Zuckerschnecke von Niekas ================================================================================ Kapitel 1: Neun von zehn Stimmen in meinem Kopf sagen, ich bin nicht verrückt ----------------------------------------------------------------------------- Tür zu Matthews Erinnerungen Matthews Kopf dröhnte, er konnte nichts sehen, er fror, und irgendetwas Hartes drückte sich in seinen Bauch. Es war nicht die schönste Art, aufzuwachen. Besonders nicht dann, wenn man eigentlich nur einige Weihnachtseinkäufe hatte erledigen wollen und keinen blassen Schimmer hatte, wieso man dabei eingeschlafen war. Stöhnend öffnete er die Augen, musste allerdings feststellen, dass er auch so nicht mehr sah als zuvor. Es war stockdunkel um ihn herum. Seine Brille war allerdings noch da, wie er feststellte, als er nach seinem Gesicht tastete. Zwar nützte sie ihm im Dunkeln wenig, aber sie beruhigte ihn. Zumindest schien er nicht niedergeschlagen und entführt worden zu sein, was nur eine gute Nachricht sein konnte. Er setzte sich auf und tastete nach dem Ding, auf dem er lag. Es war lang, hart und knickte an einem Ende ab – der Form nach war es wahrscheinlich ein Hockeyschläger. Aber wie zum Teufel kam der hierher? „Hallo?“, rief er in die Stille, doch seine Stimme versagte vor Unsicherheit. Sollte er überhaupt rufen oder sich besser unauffällig verhalten, solange er nicht wusste, wo er war? Hoffentlich befand er sich noch immer im Kaufhaus – zwar konnte er sich die Dunkelheit in diesem Fall nicht erklären, aber wenigstens wusste er, wie er wieder nach Hause kam. Eigentlich hatte er nicht mit einer Antwort gerechnet und fuhr dementsprechend heftig zusammen, als er eine bekam. „Auch hallo. Schön, dass du wach bist.“ Zitternd sah Matthew sich um, doch durch die Dunkelheit war selbstverständlich niemand zu sehen. Er konnte nicht einmal sagen, aus welcher Richtung die Stimme gekommen war. Sie hatte rau und leicht genervt geklungen, und er war sich sicher, sie noch nie gehört zu haben. „Wer... wer bist du?“ Einen Moment lang geschah nichts, und Matthew fürchtete schon, sich alles eingebildet zu haben. Dann sprach die Stimme erneut. „Ich bin Matt.“ „Matt? Das ist witzig. Ich heiße Matthew.“ „Das ist mir schon klar, Matthew“, erwiderte Matt ungeduldig. „Aber was ich mich frage, ist, was wir zwei hier machen.“ „Das weiß ich auch nicht.“ Matthew war zu verwirrt, um sich auch nur zu fragen, woher sein Gesprächspartner seinen Namen kannte. „Ich kann mich nur noch erinnern, dass ich einkaufen wollte, und...“ „...weil du drei Tage vor Weihnachten noch immer kein Geschenk für deinen Bruder Alfred hast, geschweige denn einen Schimmer, was du ihm schenken könntest. Also hast du deinen seltsamen Eisbär-Freund zu Hause vergessen...“ „Kumakichi!“, rief Matthew erschrocken. „...bist in die Stadt gefahren und hast dich in diesem Kaufhaus ins Gedränge gestürzt. Du kannst dich aber nicht mehr erinnern, wo du gewesen bist, als deine Erinnerungen plötzlich abgerissen sind. Und jetzt befindest du dich irgendwo im Dunkeln, völlig allein – und alles, was du hast, sind ein Hockeyschläger und eine seltsame Stimme in deinem Kopf.“ „Woher...“, begann Matthew und brach ab. Sein Herz begann zu rasen. „Ja, Kleiner, du hast eine Stimme in deinem Kopf. Ich bin Matt. Freut mich, dich kennen zu lernen.“ Er bemerkte nicht einmal, wie er zu Boden sackte. Als er zu sich kam, redete Matt schon wieder (oder immer noch?). „...keine Ursache und alles. Nicht, dass ich mehr über diese Sache wüsste als du. Ich würde sagen, wir zwei tun uns einfach zusammen und versuchen, zu ergründen, was passiert ist.“ „Du bist eine Stimme in meinem Kopf“, jammerte Matthew, „und du schlägst vor, wir könnten uns zusammentun?“ „Hey, mach doch nicht so ein Drama daraus! Ich kenne viele Leute, die Selbstgespräche führen.“ „Aber ich nicht! Ich habe noch nie Selbstgespräche geführt!“ „Du unterhältst dich regelmäßig mit einem Eisbär, also reg dich ab...“ „Kumakuma ist ein sprechender Eisbär, also zählt es nicht als Selbstgespräch. Und überhaupt, woher weißt du das alles?“ „Ich bin in deinem Kopf, schon vergessen? Ich weiß alles, was du weißt.“ Matthew presste die Lippen zusammen. „Und um ehrlich zu sein, ist das eine völlig neue Erfahrung für mich. Ich war noch nie die Stimme in jemandes Kopf. Also schlage ich vor, bevor mir langweilig wird und ich anfange, in den verstaubteren Ecken deiner Erinnerungen herumzustöbern, rein aus Neugier...“ „Also gut!“, sagte Matthew hastig und stand auf. Seine Beine waren steif und seine Knie zitterten. Nach einem kurzen Zögern bückte sich, hob den Hockeyschläger auf und stützte sich darauf. „Versuchen wir, herauszufinden, was hier vorgeht. Ich frage mich zum Beispiel, warum und wie lange ich bewusstlos war, ob ich immer noch im Kaufhaus bin, und wenn ja, wohin all die Leute in der Zwischenzeit verschwunden sind. Aber zuerst wäre es sicher klug, herauszufinden, wieso das Licht aus ist, und es wieder anzuschalten... wenn wir das schaffen.“ „Gute Idee“, sagte Matt und klang zum ersten Mal beinahe zufrieden. „Du beginnst, mir zu gefallen, Kleiner.“ Kapitel 2: Unpassender Zeitpunkt? Kann man das essen? ----------------------------------------------------- Tür zur Kleiderabteilung „Also... wer bist du, Matt?“ „Was meinst du?“ „Ich dachte nur“, sagte Matthew unsicher, während er einen Schritt nach dem anderen machte und einen Arm nach vorn ausstreckte, um nicht vor eine Wand zu laufen. „Du hast gesagt, du wärst zum ersten Mal eine Stimme in einem Kopf. Also dachte ich, du musst ja davor irgendetwas anderes...“ Er brach erschrocken ab, als seine Hand im Dunkeln etwas berührte. Hastig tastete er den Widerstand ab und bemerkte, dass es wohl eine Wand sein musste. „Super. Jetzt müssen wir nur noch daran entlang gehen, bis wir die Tür finden.“ „Ich versuche es“, murmelte Matthew und wandte sich nach links, eine Hand weiter an der Wand. Eine Weile lang setzte er vorsichtig einen Fuß vor den anderen, bis er ins Leere griff. „Hier ist eine Öffnung!“ „Bleib an der Wand.“ Matthew gehorchte, wandte sich zur Seite und tastete sich weiter an der Wand entlang. Kaum hatte er das, was vermutlich ein Türbogen war, durchquert, berührten seine Finger im nächsten Raum etwas Glattes. „Hier ist etwas!