Schokoladendiebe von FreeWolf (Ein Adventskalender (2012)) ================================================================================ Kapitel 1: Mit Schokolade scherzt man nicht ------------------------------------------- Mit Schokolade scherzt man nicht Es war still, bis auf das gelegentliche Schnauben eines Träumenden, welches sich im weitläufigen Trainingssaal des Dojos verlor, in dem sie ihre Futons aufgeschlagen hatten. Er schloss die Augen, lauschte ins Dunkel hinein, welches die ohnehin schon langen Flure noch weiter ins Unendliche laufen ließ, ihnen ihr Ziel raubte und zu Pfaden in die Träume werden ließ. Max brabbelte leise im Schlaf – irgendetwas von Superhelden und Delfinen. Irgendwo leuchtete kurz ein Display auf und tauchte sie minutenlang in gespenstisch-kaltes Nebellicht, ehe die Dunkelheit sie alle wieder im Griff hatte. Kenny schien noch wach zu sein. Vielleicht feilte er an Kurzmitteilungen für seine Flamme – sie alle hatten noch nicht herausbekommen, wer es sein mochte, und selbst Dezara hatte noch kein Wort darüber verloren, und so bildete diese ominöse 'sie', deren Gedanken den Blick des Chefs verklärte, ein noch wohlbehütetes Geheimnis. Er schmunzelte leise in sich hinein. Dichte Wolkendecken hatten den Himmel schon seit kurz nach Mittag verdeckt und den Tag verdunkelt. Nun, nachts, war Orientierung über den Sehsinn unmöglich. Eine leichte Vibration an seinem Bauch ließ ihn leicht zusammenschrecken. War es schon an der Zeit? Er rollte sich zur Seite und unter seiner Decke hervor, während das schmale Smartphone geräuschlos dort verharrte. Später würde er sich bestimmt darauflegen und am folgenden Morgen mit einem ominösen Abdruck an Stellen, über die er nicht nachdenken wollte, aufwachen – beim letzten Mal hatte es seine linke Hinterbacke getroffen, und aus irgendeinem unerfindlichen Grund, hatte er sich nicht anständig hinsetzen können, was einen Haufen schlechter Witze und ein, zwei Gerüchte nach sich gezogen hatte, laut denen er entweder mit Takao oder Yuriy (wahlweise auch mit beiden) eine wilde Affaire führte. Er schüttelte schmunzelnd den Kopf. Nun, dieses Risiko war er bereit einzugehen. Die Bodendielen im Dojo mochten vielleicht alt sein, doch sie knarrten nicht, so konnte er geräuschlos zur Schiebetür schleichen, welche sich geräuschlos öffnete und hinter ihm wieder schloss. Irgendwo im Haus tickte eine Uhr, und er erwischte sich dabei, wie er die Sekunden zählte, bis es soweit war. Er hatte Takao und Max ausgelacht, als sie den Adventskalender in der Küche auf dem Regal platziert hatten, und ihre Diskussion darüber, wer denn das erste Türchen würde öffnen dürfen, schmunzelnd verfolgt, doch auch er hatte sich beim Schere-Stein-Papier beteiligt. Immerhin ging es hier um Schokolade – darüber durfte man nicht scherzen. Er verdrehte die Augen über sich selbst, während er die nächste Schiebetür geräuschlos hinter sich in ihre Ursprungsposition gleiten ließ und sich gegen die Theke lehnte. Es konnte nicht mehr allzu lange dauern, bis.. Der nächste, er zur Tür hereinkam, war etwas weniger vorsichtig, und er lachte geräuschlos in sich hinein, während er neben sich nach dem Lichtschalter. „Wusst' ich doch-“, Rei stockte der Atem, und er verschluckte sich an seiner Spucke. Hustend würgte er ein „Kai?“, hervor, vollkommen schockiert, dass der Silberhaarige in der Tür stand, sein Haar ein wahrer Wischmob, welcher eine halbe Stunde mit einem Staubwedel herumgemacht hatte, und blinzelte. Ein leises Wimmern aus Richtung Speisekammer ließ Rei sich umwenden. „Takao..“, Rei legte den Kopf schief und betrachtete den Japaner, „Was machst du denn hier?“ - „Ich wollte noch einen Nachschlag, und ich glaube, ich bin nach dem Pudding eingeschlafen, weil ich so müde war“, Takao grinste breit und kratzte sich verlegen am Hinterkopf, während Kai bloß ein Schnauben hören ließ, welches sich sehr nach einem „Typisch!“ anhörte. „Ist die Schokolade noch da?“, platzte Takao urplötzlich heraus, während er sich hastig aufrappelte und in Richtung des Schrankes tapste, auf welchem sie den Adventskalender platziert hatten, hob ihn hoch und demonstrierte ihn seinen beiden Teamkollegen. Das erste Türchen war noch geschlossen. „Mist“, Rei blickte von Kai zu Takao – sie erwiderten den Blick verwirrt, und kurz herrschte schweigen in der kleinen Küche des Dojos. „Ist schon wieder Weihnachtszeit?“, hakte der Silberhaarige in der Runde nach, und es schien, als habe er das Problem des langhaarigen Chinesen erkannt, „Zum hundertsten Mal, Rei: Die Schokolade verschwindet nicht einfach so über Nacht“ Rei verschränkte die Arme vor der Brust. „Was machst du dann hier?