnte. Nur eine Person, die ihm jetzt nur helfen konnte. Liviu sah sich kurz um, um sich neu zu orientieren und machte sich dann schnellen Schrittes auf zu der Gilde der Magier. Obgleich er sich beeilte, zur Gilde zu gelangen, ging ihm doch mehr Zeit verloren, als erwartet. So einfach war es nun doch nicht, im dunklen durch die nur spärlich beleuchteten Straßen Elmenors zu finden und dann auch noch das Stadttor zu erreichen. Nach einer ganzen Weile aber hatte es Liviu schließlich geschafft die Stadt und die Slums hinter sich zu lassen. Nun konnte er die Häuser der Gilde bereits in der Ferne erkennen. Er begann zu sprinten, die Angst saß ihm noch immer im Nacken. Allerdings war dies die Furcht vor dem, was er war und was er im Stande war zu tun. Ohne einen ersichtlichen Grund. Wenigstens lenkte ihn die Anstrengung vom Laufen teilweise ab. Etwas außer Atem erreichte Liviu die Gilde und verschaffte sich durch den magischen Schild Zugang. Er schlug sich durch den Garten, den die Novizen zusammen mit einigen Heilern angelegt hatten, lief an der Universität vorbei und erreichte schließlich sein Ziel. Die Quartiere der Magier. Um genau zu sein, das von Arthur. Liviu war egal, dass es nun bereits tiefste Nacht war, er begann einfach, sobald er den Eingang zu Arthurs Haus erreicht hatte, wie wild gegen die Tür zu hämmern. Dies war immerhin ein Notfall. Nach kurzer Zeit öffnete ein arg verschlafen aussehender Arthur die Tür. Er hatte sich anscheinend noch schnell seinen Mantel übergeworfen. Als er allerdings Liviu erblickte, weiteten sich seine Augen. „Liviu?“ „Ah, ja… Hallo?“ „Was zur Hölle machst du um diese Uhrzeit noch hier?! Und was fällt dir ein, mich so spät noch zu stören? Ich denke du bist bei deiner Natalia…!“ Die Bemerkung Arturs versetzte Liviu einige Gewissenbisse. Zu was hatte er sich da verdammt noch mal hinreißen lassen? Gut, aber deshalb war er ja hier. Um das zu klären. „Hör zu, Arthur, ich erkläre dir das später, aber kann ich nicht erst einmal herein kommen?“, fragte Liviu im Flüsterton. Arthur stöhnte zur Antwort genervt, ließ Liviu aber eintreten. Eine Stunde später saßen sie zusammen in Arthurs Wohnraum. Liviu hatte bereits alles erzählt, was es zu erzählen gab. Er wartete eigentlich nur auf einen Kommentar Arthurs, doch dieser überlegte schon seit geraumer Zeit, was er antworten sollte. Liviu hoffte, dass der andere Magier dann wenigstens einen guten Rat für ihn hatte. „Also, diese Narbe von der du erzählt hast. Darf ich sie sehen?“ „Nein!“, fauchte Liviu und Arthur schenkte ihm einen skeptischen Blick. Liviu biss sich auf die Lippe. Das war schon wieder so eine vorschnelle Bemerkung gewesen. Er holte tief Luft und sagte: „Na… na gut.“ Arthur ging ein paar Schritte auf Liviu zu, während dieser mit zitternden Händen seinen Mantel beiseite nahm und sein Hemd hochzog. Der Anblick der Narbe verschreckte sowohl Arthur als auch Liviu. Sie war noch größer geworden. Von dem Siegel über seinem Herzen gingen nun schwarze Linien aus, die fast seinen ganzen Oberkörper bedeckten. Wie konnte das in so kurzer Zeit passieren? Erschrocken ließ Liviu sein Hemd wieder über die Narbe fallen. Lange Zeit herrschte Schweigen zwischen den Beiden. Dann blickte Arthur Liviu aus seinen grünen Augen ernst an. „Liviu, weißt du überhaupt, was das ist?“ „Ich habe keine Ahnung. Die Heiler konnten es mir auch nicht sagen.