“ „Ein Lichtschalter?“ „Ich weiß es nicht.“ „Hör mal, Schätzelein, das lässt sich ganz einfach überprüfen: Drück drauf. Wenn uns die ganze Scheiße um die Ohren fliegt, war es nicht der Lichtschalter.“ „Ich denke eher, dass es einen Stromausfall gab“, sagte Matthew, leicht eingeschnappt, weil Matt ihn behandelte, als wäre er blöd. „In dem Fall nützt es sowieso nichts, wenn...“ Er drückte auf den Schalter. Einen Moment lang passierte nichts, dann hörten sie ein leises Summen und Lampen unter der Decke flammten auf. Sie waren so hell, dass Matthew die Augen schließen musste. „Es hat funktioniert!“ „Offensichtlich.“ Langsam öffnete Matthew die Augen wieder und versuchte, sich zu orientieren. Sie befanden sich offenbar noch immer im Kaufhaus, und zwar in einer Abteilung für Damenbekleidung. Die Kleiderständer waren teilweise durcheinander gebracht, wirkten aber gespenstisch verlassen, da weder Kunden noch Verkäuferinnen zu sehen waren. Einige Meter weiter befand sich eine Rolltreppe, die still stand. „Wollen wir hoch?“ „Warte“, sagte Matthew und starrte zu einem Ständer mit Kleidern hinüber. „Ich glaube... da drüben hat sich gerade etwas bewegt.“ „Was? Ich sehe nichts.“ Unsicher schlich Matthew einige Schritte weiter und rang nach Luft, als er eine junge Frau erkannte, die einen Kleiderbügel in der Hand hielt. Sie sah sich um, offenbar irritiert von der plötzlichen Helligkeit. „Das ist Natalia!“ „Wer?“ „Natalia. Sie ist Ivans Schwester.“ Matt schwieg einen Moment. „Ach, die“, sagte er dann und klang aus irgendeinem Grund verächtlich. „Ihretwegen hat doch der ganze Schlamassel angefangen.“ „Von welchem Schlamassel sprichst du?“ „Sie hat kurz vor Weihnachten Panik bekommen, weil sie meinte, sie hätte Angst vor dem Weihnachtsmann.“ „Sie hätte was?“, fragte Matthew fassungslos. „Natalia?“ „Na, dieses Mädchen da vorne. Obwohl sie schon ein bisschen verändert aussieht, muss ich sagen...“ „Du musst sie verwechseln.“ Matthew lachte etwas schrill. „Ausgerechnet Natalia würde doch niemals...“ „Was würde ich nicht?“ Er fuhr zusammen. Natalia stand vor ihm, ein Kleid über den Arm gehängt, und betrachtete ihn mit leicht gerunzelter Stirn. „Ich...“, begann Matthew und spürte, wie er rot wurde. „Mit wem hast du gesprochen?“ „M-mit niemandem! Ich habe... du muss dich verhört haben! Hier ist doch niemand außer uns! Mit wem hätte ich also reden sollen?“ Er lachte nervös. Natalia legte den Kopf schief. „Du hast recht“, sagte sie langsam. „Aus irgendeinem Grund ist niemand hier. Hast du eine Ahnung, wieso?“ „Nein. Ich bin einfach aufgewacht, und...“ „Ich war nur kurz in der Umkleide, um ein Kleid anzuprobieren. Vanya hat mich zu Weihnachten eingeladen, und ich brauche dringend etwas zum Anziehen, du verstehst? Aber dann ist plötzlich das Licht ausgegangen, und als ich herauskam, war niemand mehr da. Alles menschenleer.“ „Wie hast du bemerkt, dass niemand da war? Es war doch alles dunkel.“ „Ich habe eine Taschenlampe.“ Natalia streckte die Hand aus und zeigte Matthew eine kleine Taschenlampe, nicht größer als ein Stift. „Immer nützlich, so etwas dabei zu haben.“ Matthew riss die Augen auf. „Willst du sie haben?“, fragte Natalia und sah sich um. „Hier ist ja jetzt wieder Licht. Ich werde noch ein bisschen stöbern, solange mich niemand stört.“ „Hältst du das nicht für einen etwas unpassenden Zeitpunkt, um shoppen zu gehen?“, rutschte es Matthew heraus. Natalia zog eine Augenbraue hoch. „Im Gegenteil. Ich bin völlig ungestört und habe jede Menge Zeit. Die optimale Gelegenheit, das optimale Kleid zu finden, glaubst du nicht?“ „Nun, wenn man... es so sieht...“ „Willst du die Taschenlampe nun oder nicht?“ „Ja, sehr gerne!“ „Bitte schön“, sagte sie knapp und drückte ihm die Lampe in die Hand. „Ich bin dann wieder weg.“ „Aber wenn keine Verkäuferinnen da sind“, sagte Matthew zaghaft, „wie willst du dann einkaufen?“ Sie warf ihm einen scharfen Blick zu. „Wenn niemand hier ist, der Anspruch auf all diese Klamotten erhebt, sind sie wohl Allgemeingut. Oder was meinst du?“ Er wagte es nicht, zu widersprechen. „Das... kann man natürlich so sehen. Ich werde mich dann auf den Weg machen.“ Natalia nickte, ließ ihn aber nicht aus den Augen. Matthew schluckte und begann, sich zu entfernen. Ihm war nicht wohl dabei, ihr den Rücken zuzudrehen. Sie war einfach zu gruslig. „Du!“, rief sie ihm nach, kaum hatte er einige Schritte gemacht. „Warum kennt sie deinen Namen nicht?“, knurrte Matt. Matthew versuchte, ihn zu ignorieren, und sah sich noch einmal um. „Ja?“ „Warum hast du einen Hockeyschläger dabei?“ Verblüfft betrachtete Matthew den Schläger in seiner Hand. „Das... ach, das ist... einfach so!“ Er lachte. Natalia zog die Augenbrauen hoch, sagte aber nichts mehr, sondern wandte sich einem Ständer mit Röcken zu. Der Schläger war sperrig und schwer, dachte Matthew, als er sich zum Gehen wandte. Vielleicht sollte er ihn besser zurücklassen. „Auf gar keinen Fall! Hockeyschläger geben ausgezeichnete Waffen ab. Und du solltest nichts wegwerfen, was du vielleicht gebrauchen könntest.“ „Die Taschenlampe scheint mir aber wesentlich sinnvoller als der Schläger zu sein“, maulte Matthew. „Und könntest du nicht aufhören, ständig meine Gedanken zu lesen? Es verwirrt mich, wenn du auf Fragen antwortest, die ich gar nicht gestellt habe.“ „Du bist hier derjenige mit einer Stimme in seinem Kopf. Das ist nicht meine Schuld, klar? Also hör auf meinen Rat, behalte den Schläger und geh weiter. Pass nur auf – wenn du gleich beginnst, gruslige Geräusche zu hören und überall verstreute Batterien für die Taschenlampe aufzusammeln, befindest du dich vermutlich in so einem verfluchten First-Person-Horror-Videospiel.“ „Einem was?!“ „War nur ein Witz. Meine Güte, du bist so leicht zu verschrecken, dass es beinahe niedlich ist.“ Matthew wurde rot. „Also dann!“, sagte er und knipste die Taschenlampe probeweise an und wieder aus. „Gehen wir?“ „Gehen wir.“ „Wohin?“ „Solange keiner von uns eine bessere Idee hat – nein, hier bleiben und mit der Taschenlampe SOS blinken ist keine bessere Idee...“ „Das habe ich gar nicht gedacht!“ „...einfach immer dem Näschen nach. Wie wäre es zum Beispiel, wenn du die Rolltreppe nach oben gehst?