Mädchen mit Kater von nurish ================================================================================ Kapitel 8: Die falsche Antwort ------------------------------ Unbefriedigt blickte Yolanda auf die Finger ihrer schmalen Hände, die sie verschränkt auf ihrem Bauch abgelegt hatte. Ja, „unbefriedigt“ war ein gutes Stichwort, denn Albin hatte sie nach einem letzten langen Kuss alleine sitzen gelassen und hatte den Raum verlassen, bevor überhaupt irgendetwas Tolles passiert war. Das wurmte Yolanda. Noch viel mehr als Dereks Kommentar vom Vortag. Missbilligend presste sie ihre Lippen zusammen und warf einen verstohlenen Blick zu ihrem Kater, der es sich auf ihrem Lieblingsplatz bequem gemacht hatte und so tat, als ob er schlief. Sie wusste, dass er nicht wirklich schlief. Wenn er tatsächlich schlief, rutschte ihm in seiner Katzenform immer die Spitze seiner langen, roten Zunge zwischen seinen Eckzähnen heraus. In seinen ersten Wochen in ihrer Wohnung hatte sie Minuten und Stunden damit zugebracht, dieses vermeintliche Tier mit Wonne und Faszination beim Schlaf zu beobachten. Wenn das kleine Wesen so tief geschlafen hatte, dass sogar ein leises Schnarchen zu hören war, hatte sie es sich manchmal erlaubt, seine Zungenspitze so weit es ging herauszuziehen, ohne dass es Kiki weckte. Yolanda konnte immer noch nicht wirklich begreifen, dass ihr Kiki, Albin, ein waschechter Magier war. Hätten sie sich unter anderen Umständen kennengelernt, sähe die Welt ganz anders aus. Man hätte sie für das, wie sie Albin als Katze behandelt hatte, sicher gevierteilt. Sie presste schmollend ihre Lippen zusammen und schielte wieder verlegen auf ihre Fingerspitzen. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, war sie froh, dass Albin die Sache tags zuvor abgebrochen hat. Sie hatte Bestätigung gesucht, nachdem Derek ihr so schmerzhaft vor den Kopf gestoßen hatte, und hätte diese Bestätigung auch bei Albin bekommen können. Sie wusste es. Albins Zuneigung ihr gegenüber war offensichtlich. Doch schien dieser hochnäsige, selbstbeschäftige Magier einen ausgeprägten Sinn dafür zu haben, wenn sie etwas tat, was sie nicht wirklich wollte, oder wenn sie log. Dieser dumme, hochnäsige, aufmerksame, gutherzige, selbstverliebte Magier! Yolanda ballte ihre Fäuste, schlug verärgert über sich selbst mit den Fäusten auf ihren Schoß und rappelte sich auf. Genug gegrübelt. Die Arbeit rief. Und gerade war sie auch viel zu verlegen. Sie machte sich für die Arbeit in der Bibliothek fertig, doch bevor sie ging, kehrte sie kurz und in Eile zu dem schlafenden Kater zurück. Vorsichtig strich Yolanda über Kikis warmen, runden Kopf, wohl darüber bewusst, dass er sich immer noch schlafend stellte. „Du gehst mir ziemlich auf die Nerven.“, sagte sie unvermittelt und ohne weitere Begründung, sodass kurz auch auf dem Gesicht des Katers verstörend menschliche Verwirrung erschien, bevor Yolanda einen flüchtigen Kuss auf die breite Stirn des Katers drückte und die Wohnung verließ. Um die Mittagszeit kehrte sie kurz zurück, um sich für ihre nächste Arbeitsstelle umzuziehen. Dieses Mal schlief Albin wirklich. Auf Zehenspitzen schlich sie durch die Wohnung, um ihn nicht zu wecken. Vorsichtig legte sie ein neues Buch aus der Bibliothek neben ihn. Schließlich ließ sie mit einem traurigen Lächeln die Türe hinter sich zufallen, um zur Villa von Dereks Vater zu gehen. Clementia wartete schon auf sie im Treppenhaus. Missmutig zog diese ihre Augenbrauen zusammen, als sie Yolanda mit dem schwer lesbaren Gesichtsausdruck erblickte. Kurz darauf durchfuhr es Yolanda ärgerlich, dass sie vergessen hatte, mit Albin über die Einweihung Tias zu reden. Wobei das Thema auch nicht wirklich in ihren… Diskurs tags zuvor gepasst hat. „Was ist passiert?