“ „Das ist ein Fluch. Uralte schwarze Magie. Wir unterrichten das gar nicht mehr, weil es verboten ist… Aber da dies hier von einer Dunkelelfe stammt…“ „Aber einen Fluch hätten die Heiler doch bemerken müssen, verdammt!“ „Als du das hast überprüfen lassen, hattest du wahrscheinlich von deiner Heilung, noch so viele fremde Magie in deinem Körper, dass das gar nicht weiter aufgefallen ist.“ „Oh Gott“, war das einzige, was Liviu im Stande war zu sagen. „Das kannst du laut sagen. Aber wir können herausfinden, was das für ein Fluch ist. Dann wissen wir, was wir dagegen tun können.“ Arthur drehte sich um und ging zu einem seiner vielen Bücherregale, wo er ein altes, staubiges Buch herauszog. Arthur war bekannt dafür, eine ganze Reihe an alten und teilweise verbotenen Büchern zu besitzen, die es nicht einmal in der Bibliothek der Gilde zu sehen gab. Er kam damit zurück und schlug es auf. Darin zu sehen waren Abbildungen vieler Siegel und Runen, die Liviu nicht erkannte. „Also gut…“, murrte Arthur und schlug den Index des Buches auf. „Suche das Siegel, dass so aussieht wie deine Narbe.“ Liviu gehorchte und suchte nach dem Zeichen. Da fiel ihm ein verschlungenes Siegel ins Auge, das dem, das er trug sehr ähnelte. Er deutete darauf. „Das müsste es sein.“ „Hm… Ja, es sieht so aus.“ Arthur schlug die Seite auf und begann zu lesen: „Klassischer parasitärer Fluch. Breitet sich unter bestimmten Bedingungen schneller aus und führt zu psychischen und im Endstadium zu physischen Beeinträchtigungen beim Betroffenen. Übersetzt bedeutet das Siegel „Die Angst schwächt den Geist“ und ruft entsprechend des Siegels Angstzustände, verstärkten Stress und zeitweilige Wahrnehmungsstörungen, ähnlich eines Fieberwahns hervor. Gleichzeitig führen Angst und Stress dazu, dass sich der Fluch ausbreitet. Je weiter er sich ausbreitet, desto häufiger kommt es zu Wahrnehmungsstörungen und Affekthandlungen… Und so weiter und so fort. Das passt alles zu deiner Beschreibung. Hier steht noch etwas zu den physischen Auswirkungen, aber soweit ist es ja bei dir noch nicht. Tatsache ist, dass es wie bei den meisten Flüchen so ist, dass der Fluch nur mit einem anderen Siegel gebrochen werden kann. Einem Siegel, dass in diesem Buch wie ich sehe nicht gelistet ist.“ Arthur klappte das Buch zu. „Und da sich niemand mehr mit der Kunst der Flüche auskennt, weil es nicht mehr unterrichtet wird… Müssen wir, wenn du den Fluch wirklich loswerden willst, in den Schwarzen Wald gehen und die Dunkelelfen aufsuchen.“ Liviu lachte bitter auf. „Als ob die mir helfen würden.“ Ein schmales Lächeln erschien auf Arthurs Gesicht. „Es gibt immer Mittel und Wege, Leute dazu zu bringen etwas zu tun, was sie unter normalen Umständen nicht getan hätten.“ „Worauf warten wir dann noch?“, fragte Liviu und erhob sich von seinem Platz. Arthurs Vortrag hatte ihn mit Entschlossenheit erfüllt. Er musste diesen verdammten Fluch loswerden und das möglichst schnell. „Pass auf, nicht so laut…“, flüsterte Arthur, als sie einen Schleichweg durch die Büsche am Lager der Jäger vorbei nahmen. Das letzte, was sie nun gebrauchen konnten waren irgendwelche Jäger, die zu viele Fragen stellten. „Ja, ja…“, murrte Liviu und achtete darauf, nicht wieder auf morsches Unterholz zu treten. Hoffentlich hatte niemand etwas gemerkt. Er betete dafür, dass niemand etwas bemerkt hatte. Er sah sich um. Da war doch jemand. In der Nähe des Lager, dort wo normalerweise der Schild war, ließ sich eine schwache Silhouette erkennen. Und sie kam auf sie zu. „Runter!