“, erkundigte er sich, einen Blick mit Takao wechselnd, welcher ein Kichern hinter seiner Hand unter Verschluss zu halten versuchte. Rei triumphierte innerlich – endlich hatte er den berühmt-berüchtigten Schokoladen-Dieb des Dojos gefunden! Immerhin: mit Schokolade scherzte man nicht. Kapitel 2: Zunderhölzchen ------------------------- Zunderhölzchen Sie musste sich daran erinnern, dass sie dem Streichholz nicht mit Vorsicht behandeln musste, wenn sie es anriss. Sie musste keine Rüksicht darauf nehmen, dass sie ihm wehtat - im Gegenteil. Je sanfter sie damit umging, desto mehr verlängerte sie sein Dasein, und es musste warten, um seinen Zweck zu erfüllen. Hätte Mathilda eine Ahnung vom Zweck, den sie im Leben erfüllen sollte - sie wollte auch nicht warten. Sie schmunzelte leise über sich selbst und schüttelte den Kopf über sich selbst. Manchmal war Gewalt angebracht, zumindest wenn es Streichhölzer betraf. Sie atmete tief durch und sammelte sich - die Aufgabe war nicht scher. Sie konnte es. Sie sie schon oft erfüllt, ohne auch nur im Geringsten über die Handlung nachzudenken - warum fiel es ihr dann nun so schwer? Der Adventskranz vor ihr wartete bloß darauf, mit dem ersten Licht den großen Countdown bis Weihnachten einzuleiten. Sie musste die Kerze bloß anzünden. Die junge Franzosin nahm den schmalen Pack Zunderhölzchen zur Hand, doch zögerte über dem geöffneten Deckel, ihre Hand verharrte über den schmalen Hölzchen. Sie wusste eigentlich noch nicht einmal, ob sie daran glauben konnte, was die vier Kerzen auf dem Kranz symbolisierten - ein Erlöser sollte kommen? Sie hatte den Glauben an eine 'Erlösung' verloren, als ihre Tante im Krankenhaus vor sich hin gesiecht war und ihr keiner der Ärzte hatte Erlösung verschaffen können. Mathilda betrachtete den Adventskranz eindringlich, versuchte, in den verschlungenen, benadelten Zweigen einen Sinn zu erkennen, welcher sich ihr bislang verschlossen hatte. Claude hatte den Kranz vor zwei Tagen auf ihrem Tisch platziert als er vorbeigeschaut hatte, um sich zu verabschieden und sie und Miguel nochmals in eine der Pariser Discotheken zu schleppen. Er kehrte für die nächsten drei Monate zurück in seine Heimatstadt in der Bretagne, um seinem Vater unter die Arme zu greifen. Sie selbst hatte beinahe vergessen, dass die Adventszeit hereinbrach,obwohl ihre Mutter in jedem Jahr die Kerzen entzündet hatte, genauso wie ihre Großmutter. Mathilda lächelte in sich hinein und nahm ein Streichholz zwischen die Finger. Jedes Mal, wenn sie eine Packung Zunderhölzchen zur Hand nahm, musste sie an das Märchen vom Mädchen mit den Zunderhölzchen denken. Sie hatte geweint, als sie die Geschichte zum ersten Mal gehört hatte, und noch viele weitere Male - selbst als sie das Märchen auswendig mitsprechen konnte, wenn ihre Großmutter es ihr vorlas, und eigentlich wusste, was sie erwartete. Der Französin schauderte, und riss das kleine Licht an, welches kurz flackerte, ehe es aufleuchtete. Das Feuer fraß sich schnell über den kurzen Holzschaft, und die Rosahaarige beeilte sich, es auf den Docht der Kerze zu übertragen. "Was machst du da?", Miguel war hinter sie getreten und betrachtete das Flackern der Kerze im halb abgedunkelten Wohnzimmer. Mathilda zuckte mit den Schultern. "Ich hab' die erste Kerze angezündet", erklärte sie und wollte sogleich die Augen über sich verdrehen, weil sie klang wie ein kleines Kind. Der Spanier ließ ein leichtes Lachen hören und ließ sich neben sie auf den Teppich gleiten. Auf dem Couchtisch vor ihnen thronte der Adventskranz, mit dem einen kleinen Licht, welches wohlige Wärme zu verbreiten schien, während der schmale Streifen Himmel, den sie durch ihr Fenster erkennen konnten, helles Grau zur Schau trug. "Glaubst du an Erlösung?", erkundigte sich Mathilda leise, während sie die Kerze betrachtete, die Knie eng an den Körper gezogen und ihre Arme darum geschlungen. Miguel zuckte bloß mit den Schultern, schien nachzudenken. "Ich glaube eher an Hoffnung", erwiderte er und wandte sich ihr zu, "Warum fragst du?" Mathilda schüttelte den Kopf. "Nicht so wichtig", erklärte sie, ein schiefes Lächeln auf den Lippen, ehe sie sich nochmals dem Kerzenlicht zuwandte. Vielleicht war es nicht die Erlösung selbst, auf die sie warteten, wenn sie die Kerzen entzündeten. Vielleicht war es die Hoffnung auf das Licht, die sie durch die dunkle, graue Phase des Winters geleitete, bevor Schnee fiel. Kapitel 3: Die erste Flocke ist schüchtern ------------------------------------------ Die erste Flocke ist schüchtern Es begann mit einer einzelnen Flocke, die ans Fenster flog, zwischen den Stäben des Gitters hindurch, welches sie vor der Welt beschützte. Sie zerschmolz sogleich, und keiner bemerkte sie. Das Rinnsal, das sie auf ihrem Weg als Wassertropfen an der Scheibe hinunter hinterließ, war so schmal und klein, dass man es zu leicht übersah. Die meisten bemerkten nicht, dass draußen etwas passierte, wenn sie durch die langen Korridore liefen, in deren hohen Gewölben sich das Echo der Schritte von schweren Stiefeln und gewisperten Gespräche verloren. Sie liefen immer geradeaus in Richtung Kantine, vorbei an verschlossenen Türen und Mönchen, welche sie betreuen sollten und sich eigentlich nicht wirklich um sie kümmerten. Sie wollten bloß zur warmen Suppe, die den anstrengenden