Wintersterne von Coronet (Ein Panem Adventskalender) ================================================================================ Kapitel 11: Winterflocken ------------------------- 11. Dezember – Winterflocken Sieger   Ein Sieger zu sein war nicht einfach, aber vor allem dann nicht, wenn es Winter war. Denn im Winter stand der jährliche Besuch der Sieger aller vergangenen Hungerspiele im Kapitol an. Natürlich war dies keine gewöhnliche Veranstaltung, sondern wurde groß gefeiert, um all den Bürgern des Kapitols noch einmal etwas Großartiges zu präsentieren, bevor das Weihnachtsfest gefeiert wurde. All diejenigen, die nicht reich oder bekannt genug waren um von Präsident Snow eingeladen zu werden, standen an diesem Tag an der Straße und jubelten ihren alten Helden zu, die wie bei den Hungerspielen in einer Parade auf der großen Hauptverkehrsstraße in weißen Wagen mit winterlicher Dekoration vorbeifuhren, ein jeder in einem elegant auf die kalte Jahreszeit abgestimmten Outfit, für das wieder einmal nur die fähigsten Designer engagiert worden waren. Auch in diesem Jahr war es wieder soweit und in der großen Halle unter dem Vorbereitungscenter wurde der letzte Feinschliff an den ehemaligen Tributen vorgenommen. Eifrige Stylisten liefen mit Glitzerspray und Plastikzuckerstangen bewaffnet durch die Gegend und von draußen hörte man bereits das Jubeln des wartenden Publikums. Gehetzt lief Marcoh Mask, Teil des Vorbereitungsteams von Distrikt sieben, mit einer silbrig glänzenden Krone durch die Gegend, an schneeweißen Schimmeln vorbei, um die Krone noch rechtzeitig abzuliefern. Bestimmt war sie für Johanna Mason, die launische und ebenso unberechenbare Siegerin. Diese wartete bereits auf Marcoh, in ein schlichtes, kurzes weißes Kleid gehüllt, dass Dank der darauf angebrachten Steinchen ebenso glitzerte. Seufzend hielt sie den Kopf hin, als sie Marcoh mit dem silbrigen Ungetüm erspähte. Sie hatte die Tage, in denen sie gegen diese lächerlichen Styling-Maßnahmen rebelliert hatte hinter sich, denn egal wie sehr man sich auch dagegen stemmte, am Ende schafften sie es immer, dass man etwas völlig lächerliches trug. Also ließ sie mit stoischer Miene das Prozedere über sich ergehen. Es war ohnehin mehr als klar, dass sie am Ende wohl wieder in irgendeiner verqueren Art und Weise ein Baum sein würde, denn Distrikt sieben war immer ein Baum. Die wenigen anderen Sieger aus ihrem Distrikt sahen nicht anders aus als sie und die junge Rebellin seufzte erneut. In anderen Distrikten wurde wenigstens Wert darauf gelegt, dass nicht alle Sieger gleich aussahen. Neidisch sah sie zu den Tributen von Distrikt vier herüber, einer eingeschworenen Familie, von denen jeder ein anderes Outfit trug. Natürlich betonten sie wieder einmal Finnicks Körper, sodass der Arme fast völlig ohne Kleidung da stand. Mit einem diabolischen Grinsen dachte Johanna, dass er nun frieren müsse. Wenigstens konnten sie sich somit herrlich über einander amüsieren, wenn sie sich schon dem Kapitol zur Schau stellen mussten. Auch den anderen Siegern ging es nicht anders als Johanna, sie alle waren unwillentlich hier und in Gedanken waren die meisten bereits wieder bei ihren Familien und dem, was sie zuhause noch alles machen wollten, bevor Weihnachten kam. Manche waren in eher weniger prächtige Kleider gehüllt, die verzweifelt bemüht waren, wie bei der normalen Parade etwas darzustellen, doch in den Distrikten, die etwas besser dran waren, wurden schlichte Kleider und Anzüge getragen. Manche Kleider waren mit Stickereien von Eisblumen übersäht, während andere gar selbst eine gigantische Schneeflocke waren. Alle stellten sich auf die Wagen des jeweiligen Distrikts, die sie sich gemeinsam teilten, da ertönte auch schon der Gong, der bisher noch jede Wagenparade eingeläutet hatte. Die Türen öffneten sich schließlich und gaben den Blick frei auf die von Menschen gesäumte Straße. Die letzten Hauptpersonen der winterlichen Parade stiegen auf ihre Schneeflöckchenwagen und die Pferde setzten sich langsam in Bewegung. Draußen fielen sanfte Flocken, doch sobald sie die Sieger berührten, verdampften sie einfach in der Luft, ohne sich niederzuschlagen auf ihrer Kleidung oder in ihren Haaren. Lediglich am Wegesrand blieb der Schnee liegen, wie zu Dekorationszwecken. Mehr war er auch eigentlich nicht, denn der Schnee wurde extra vom Kapitol zu diesem Zwecke künstlich hergestellt und sollte nur für winterlichen Anklang sorgen. Johanna jedoch kamen diese Flocken wie ein Gespött vor, den in Distrikt sieben, dort waren die Winter lang und hart. Sie war in den dunklen Tannenwäldern aufgewachsen und es wurde fast nie sonderlich warm in diesen Bereichen Panems. Dafür schneite es im Winter fast ununterbrochen