“ „Also gut“, seufzte Matthew und dachte daran, dass er noch vor wenigen Stunden geglaubt hatte, er würde seinen Nachmittag mit einem hektischen und ermüdenden, aber ganz normalen Weihnachtseinkauf verbringen, um danach nach Hause zu gehen und am Kamin eine Tasse Tee zu trinken. „Manchmal ist das Leben ein Arschloch“, stimmte Matt ihm zu. Kapitel 3: Geht's auch noch mal raus hier? ------------------------------------------ Noch eine Tür in der Klamottenabteilung Es war ein seltsames Gefühl, eine stillstehende Rolltreppe hinauf zu steigen – Matthew hatte mehr denn je das Gefühl, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, ohne, dass es seine Schuld war. Zu seinem Bedauern gelang es ihm nicht, im höheren Stockwerk ebenfalls einen Lichtschalter zu finden. Kaum hatte er Natalia und den nun beleuchteten Raum hinter (oder unter) sich gelassen, hatte er die soeben erhaltene Taschenlampe bitter nötig. Ein bisschen unwohl war ihm schon, als er den dünnen Lichtstrahl zögerlich über den Boden wandern ließ. Wann immer ein Hindernis ans Licht kam, zuckte er zusammen – dabei war es immer nur ein Ständer mit Hüten oder eine Zwischenwand mit Kleiderhaken. „Wovor hast du Angst, Kleiner? Es ist gar nicht so einsam, wie ich zuerst dachte. Vielleicht laufen hier ja noch mehr drollige Kollegen von dir herum, sodass... hey! Was ist zum Beispiel mit dem da vorne?“ Einige Meter vor ihnen leuchtete ein trübes, grünes Licht, das vermutlich einen Notausgang kennzeichnete. Vor dem Licht sah Matthew im Bruchteil einer Sekunde eine Gestalt vorbei huschen. Sie schien es eilig zu haben, denn sie verschwand sofort wieder im Dunkeln. Die stabile Statur, der selbstsichere Gang und die bizarr abstehende Haarsträhne in den Stirn kamen Matthew nur allzu bekannt vor. War das etwa Alfred? „Frag mich nicht“, knurrte Matt. „Ich kenne keinen Alfred. Glaube ich. Das heißt, vielleicht kenne ich ihn, aber ich kann mir scheiße-schlecht Namen merken, von daher...“ „Ich glaube, es war Alfred.“ Matthew biss sich auf die Lippe. Er versuchte, mit der Taschenlampe die Dunkelheit zu durchdringen, aber der schwache Strahl reichte nicht weit genug. „Du meinst, du hast ihn in dieser Dunkelheit erkannt?“ „Ich weiß es nicht. Vielleicht habe ich eher... gespürt, dass er es war. Aber vielleicht auch nicht.“ „Kannst du dich mal entscheiden? Das ist ja furchtbar mit dir!“ Matthew wurde rot. „Ich habe dich nicht gebeten, in meinen Gedanken aufzutauchen! Wenn ich dir zu anstrengend bin, such dir gefälligst jemand anderen!“ „Hallo?“ Er fuhr zusammen und umklammerte die Taschenlampe. „Ist da jemand?“, rief eine Stimme, die Matthew zu kennen glaubte. Er hörte, wie sich Schritte näherten, und überlegte, ob er das Licht besser ausschalten sollte. „Bringt jetzt auch nichts mehr. Sie kommen hier herüber.“ „Sie?“ „Das sind zwei Paar Schritte.“ „Bela?“, rief eine andere Stimme als die erste, weich und zittrig. „Bist du das?“ Bevor Matthew noch etwas sagen konnte, traten zwei Gestalten in das Licht der Lampe. Ivan blinzelte und hob die Hand vor die Augen. Mit der anderen hielt er die von Yekaterina fest, die noch verstörter wirkte als er. „Wer bist du? Würdest du mir bitte nicht direkt ins Gesicht leuchten? Das ist unhöflich.“ „Verzeihung!“, sagte Matthew hastig und senkte die Taschenlampe auf den Boden. Sich mit Ivan anzulegen, war sicher eine schlechte Idee. „Wie nett, dich hier zu treffen.“ Ivan lächelte ihn an. Vermutlich erinnerte er sich nicht an Matthews Namen, war aber höflich genug, um es sich nicht anmerken zu lassen. „Und wie gut, dass du Licht hast. Wir haben uns bei diesem Stromausfall ganz schön erschreckt, nicht wahr, Katyusha?“ „Wo ist Bela?“, fragte Yekaterina, die Matthew mit großen Augen ansah. „Sie war ein Stück von uns entfernt, als plötzlich das Licht ausgegangen ist, und nun können wir sie nicht mehr finden!“ „Ich habe sie gesehen.“ Matthew lächelte schief und deutete auf die Rolltreppe. „Sie ist unten und sucht ganz gelassen nach Kleidern. Es geht ihr ausgezeichnet.“ „Wirklich? Gott sei Dank!“ „Siehst du, Katyusha“, sagte Ivan und lächelte. „Habe ich dir nicht gesagt, Bela kann schon auf sich selbst aufpassen?“ „Seit wann hat er denn diese Einstellung?“, fragte Matt, der gelinde amüsiert klang. „Welche Einstellung?“, flüsterte Matthew. „Dass diese Natalia auf sich selbst aufpassen könnte. Er weiß doch, dass sie eine totale Heulsuse ist!“ „Ich habe dir doch schon gesagt, du musst da irgendetwas verwechseln. Natalia ist ganz sicher keine Heulsuse.“ „Aber sie war es doch, die Angst vor dem Weihnachtsmann hatte. Und daraufhin hat er hier... Ivan, ja? Daraufhin hat er einen Plan entwickelt, wie man den alten Mann zur Strecke bringen könnte. Du weißt schon, äußerlich markiert er immer den Dicken, aber in Wahrheit könnte er keiner Fliege etwas zu Leide tun...“ „Irgendetwas wirfst du hier gehörig durcheinander, Matt. Ich weiß wirklich nicht, was...“ Ein ohrenbetäubendes Krachen unterbrach ihn. Yekaterina kreischte auf und klammerte sich an Ivans Arm. „Was war das? Was ist passiert?“ „Ich weiß es nicht, Katyusha. Sicher hat nur jemand ihm Dunkeln etwas umgestoßen, oder...“ „Wo ist Bela? Geht es ihr gut?“ „Natürlich geht es ihr gut“, sagte Matthew. „Sie ist doch unten. Der Lärm kam aus einer ganz anderen Richtung, nämlich aus der, in der...“ Er brach ab. „Aus der Richtung, in die Alfred verschwunden ist. Oder derjenige, von dem du glaubst, er könnte vielleicht Alfred sein.“ „Wir müssen nach Bela sehen!“, rief Yekaterina und zerrte an Ivans Arm. „Wir müssen wissen, ob es ihr gut geht!“ „Das müssen wir“, stimmte Ivan zu. Er war ziemlich blass, wie Matthew feststellte. „Du hast gesagt, die Treppe hinunter?“ „Ja. Aber...“ Ohne ihn ausreden zu lassen, packte Ivan Yekaterinas Hand fester und zog sie mit sich zur Treppe. Verwirrt blieb Matthew stehen, die Taschenlampe in der Hand. Wenigstens konnten die beiden im Hellen suchen, dachte er. „Du machst dir vielleicht Gedanken! Willst du nicht nachsehen, was passiert ist?“ „Wieso?“, fragte Matthew schrill. „Weil Alfred etwas passiert sein könnte! Ich merke doch, dass dir mehr an ihm liegt, als du zugeben möchtest.“ „Aber...“ „Kein aber!