“, fragte Clementia langsam, wohl nicht sicher, ob sie die Antwort hören wollte. Yolanda zuckte etwas ratlos mit den Schultern, während die beiden das Wohnhaus verließen. „Das mit Derek und mir ist vorbei.“, fasste sie die Geschehnisse vom Vorabend knapp und objektiv zusammen. Mit einem Laut der Überraschung und großen Augen riss Tia ihren Kopf zu Yolanda herum. „Du meine Güte! Meine Liebe!“, rief sie mitfühlend, „…Aber wie? Und- Und warum? Was ist geschehen?“ Yolanda senkte leicht beschämt ihre Augen und Tia ließ es gut sein. Ein Gedanke huschte Yolandas bester Freundin über ihr nachdenkliches Gesicht, jedoch verschwand dieser wieder zu schnell, als dass sie diesen hätte interpretieren können. Der Rest des Weges verlief zwischen den beiden schweigsam. Beide hingen ihren eigenen Gedanken hinterher. An diesem Tag musste Yolanda spontan für eine Kollegin einspringen, die sich eine Magengrippe eingefangen hatte. Das war nur insofern notwendig, dass diese Kollegin an dem Tag speziell Derek zugeschrieben war. In Uniform und mit würdevollem Auftreten betrat sie sein Zimmer. Er schien überrascht. Mit einem entschuldigenden Blick wollte er von seinem Arbeitstisch aufstehen und ihr entgegenkommen, doch mit einer simplen Handgeste unterband Yolanda stumm sein Vorhaben. Wortlos ließ er sich zurück auf seinen Arbeitsstuhl fallen und betrachtete Yolanda eindringlich. „Mach die Geschichte nicht unangenehmer, als sie sowieso schon ist.“, sagte sie nüchtern. „Vergessen wir einfach, was war und kehren zu dem zurück, was früher einmal war.“ Immer noch in einem entschuldigendem Ton legte Derek leicht den Kopf schieß und begann mit einem flehenden „Yolanda…“, als diese sich kommentarlos an den vorgesehenen Platz begab, sich einmal verbeugte und brav sagte: „Es ehrt mich, dass der junge Herr meinen Namen kennt.“ Irritiert setzte Derek erneut an. „Hör mich doch an-“, er unterbrach sich selbst, da er eigentlich damit gerechnet hatte, dass Yolanda ihn bis zu dieser Stelle unterbrach, „Schau, ich weiß, dass ich gestern etwas sehr dummes und verletzendes gesagt habe. Es tut mir Leid.“ Mit einem Lächeln verbeugte sich Yolanda ein weiteres Mal. „Es war weder dumm, noch verletzend, junger Herr.“, erwiderte sie in einem freundlichen, neutralen Ton. „Natürlich war es das-“, versuchte Derek einzulenken. Mit einem höflich interessierten Blick und mit einem weiterhin neutral-freundlichen Tonfall ergriff Yolanda ein weiteres Mal das Wort. „Junger Herr, beleidigen Sie bitte nicht meinen Intellekt. Ich bin durchaus in der Lage, die Lage zu erfassen und zu verstehen.“ – ihre Stimme war schnell in einen kalten, drohenden Unterton umgeschwenkt – „Also erweisen Sie mir bitte die Ehre und lassen Sie es mich wissen, falls Sie etwas wünschen oder benötigen. Ich werde Ihnen dann gerne zur Seite stehen. Alles weitere tangiert mich nicht.“ Derek betrachtete die junge Frau überrascht. So freundlich diese Ansage formuliert war, so gefährlich war diese Äußerung einer Bürgerin gegenüber einem Magier. „Na schön.“, sagte dieser nun, „Ich wünsche mir deine Aufmerksamkeit.“ Mit einem ruhigen Lächeln und einer erneut neutralen Stimme entgegnete Yolanda: „Diese besitzen Sie bereits ungeteilt, junger Herr.“ – „Ich wünsche mir, dass du mir meine Torheit verzeihst“, fuhr er fort. Erneut verbeugte sich Yolanda tief und erwiderte standesgemäß: „Ihre Sorge und Ihr Wohlwollen ehren mich, werter Herr. Es gibt nichts zum Verzeihen.“ Etwas zögerlich fuhr er fort: „Ich wünsche mir dein Herz, Yolanda.“, worauf diese schlicht antwortete „Dieses kann ich Ihnen zu meinem größten Bedauern leider nicht überlassen, ich brauche es meines Wissens nach zum Leben“. Sie verbeugte sich bei der Entschuldigung wieder tief. Auf diese Antwort lachte Derek leise und etwas überrumpelt. Er kommentierte Yolandas geradlinige Abweisungen schließlich mit einem leisen „Autsch, ich habe verstanden“. Diese stand gerade und mit erhabener Miene weiter auf dem zugewiesenen Platz. Niedergeschlagen setzte er sich in seinen Lesesessel und nahm sich das aufgeschlagene Buch von dem Lese-Tischchen. „Yolanda, bitte bringe mir etwas Tee.