Tag abschloss, und möglichst nicht an den schlechten Tisch. Niemand wollte an den schlechten Tisch, wo die Elite ihren Platz gefunden hatte. Normalerweise beeilte er sich mit allen anderen Neulingen, um bloß nicht als letzter anzukommen in dem Saal und Opfer der seltsamen Hackordnungen zu werden. Doch an diesem Tag wandte er den Kopf zur Seite, und erkannte das Rinnsal am Fenster, welches für ihn immer alles bedeutet hatte. "Es schneit!", sein aufgeregter Ausruf prallte laut an den Wänden wieder, und einer der Mönche schien drauf und dran, seinen Platz zu verlassen. Die Gruppe von Neulingen, mit denen er den Weg geteilt hatte, drehte sich halb zu ihm um. "Na und?", murmelte einer von ihnen, dessen Kappe ihm dauernd über die Augen rutschte, und die er doch nie abnehmen wollte - noch nicht einmal zum Schlafen, "Wir sind in Russland. Es schneit hier dauernd" Kai öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, und schloss ihn wieder. Sein Altersgenosse hatte Recht. Sie waren in Russland. Schnee war hier nichts Besonderes - nicht so wie dort, woher er kam. Kai zuckte mit den Schultern, steckte die Hände in die Hosentaschen und wartete, bis die kleine Gruppe ihre gewisperte Konversation wiederaufnahm und ihren Weg fortsetzte. Er ließ sich zurückfallen, wurde langsamer, blieb stehen. Er wich vom ihnen allen angestammten Weg auf dem ramponierten Läufer ab auf den harten, kalten Steinboden, und näherte sich den hohen Fenstern, auf denen immer weitere Wassertropfen den Weg nach unten suchten, in schief-geraden Bahnen. Unwillkürlich streckte er die kleine Hand aus, um die Rinnsale zu berühren, auch wenn ihm klar war, dass dies nicht möglich war. Sein Spiegelbild begegnete seinem Blick, große, rotbraune Augen sahen ihm freudig entgegen, und ein leises, kleines Lächeln schlich sich über seine Züge, während er die Hand an das kalte Fenster legte. "Es schneit!", rief da hinter ihm jemand aus, und er fuhr blitzschnell herum. Es war ein junger Rothaariger mit klaren, eisblauen Augen, den er noch nie zuvor gesehen hatte. Er trug einen überlangen, weißen Schal, welchen er fest umklammerte, während er sich vorsichtig umblickte. Er schien etwas aus dem Konzept gebracht, weil seine Stimme so laut widerhallte, und der Mönch am Eingeng zur Kantine wieder Anstalten machte, zu ihnen herüberzukommen. Die kleine Gruppe, mit der er unterwegs gewesen war, hielt nicht an. Der Rotschopf blickte sich kurz um, um zu sehen, ob jemand ihn rügen würde. Sein Blick fiel auf Kai, welcher nur lächelte. "Es schneit", erwiderte er leise, wenn nicht weniger freudig, und wies zum Fenster, "Vorhin war da nur eine einzige Flocke, und jetzt sind es immer mehr!" - "Ich wünschte ich hätte die erste Flocke gesehen", bedauerte der kleine Rotschopf da, und eine seiner aberwitzigen Haarsträhnen, welche ihm ins Gesicht fielen, hüpfte als er den Kopf hob. "Hast du sie etwa gesehen?", fragte er mit großen Augen. Kai nickte stolz, ehe auch er sich wieder dem Schneetreiben vor dem Fenster zuwandte, welches sie die Gitter vergessen ließ. Der Rotschopf löste seine Hände aus dem Schal und lächelte schief. "Du hast Glück", erklärte er ernsthaft, "Die erste Flocke ist schüchtern, sie will nicht, dass jeder sie sieht!" Kapitel 4: Mit viel Liebe gemacht --------------------------------- Mit viel Liebe gemacht "Eine rechts, eine links..", murmelte Julia leise vor sich hin, während sie versuchte, sich an die Stricklektionen ihrer Großmutter zu erinnern, die sie vor Jahren erhalten hatte. Sie hatte sich im Schneidersitz im gemeinschaftlichen Wohnraum im Wohnwagen ihrer Familie niedergelassen und konzentrierte sich voll und ganz auf die Nadeln. Sie blickte kurz auf und sah sich um, doch nichts - bis auf die wenigen Geräusche, die vom Platz her zu ihr durchdrangen, war es still ringsum. Romero hatte sich mit irgendeiner Zuschauerin verabredet, und würde wohl in den nächsten Stunden damit beschäftigt sein, Possen auf dem Weihnachtsmarkt zu schlagen. Und Raoul.. Julia zuckte mit den Schultern. Wahrscheinlich schlief er noch, es war gerade kurz nach zehn. Zumindest die junge Spanierin würde um diese Zeit noch schlafen, hätte sie eine Wahl. Sie seufzte und blickte auf das leidliche Fleckchen, welches sie bislang fabriziert hatte. Sie musste dieses verdammte Weihnachtsgeschenk fertig bekommen. Und da sie Eddy früher sehen würde als geplant, würde sie wohl stricken bis zum Umfallen, um dieses seltsame Gebilde in etwas Ansehnliches zu verwandeln. "Oh Gott, welchen Pulli hast du denn da zerschnitten?", Raouls Stimme klang halb erschrocken, halb amüsiert, während er näher an sie herantrat, um sich ihr Werk genauer zu betrachten, "Hast du etwa die Rentiere aus dem einen, hässlichen von Mama befreien wollen?" Die brünette Spanierin starrte ihren Zwilling so an, wie sie vor zwei Minuten noch die Stricknadeln beäugt hatte. "Das geht dich nichts an", befand sie eingeschnappt und bereute, dass sie gerade mitten in einer Reihe steckte. Ansonsten