“, sagte Matt schroff. „Du hast eine Taschenlampe und einen Hockeyschläger, das sind optimale Voraussetzungen! Und jetzt auf!“ Widerwillig setzte Matthew sich in Bewegung. „Ich weiß nicht, ob ich diese Voraussetzungen als optimal bezeichnen würde. Ich meine, ich bin allein, habe keinen Schimmer, was hier los ist, und dunkel ist es auch...“ „Vertraust du meiner Einschätzung etwa nicht?“ „Wie sollte ich denn? Deine Einschätzungen von allen, denen wir bisher begegnet sind, haben kolossal daneben gelegen.“ „Wieso? Ich habe gesagt, Ivan wird auf Natalia aufpassen. Was ist passiert?“ Matthew seufzte. „Also gut. Für dieses Mal hast du gewonnen.“ Kapitel 4: Nur einen Katzenwurf entfernt ---------------------------------------- Tür zur Zooabteilung „Alfred scheint durch diese Tür gegangen zu sein“, murmelte Matthew, spähte um die Ecke und ließ den Strahl der Taschenlampe hin und her schweifen. „Wir sind wohl wieder auf dem Gang.“ „Ja? Gut. Ich hatte schon befürchtet, in diesem Kaufhaus gäbe es ausschließlich Klamotten.“ „Ich weiß aber nicht, was für ein Geschäft jetzt kommt“, sagte Matthew und machte vorsichtig einen Schritt vorwärts. „Und außerdem, wenn es mehrere Abzweigungen gibt, woher sollen wir wissen, wohin...“ Plötzlich leuchtete neben ihm ein Licht auf, so hell, dass er geblendet wurde. Erschrocken kniff er die Augen zu. „H-hallo! Wer ist da?“ Niemand antwortete – niemand bis auf Matt. „Das ist ein Spiegel, du Vollpfosten. Nichts weiter.“ „Bist du dir sicher?“ „Geh ein Stück näher und sieh es dir an.“ Unsicher schlich Matthew näher und atmete auf, als er bemerkte, dass Matt Recht hatte. Die zweite Lichtquelle bewegte sich genau wie seine eigene. Er machte einige letzte Schritte auf die spiegelnde Oberfläche zu und bemerkte, dass es sich um ein Schaufenster handelte. Dahinter war im Dunkeln nichts zu erkennen, doch aus der Scheibe heraus starrte er sich selbst ins Gesicht. „Hey“, sagte Matt überrascht. „Das bist du?“ „Natürlich bin ich das. Wer denn sonst?“ „Man wird ja wohl fragen dürfen! Woher soll ich wissen, wie du aussiehst?“ Matthew blinzelte einige Male. „Ich weiß es immerhin. Hast du nicht gesagt, du wüsstest alles, was ich auch weiß?“ „Schon... aber bisher hatte ich noch nicht genug Zeit, deine persönlichen Erinnerungen komplett zu durchforsten.“ „Von mir aus darfst du das auch gerne sein lassen. Die Sache ist mir nämlich ein wenig...“ „Du bist ja glatt niedlich.“ „W-was?“ „Na, schau dich doch an! Die weichen Haare, und diese Augen... wie ein Rehkitz. Übertrieben niedlich, wenn du mich fragst.“ „Lass das“, sagte Matthew und bemerkte, dass seine Hand zitterte. „Gehen wir lieber weiter.“ Er wandte sich nach rechts und versuchte, den Eingang zu dem Geschäft zu finden, das hinter dem Schaufenster liegen musste. „Du hast keine Ahnung, was für ein Laden das ist?“ „Nein. Und ich bin mir nicht einmal sicher, ob Alfred hier ist – oder das Ding, das dieses Krachen verursacht hat.“ „Nachsehen kann nicht schaden.“ „Na ja, für den Fall, dass dieses Ding gefährlich ist, könnte es durchaus... oh, sacrament!“ „Was?“ „Sacre bleu!“ „Drück dich gefälligst deutlicher aus, oder denk wenigstens deutlicher!“ „Siehst du das? Siehst du das etwa nicht?!“ „Ja, doch, sehe ich! Da liegen ein paar Glasscherben auf dem Boden. Kein Grund, hier auszuflippen!“ „Ein paar Glasscherben? Das war mal eine Tür! Verdammt, das war eine Tür!“ Am ganzen Körper zitternd ließ Matthew den Lichtstrahl über die Überreste der Eingangstür schweifen. Sie bestand nur noch aus einem Rahmen aus Metall, in dem Scherben von der Länge von Matthews Unterarm stecken. Andere Splitter knirschten unter seinen Füßen, als er einen Schritt zurück machte. Das Geräusch ließ ihn heftig zusammenzucken. „Nur eine Tür, Kleiner. Die sollte dir nicht so viel Angst machen wie das, was sie zerstört hat.“ „Eben das macht mir doch Angst! Was, wenn es noch da drinnen ist?“ „Es gibt nur eine Art, das herauszufinden.“ „Ich gehe aber nicht da rein!“, rief Matthew. „Auf gar keinen Fall!“ „Wenn es da drinnen ist, hat es dich sowieso schon gehört, bei der Lautstärke, mit der du Pussy hier herum kreischst.“ Erschrocken schlug er sich die Hand vor den Mund. „Und da es dich bemerkt hat“, fuhr Matt ungnädig fort, „können wir auch gleich hinein gehen und nachsehen, was es ist.“ „Eigentlich bin ich immer noch wegen Alfred hier – nicht wegen diesem Ding.“ „Oh, du machst mich wahnsinnig! Hast du überhaupt keiner Ehrgeiz, gefährliche Monster zu jagen?“ „Nein?“ „Schön, wie du willst! Dann sieh es eben so: Dieses Ding ist da drinnen, aber ob dein Alfred auch da ist, wissen wir nicht. Wir gehen also da rein und sehen nach, ob wir Alfred blutend in einer Ecke finden, und wenn nicht, können wir relativ sicher sein, dass er anderswo in Sicherheit ist. Okay?“ Angespannt versuchte Matthew, seine Atmung zu beruhigen. „Du hast eine Taschenlampe“, erinnerte Matt ihn. „Und einen Hockeyschläger.“ „Also gut“, flüsterte Matthew und stieg vorsichtig über den mit Splittern gespickten Türrahmen. Bei jedem Brechen von Glas unter seinen Schuhen zuckte er zusammen, aber einige zaghafte Schritte in das Innere des Ladens hinein hörte das Knirschen auf. „Sieh mal einer an. Hundehalsbänder. Tierfutter. Jede Menge niedlicher, tierlieber Scheiß. Offensichtlich ist das hier eine Zoohandlung.“ „Was bedeutet das?“ „Oh, es könnte vieles bedeuten. Dass unser mysteriöses Monster auf kleine Kaninchen-Babys steht... dass es das pure Böse ist und das Internet mit diesen witzigen Katzenbildern überflutet...“ „Ich meine, was bedeutet es für uns?“ „Dass wir hoffen müssen, dass sie hier drinnen keine Krokodile halten, oder dass zumindest deren Käfige unbeschädigt geblieben sind.“ Matthew schluckte und stolperte im nächsten Moment über irgendetwas, das bimmelnd davon rollte. Im letzten Moment fand er sein Gleichgewicht wieder. „Wahrscheinlich Katzenspielzeug. Das wird dich nicht angreifen.“ „Hoffentlich nicht“, murmelte Matthew und beschloss, den Boden gründlich abzusuchen, bevor er noch einen Schritt machte. Bevor er allerdings dazu kam, wurde er unerwartet unterbrochen. „Wer ist da?