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Wintersterne

Ein Panem Adventskalender
von

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Wintersterne


 

24. Dezember – Wintersterne
 

Katniss
 

Peeta
 

*
 

Der kühle Wind streifte um die Beine der jungen Frau, die unter einer dicken Decke verborgen in einem Bett lag. Nur ihr Fuß ragte unter dem weißen Deckenberg hervor, ebenso wie ihr dunkelbrauner Schopf. Unwillig zuckte ihr Fuß, als wolle sie die Kälte verscheuchen, doch natürlich war dem nicht so. Stattdessen wurde sie langsam aus ihren Träumen entführt und in die Wirklichkeit ihres kalten Schlafzimmers zurückgeholt. Zaghaft zitterten ihre Wimpern und sie öffnete ihre Augen einen Spalt weit. Das erste, was sie erspähte, waren die beschlagenen Fenster, an denen sich Blumen aus Eis gebildet hatten. Unter der warmen Decke lächelte sie ein wenig, ehe sie den Fuß zurückzog, um sich noch einmal fester in die Decke einzuwickeln.

Wohlig seufzend drehte sie sich um, zur anderen Seite, wo ihr Ehemann lag. Noch schlief dieser und für den Moment betrachtete sie seine Silhouette, welche sich unter der Decke abzeichnete. Seine feinen, blonden Haare standen wuschelig in alle Richtungen ab, wie jeden Morgen. Ebenso gleich war es, dass er eine Hand unter das Kopfkissen geschoben hatte und der andere Arm ausgestreckt auf ihrer Betthälfte lag.

Egal wie lange sie verheiratet sein würden, die junge Frau wusste, dass sie es niemals leid sein würde, ihn des Morgens zu beobachten, bevor er erwachte. Während dieser Zeit am frühen Morgen würde er immer so aussehen, wie er es getan hatte, bevor alles passiert war. Doch heute schüttelte sie diesen lästigen Gedanken fort, denn es war kein Tag, um sich den melancholischen Gedanken hinzugeben. Stattdessen würde heute ein Tag der Freude sein, dachte sie, während sie sich vorsichtig aufsetzte, um ihren Mann nicht aus den Träumen zu erwecken und sich streckte. Fast alles war wie immer, sie wachte früh auf, während draußen noch die Sonne gegen die Dunkelheit der Nacht kämpfte und man noch den Ruf der Eulen vernehmen konnte, sie lag in ihrem hölzernen Ehebett, welches sich immer noch in ihrem abgeschiedenen Haus in Distrikt zwölf befand, aber dennoch war etwas anders: Eine dicke, weiße Decke aus Schnee hatte sich über die Landschaft vor ihrem Fenster gesenkt. Alles Grün war mit weißem Pulver bedeckt.

Wie sie so ihre Füße langsam unter ihrer eigenen Decke hervorschob und auf den ausgekühlten Boden stellte, dachte sie an die Zeiten, als sie noch Kind gewesen war, mit welcher Begeisterung sie auf den Schnee gewartet hatte und als er dann endlich gefallen war, wie sie sodann gleich hinausgelaufen war. Nun war sie zwar selber nicht mehr Kind, doch nebenan, nur ein Zimmer weiter, dort schliefen ihre eigenen Kinder seelenruhig. Ihre Freude war es, zu sehen wie diese sich nun über die weiße Pracht freuten. Das vor allem heute, am heiligen Abend.

„Schon wach?“, erklang in diesem Moment eine müde Stimme hinter ihr.

Als sie sich umdrehte erkannte sie einen noch reichlich verschlafenen Peeta, ihren Ehemann, der sich aus dem Bett schälte.

„Offenkundig schon“, erklärte sie grinsend.

„Schau mal, draußen  hat es geschneit“, fuhr sie noch im gleichen Atemzug fort, „das wird den Kindern gefallen.“

Zwei Arme legten sich sanft von hinten um sie, und sie lehnte sich glücklich gegen Peetas Brust. Einen Moment lang schwiegen sie, blickten nur hinaus auf das Winterwunderland, das sich vor ihnen erstreckte. Dann, ganz leise, nur für sie hörbar flüsterte Peeta:

„Alles in Ordnung, Katniss?“

Sie nickte.

„Natürlich. Es wird ein schönes Fest werden, Peeta. Lass uns die Kinder wecken gehen, sonst verschlafen die Schlafmützen die Bescherung noch.“

Peeta lachte kurz auf, dann drehte er sie in seinen Armen. Sie blickten einander in die Augen, er in ihre grauen, die schon so viel gesehen hatten und dennoch immer bestimmt in die Zukunft blickten, und sie in seine blauen, in denen sie immer, egal in welchen Zeiten, einen Funken Liebe ausmachen konnte. Ihr Kuss war zart, doch es mangelte ihm nicht an Leidenschaft und Hingabe.