“, befahl Liviu mit zitternder Stimme und Arthur duckte sich zeitgleich mit Liviu hinter das Gebüsch an dem sie gerade vorbei geschlichen waren. Sie blieben beide vollkommen still. Das einzige, was Liviu noch hören konnte, war ohnehin nur sein rascher Herzschlag und das Rauschen in seinen Ohren. Ein ihm inzwischen wohlbekannter Schmerz durchzuckte seine Brust. Kurz verschwamm die Sicht vor seinen Augen. Wie lange würde er das hier noch durchhalten? Plötzlich raschelte das Gebüsch vor ihnen und ein wohlbekannter Magier kam ihnen entgegen. Lukas, der sie mit skeptischem Blick betrachtete. „Was wollt ihr denn hier?“, fragte er. „Ah, also wir-“ „Kurz; Liviu wurde verflucht und wir müssen zu den Dunkelelfen, um den Fluch aufzuheben. Es wäre schön, wenn du uns weiterlassen würdest, wir haben nicht mehr viel Zeit“, schnitt Arthur Liviu das Wort ab. „Oh, ein Fluch?“ Lukas schien zu überlegen, was er nun am besten sagen sollte. Nach kurzer Überlegung sagte er: „In Ordnung, ihr könnt ruhig weitergehen. Aber ich werde mitkommen. Nur zur Sicherheit.“ „Hast du nicht hier zu tun oder so?“, fragte Arthur. Lukas zuckte die Achseln. „Die werden eine Nacht ohne mich auskommen. So viele von den Jägern gehen hier im Alleingang in den Wald, da wird sich niemand daran stören, wenn ich es ihnen gleich tue.“ „Wenn du meinst“, meinte Arthur und erhob sich. „Dann komm mit.“ Liviu, der sich wieder beruhigt hatte, stand nun ebenfalls wieder auf. Zu dritt setzten sie ihren Weg durch den Wald fort. Während sie sich durch den immer finsterer werdenden Wald schlugen, erzählte Lukas zur Ablenkung, was sie an der Front verpasst hatten. Anscheinend handelte es sich bei den Dunkelelfen um einen kleinen Stamm von Ausgestoßenen oder Elfen, die ihren Stamm freiwillig verlassen hatten. Sie wollten gegen die Menschen vorgehen, da sie der Überzeugung waren, dass Elfen und Menschen nie friedlich koexistieren könnten und sie deshalb gleich den Erstschlag auf das nahe Elmenor hatten wagen wollen, jedenfalls hatten ihnen das ein Elf erzählt, den sie in der dritten Nacht gefangen hatten. Die Jäger und Magier hatten beschlossen dem zu glauben, da es eine recht passable Erklärung für die Angriffe war. Außerdem waren unter der Gruppe der Elfen auch eine magisch begabte Dunkelelfe dabei, die größtenteils mit Runenmagie arbeiteten. Das Oberhaupt der Gruppe bildete wohl eine Elfe namens Kim Bian Yeng, die ebenfalls magisch begabt war. Was für ein Zufall. Nichtsdestotrotz wuchs die Spannung zwischen dem Königshaus und dem Stamm der Dunkelelfen, obgleich sie nichts mit den Angriffen zu tun hatten, sodass sie sich nicht sicher sein konnten, ob der König nicht demnächst gegen alle Dunkelelfen in den Krieg ziehen würde. Lukas erzählte gerade von ihrem Plan, wie sie die Randgruppe eliminieren wollten, da vernahm Liviu ein unheilvolles Rascheln aus dem Geäst. Er zuckte zusammen. „Habt ihr das gehört? Da ist etwas zwischen den Bäumen.“ Arthur und Lukas blieben stehen und sahen in die Richtung, in die Liviu deutete. „Da ist nichts…“, murmelte Lukas. „Das hast du dir eingebildet“, erklärte Arthur. „Wahnvorstellungen, weißt du nicht mehr? Wir sollten uns besser beeilen.