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Wintersterne

Ein Panem Adventskalender
von

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Winterkälte


 

9. Dezember – Winterkälte
 

Delly Cartwright
 

Beetee
 

Alma Coin
 

*
 

„Oh, bitte, bitte!“

Laut hallte Delly Cartwrights Stimme durch die unterirdischen Höhlen von Distrikt dreizehn. Einige der Soldaten, die gerade durch den Verbindungstunnel zwischen den Waffenkammern liefen blickten sich verwundert um.

„Bitte, bitte!“

Seufzend lehnte Beete, seines Zeichens Erfinder, sich in seinem Bürostuhl zurück und musterte Delly Cartwright, die lautstarke Bittstellerin, welche mit überkreuzten Beinen auf einem der Arbeitstische hockte und ihn fast schon flehend ansah, ihre blonden Haare zwischen den Fingern zwirbelnd.

„Bitte, Beetee!“, versuchte sie es noch ein weiteres Mal, doch der etwas betagtere Erfinder schüttelte nur stumm den Kopf.

„Delly, nein, dafür werde ich nicht meinen Kopf hinhalten.“

Vorsichtig nahm er einen der Bohrer in die Hand und befestigte die letzten Schrauben an seiner neuesten Erfindung, während Delly ihm mit einer Flunsch zuschaute.

„Bin ich denn die einzige, der etwas daran liegt?“

Neuerlich seufzend legte der Erfinder sein Werkzeug wieder bei Seite und drehte seinen Stuhl in Richtung des blondhaarigen Mädchens, das jetzt gelangweilt ihre Zopfspitze zwischen den Fingern drehte.

„Delly, wie ich bereits sagte“, hob Beetee an, doch er konnte den Satz nicht mehr vollenden, denn das junge Mädchen hob bereits abwehrend die Hände und rief aus:

„Dann nicht Beetee. Geh ich jemand anderen fragen.“

Mit diesen Worten rutschte sie von der Arbeitsfläche und schnitt ihm eine Grimasse. Angestrengt fuhr Beetee sich mit den Fingern über die Stirn.

„Ich glaube du unterschätzt sie einfach…“

Empört stemmte Delly die Hände in die Hüften.

„Hast du etwa Angst vor ihr?“

Ein etwas höhnisches Lachen erklang aus ihrem Mund.

„Sie ist doch eine von uns“, fuhr sie fort, „also warum? Du hast mal die Spiele gewonnen!“

Unglücklich stützte Beetee seinen Kopf auf den Arm, ehe er sanfter entgegnete:

„Delly, sie ist die Anführerin.“

Wie ein kleines Mädchen schob Delly die Unterlippe vor, dann kehrte das Funkeln in ihre Augen zurück, das der Rebell bereits so gut kannte. Er schätzte Delly deswegen sogar sehr – sie hatte keine Angst und war experimentierfreudig, neben Gale genau die Richtige als Assistentin für sein neues Labor, doch in genau diesem Moment war sie kurz davor, ihm die Nerven zu rauben. Alles nur wegen diesem einen Fest. Wenn Delly nicht gewesen wäre, dann würde sich wohl kaum einer auch nur erinnern.

„Es ist Weihnachten, Beetee! Wir können doch nicht immer nur so weiter machen. Wenn wir eine Hochzeit feiern können, dann können wir auch Weihnachten feiern.“

Entschlossen nickte sie und stellte sich vor ihn.

„Also, kann ich auf deine Unterstützung zählen?“

Den Kopf schüttelnd gab Beetee schließlich doch noch klein bei und sagte:

„Worauf lasse ich mich da nur ein?“

Doch Delly lächelte nur gewinnend und setzte sich zurück auf die Arbeitsfläche, während der Erfinder ihr Gehör schenkte.

„Ich habe gedacht, wir könnten sie stimmungsmäßig ein wenig darauf vorbereiten… du weißt schon! Hier einen Tannenzweig hinstellen, ein paar Kugeln…“

Zufrieden lächelte das etwas pummelige Mädchen, welches fast schon eine Frau war, doch aufgrund ihrer kindlichen Begeisterung mitunter weniger wie eine solche vorkam.

Mit glänzenden Augen blickte sie gen Decke, während sie etwas von weihnachtlicher Dekoration faselte, die sie in Distrikt dreizehn zu verbreiten plante. Es war tatsächlich schon wieder Winter und der Schnee fiel über das ganze Land, auch das Kapitol blieb nicht von den unmenschlichen Schneemassen verschont. Allerdings merkte man hier, unter der Erde, kaum etwas von diesen Launen des Wetters. Doch seit Delly bei ihrem wöchentlichen Freigang all den Schnee gesehen hatte, war sie kaum mehr aufzuhalten. Sie hatte sich bereits dadurch auffällig gemacht, gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder singend durch den Distrikt zu ziehen.