hätte sie eine der Nadeln als Waffe benutzen können. Raoul ließ sich von ihr nicht einschüchtern - diese Zeiten waren leider schon vergangen, seit sie beide das sechste Lebensjahr hinter sich gelassen hatten - und trat näher an sie heran. Er nahm den kleinen Flecken Gestricktes zwischen die Finger und begutachtete es fachmännisch. "Ist das dieses komische ominöse Geschenk, von dem du schon die ganze Woche vor dich hin murmelst?", erkundigte er sich grinsend, und Julia nickte, beschloss, Nadeln Nadeln sein zu lassen, legte sie in ihren Schoß und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich hab keine Lust mehr!", beklagte sie sich, "Wieso zum Teufel wollte ich Eddy noch gleich einen Schal mit viel Liebe schenken?" - "Weil es ein netter Gedanke ist?", Raoul hob amüsiert eine Augenbraue, während er Julia ihre Stricksachen aus dem Schoß nahm, "Wobei ich es in deinem Fall allerdings bei 'mit viel Liebe' lassen und ihm ein Geschenk kaufen würde. Das spart uns allen Zeit, Nerven und schlechte Laune" Ruhig machte er sich daran, die Nadeln herauszuziehen, ohne auf Julias "Hey! Du-" zu achten. Er grinste bloß freundlich. "Sag bloß nichts, was du später bereuen könntest, Schwesterchen", erwiderte er betont unschuldig, "Sonst musst du deinen Schreckens-Schal alleine stricken" Ohne weiter auf sie zu achten, die die Arme vor der Brust verschränkt hatte, entwirrte er die verknotete Wolle und wickelte sie zurück auf das Knäuel. Anschließend nahm er einen Faden zwischen die Finger und fädelte ihn fachmännisch auf eine der Nadeln. "Woher kannst du das überhaupt?", fragte Julia, welche ihm inzwischen mit offenem Mund zusah. Raoul zuckte mit den Schultern, lachte leise vor sich hin. "Du hast bei Großmutter Tiá immer nur Kekse gefuttert, statt zu stricken. Ich hab' aufgepasst. oder woher glaubst du hast du deine ganzen hübschen Wollsocken aus den letzten drei Jahren?", er zwinkerte ihr vergnügt zu. Julia verdrehte die Augen und beobachtete, wie Raoul eine Reihe nach der anderen fabrizierte - in erschreckender Geschwindigkeit. Dann wandte sich sein Blick ihr zu. "Jetzt bist du dran!", erklärte er strahlend, und Julia hob eine Augenbraue. "Du willst mir nicht ernsthaft weismachen, dass ich den Schal stricken soll, oder?" - "Vorhin wolltest du es auch", wies der Rotbraunschöpfige sie auf ihren läpppischen Versuch der letzten Woche hin. "Aber da wusste ich noch nicht, dass du den Mist kannst!", protestierte Julia in weinerlichem Ton. Raoul zwinkerte. "Es gibt so viele Geheimnisse an mir, Julia", scherzte er, "Beim nächsten Mal weihe ich dich vielleicht sogar in die hohe Kunst des Blusen-Bügelns ein" Ohne es wirklich zu wollen, lachte die Artistin. "Na gut, was muss ich machen?", sie seufzte und streckte die Hand nach den Stricknadeln aus. Kapitel 5: Weihnachtliche Waschmaschine --------------------------------------- Weihnachtliche Waschmaschine Glaubte man kitschigen Liebesfilmen, in deren Gesellschaft seine Mutter in regelmäßigen Abständen auf der Couch einschlief, waren Waschsalons Treffpunkt von jungen, heißen Singles, die nur darauf warteten, erobert zu werden. Besonders an Weihnachten. Dann hatten nämlich auch Santa Claus' sexy Weihnachtselfen Wäsche. Gehörte man zur Realität und benutzte Waschsalons, statt bloß Filme darüber zu schauen, wusste man, dass die einzigen willigen Singles, welche sich vor ihren Waschmaschinen platzierten, Rentnerinnen auf der Suche nach Aufmerksamkeit waren. Der Rest gehörte zum männlichen Geschlecht an, die zunächst in der blinden Hoffnung durch die automatischen Türen herein gestolpert waren, weil sie monatlich gerade zu viel Geld für zwei Waschsalon-Besuche, aber nicht genug für eine Waschmaschine hatten. Rick hatte anfangs noch auf Wunder gehofft – vielleicht hatten die Weihnachtselfen ja mehr Unterwäsche und Kleidung, als gedacht? Nach zwei Jahren allerdings, in denen ihm keines der scheuen schönen Wesen über den Weg gelaufen war, war er drauf und dran, aufzugeben. Er hatte sogar schon überlegt, seinen ursprünglichen Weihnachtswunsch in eine Waschmaschine umzuwandeln. Der Weißhaarige hatte sich in einer Ecke auf einen der wenigen wackeligen Klappstühle gelümmelt – es war erwiesenermaßen der einzige, welcher halbwegs stabil war – und nickte im Takt zur Musik, die durch seine Kopfhörer in seine Ohren dröhnte. Seine Waschmaschine war gerade fertig geworden, und er platzierte das Magazin der Men's Health auf seinem Stuhl, damit kein Anderer auf die Idee kam, ihn ihm wegzunehmen. „Wie viele Socken hast du heute wieder gefressen?