“ Lukas und Arthur setzten sich wieder in Bewegung, Liviu starrte weiter in den dunklen Wald hinein. Und da war es plötzlich, ein Schimmern von etwas hellem, ganz wie die Haut von dieser verdammten Elfe. Liviu kniff kurz die Augen zusammen und versuchte sich zu beruhigen. Arthur und Lukas hatten nichts gesehen, warum sollte sie also da sein? Er schlug die Augen wieder auf. Und da war… nichts. Keine Gestalt, einfach nichts. Liviu schüttelte langsam den Kopf. Er wurde tatsächlich verrückt. Rasch drehte er sich um und rannte zu Lukas und Arthur, um den Anschluss nicht zu verlieren. Sie waren noch keine weitere halbe Stunde unterwegs, da hörte Liviu das Geräusch erneut. Er merkte, wie er langsam paranoid wurde. Er drehte sich um. Und plötzlich stand sie da, Bian, ein paar Meter von ihm entfernt, hinter einem Baum. Erschrocken schrie Liviu auf und schleuderte ihr den erstbesten Angriff entgegen. Sie wich aus und grinste. Liviu machte einen Schritt zurück und stolperte über eine Wurzel, fiel rücklings hin. Jetzt war er ihr ausgeliefert. Schon wieder. „Liviu?!“, rief Arthur und Liviu wandte den Kopf. Arthur und Lukas kamen auf ihn zugerannt. Ein Glück. „Was machst du da?“, fragte Lukas und Liviu deutete auf die Elfe. „Seht ihr sie nicht?! Sie ist hier, diese Elfe…“ „Welche Elfe?“, fragte Arthur und sah sich um. Erneut deutete Liviu auf Bian. Doch diese warf nur keck ihren langen Zopf zurück und verschwand wieder hinter dem Baum. „Da! Habt ihr sie nicht gesehen?“ „Liviu, du bildest dir das ein…“, murmelte Arthur beschwichtigend und half Liviu auf. „Das ist der Fluch…“ „Aber das geht nicht, sie war so echt…“ „Lass uns weitergehen.“ Arthur nahm Liviu am Handgelenk und zog ihn weiter mit sich. Oder versuchte es zumindest. Denn Liviu hatte sich aus Arthurs Griff befreit und stieß ihn weg. „Nein, verdammt, sie ist hier und sie sucht mich! Wir können nicht einfach weiter dort entlang gehen, das wäre auffällig.“ „Jetzt stell’ dich nicht so an und komm mit!“, knurrte Arthur. „Es hat keinen Zweck“, erklärte Lukas. „Er ist wahrscheinlich so besessen von diesem Gedanken… Vielleicht würde ihm ein Siegel helfen?“ Arthur nickte. „Gute Idee.“ „Ein Siegel?“, echote Liviu. „Nein, vergesst es.“ Doch Lukas hatte seine Entscheidung bereits getroffen und machte zwei große Schritte auf Liviu zu. Seine Hand glühte wieder vor Magie. Liviu wusste, was nun als nächstes kommen würde. Lukas würde ihn betäuben. Dann würde Bian sie irgendwann wieder finden. Das Blut in Livius Adern begann zu pulsieren. Sie würden ihr schutzlos ausgeliefert sein. „Nein, sagte ich!“, protestierte Liviu, dem die Angst ins Gesicht geschrieben stand und konzentrierte nun auch seinerseits etwas Energie in seinen Fingerspitzen. Doch Lukas ließ sich nicht beirren und streckte langsam seine Hand nach Liviu aus. Dieser reagierte sofort und schleuderte Lukas eine Reihe kleiner Energiebälle entgegen. Liviu sprang zurück, während Lukas überrascht nach Luft schnappte und den Schlag abwehrte. „Was soll das?