Träumerisch legte sie ihren Kopf in den Nacken und stellte sich vor, wie es wäre, wenn der gesamte Distrikt schön geschmückt wäre. Zuhause war es um die Weihnachtszeit immer so heimelig gewesen, mit einem Adventskranz und Tannenbaum… Sie vermisste all dies bitterlich, vor allem, weil man hier unten nicht einmal den Schnee sehen konnte, der doch eigentlich das Schönste am Winter war. Vielleicht wäre sie selbst noch damit klargekommen, doch sie merkte, wie sehr ihr kleiner Bruder Ryan das alles vermisste. Er war noch kleiner und konnte sich nicht einmal richtig vorstellen, dass es jetzt nur noch Delly und ihn gab.

Bei dem Gedanken an ihren Bruder musste Delly seufzend, dann jedoch schüttelte sie den Gedanken ab und lehnte sich wieder zu Beetee.

„Wie wäre es, wenn wir in jeden Durchgang ein paar Tannenzweige hängen, vielleicht ein oder zwei Kugeln und eventuell einen Mistelzweig? Dann würden wir uns alle sicher wohler fühlen… Man könnte an Weihnachten auch ein großes Weihnachtsessen in der Kantine machen!“

Begeistert röteten sich Dellys Wangen bei dem Gedanken daran. Beetee lächelte sie amüsiert an und erklärte:

„Ich werde mit Coin sprechen, aber ich werde dir nichts versprechen, okay?“

„Kann ich nicht einfach mitkommen?“, maulte sie ein wenig, doch er schüttelte nur den Kopf.

„Ich glaube nicht, dass das so eine gute Idee wäre“, murmelte er vor sich hin.
 

~
 

Nur wenig später war es so weit und die nächste Versammlung in Alma Coins Hauptquartier wurde einberufen. Beetee hatte sich vorgenommen, dass er Dellys Bitte erst  zu allerletzt vortragen würde, denn er hatte es schon fast im Gefühl, dass Coin dieser Plan nicht zu sagen würde. Es war nicht, dass er es Delly nicht gönnen würde, doch Coin war hart wie Eisen und zudem wollte Beetee es nicht vor der versammelten Mannschaft äußern.

So saß er also fast die gesamte Versammlung über still in seinem Sitz und sichtete das neueste Material für einen von Katniss Propos. Überall im Hintergrund wirbelte Schnee umher und doch strahlte alles eine düstere Atmosphäre aus. Wehmütig musterte Beetee die Aufzeichnungen des wirbelnden Schnees. Wiress hatte Schnee gemocht, genauso wie Weihnachten. Wenn es doch nur einen Nutzen für Coin gäbe, dann wäre nicht viel gegen das Fest einzuwenden.

Stumm wartete er, bis die Versammlung aufgelöst wurde und die meisten der Rebellen wieder ihrer Wege gingen, ehe er an die ältere Anführerin herantrat, deren kurze, kinnlange Haare eisig grau waren und die in militärischer Uniform steckte, selbst jetzt, während vorübergehende Stille zwischen Kapitol und Rebellen herrschte.

„Coin?“, wagte er es vorsichtig, sie anzusprechen.

Mit hochgezogenen Augenbrauen wand sie sich ihm zu.

„Ja, Beetee? Nennenswerte Neuerungen?“

Er schluckte. Wie immer wollte sie etwas von Fortschritt hören, doch heute musste er sie enttäuschen.

„Das auch, wie immer, aber ich habe ein anderes Anliegen. Einer der Bürger dieses Distriktes ist mit einem Wunsch an mich herangetreten… dem gegenüber ich nicht abgeneigt bin“, gestand er sich ein.

Falls das möglich war, so zog Coin ihre Augenbrauen noch höher.

„Ist das so?“

„Es geht darum, dass bald Weihnachten ist. Einige unter uns vermissen das Fest und würden sich freuen, wenn wir für einen Moment uns ein wenig besinnen könnten.“

Unverwandt blickte Coin ihn einige Sekunden lang an, dann schüttelte sie den Kopf.

„Wir haben keine Zeit für Rührseligkeiten! Beetee, mein Lieber, dies ist ein Krieg!“, zischte sie, „ein Krieg der gewonnen werden will!“

Einen letzten Versuch jedoch wagte der Erfinder noch:

„Nun, wir müssen es ja nicht direkt feiern, aber gegen einige geringe Dekorationen sollte doch nichts einzuwenden sein?“
 

~
 

Es war noch nicht einmal eine ganze Woche vergangen, als Delly bereits wieder in Beetees Büro erschien, im Arm einen großen Karton, dessen Inhalt dem Erfinder unbekannt war.

Ächzend stellte das Mädchen ihn auf einem der Tische ab und trat an seine Seite, neugierig den Dreizack auf seinem Tisch musternd.