“, erkundigte er sich bei seiner Stamm-Waschmaschine, Nummer fünf. Das Gerät schwieg wie immer, doch Rick ließ sich davon nicht täuschen. Diese Waschmaschine ließ jedes Mal ein paar Socken verschwinden. Zumindest ging er davon aus – er legte seine Wäsche nicht in aller Öffentlichkeit zusammen, am wenigsten seine Socken. Vielleicht musste er auch den kleinen Socken-Staat unter seinem Bett wieder einmal etwas entvölkern und die Staubmäuse, die dorthin emigriert waren, vernichten. Er trug den kleinen Haufen, welchen er in seinen Armen gesammelt hatte, zum Trockner, stopfte ihn hinein, warf Münzen ein und wandte sich wieder seinem Klappstuhl zu. Er fröstelte und rückte den Stuhl etwas näher an den schmalen Heizkörper an der Fensterfront des Salons. Er hatte den schmalen Streifen blauen Himmel eindeutig als zu gutes Zeichen gedeutet, als er ausnahmsweise einen Blick nach oben geworfen hatte. New York im Dezember war kalt, das hätte er eigentlich wissen sollen. „Es sind ja nur ein paar Meter die Straße runter“, grummelte er vor sich hin, „Da braucht's keine Jacke..“ Rick nahm seine Zeitung wieder auf und fröstelte erneut als ein kalter Windstoß durch die automatische Tür drang. Er lehnte sich leicht ärgerlich nach hinten, um zu sehen, wer sich freiwillig mit Glöckchen behängte und in einen Waschsalon verirrte. An ihrer grünen Mütze, welche schief auf ihrem Kopf saß, bimmelte ein Glöckchen bei jedem Schritt, den sie tat. Sie war jung – Rick schätzte, so etwa in seinem Alter – und trug einen grünen Mantel über einem grünen Kleid. Wow – wenn das kein Weihnachtswunder war. Obwohl diese junge Frau wohl keine Weihnachtselfe sein konnte – die schweren Springerstiefel an ihren Füßen und ihr dunkelblaues Haar sprachen anderes. Außerdem zog sie ein ziemlich griesgrämiges Gesicht, während sie sich kurz umwandte. Ricks Blick traf kurz ihren, und sie verdrehte die grünen Augen als er ihr verschmitzt zuzwinkerte. Ihr Begleiter war genauso groß wie sie – also klein – und schleppte einen enormen Wäschekorb vor sich her. „Warum muss ich das Schleppen übernehmen?“, beschwerte er sich, „Es ist nicht so als wär das meiste von dem nicht deins!“ - „Du hast die Waschmaschine zerlegt, erinnerst du dich?“, erwiderte sie süffisant, und ihr Blick fiel abermals auf Rick, welcher ihr abermals zuzwinkerte, „Das geschieht dir nur recht!“ Vielleicht überlegte er es sich mit der weihnachtlichen Waschmaschine noch. Kapitel 6: Nikolaus ------------------- Nikolaus Manchmal bereute Judy, die Blenden zusätzlich noch zu den Rollläden vor den Fenstern angebracht zu haben. Es mochte gut sein, dass Max und sein Vater besser schliefen, seit sie angebracht waren, doch gerade waren die Blenden alles andere als ihrem Zweck dienlich. Die blonde Amerikanerin verkniff sich ein seufzen und tastete sich langsam weiter voran, lauschte auf jedes Geräusch. Doch das einzige, was sie hörte, war das Rascheln der kleinen Zellophan-Tüte in der Tasche ihres Morgenmantels. Wo war noch gleich der Stuhl..? Sie wusste, ihr kleiner Sohn hatte ihn aus der Küche in die Diele gezogen und bestimmt dort liegenlassen – sein Vater ermahnte ihn niemals zum Aufräumen. Er ließ den kleinen Sausebengel herumlaufen und Chaos fabrizieren, wie es ihm gefiel. Judy verdrehte die Augen und tastete sich einen Schritt weiter nach vorne. Ihr nackter Zeh stieß gegen etwas, was sich weich und warm anfühlte, und sie hob eine Augenbraue. Hatte sich Maxie tatsächlich auf die Lauer gelegt, wie er beim Abendessen stolz verkündet hatte? Oder hatte es sein Vater wieder einmal nicht vom Sofa ins Bett geschafft? - Nein, letzteres war nicht möglich. Max' Vater hatte sich vorhin dermaßen schwer seufzend umgedreht, dass Judy davon aufgewacht war. Die blonde Amerikanerin schüttelte den Kopf und bückte sich. Es fühlte sich verdächtig nach Max' Kuschelhasen an.. Die Ohren waren ein eindeutiges Indiz! Judy schüttelte lächelnd den Kopf und tastete sich weiter – und musste sich sogleich auf die Zunge beißen. Sie war mit dem Fuß gegen besagten Stuhl von vorhin gestoßen. Seit wann war dieser Stuhl so hart und unerbittlich? Manchmal wünschte Judy sich wirklich ein Sofa in die Diele. Immerhin war sie heile bis zum Stuhl gekommen, ohne das Licht anknipsen zu müssen – das hieß, sie war beinahe bei den Stiefeln angekommen! Die Hand schon vorsorglich in die Tasche ihres Morgenmantels gesteckt schob Judy sich am Stuhl vorbei und tastete sich weiter nach vorne. Sie war gerade in die Hocke gegangen, da knipste jemand das Licht an. „Oh“, sie machte einen gequälten Laut, „Licht.. Schmerz..“ Ihre Artikulation war um diese Nachtzeit nicht die beste, zugegeben. Judy schirmte ihre Augen mit einer Hand vor dem Licht ab, und blinzelte mit tränenden Augen zu ihrem Mann auf. „Warum hast du das Licht angemacht?“, wisperte sie säuerlich, „Jetzt wacht Maxie gleich auf!“ Der Angesprochene sah so aus, als könne er sich nicht so recht entscheiden, ob er erleichtert, amüsiert oder erschrocken aussehen sollte. Max' Vater hielt einen Baseball-Schläger in seinen Händen, den er zuletzt vor zwanzig Jahren benutzt hatte und mit dem Judy wahrscheinlich besser umgehen konnte als er. Auch wenn sie beide es nicht erwähnten. Die blonde Amerikanerin verdrehte die Augen. „Du dachtest doch nicht allen Ernstes, jemand würde hier einbrechen?