und schon bald bildete sich eine meterdicke Schneeschicht. Niemand in sieben versteckte sich vor dem Schnee. Sobald der erste Schnee des Winters gefallen war, wurden allerorts die Türen aufgerissen und Kinder wie Erwachsene stürzten sich hinaus in den Schnee, um Schneeengel zu machen, oder auch Schneemänner zu bauen. Geistesabwesend winkte Johanna der jubelnden Masse zu, während sie von Schneemassen träumte, die echt und kalt waren, anstelle in der Luft zu verdampfen. Cashmere und Gloss jedoch, die überaus erfolgreichen Tribute des ersten Distriktes hielten diesen Schnee für eine wahre Wohltat. Denn wenn es in ihrem Distrikt schneite, dann blieb der Schnee meist nicht lange liegen, da viele Autos in eins fuhren und schon bald war der Schnee verdreckt und zu einer unansehnlichen Pampe geworden, noch ehe man ihn richtig genießen konnte. Das, was sie am Winter wirklich mochten und worauf sich beide Tribute immer wieder freuten, war der glamouröse Winterabschlussball der Trainingsschule, an der sie neue Tribute ausbildeten. In eleganten Kleidern auftreten, das war ihr Element. Nur in diesen Momenten konnten sie sich fühlen, als wären sie Teil des Kapitols, nicht als wären sie bloß die ehemaligen Sieger, wie hier, wo sie als Schneeflocken gekleidet auf einem Wagen standen und der Masse zuwanken. Annie Cresta dagegen wank gar nicht, denn der jungen Siegerin, die erst vor drei Jahren gewonnen hatte, war immer noch schlecht, sowohl vor Aufregung, als auch von dem leichten Schlingern des Wagens, auf dem sie stand. Sie nahm noch nicht einmal wahr, dass dort am Straßenrand all die jubelnden Menschen standen und begeistert waren, denn vor ihrem Auge sah sie nichts mehr, als ein buntes Meer aus Federn, Fell und Stoffen. Ein paar der Flocken wirbelten ihrem Gesicht entgegen und fasziniert beobachtete sie die kleinen Flöckchen, wie sie verdampften. Es schneite nicht oft in Distrikt vier, doch sie liebte Schnee. Die ganze Welt sah dann immer so wundervoll aus, wenn alles weiß eingedeckt war und das allerschönste war, dass immer, wenn es geschneit hatte, den ganzen Tag lang niemand hatte arbeiten müssen! Früher war ihr Vater dann immer zuhause geblieben, sie hatten Stockbrot im Kamin gemacht um anschließend hinaus zu gehen und eine Schneeballschlacht zu veranstalten. Jeder Tag mit Schnee war ein Fest gewesen. Auch jetzt noch war es wunderbar, wenn es schneite, denn auch Finnick durfte dann bleiben und niemand bemerkte es, wenn sie zu zweit durch den Distrikt wanderten, an die Bucht gingen und auf das ebenso eisgraue wie auch kalte Meer hinausblickten. Ein sanftes Lächeln erhellte ihr Gesicht, als die junge Siegerin daran dachte, wie sie eine Schneeballschlacht mit all den Siegern zuhause veranstalten könnten. Es wäre ganz bestimmt wie früher.   Auch andere Sieger dachten an vergangene Weihnachten und Winterbräuche, selbst Enobaria, der man es von außen vielleicht nicht ansehen mochte, mit ihren geschliffenen Zähnen und den wachsamen Augen sah sie mehr kriegerisch aus, als jemand, der gerne Weihnachten feierte, doch auch sie hatte früher einmal mit ihrer Familie gefeiert, mit all den vielen Geschwistern, die sie hatte. Gelächter unter einem großen Tannenbaum, festliche Dekoration und selbstgebackene Lebkuchen waren für sie selbstverständlich. All der modische Chic des Kapitols war der kriegerischen Frau unheimlich, selbst wenn ihr das heutige Kleid in eisigem Grau, dass einzig durch kristallene Schulterplatten dem kämpferischen in Distrikt zwei zollte, wirklich bewundernswert aussah. Als der künstliche Schnee um sie herum fiel, da waren ihre Gedanken bei ihrer Familie, der es endlich wieder wirklich gut ging, seit sie diese Spiele gewonnen hatte. Sie war nicht hier, weil ihr die Kleider so gut gefielen, sondern weil sie ihre Familie beschützen wollte, ihnen jedes Jahr wieder ein Weihnachtsfest bereiten wollte. Nicht anders ging es Beetee und Wiress aus Distrikt drei, die doch auch nur darauf warteten, endlich wieder von hier fortzukommen, um gemeinsam in einem ihrer Häuser feiern zu können. An Weihnachten konnten sie alles vergessen, dann durften sie alleine sein, weil das Kapitol einmal etwas anderes zu tun hatte, als über seine Schäfchen zu wachen. Für die ehemaligen Tribute und jetzigen Sieger war es die Zeit des Vergessens, in der die Wunden langsam, sehr langsam heilten. Mit jedem Winter verging ein Jahr, dass die Erinnerungen langsam verblassen ließ und dafür wunderbare, neue Momente brachte, die die alten, ungeliebten Gedanken an alte Tage verschwinden ließen. So dachte ein jeder an das, was ihm von Bedeutung war, während ihnen zugejubelt wurde unter dem Fall des künstlichen Schnees.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)