“ Die Stimme war laut und energisch. Erschrocken blieb Matthew stehen und senkte das Licht der Taschenlampe zu Boden. Einige Schritte vor sich sah er ein weiteres Licht näher kommen, trüb und schwach. Er blinzelte mehrmals, bevor er erkannte, wie sich Sadiq aus der Dunkelheit schälte. Der schwache Lichtschimmer kam offenbar von einem Knicklicht in seiner Hand, das schon beinahe erloschen war. „Wer bist du?“ „Matthew“, antwortete Matthew und bemühte sich, nicht die Augen zu verdrehen. Sadiq runzelte die Stirn, doch dann weiteten sich seine Augen. „Du hast eine Taschenlampe!“ „Ja. Ich...“ „Darf ich mal eben? Danke!“ Er nahm Matthew die Lampe aus der Hand, drehte sich auf dem Absatz um und machte sich mit großen Schritten auf den Weg zurück. „Hey!“, rief Matthew erschrocken und rannte ihm nach. „Wo willst du hin?“ „Ich habe etwas zu erledigen. Danach kriegst du die Lampe wieder, keine Ursache.“ Widerwillig folgte Matthew seiner entwendeten Lampe, ständig getadelt von Matt. „Und das lässt du dir gefallen? Hol dir gefälligst zurück, was dir gehört!“ „Eigentlich gehört die Taschenlampe ja noch immer Natalia...“, begann Matthew und bremste hastig ab, als Sadiq vor ihm abrupt stehen blieb. Er schwenkte die Lampe langsam von links nach rechts und kratzte sich im Nacken. „Und ich hätte schwören können, es wäre hier gewesen.“ „Was denn? Wonach suchst du?“ „Nach diesem Nichtsnutz von Herakles. Er sitzt hier irgendwo in so einem kleinen Gehege, wo sie einen Wurf Kätzchen haben.“ „Oh. Kommt er nicht mehr heraus?“ „Nein.“ „Wie furchtbar! Ist er verletzt? Oder eingeklemmt?“ Sadiq sah ihn an und runzelte die Stirn. „Nein. Er will nicht raus.“ „Was?“ „Er sagt, sie wären viel zu flauschig.“ „Hör mal zu, Kleiner. Sag ihm, wir haben keine Zeit für seine verdammten Problemchen. Wir müssen irgendwie dieses Ding finden.“ „Aber...“ „Sadiq?“, rief eine Stimme und unterbrach Matthews Gedankengänge. Er erkannte den Sprecher nicht, doch Sadiq atmete auf und schlug zielstrebig eine neue Richtung ein. Erneut blieb Matthew nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. „Wer...?“ „Gupta. Er ist bei ihm geblieben, um aufzupassen.“ Sie bogen um eine Ecke und der Strahl der Taschenlampe fiel auf eine Glasscheibe, die in der Mitte ein gigantisches Loch aufwies. Daneben stand Gupta, den Matthew nur vom Sehen kannte. Er war ein junger Mann, dessen durchdringend gelbe Augen einen auffälligen Kontrast zu seinem sonnengebräunten Gesicht bildeten. Er betrachtete Matthew aufmerksam, sagte aber kein Wort. „Und?“, erkundigte Sadiq sich knapp. „Was hat sich getan?“ „Gar nichts.“ „Okay, kleiner Scheißer, ich habe die Schnauze voll! Komm sofort da raus, oder ich komm dir da rein, und das wird nicht lustig!“ „Wir können die armen Tiere nicht allein lassen“, erklang Herakles' trotzige Stimme von hinter der Scheibe. Matthew bemerkte die Jacke, die über das Glas geworfen war, anscheinend, damit man unbeschadet über die Bruchstelle klettern konnte. Hinter der Scheibe erkannte er ein wenig Katzenspielzeug, umgeworfene Wasser- und Futternäpfe und nicht zuletzt Herakles, der im Schneidersitz auf dem Boden saß und fünf verschiedenfarbige Fellknäule auf dem Schoß hielt. „Die Viecher sind mir im Moment völlig egal! Wir sollten uns besser hier verziehen, bevor dieses komische Monster wiederkommt!“ „Komisches Monster?“, platzte Matthew heraus. Sadiq sah sich zu ihm um. „Ja. Irgendjemand ist hierher gekommen und hat ein wenig randaliert. Du siehst ja...“ Er deutete auf die zerschlagene Scheibe und lachte kurz auf. „Und wenn es zurückkommt und die Kleinen findet?“, beharrte Herakles. „Das lasse ich nicht zu.“ „Dann stopf dir eben die Taschen voll damit, ist mir doch egal! Hauptsache, wir kommen hier weg!“ „Was glaubt ihr, wo das Ding hingegangen ist?“, fragte Matthew hastig. „In diese Richtung“, schnaubte Sadiq und deutete den Gang hinunter. „Keine Ahnung, was es war, aber ich lege mich nicht damit an – nicht im Dunkeln und mit derartigen Versagern als Mitstreitern.“ „Ja ja, das sagen sie alle“, erklang Herakles' Stimme. „Du bist ihm schließlich auch nicht hinterher gestürmt, oder? Komm, jetzt gib mir von mir aus eins von den Viechern, ich steck's in die Tasche, und wir verschwinden!“ Einen Moment lang kam keine Antwort. Dann schoben sich vorsichtig zwei Hände durch das Loch, die ein rötliches Kätzchen festhielten. „Das nehme ich!“, sagte Gupta mit leuchtenden Augen und trat vor. „Ist das eine Abessinier?“ „Nee“, knurrte Sadiq. „Sieht mir eher aus wie 'ne Katze. Mach voran, Herakles!“ „Kann ich die Taschenlampe wiederhaben?“, fragte Matthew zaghaft, während Herakles ein Kätzchen nach dem anderen durch das Loch nach draußen reichte. „Sobald wir fertig sind“, erwiderte Sadiq. „Ja, ich habe es! Das ist das letzte, oder? Sehr gut. Geht's dir gut, Gupta?“ Gupta nickte sorglos, die vermeintliche Abessinierkatze auf der Schulter und eine weitere auf dem Arm. Herakles kletterte vorsichtig durch das Loch nach draußen und bekam prompt von Sadiq die drei restlichen Tiere in die Hand gedrückt. „Und jetzt auf!“ „Wo wollen wir hin?“, fragte Herakles. „Irgendwo hin, wo wir wenigstens nicht befürchten müssen, von entlaufenen Hunden angefallen zu werden. Oder schon wieder von Chamäleons. Hey, die Viecher waren total gruslig! Gupta, mach mal mehr Knicklichter an.“ Er drückte Matthew die Taschenlampe in die Hand, ohne ihn auch nur anzusehen. Gupta zauberte ein Bündel bunter Knicklichter aus seinem Kragen hervor und gab zwei davon an Sadiq weiter, der sie fachkundig knickte und in die Luft hielt. „Gehen wir! Immer mir nach!“ Sie zogen von dannen, Herakles gedämpft vor sich hin lamentierend. Unsicher sah Matthew ihnen nach. „Nein, nicht hinterher, Kleiner.“ „Aber ich bin ganz allein, und...“ „Das Ding ist genau in die andere Richtung abgehauen, haben sie gesagt.“ Sadiqs Knicklicht hüpfte noch eine Weile durch die Luft und erlosch plötzlich, anscheinend, weil die kleine Karawane um eine Ecke gebogen war. Schluckend richtete Matthew die Taschenlampe auf den Gang, in den Sadiq gewiesen hatte. Er führte anscheinend weiter in den Laden und verlor sich nach wenigen Schritten in der Dunkelheit. „Wir gehen in diese Richtung, keine Widerrede.“ „Und die Krokodile?“, versuchte Matthew es halbherzig. „Sieh meinetwegen nach, ob du noch so einen Wurf flauschiger Scheißviecher findest, die du bei Bedarf verfüttern kannst.