Einander an den Händen haltend verließen sie ihr Schlafzimmer und öffneten vorsichtig die Tür zu dem Kinderzimmer, allerdings war ihre Mühe vergebens, denn das ältere ihrer beiden Kinder, ein Mädchen, saß bereits kerzengerade im Bett und blickte mit großen Augen aus dem Fenster, welches auch hier mit Eisblumen verziert war. Lediglich ihr kleiner Sohn schlief noch, fest in seine Decke eingewickelt.

„Mama, Papa“, quiekte die siebenjährige erfreut und deutete aufgeregt in den Garten, „es hat geschneit!“

Freudig lachend drückten die Eltern ihre Tochter, und Peeta hob sie lachend hoch, während Katniss sich lächelnd auf die Bettkante ihres Sohnes setzte und ihm ins Ohr flüsterte:

„Aufstehen, du kleine Schlafmütze!“

Vorsichtig öffnete der Junge eines seiner grauen Augen und gähnte verschlafen.

„Hn, Mama, was ist“, nuschelte er, die Augen mit der Hand reibend.

Doch noch bevor eben diese ihm eine Antwort geben konnte, rief seine Schwester bereits:

„Es hat geschneit, Darius, geschneit!“

Noch eben müde, sprang dieser nun ebenfalls aufgeregt aus dem Bett, rannte über den Boden und blickte aus dem großen Fenster.

„Boah“, staunte der dreijährige und drückte sich seine Nase fast platt am Fenster.

Dann schien ihm einzufallen, dass nicht nur Schnee gefallen war, sondern auch das Fest des Jahres stattfand, auf das er wohl am meisten gewartet hatte.

„Es ist Weihnachten“, jubelte er zusammen mit seiner Schwester und sie rannten hinab in die Stube, so schnell, dass ihre Eltern gar nicht mehr hinterher kamen.

Der große Weihnachtsbaum in der Ecke wartete bereits, mit Unmengen an Geschenken, die um ihn herum verteilt lagen, eingepackt in glänzend rotes Papier – dies allerdings nur ausnahmsweise, auch wenn es ein Produkt des Kapitols war. Dafür schmückten selbstgefaltete und gebastelte Sterne den Baum, welchen Katniss und Peeta selber im Wald geschlagen hatten. Ganz oben auf der Spitze saß das feingliedrige Abbild einer Schneeflocke, ein überraschendes Weihnachtsgeschenk von Effie Trinket, die es sich nicht hatte nehmen lassen, ihnen einen Weihnachtsgruß zu überbringen. Auch andere Andenken an die vergangene Zeit zierten den Baum, so gab es feinen Holzschmuck, der, wie hätte es auch anders sein können, aus Distrikt sieben und damit von Johanna, stammte. Auf schlichten, roten Christbaumsternen waren mit serifenreicher Schrift in Gold die Namen jener verewigt, denen das Ehepaar Mellark jedes Fest gedachte, Lebende wie Verblichene, denn in ihren Herzen war ewig Platz für ihre einstigen Gefährten, aber auch Gegner.

Während die Kinder noch in ihren Schlafanzügen über die Geschenke herfielen, machte Katniss sich daran, mit einem Streichholz die vielen weißen Kerzen auf dem Baum zu entzünden, auf die Peeta bestanden hatte. Sie hatte sich Gedanken gemacht, dass so leicht ein Feuer entstehen könne, doch er wollte nicht nachgeben, denn ohne Kerzen würde laut ihm die weihnachtliche Stimmung fehlen, und so leuchtete jetzt Kerze um Kerze im warmen Schein auf.

Auf dem Sofa sitzend beobachteten Peeta und Katniss schließlich, wie glücklich die Gesichter ihrer Kinder im Kerzenschein aufleuchteten und hielten einander immer noch an den Händen.

Es hatte lange gedauert, bis dieser Moment ihnen ermöglicht war, doch nun verlor die Vergangenheit stückweise ihren Schrecken und was ihnen blieb war das Hier und Jetzt. Sicher würden ihnen die guten Erinnerungen bleiben, so würden sie gemeinsam nach dieser Bescherung hinaus in den Schnee gehen, um zuerst die Weihnachtsmesse auf dem Rathausplatz des ehemaligen zwölften Distriktes zu besuchen, und dann stand noch ein Ausflug in die Wälder an, wie es früher in Katniss Kindheit Tradition gewesen war. Zwar würde es nun ohne Pfeil und Bogen sein, doch eines Tages würden auch dies ihre Kinder wissen, doch bis dahin würde es einfach nur ein Spaziergang sein.