“, zischte Arthur, der nun Lukas zu Hilfe kam. Liviu sah, wie Lukas einen Schild für Arthur und sich schuf, während Arthur einen Schlag vorbereitete. Liviu schluckte. Das war nicht gut. Gar nicht gut. Plötzlich feuerte Arthur eine Salve kleiner Angriffe auf Liviu ab. Er duckte sich schnell weg, konnte jedoch nicht verhindern, dass ein paar der Schläge ihn ungewohnt heftig trafen. Da fiel es Liviu glühend heiß wieder ein. Er hatte keinen Schild zur Verteidigung. So schnell wie nur möglich rappelte sich der Schwarzmagier wieder auf und flüchtete sich tiefer in den Wald hinein, gelegentlich Zauber nach hinten abfeuernd, sodass Lukas und Arthur nicht näher kamen. Wer weiß, was die Beiden eigentlich im Schilde führten. Es war bereits verdächtig gewesen, dass Lukas einfach so plötzlich aufgetaucht war und sie hatte passieren lassen. Vielleicht arbeiteten sie mit den Dunkelelfen zusammen. Vielleicht sollten sie ihn ausliefern. Ein kalter Schauer lief ihm den Rücken hinunter. Er schüttelte hektisch den Kopf und schlug einen Haken nach links, um seine Verfolger zu verwirren. Erneut schlug ihm das Herz bis zum Halse, der Schmerz war unerträglich. Doch er musste weiter rennen, durfte nicht gefangen werden. Er bog erneut ab, nur um plötzlich Lukas vor sich stehen zu haben. Abrupt stoppte Liviu und wandte sich um. Hinter ihm kam gerade Arthur hinter zwei Bäumen hervor geschossen. Sie hatten sich aufgeteilt. Und nun war er gefangen. Trotz seiner aussichtslosen Lage, griff Liviu erneut an, schleuderte beiden Magiern eine pure Welle dunkler Magie entgegen. Arthur wehrte den Schlag ab, doch Lukas wankte bereits ein wenig. Gut. Liviu setzte zu einem letzten Schlag gegen Lukas an und versuchte all seine Energie in diesen Angriff zu stecken. Da sah er auf einmal, wie Lukas irgendetwas flüsterte, konnte aber nicht verstehen, was es war. Das nächste was er sah, war eine riesige Wand dunkler Energie, ein machtvoller Schlag, den Arthur wahrscheinlich ausgesandt hatte. Doch Liviu hatte ihn zu spät bemerkt und er traf Liviu mit voller Wucht, was nicht zuletzt daran lag, dass er keinen Schild hatte, der ihn schützte. Benommen ging er zu Boden. Danach sah er nur noch, wie sich Lukas über ihn beugte und eine Rune auf sein Gesicht zeichnete. Er spürte, wie seine Glieder taub wurden. Seine Augenlider begannen zu flattern. Dann wurde er ohnmächtig. Liviu bemerkte, wie etwas sein Gesicht berührte. Plötzlich wieder hellwach schlug er die Augen auf. Und blickte direkt in das Gesicht eines Dunkelelf. Seine Augen weiteten sich, er wollte schreien, doch der Elf legte ihm nur einen Finger auf die Lippen und brachte ihn so zum Schweigen. „Alles in Ordnung“, flüsterte er, ebenfalls mit markantem Akzent, und grinste. „Er ist wach!“, rief er anschließend irgendwem zu. „Na? Ausgeschlafen, Liviu?“, fragte Lukas, der nun zu Liviu trat. Angesprochenem verschlug es glatt die Sprache. Was machte Lukas bei den Dunkelelfen? Kooperierten sie nun etwa? „Was, Lukas, was… Was ist hier los? Was mache ich hier überhaupt?!“ „Ah, wieder ganz der Alte, wie ich sehe. Ich kläre dich auf. Wir sind hier im Lager der Dunkelelfen, allerdings nicht bei denen, gegen die wir kämpfen. Der nette Herr Im Yong Soo hier hat dich übrigens von deinem Fluch entbunden.“ Lukas deutete auf den Dunkelelf, der noch immer vor Liviu hockte. Liviu sah an sich hinunter. Sein Oberkörper war nackt. Und tatsächlich; außer einer ganz normalen Narbe waren keine Spuren mehr auf seinem Oberkörper zu erkennen. Erst jetzt merkte Liviu, dass auch das Ziehen aus seiner Brust verschwunden war, sowie dieses ständige Gefühl der Angst. Eine wahrhafte Erleichterung. „Oh, äh, danke?“ „Keine Ursache“, sagte Yong Soo und stand auf. Er hielt Liviu eine Hand hin. Er ergriff sie dankbar und der Elf half ihm auf. Liviu sah sich um. Er befand sich auf einer Lichtung und ein Stück in der Ferne konnte er ein helles Licht erkennen. „Ist dort das Lager?