“, erklärte sie schmunzelnd und steckte die kleine, knisternde, rote Tüte in einen von Maxie's Stiefeln. Kapitel 7: Frei-Tag ------------------- Frei-Tag Emily lehnte sich wohlig seufzend in den Küchenstuhl, ihre Kaffeetasse mit dem roten Herz auf schwarzem Grund, aus dem ein Atompilz aufstieg, in den Händen. Sie konnte sich nicht mehr wirklich an den Zusammenhang erinnern, durch welchen dieses Objekt in ihren Besitz gelangt war – es musste noch aus der Zeit kommen, als sie geglaubt hatte, Kenny sei irgendwie mysteriös und interessant. Sie hatte sich jede seiner seltsamen Verlinkungen angesehen und hatte wer-wusste-was in die kleinen romantischen Gesten in den Webcomics hineingedeutet und Stundenlang mit ihm im Chat diskutiert. Emily schmunzelte. Sie hatte den jungen Japaner eindeutig etwas zu offensichtlich umschwärmt – zu schade, dass sie das erst im Nachhinein realisiert hatte. Ihr war irgendwann zwischen krampfigen Stammel-Gesprächen im realen Leben auf Beyblade-Turnieren klar geworden, dass Kenny in den Tiefsten seines Seins bloß ein Langweiler war. Emily zuckte mit den Schultern und schmunzelte. Na immerhin – sie hatte eine Tasse aus der ganzen Affaire abgestaubt. Auch wenn sie sich durch eine gefühlte Ewigkeit an Erklärungen zu einem ach-so-tollen Webcomic hatte anhören können. Emily hatte bis heute nicht hineingeschaut. Die Rothaarige kicherte in sich hinein und verdrehte die Augen über sich selbst, während sie auf ihr Heißgetränk pustete, um wenigstens daran nippen zu können. Heute war Freitag, und Frei-Tag. Das hieß, sie hatte trainingsfrei und hätte im Bett bleiben können. Emily linste in Richtung Küchentur, welche in den Hausflur führte. Wahrscheinlich würden ihre Mitbewohner bis zum frühen Nachmittag schlafen. Das hieß, sie konnte ungestraft in ihrem grünen Flanell-Schlafanzug die Couch besetzen und sich darauf ein Kissen-Fort bauen. Und es war Freitag im Dezember! Ein spitzbübisches Grinsen schlich sich auf das Gesicht der jungen Amerikaner, und ließ ihren Platz in der kleinen Küche mit federndem Schritt hinter sich, die Tasse in den Händen. Ihr Weg führte sie bloß eine Tür weiter ins kleine Wohnzimmer, welches zur Hälfte von ihrer wunderbar breiten Couch eingenommen wurde. Emily stellte ihren Milchkaffee auf die Glasplatte des Couchtisches. Sie angelte sich einen Keks aus der offenen Packung neben der Fernbedienung und beäugte die Orangenschalen, die jemand gestern vergessen hatte wegzuräumen, skeptisch. Aber es war Frei-Tag. Emily grinste spitzbübisch. Sie konnte sich später immer noch über ihre Mitbewohner ärgern. Stattdessen lehnte sie sich nun in die Couch, ihre Füße in den neongelben Socken auf der Platte des Couchtisches und drückte auf den Knopf der Fernbedienung. Es war Freitag in der Vorweihnachtszeit. Da gab es nichts Schöneres als Vormittags auf der Couch zu sitzen, Kissen ringsum drappiert, mit den Weihnachtscartoons ihrer Kindheit im Fernsehen. Emily angelte sich ihre Kaffeetasse und erklärte ihr ernsthaft: „Im neuen Jahr werde ich mir den verdammten Comic endlich ansehen!“ Kapitel 8: Lästerschwestern --------------------------- Lästerschwestern Ein Fluch und ein Klirren hallte durch die Halle, und Brooklyns Blick wanderte von dem Weihnachtsstern, welcher neben ihm auf einem Beistelltisch thronte, zum Trainer der ehemaligen BEGA Bladers. Er hob eine Augenbraue in die Höhe und musterte die drei Kisten, von denen eine einen etwas angekokelten Eindruck machte, skeptisch. War es wieder diese Zeit des Jahres? „Macht Hiro gerade tatsächlich, was ich denke, was er macht?“, hakte da auch schon Mystel nach, und sprach damit direkt Brooklyns Gedanken aus. Der junge Blondschopf schlenderte mit den Händen in den hinteren Hosentaschen seiner Jeans auf ihn zu, während sein Kopf noch in Richtung Hitoshi Kinomiyas gewandt hielt. Der kämpfte am anderen Ende der Halle, beladen mit allen dreien der besagten Kisten auf einmal, um Ballance. Mystel blieb bloß einige wenige Meter vor ihm stehen und lächelte Brooklyn freundlich an. Brooklyn erwiderte das Lächeln, und konnte nicht umhin, seinen Teamkollegen einmal zu mustern. Er war Alltagskleidung an ihm nicht gewohnt – selbst sein Haar war kaum frisiert, es floss in einem langen, lose geflochtenen Kopf, über seinen Rücken hinunter. Nun gut, Mystel musste es nicht anders gehen – auch Brooklyn hatte sich schon seit einiger Zeit von seiner weißen 'Showmontur' abgewandt. Er lehnte sich etwas zur Seite, um ihren Trainer an Mystel vorbei zu beäugen. „Ich weiß nicht“, tat er schließlich Kund, „Vielleicht will er jemanden beeindrucken?“ Mystels Mundwinkel zuckte nach oben. „Mit seinen unglaublichen Künsten im Kisten-Stemmen?“, hakte er amüsiert nach und wandte sich kurz zu Hiro um, welcher einen halben Meter weitergekommen war. „Ob er es wohl noch vor dem Mittagessen bis zum Baum schafft?