“ „Matt! Das ist grausam!“ „Es ist der Lauf der Natur, Kleiner. Und jetzt geh schon.“ Kapitel 5: Gruselgeschichten über Meerschweinchen, oder: Randale! ----------------------------------------------------------------- Tür zu kleinen, flauschigen Säugetieren und großen, gefährlichen Reptilien „...diese Tiere sind ebenfalls gefährlich!“ „Aber sie sehen doch sehr niedlich aus“, wagte Lili zu sagen und betrachtete die drei Meerschweinchen, die in ihrem Käfig saßen und einträchtig an einem Salatblatt mümmelten. „An sich schon“, sagte Basch ernst. „Aber wehe, wenn ein Fremder zu dir kommt und behauptet, er habe ein paar sehr niedliche Tiere zu Hause! Du darfst auf gar keinen Fall mit ihm gehen!“ „Das weiß ich doch, Bruderherz. Ich würde niemals auf diesen alten Trick hereinfallen.“ „Was sind die zwei denn für Vögel?“, fragte Matt belustigt. Matthew antwortete nicht, sondern nutzte die Tatsache, dass Basch und Lili ihn noch nicht bemerkt hatten, um sich gründlich umzusehen. Die beiden standen vor den Käfigen mit Kleintieren, und Basch war ganz in seinem Element dabei, Ermahnungen und Ratschläge zu verteilen. Lili hielt eine Taschenlampe, allerdings eine recht große. Die Meerschweinchen waren niedlich, dachte Matthew, weiß und flauschig. Ein wenig erinnerten sie ihn an Kumajirou. Ob es hier wohl auch Eisbären gab? „Sicher nicht. Die Viecher sind doch viel zu groß.“ „Kumadoki nicht“, murmelte Matthew. „Du brauchst eigentlich gar nicht mit mir zu sprechen. Ich weiß sowieso, was du denkst.“ „Aber das ist mir unangenehm! Kannst du das nicht verstehen?“ „Hey“, sagte Matt plötzlich. „Du könntest ruhig mal ein wenig Rücksicht darauf nehmen, dass...“ „Verdammt, sieh gefälligst nach vorne! Siehst du das?“ Verwirrt betrachtete Matthew Basch, der immer noch über die Gefährlichkeit der Meerschweinchen referierte, und Lili, die ihm gehorsam zuhörte. „Was denn?“ „Das große Terrarium rechts von ihnen!“ An dieser Stelle grenzten offenbar die Abteilung mit den Säugetieren und die mit den Reptilien aneinander. Direkt hinter Basch befand sich ein großes Terrarium, in das ein hoher Kratzbaum für Katzen hinein gestürzt war und das Glas zerschlagen hatte (wie in aller Welt hatte sich das zugetragen?). Durch das Loch erhob sich der Kopf einer bräunlichen Schlange, die aussah, als würde sie sich von dem Schock über die Zerstörung ihres Heimes gerade erst erholen. Sie züngelte in die Luft und beäugte unbemerkt Baschs Rücken. „Basch!“, rief Matthew, bemerkte aber, dass seine Stimme viel zu leise war. Weder Basch noch Lili sahen auf. Die Schlange sah sich um, reckte sich nach vorn und ließ sich langsam aus ihrem Gefängnis gleiten. „Was zum Teufel soll das?!“ Matthew riss die Augen auf. Vor sich sah er seine Hände, die den Hockeyschläger umklammerten – ja, tatsächlich seine Hände. Die Taschenlampe dagegen rollte auf dem Boden herum, wann hatte er sie fallen gelassen? Am vorderen Teil des Schlägers klebte irgendetwas Weißes. Hinter dem Glas des Terrariums rechts von sich erkannte er die Schlange, die verdattert und verdreht wirkte. Sie rappelte sich gerade auf und schlängelte sich in eine Höhle hinter einem großen Stein. Aus irgendeinem Grund hatte Matthew das Gefühl, in seinem Gedächtnis klaffe eine Lücke von mehreren Sekunden. „Genau richtig geraten, Kleiner.“ „Ich verlange eine Erklärung!“ Matthew fuhr zusammen, als Basch sich sich wütend vor ihm aufbaute und die Hände in die Hüften stemmte. Lili stand hinter ihm und verfolgte die Geschehnisse mit großen Augen. „Ich... i-ich weiß nicht“, stotterte Matthew. „Was ist denn passiert?“ „Was passiert ist? Du bist gerade wie ein Irrer mit diesem Hockeyschläger auf uns zugerannt, hast gebrüllt und dann dieser Schlange derart eins übergezogen, dass sie gegen die Wand geflogen ist! Das ist doch Tierquälerei! Was zum Teufel sollte das?“ „Es tut mir Leid“, flüsterte Matthew und zog den Hockeyschläger an sich. „Es... kommt nicht wieder vor...“ Hastig bückte er sich und hob er die Taschenlampe auf. Dann wandte er Basch, der ihm wütend nachsah, und Lili, die eher verstört wirkte, den Rücken zu und ging. Seine Knie zitterten. Matt sagte kein Wort, bevor sie um eine Ecke bogen und außer Sicht waren. „Was sollte das?“, heulte Matthew auf. „Was hast du gemacht?“ „Hey, tut mir ja Leid. Aber es war ein Notfall.“ „Wieso Notfall? Du hättest... du hättest einfach rufen können! Basch hätte sich selbst zu helfen gewusst! Es gab wirklich keinen Grund, so auf das arme Tier loszugehen!“ „Ich habe mir Sorgen um ihn gemacht“, erwiderte Matt eingeschnappt. „Er ist doch so ein verfluchter Pazifist, der niemandem ein Haar krümmen kann. Und seine sogenannte Schwester hätte ihm ja auch nicht geholfen... so ein kleines Biest, wie sie ist.“ „Biest?“, wiederholte Matthew fassungslos. „Klar! Weißt du, was sie gesagt hat, als der Vorschlag kam, den Weihnachtsmann zur Strecke zu bringen? Sie hat gesagt, sie könnte den alten Mann sowieso nicht leiden, und wollte unbedingt mitmachen! Ihr Bruder konnte sie nur mit Mühe davon abhalten. Ich sagte ja, verdammter Pazifist.“ „Ich weiß ja nicht, von wem du redest, aber Basch und Lili sind es nicht!“ „Ihre Namen kann ich mir nicht merken“, gab Matt zu. „Ich kann mir kaum Namen merken.“ Matthew lachte zittrig. „Aber meinen?“ „Klar, den schon. Du bist was Besonderes.“ „Vielleicht wäre es mir lieber, wenn ich das nicht wäre“, murmelte Matthew und ließ den Kopf hängen. „Ich will nach Hause.“ „Hey! Kinn hoch, Brust raus und bereit machen für eine spontane Planänderung. Ich glaube, die Spur von Alfred und diesem Ding haben wir verloren. Die Sache mit dem Terrarium ging sicher auf das Konto von unserem Randalierer, aber davon abgesehen habe ich keine Zerstörungen mehr bemerkt, und du auch nicht. Wir machen jetzt also dasselbe wie unsere Katzenfreunde und versuchen, erst einmal hier heraus zu kommen, bevor wir ebenfalls von Schlangen angefallen werden. Danach sehen wir weiter.“ „Also gut. Aber tu das nie wieder! Ich meine, einfach so die Kontrolle zu übernehmen... sonst...“ „...sonst was?“, fragte Matt ehrlich interessiert. Matthew seufzte leise. „Sonst werde ich noch komplett verrückt.