“, fragte er und deutete auf das Licht. Lukas nickte. „Arthur ist schon dort und unterhält sich mit dem Oberhaupt der Elfen. Wegen Bian.“ „Aha. Wollen wir hingehen?“, fragte Liviu. Lukas nickte und warf Liviu einen Mantel zu. „Aber zieh den hier noch an.“ Geschwind schlüpfte Liviu in seinen Mantel. Anschließend machten sie sich die drei auf den Weg zum Lager. Dort angekommen erspähte Liviu sogleich Arthur. Er stand inmitten einer Gruppe von Dunkelelfen und schien eine Rede zu halten. Neben ihm stand ein weiterer Dunkelelf, der ab und an etwas zu Arthurs Worten sagte. Arthurs Rede handelte von der Zusammenarbeit von Elfen und Menschen, um den gemeinsamen Feind, die Gruppe um Bian, endgültig zu besiegen, damit sie das Verhältnis zwischen dem Königreich und den Elfen nicht mehr gefährdeten und um den Frieden zu wahren. Der Elf neben ihm unterstützte Arthurs These und ermutigte sein Volk ebenfalls, sowohl in der Sprache der Menschen, als auch in der der Dunkelelfen. Liviu hört noch eine Weile gebannt zu, dann fragte er Lukas beiläufig: „Wie lange war ich weg?“ „Ein paar Stunden. Arthur hat in der Zwischenzeit ganze Arbeit geleistet, findest du nicht?“ Ein dünnes Lächeln erschien auf Lukas’ Lippen. „Ja… Aber was hat er eigentlich gemacht?“ „Eigentlich hat er das Oberhaupt der Dunkelelfen, Wang Yao, der da neben Arthur steht, nur über ihre derzeitige Lage aufgeklärt. Wang hat ihm wohl erklärt, dass auch sie Probleme mit den anderen Elfen hatten und so fand eins zum anderen. Tatsache ist, dass wir jetzt eine vertragsgebunde Unterstützung im Kampf von den Dunkelelfen bekommen.“ „Das ist… unglaublich.“ „Ja“, sagte Lukas und nickte. „Ja, das ist es.“ Binnen der nächsten Tage würden sich die Dunkelelfen mit den Menschen verbünden und Kim Bian und ihre Mitstreiter endgültig zurückschlagen. Ganz Elmenor würde die drei Magier Liviu Botrov, Lukas Bondevik und Arthur Kirkland feiern und ihnen dafür dankbar sein, diesen Sieg erst möglich gemacht zu haben. Das Band zwischen Menschen und Elfen würde stärker denn je werden, eine mächtige Allianz würde gebildet werden. Später würden die Geschichtsbücher von eben dieser schreiben und von den drei Magiern, die es möglich gemacht hatten. Was der wahre Grund für ihren tollkühnen Ausflug in den Schwarzen Wald war, würde allerdings nie jemand erfahren. Oder jedenfalls würde es nie in den Schriften erwähnt werden. Doch bis dahin war es ja noch eine lange, lange Zeit… Ein Magier, kein anderer als Liviu Botrov, stand vor einer Villa und trat ungeduldig von einem Bein aufs andere. Er war müde, es war Mittag und er war gerade erst aus dem Lager der Jäger zurückgekehrt, nachdem er ihnen ihren Plan zur Zusammenarbeit mit den Elfen erklärt hatte. Doch auch die Müdigkeit konnte seine Laune nicht trüben. Um ehrlich zu sein, hatte er sich noch nie so gut gefühlt. Es war ein Segen, dieses bedrückende Gefühl der Angst los zu sein. Alles andere würde sich nun schon finden. Er klopfte erneut an der Tür und nestelte an den Blumen, die er mitgebracht hatte. Die Tür öffnete sich und Natalia sah ihn finster an. Ivan erschien hinter ihr, glücklicherweise nicht ganz so zornig dreinschauend. Liviu reichte Natalia die Blumen. „Hört zu… Natalia. Ivan. Ich wollte sagen, dass es mir leid tut.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)