„Wow, ganz schön heftiges Teil“, sagte sie anerkennend.

„Aber das ist nicht der Grund, warum ich hier bin! Also, was sagt Coin?“

Neugierig blickte sie ihn an, schon wieder diesen Glanz in den Augen. Abwehrend hob Beete die Hände ehe er entgegnete:

„Delly, freu dich nicht zu früh. Es wird kein Weihnachtsfest geben und es wird auch niemanden geben, der den Distrikt schmückt.“

Die großen, braunen Augen ihres Funkelns beraubt, blickte Delly ihn an, dann ließ sie sich niedergeschlagen auf einen Stuhl sinken.

„Wieso?“, fragte sie leise, „ich würde sogar alles selber machen…“

Ungelenk umarmte Beetee das Mädchen und strich ihr über den Rücken.

„Du kennst doch Coin. Sie sieht es nicht ein, Arbeiter zu Dekorationszwecken abzustellen.“

Delly in seinen Armen versteifte sich plötzlich.

„Sie hat nicht gesagt, dass sie gegen Dekoration an sich ist?“

Zögerlich ließ Beetee seine Arme sinken und schüttelte den Kopf.

Energisch packte Delly den Karton, hob den Deckel ab und zeigte ihm all die bunten, selbstgebastelten Papiersterne und Kugeln, die sie augenscheinlich selbst gebastelt haben musste.

„Ich kann den Distrikt auch alleine schmücken!“

Das Funkeln war bereits in ihre Augen zurückgekehrt, als sie fragte:

„Beetee, magst du mir vielleicht helfen? Ich brauche noch jemanden, der Lichterketten baut… Falls du das machen könntest…“

Fast ein wenig schüchtern lächelte Delly ihn an.

Wieder einmal seufzend lehnte Beetee, seines Zeichens Erfinder, sich in seinem Stuhl zurück.
 

~
 

„Komm endlich, Ryan! Wir verpassen sonst die anderen!“, hallte Delly Cartwrights Stimme am Weihnachtsabend durch die unterirdischen Gänge von Distrikt dreizehn. Der normalen, gräulichen Einheitskleidung des Distrikts entledigt stand sie im Gang vor ihrem Wohnraum, ein altes Kleid von Cinna, Katniss Stylisten am Leibe, das ihr doch etwas zu eng war und wartete auf ihren kleinen Bruder, der sich ihrer Meinung nach viel zu viel Zeit ließ.

Glücklich lächelte sie vor sich hin, während im Hintergrund rote und goldene Kugeln im Dämmerlicht einer schlichten Lichterkette glänzten und frische Tannenzweige aus dem Wald dem ganzen einen Rahmen gaben.

Jeder hatte mitgeholfen, den Distrikt ein wenig zu verschönern, ein jeder auf seine Art, und das alles war Dellys Werk, da hatte sie es sich nur verdient, zu einem Weihnachtsessen zu gehen, dass ebenfalls alle Rebellen gemeinsam aufgebaut hatten.

Delly hatte es im Gefühl, dass heute ein ganz friedlicher Abend werden würde.

Alma Coin dagegen, die strenge Anführerin des Distrikts, ahnte noch gar nichts von der sich anbahnenden Festivität, denn sie stand draußen in der Kälte, Schnee in den Haaren und schaute in Richtung des nicht allzu weit entfernten Kapitols.

Nur heute gestand sie es sich zu, ein wenig sentimental zu werden und all jene zu denken, die heute nicht dabei sein konnten.

„Mrs. Coin?“

Ein pflichtbewusster Soldat war hinter ihr erschienen und mit einem Seufzen folgte die ältere Dame ihrer Leibgarde wieder hinunter, zurück nach Distrikt dreizehn.

Doch anstelle in einem fast leeren Essenssaal anzukommen öffneten sich die Türen des Fahrstuhls und gaben den Blick frei auf eine unglaubliche Ansammlung an Menschen, die unter dem Schein eines großen Weihnachtsbaumes beieinander saßen.

„Wir haben nur auf sie gewartet, Mrs. Coin“, begrüßte einer der Soldaten sie, „dass hier ist unsere Weihnachtsfeier, die wir für alle hier organisiert haben, weil…“

„Weil sie den Zusammenhalt stärken wollten“, beendete Coin seinen Satz, wohl wissend, dass er keinen vernünftigen, strategisch wichtigen Grund vorzubringen gehabt hatte.

„Genießen sie das Fest“, sagte sie zu ihrer Leibgarde und beobachtete das Treiben um sie herum. Mitunter schafften es die vielfältigen Leute hier es doch wieder, sie zu überraschen, und das auch noch angenehm. Es konnte nur ein Schatten sein, doch für einen Moment sah es so aus, als würde Alma Coin lächeln.



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