“, überlegte er laut, und Brooklyn kicherte leise. „Ich glaube, er demonstriert damit seine Autorität“, erklärte er und seine grünen Augen funkelten spitzbübisch. „Oder er ist beleidigt“, wandte Mystel kichernd ein, „Weil du ihm nicht mehr mit Rat und Tat zur Seite stehst wie letztes Jahr. Ich wusste nicht, dass du auch 'nein' sagen kannst, Brook“ Brooklyn kicherte vor sich hin. „Nenn' es ein Experiment“, schlug er vor, „Ich teste einerseits, ob ich es aushalte, bloß zuzusehen, wie Hiro die Lichterkette und den Baum in Flammen aufgehen lässt, und andererseits will ich wissen, ob es an ihm liegt, dass dieses Mist-Teil niemals funktioniert“ Er begenete einem neugierigen Blick Mystels, dessen Mund sich zu einem derart breiten Grinsen verzogen hatte, dass es wehtun musste. „Ihr habt den Baum nicht ernsthaft in Flammen aufgehen lassen!“, rief er aus und sprang vor Aufregung auf der Stelle auf und ab, „Niemals!“ Der Ruf hallte durch das Foyer, und sie beide duckten sich unwillkürlich unf schielten zu Hitoshi, welche eine seiner Kisten gerade auf den gefliesten Boden niedergelassen hatte. Vielleicht überlegte er gerade, ob er sich die Ballance-Akte sparen und die Kisten einzeln weitertragen sollte. Er winkte ihnen breit grinsend zu, und Brooklyn zauberte ein wundervolles Lächeln auf seine Züge, welches ihn unschuldig wie einen Engel aussehen ließ. Kaum hatte Hiro seine Kisten wiederaufgenommen grinste Mystel breit und kicherte eines dieser Kicher-Lachen, die hervorsprudelten und jeden anstecken, der in der Nähe vorbeiging. „Wir sind solche Lästerschwestern“, verkündete er und fasste Brooklyns Arm, „Und deswegen, mein lieber Brooky, werden wir jetzt Mings Lebkuchenvorrat plündern gehen!“ Kapitel 9: Vín Brullé --------------------- Vín Brullé „Ich sage dir doch, Johnny“, Enrico drehte sich nach seinem Teamkollegen um, dessen Namen aus seinem Munde stets wie 'Gianni' klang, „Ein Weihnachtsmarkt in Italien kann viel, viel Spaß machen!“ Er befreite sich kurz aus den Armen der beiden jungen Damen, welche ihn immer und überall mit hinbegleiteten, und drehte sich strahlend zu seinem Teamkollegen um. Die beiden waren wunderbar zum Herzeigen, doch leider führten sich keine Gespräche mit ihnen, wenn sie sich nicht gerade um Mode drehten. Und bei all seiner Liebe für Mode – Enrico konnte sich nicht dazu bringen, die ganze Zeit über von Kleidern zu sprechen. Die beiden Damen hakten sich so auf ein Winken von ihm beieinander unter und spazierten langsam voran. Enrico würde sie später wiederfinden – wozu gab es denn sonst auch Mobiltelefone? Er steckte seine Hände in die warmen Taschen seines Mantels und beobachtete Johnny, welcher sein Gesicht bloß leicht verzogen hatte. In seiner Hand hielt er einen Becher übersüßten Glühweins, von welchem er wohl gerade genippt hatte und in dessen Dampf alleine wohl schon genug Alkohol-Partikel übertragen wurden, um sich anzuheitern. „Oh ja, genau, so viel Spaß“, Johnny schüttelte sich leicht und rückte sich die graue Mütze auf seinem feuerroten Haupt zurecht, „Kitschiges Zeug in den Auslagen wie ich es noch nie gesehen habe, überbunte Lichterketten, deren Farben in den Augen schmerzen, und nicht zu vergessen dieses Gesöff“, erklärte er angesäuert und hielt demonstrativ den Becher hoch, „Den ihr 'Glühwein' nennt und nach alten, in Alkohol eingelegten Socken schmeckt.“ Enrico grinste leicht auf den Vergleich hin. „Ach gib es doch zu, du liebst Weihnachtsmärkte!“, zog er seinen Teamkollegen auf und deutete auf eine Auslage mit einer Auswahl von kleinen Figuren, „Sieh mal, wäre sowas nicht etwas für Roberto?“ „Nein“, meinte Johnny automatisch, und dann, als er näher hinzugetreten war und das Objekt, welches der junge Römer in den Händen hielt, genauer betrachten konnte, nochmals: „Bloß nicht!“ Enrico zuckte mit den Schultern. „Es wäre aber ein gutes Geschenk für Roberto, er hat doch schon alles!“, argumentierte er und fuchtelte kurz mit der kleinen, violetten Glasfigur herum. „Aber er kann nicht denken, dass ich es selbst gefertigt habe“, hielt Johnny dagegen, „Ich kann nicht auf einmal ein Glasbläser geworden sein“ Enrico seufzte. „Ich verstehe eure Wette so oder so nicht!“, verkündete er, während er den nächsten Glühweinstand ansteuerte, „Wer will schon etwas Selbstgebasteltes zu Weihnachten, wenn er alles haben kann?“ Johnny beschloss, diese wohl rhetorische Frage zu ignorieren und kippte den Rest seines nun ohnehin kalten, schlechten Glühweins hinunter. Er schmeckte auch kalt nicht besser, fand er und folgte seinem Teamkollegen nach. „Ist das hier wieder 'der beste Glühwein ganz Piemontes'?“, erkundigte er sich scheinheilig, „Die letzten drei dieser 'Bester Glühwein'-Stände waren es nämlich definitiv nicht“ Enrico zuckte mit den Schultern, zwei neue Becher in den Händen. „Du vermisst bloß Roberto“, erwiderte er gelassen und drückte Johnny einen der Becher in die Hände, „Weil du mit ihm viel besser über Weihnachtsmärkte lästern kannst als mit mir“ „Bei Robert gibt es auch besseren Glühwein. Da tu ich mir sogar seine ellenlangen Ausführungen zur Geschichte des Glühweins an“, erwiderte Johnny und trank einen Schluck Glühwein, in vollster Erwartung, wieder zu viel Zucker zu schmecken. „Warum ist der hier gut?