“, bat er sie, unsicher, ob nicht wieder eine abweisende Antwort von ihr kommen würde. Stattdessen verbeugte sie sich wortlos tief vor ihm und verließ leise den Raum. Einige Zeit später kehrte Yolanda mit dampfenden Tee und etwas Gebäck zurück, servierte Trinken und Beilage und wortlos an den zugewiesenen Platz zurück. Bevor Derek von dem Tee trank, warf er Yolanda einen langen, nachdenklichen Blick zu, und wirkte überrascht, als er schließlich von dem Tee kostete. Er lachte zu sich selbst, „Du hast den Tee nicht ungenießbar gemacht? Im Gegenteil, es ist genau das, wonach mir gerade ist.“ Yolanda schenkte ihm ein höfliches, distanziertes Lächeln, „Vielen Dank, junger Herr. Es liegt nicht in meiner Absicht, dem werten Herren ungenießbaren Tee zu bringen. Diesem Haus zu dienen ist mir eine Ehre und eine Freude. Darum ist es mein Bestreben, Euch möglichst gut zu dienen.“ Derek legte den Kopf schief und summte in einem tiefen Ton. „Du willst diesen Arbeitsplatz nicht verlieren, verhältst du dich deswegen so?“, fragte er langsam, „Oder willst du wieder deine Mitarbeiter nicht im Stich lassen? Was geht in deinem schönen Kopf nur vor, Yolanda?“ Ein gefährliches Lächeln erschien auf seinem Gesicht, „Wie weit kann ich meine Spielchen mit dir treiben?“ Zum ersten Mal in dieser Unterhaltung wich Yolandas Lächeln komplett aus ihrem Gesicht und sie drehte Derek unverwandt den Kopf zu. „Ich bin nicht hier für Ihre Spielchen, junger Herr, sondern für meine Arbeit.“, sagte sie kalt. „Was würdest du machen, wenn du deine Arbeitsstellen nicht mehr hättest?“, fuhr Derek in einem bedrohlichen Unterton fort. Yolanda verstand die Drohung und entgegnete dieser mit einem selbstsicheren, schiefen Lächeln ohne Worte. Ihren jungen Herren schien diese Geste zu beunruhigen – unachtsam warf er sein Buch zurück auf den Lesetisch, stand auf, überbrückte die Distanz zu Yolanda und fasste mit einer Hand an ihr Kinn. „Arbeitest du für meinen Onkel?“, fragte er nun kalt. „Hast du darum keine Angst davor, diesen Job hier zu verlieren?“ Als Derek seinen Onkel erwähnte, wurde Yolandas Blick noch kälter und sie starrte unbeeindruckt in die drohenden Augen Dereks zurück. „Ich würde lieber sterben, als für diese Person zu arbeiten.“, entkam es leise ihren Lippen und verwundert wich Derek zurück. Yolanda dachte an die Leiden, die Dereks Onkel und dessen Kind Fia über Albin und seinen Vater gebracht hatten. „Ich hege Personen gegenüber, die für ihre eigenen egoistischen Ziele anderen schaden, nichts als Verachtung.“, erklärte sie nüchtern diese Aussage, zum einen, um ihre Verbindung zu Albin vor Derek zu verbergen. Zum anderen, um einen empfindlichen Seitenhieb auf Derek zu landen, der gerade anscheinend gefährliche Gedanken ihr gegenüber hegte. Er hatte auch Recht: Sein Stand reichte aus, um mit einer kleinen, unbedeutenden Angestellten wie ihr alles zu tun, wonach der Sinn stand, ob sie nun wollte oder nicht. Yolanda meinte zuerst ein schlechtes Gewissen und dann Erleichterung in seinen Augen erkennen zu können, bevor Derek erneut auflachte. „Eine Frau wie du ist mir noch nie begegnet!“, stieß er schließlich breit grinsend aus. Dadurch zum ersten Mal wirklich verunsichert musterte Yolanda Derek mit leicht geweiteten Augen, erwiderte aber nichts. „Ich werde dich irgendwann von mir überzeugen können – und dann machen wir da weiter, wo wir gestern aufgehört haben, meine Schöne.“ Sie schnaubte skeptisch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)