“ „Keine Sorge. Ich verspreche hoch und heilig, es nie wieder zu tun... außer, um dir den Arsch zu retten.“ „Das ist alles, was ich verlangen kann, oder?“ „Ganz genau.“ Kapitel 6: Selbstgespräche leicht gemacht für Jedermann, Schritt eins – der Gesprächskreis ------------------------------------------------------------------------------------------ Tür aus der Zooabteilung raus „Ich finde es gruslig hier“, gestand Matthew und sah sich unbehaglich um. Alle Käfige und Terrarien, die er um sich herum erkannte, waren verschlossen. Die meisten Tiere hockten lethargisch da und erwiderten seinen Blick stumpf – allein das machte ihn beinahe verrückt. Dazu kam noch die Sorge, es könnte sich ein weiterer Zwischenfall wie der mit der entkommenen Schlange ereignen. „Ich habe doch schon gesagt, wir sollten hier verschwinden. Schauen wir mal, wo wir unseren rätselhaften Randalierer sonst finden könnten.“ „Wenn es nicht wegen Alfred wäre, würde mir nicht einmal etwas daran liegen, ihn zu finden.“ „Aber da es wegen Alfred ist, können wir diesen Punkt getrost vergessen. Geh schon weiter.“ Seufzend setzte Matthew sich in Bewegung. „Sag mal... wenn ich nicht gehen würde, würdest du mich dann dazu zwingen?“ „Ich zwinge dich zu gar nichts.“ „Machst du Witze? Und was war das dann gerade, als du auf die Schlange losgegangen bist?“ „Das war Notwehr. Ich würde niemals einfach so deinen Körper übernehmen.“ „Nicht einfach so – aber dann, wenn du es für angemessen hältst?“ „Natürlich.“ „Aber warum?“ „Sieh mich einfach als Schutzengel.“ „Schutzengel sollten nicht mit Hockeyschlägern randalieren!“ „Wenn es dem Schutz gilt...“ Matthew wollte etwas erwidern, doch in diesem Moment sprach ihn jemand an, so plötzlich, dass er einen Schritt zurück stolperte. „Führst du etwa Selbstgespräche?“ Mit wild schlagendem Herzen schwenkte er die Taschenlampe herum und leuchtete Gilbert direkt ins Gesicht. Gilbert hob die Hand vor die Augen und runzelte die Stirn. „Hey, nimm das Ding runter! Was soll das denn?“ „Tut mir Leid“, sagte Matthew erschrocken und senkte die Lampe leicht. „Ich habe dich nicht erkannt.“ „Kein Problem“, erwiderte Gilbert großzügig. Er saß auf einer großen Kiste, hielt ebenfalls eine Taschenlampe in der Hand und trug einen Vogel auf der Schulter. „Was machst du hier?“ „Als plötzlich das Licht ausgegangen ist, musste ich unbedingt nach den Vögelchen sehen – nicht auszudenken, wenn ihnen etwas passiert wäre! Aber zum Glück scheint alles okay zu sein.“ Matthew öffnete den Mund, um das Ding zu erwähnen, aber Gilbert fuhr einfach fort. „Ich denke, ich werde das kleine Kerlchen hier wieder zurück in seinen Käfig setzen und zu den anderen zurück gehen.“ „Den anderen?“ „Ich war mit Francis und Toni unterwegs. Als es wieder hell geworden ist...“ „Hell geworden?“, unterbrach Matthew ihn aufgeregt. „Ja. Überall ist kurz der Strom ausgefallen, aber dieser Teil des Gebäudes scheint der einzige zu sein, in dem immer noch kein Licht brennt. Gut, dass ich die Taschenlampe hatte.“ „Und wo sind Francis und Antonio?“ „Haben sich in so eine Art Restaurant gesetzt. Ich meine, es ist ziemlich cool, das ganze Kaufhaus für sich zu haben, was?“ „Ich weiß nicht... ich finde es eher unheimlich. Wo sind nur all die Leute?“ „Keine Ahnung. Hast du Angst?“ Matthew wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Hatte er Angst? „Du kannst mit mir kommen“, verkündete Gilbert, ohne auf eine Antwort zu warten, und nahm den Vogel von seiner Schulter. „Francis wird sich freuen, dich zu sehen. Ich bringe eben den kleinen Schatz hier ins Bett, ja?“ Er rutschte von der Kiste und machte sich mit schwankender Taschenlampe auf den Weg in einen Gang zwischen den Käfigen. Matthew sah ihm etwas unschlüssig nach. „Du kannst mit mir kommen“, äffte Matt ihn nach. „Was denkt dieser Kerl sich eigentlich? Taucht ungebeten auf und tut so, als wäre er dein Leibwächter!“ „Ungefähr so wie du, Matt.“ „Aber immerhin kannte er deinen Namen.“ „Ja... da ist er einer der wenigen. Ich weiß auch nicht genau, warum ausgerechnet er sich an mich erinnert.“ „Rätselhaft. Ich weiß nur, dass er ganz wild darauf war, den Weihnachtsmann zu sehen. Als er gehört hat, dass wir ihm an den Kragen wollten, hat er Rotz und Wasser geheult.“ „Rotz und Wasser geheult? Gilbert?!“ „Ja... wahrscheinlich! Ich habe doch gesagt, ich kann mir keine Namen merken, eh!“ Matthew schüttelte den Kopf. „Ich werde verrückt“, flüsterte er und rieb sich die Schläfen. „Ganz sicher. Zuerst die Sache mit der Dunkelheit, dann die Stimme in meinem Kopf, und jetzt... Ich werde verrückt!“ „Kopf hoch“, sagte Matt fürsorglich. „Da, wo ich herkomme, stichst du unangenehm hervor, wenn du nicht wenigstens ein bisschen verrückt bist.“ „Ich steche niemals irgendwo hervor. Niemand bemerkt mich.“ „Und daran sollten wir dringend etwas ändern! Also, gehen wir weiter und finden wir heraus, was es mit diesem ganzen Durcheinander auf sich hat.“ Matthew zog die Nase hoch und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. „Also gut“, murmelte er. „Aber nur, wenn wir auch Alfred finden.“ „Wir finden ihn, versprochen.“ „Führst du schon wieder Selbstgespräche?“ Gilbert trat wieder aus dem Gang heraus und grinste Matthew breit an. „Nein! Das... war nur... ich habe gesungen“, erklärte Matthew und spürte, dass er rot wurde. Um Gilbert nicht ansehen zu müssen, wandte er sich ab und leuchtete mit der Taschenlampe auf den Boden. „Gehen wir schnell. Ich habe diese Dunkelheit gründlich satt.“ „Ich auch“, stimmte Gilbert ihm zu. „Gehen wir also.“ Kapitel 7: Heute ist Miracoli-Tag! Nein, Moment. ------------------------------------------------ Die Tür zum Restaurant (Monaco -> Monique, Kamerun -> Emile) Der Gang, in den Gilbert ihn führte, war nicht zerstört und tatsächlich gut beleuchtet. Beinahe hätte Matthew vergessen, dass sie sich in einem Gebäude befanden, das aus irgendeinem Grund menschenleer war bis auf die Nationen und den geheimnisvollen Randalierer. „Sacrament“, zischte Matt plötzlich. „Wir sind im Arsch, Kleiner. Schau mal, da links.“ „W-was?“ „Die Schaufensterpuppe. Mintgrün ist wieder in Mode? Das ist ja ekelhaft.“ „Matt! Ich war gerade dabei, mich zu entspannen!