„Schau Zinnia, ein Bauernhof!“, rief es begeistert aus Richtung des Weihnachtsbaumes, wo Darius unter all dem Geschenkpapier kaum noch auszumachen war, ebenso wie Zinnia, seine Schwester, die ebenfalls rief:

„Ein Puppenhaus!“

Die Geschenke, die heute unter dem Baum lagen waren allesamt schlicht und stammten aus den Distrikten, aus jedem Distrikt hatte ein Geschenk Platz unter dem Baum gefunden. Das Ehepaar hatte dies bewusst so gewählt, denn sie wollten ihren Kindern zeigen, was für wundervolle Geschenke es geben konnte. Für den Schnickschnack aus dem Kapitol blieb da kein Platz unter ihrem Baum, zudem war es ihre Absicht, denn selbst diese aus Holz gefertigten Puppenhäuser und Bauernhöfe waren mehr, als Beide jemals in ihrer Kindheit gehabt hatten.

Doch als sie sahen, wie selbstvergessen Darius eine hölzerne Kuh durch die Ställe traben ließ, da stieg auch Freude in Katniss und Peeta auf, denn ihnen war es bereits Glück genug, das Strahlen ihrer Kinder zu beobachten.
 

*
 

Nur wenig später jedoch mussten sie die Kinder bereits wieder aus ihrer verträumten Spielerei erwecken, denn die Messe stand an und diese sollte nicht verpasst werden. Zinnia und Darius wurden von Katniss in dicke Schals und Jacken gepackt, mit Handschuhen, die Greasy Sae selbst gestrickt hatte, ebenso wie die Bommelmützen, von denen sogar Peeta eine hatte. So warm eingekleidet wagten sie sich schließlich in die Kälte hinaus. Die Kinder liefen sogleich los, ließen sich fallen und bewarfen einander mit Schneebällen, doch natürlich gaben ihre Eltern ein so viel besseres Ziel ab. So kam es, dass nach kurzer Zeit Peeta und Katniss im Kreuzfeuer der Kleinen standen, die Ball um Ball auf sie feuerten.

Kreischend duckte Katniss sich unter einem besonders großen Geschoss hindurch und klaubte ihrerseits Schnee zusammen, denn sie dann hämisch lachend als Ball auf die freche Zinnia abfeuerte.

Fast den gesamten Weg über bis zum Rathausplatz bekriegte sich die Familie Mellark so, ein jeder war gegen jeden, bis sie nass von dem geschmolzenen Schnee waren und einige eisige Flocken ihren Weg bereits in den Nacken gefunden hatten, was kalte Schauer am Rücken auslöste. Mit roten Gesichtern drängten sie sich auf dem festlich geschmückten Platz zusammen, der von Lichterketten überspannt wurde. Vor ihnen war eine Bühne aufgebaut, auf der sogleich die Feiertagsrede des Bürgermeisters stattfinden würde, während der vermutlich alle nur auf ihr Ende warten würden. Zwar war er kein langweiliger Mann, doch eigentlich warteten alle nur auf den gemeinsamen Gesang, der sich seiner Rede anschloss.

Zu der jungen Familie gesellten sich im Laufe der Zeit noch einige andere, wie Greasy Sae, die komplett in selbstgestricktes eingewickelt war, wie Katniss mit einem Grinsen registrierte. Es fand ein kurzer Austausch über die Geschäfte statt, die wie immer gut liefen. Greasy Sae war die Chefin des Hob, des offiziell ersten Einkaufszentrums in einem der dreizehn Distrikte Panems. Aus dem einstigen Schwarzmarkt war ein Ort geworden, wo jeder etwas für seinen Bedarf fand, aber auch verkaufen konnte. Neben der großen Medizinfabrik, deren weiße Türme sich über die dichtgedrängten Wohnhäuser am Rande des Rathausplatzes erhoben, war dies die größte Einnahmequelle des Distriktes.

In letzter Sekunde lief schließlich auch Mrs. Everdeen herbei, die Mutter von Katniss. Erleichtert, noch rechtzeitig zu sein drückte sie freudig ihre Enkel an sich, ehe sie ihre Tochter stumm in die Arme schloss. Es fiel ihnen beiden immer noch nicht einfach, einander so zu begegnen, doch die Kinder erleichterten es ihnen schon. Der Frau, der sich bereits Falten in das Gesicht gruben, stand jedoch ein Lächeln im Gesicht und sie drückte die Hand von Katniss noch einmal.

„Alles läuft gut“, flüsterte sie ihr zu, während der Bürgermeister die Bühne betrat, „bald ist der Wiederaufbau abgeschlossen.“

Freudig nickte Katniss ihr zu und nun war es an ihr, die Hand ihrer Mutter, welche nun am Wiederaufbau beteiligt war und die in Distrikt zwei zeitweilig lebte, zu drücken.

Den Kopf an Peetas starke Schulter gelehnt verfolgte sie schließlich die Rede, während der langsam der Schneefall wieder einsetzte und dicke Flocken der Erde entgegen trudeln ließ.

Alles war gut.



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