“ „Du wirst mir noch dafür danken, dass ich dich wachsam halte, wenn dieses Ding dir erst einmal hinterrücks den Schädel eingeschlagen hat!“ „Gerade dann werde ich dir vielleicht nicht mehr danken.“ „Ach, hau doch ab“, knurrte Matt. Matthew hätte gern gesagt, dass es grotesk war, wenn eine Stimme in seinem Kopf ihn dazu aufforderte, abzuhauen. Er tat es nicht, da Matt es vermutlich ohnehin gehört hatte, und wandte sich an Gilbert, der neben ihm lief. „Wie weit ist es noch?“ „Wir sind gleich da. Siehst du den Eingang da vorne? Da ist es schon. Ach ja, ich sollte vielleicht erwähnen, dass Francis eine... Nichte oder so mitgebracht hat.“ „Eine Nichte?“ „Monique. Ich kenne sie nur entfernt. Ganz liebes Mädchen.“ „Oh... das ist seine Schwester.“ „Du kennst sie?“ „Natürlich kenne ich mich mit Francis' Verwandtschaft aus. Ich gehöre selbst dazu!“ „Ach, stimmt ja.“ Gilbert lachte kurz auf. „Ganz vergessen, sorry.“ Matthew seufzte leise. „Wenigstens vergisst du meine Existenz nicht komplett.“ „Eben! Ich bin großartig. So, da wären wir!“ Gilbert stieß eine gläserne Tür auf und trat in ein kleines Schnellrestaurant – offenbar ein italienisches, wie Matthew mit einem Blick auf die an den Wänden hängenden Speisekarten feststellte. Es gab eine Theke, die allerdings nicht besetzt war, und mehrere kleine Tische. An einem davon saßen drei Personen, von denen eine sofort aufstand. Es war Francis. „Da bist du ja endlich! Wir hatten schon überlegt, ob wir uns Sorgen machen sollten.“ „Um mich?“, fragte Gilbert grinsend. „Um mich doch nicht.“ „Oh, du hast Mathieu mitgebracht!“, stellte Francis überrascht fest, trat auf Matthew zu und drückte ihn an sich. „Wie schön, dich zu sehen, Mathieu! Was machst du hier?“ „Ich war einkaufen. Aber es ist... etwas dazwischen gekommen.“ „Du meinst den Stromausfall? Ja, ich finde diese ganze Angelegenheit auch sehr rätselhaft. Monique, Emile und ich... oh, sicher kennst du Emile noch? Er kam zufällig vorbei.“ Der dritte am Tisch, ein junger Mann mit kurzen, dunklen Haaren und einem freundlichen Gesicht, hob grüßend die Hand. „Wir überlegen die ganze Zeit schon, was passiert sein könnte.“ „Aber wir kommen zu keinem Schluss.“ Das Mädchen, das ebenfalls am Tisch saß, sah kurz auf. Es trug eine Brille und eine Schleife in den hellbraunen Haaren, die ihm in einem geflochtenen Zopf über die linke Schulter nach vorn hingen. „Und ich weiß auch nicht, ob es so klug war, die Küche zu plündern.“ „Wir haben sie nicht geplündert“, korrigierte Francis. „Wir hatten die Pizza bestellt und bezahlt, aber bevor sie serviert werden konnte, kam dieser kurze Stromausfall.“ „Hier war er also nur kurz“, murmelte Matthew. „Natürlich war das nicht das Ungewöhnlichste, was passiert ist. Dass sämtliche Kellner verschwunden waren, nachdem es wieder hell geworden ist, irritiert mich doch etwas mehr. Toni hat sich selbstverständlich riesige Sorgen gemacht und Romano angerufen, der sich nämlich ebenfalls in diesem Kaufhaus befand, zusammen mit Feliciano. Beiden war nichts passiert, also haben wir sie hierher gelotst, wo sie mit Freude die Küche übernommen haben...“ Francis holte tief Luft. „Und so sind wir doch noch zu unserer Pizza gekommen.“ „So weit die ganze Geschichte im Schnelldurchlauf. Respekt, Francis.“ Matthew betrachtete den geleerten Teller auf dem Tisch. Auf dem zweiten lag noch ein Rest Pizza, das Monique bearbeitete, indem sie winzige Stücke mit dem Messer auf die Gabel verfrachtete und sie sich in den Mund schob. Ihre Tischmanieren waren noch besser als die, die Francis ihm beigebracht hatte, dachte Matthew. „Wo stecken sie eigentlich?“, fragte Gilbert und sah sich suchend um. „Toni und die beiden Italiener, meine ich.“ „Romano hat sich an einem heißen Blech verbrannt und ist mit Antonio zur Toilette gegangen, um die Hand zu kühlen. Feliciano ist auch mitgegangen.“ „Klar. Erst will er uns beweisen, was für ein begnadeter Pizzabäcker er ist, und dann... musste ja so kommen.“ „Möchtest du vielleicht auch eine Pizza, Mathieu? In der Küche müsste noch eine stehen. Romano macht sie ausgezeichnet, das muss man ihm lassen!“ „Nein, danke“, erwiderte Matthew. „Ich möchte lieber zuerst herausfinden, was passiert ist. Macht ihr euch alle gar keine Sorgen?“ „Essen muss man eben“, sagte Monique und zuckte die Achseln. „Und so richtig gefährlich scheint es ja nicht zu sein... nur ein wenig seltsam.“ „Es ist gefährlich“, widersprach Emile. Er hatte bisher still zugehört und mit einem Bierdeckel gespielt, legte jetzt aber besorgt die Stirn in Falten. „Ich habe Teile des Gebäudes gesehen, die völlig verwüstet wurden. Ich weiß zwar nicht, wieso, aber vielleicht... hat es ein Erdbeben gegeben, das niemand von uns wahrgenommen hat, oder so. Deswegen auch der Stromausfall.“ „Ich habe es auch gesehen!“, platzte Matthew heraus. „Dass Einrichtung zerstört wurde. Irgendjemand ist dafür verantwortlich – jemand in diesem Gebäude, meine ich. Hier ist... irgendein Ding oder... jemand, der sich hier herum treibt.“ „Du machst mich wahnsinnig!“, knurrte Matt. „Sag ihnen doch einfach, es ist ein Monster, dann könnt ihr alle kurz in Panik geraten, und dann halten wir gefälligst Kriegsrat!“ „Ein Ding?“, wiederholte Gilbert. „Was für ein Ding?“ „Na ja, ich... ich habe immer wieder gehört, wie Glas zerschlagen wurde und so weiter. Noch lange, nachdem der Strom schon ausgefallen war, meine ich.“ „Du meinst“, sagte Francis langsam, „irgendjemand läuft hier herum und zerstört sinnlos Einrichtungsgegenstände?“ „Es sieht so aus. Ich weiß es nicht.“ „Aber das ist furchtbar!“, rief Monique aus. „Endlich hat einer es kapiert“, murmelte Matt. „Was ist furchtbar, meine Liebe?“ „Er hat Tunfisch an die Pizza getan!“ „Wirklich?“, fragte Francis überrascht und roch daran. „Oh... ja, ich glaube auch.“ „Sag mal, Kleiner – besteht die Hoffnung, dass dieser Hühnerhaufen irgendwann noch einmal zu Potte kommt?“ „Ich weiß es nicht“, murmelte Matthew. „Vielleicht, wenn...“ Bevor er den Gedanken zu Ende führen konnte, erklang eine fröhliche Stimme hinter ihnen. „Da sind wir wieder!“ Matthew drehte sich um und sah Romano und Antonio in der Tür stehen. „Na super“, hörte er Matt knurren. „Die sehen ebenfalls sehr kompetent aus.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)