“, fragte er überrascht, bloß einen leichten Zimt-Nachgeschmack auf seiner Zunge zu spüren. Enrico grinste. „Weil das hier Vín Brullé ist“, erklärte er, stolz auf das italienische Heißgetränk, welches er seinem Freund nun hatte anbieten können. Johnny verdrehte bloß die Augen. „Das ist doch Glühwein“, erwiderte er und trank gleich noch einen Schluck. Es war einen Moment lang still zwischen ihnen, ehe Johnny sich räusperte. „Also.. Vín Brullé hieß das jetzt?“ Kapitel 10: Filmsammlung ------------------------ Filmsammlung „Ach, verdammt“, frustriert ließ sich Salima in die Lehne ihres Drehstuhls zurückfallen, welche sogleich mit ihrem Körper nach hinten federte. Sie seufzte und hob ihren mit orangefarbenen Socken bedeckten Fuß an die Tischkante. Salima stieß sich ab und zog ihre Beine nah an den Körper, um die Drehbewegungen des Schreibtischstuhls nicht zu stören. Ihr Zimmer war ohnehin nicht sonderlich groß, so musste sie den wenigen Platz nutzen, welcher frei von Regal, Bett, Schreibtisch oder Schrank war. Sie schloss die Augen, lehnte den Kopf in den Nacken und lächelte leise, während sie sich vorstellte, sie könnte bloß durch die Drehbewegung in der Zeit zurückreisen. Oder etwas Magisches schaffen, oder so ähnlich. Salima kicherte leise in sich hinein – allerdings hatte sie die Rechnung ohne ihr Regal gemacht, an welches sie stieß. Das Möbelstück, welches ohnehin schon nicht das stabilste war, schwankte bedenklich, und die vielen Videokassetten und DVD-Hüllen, welche sie darauf verteilt hatte, klapperten ahnungsvoll, und Salima betete im Stillen, dass das Regal nicht urplötzlich seine magische Standfestigkeit verlieren würde. Der Blumentopf aus Keramik mit der Aloe, welche darin langsam vor sich hin vertrocknete, klapperte leise, und noch irgendwo war ein metallenes Rattern zu vernehmen, doch vielleicht kam dies auch aus der Küche – vielleicht hatte Jim ja wieder einen Koch-Versuch gestartet. Die junge Rothaarige lockerte ihre verspannte Haltung langsam, während sie das Regal noch immer im Blick hielt – vorsichtshalber. Sie würde vielleicht nicht schnell genug sein, um den Sturz zu verhindern, doch sie konnte dem Schlimmsten entgegenwirken. Vielleicht fiel dann bloß die Hälfte ihrer wirklich enormen Filmsammlung zu Boden. Ein leises Klopfen an der Zimmertür lenkte Salimas Aufmerksamkeit für einen Moment lang vom Regal weg, welches wohl nochmals um Gleichgewicht kämpfen wollte. „Es ist offen!“, rief die Rothaarige und entdeckte eine ihrer Lieblings-DVDs, welche sie sich eigentlich hatte wieder einmal ansehen wollen. Charlie Chaplin war darauf abgebildet, und wie der große Diktator, welchen er in seinem Film darstellte, drohte ihm der Sturz. Bloß, dass die DVD ein solches Schicksal nicht verdient hatte, fügte sie in Gedanken hinzu, und streckte sich, um die metallene Filmdose, in welcher die DVD verpackt war, zu retten. Kane öffnete die Zimmertür einen Spalt breit. „Alles okay? Es klang grad als würdest du irgendwo drunter begraben“, erkundigte er sich, und trat einen halben Schritt in den Raum hinein, und Salima musste gleich kichern. Dies war etwas, was in ihrer aktuellen Position – sie lag rücklings schief aus ihrem Sessel gebeugt halb auf dem Schreibtischstuhl – eher schmerzhaft ausfiel. Sie ächzte leise. „Tu dir nicht weh“, mahnte Kane und blinzelte einen Moment lang zu ihrem laufenden Laptop, „Was hast du gemacht, dass das Regal stürzen muss?“ Er zog schmunzelnd eine Augenbraue in die Höhe, und Salima fühlte, wie ihre Wangen rot wurden, während sie sich aufzurichten versuchte. „Au.. Was man für seine Filme nicht so alles tut..“, sie verzog das Gesicht und hielt sich den Rücken, „Ich hab' nach der einen Version von Dicken's Weihnachtsgeschichte gesucht, aber die gibt es nirgends“ Sie zog eine traurige Miene, und Kane zuckte mit den Schultern, lächelte verschmitzt. „Vielleicht geschieht ja noch ein Weihnachtswunder“, erwiderte er kryptisch und zuckte mit den Schultern. Kapitel 11: Tag Nummer Dreihundertvierundfünfzig ------------------------------------------------ Tag Nummer Dreihundertvierundfünfzig „Crusher! Crusher, Crusher, Crusher!“, eine achtjährige Monica sprang vor ihrem Bruder auf dem Eis auf und ab, während der hochgewachsene Dreizehnjährige vor ihr auf den Schlittschuhen mühsam um sein Gleichgewicht kämpfte. Sie streckte die Arme aus und sprang umso höher, während er versuchte, möglichst nicht zu dämlich neben ihr auszusehen. „Was ist denn?“, brachte er mühsam ächzend hervor und versuchte vorsichtig, sich abzustoßen. Allerdings war er nicht auf den urplötzlichen Schwung gefasst und musste sogleich wieder mit den Armen rudern, um nicht schon wieder auf dem Hintern zu landen. Monica lächelte breit. „Heute ist der 11. Dezember!“, verkündete sie stolz, und Crusher nickte irritiert. „Ja, soweit ich weiß schon“, stimmte er ihr zu und wackelte einen weiteren halben Schritt auf das kleine Mädchen mit der warmen, weichen, gelben Bommelmütze zu, „Was ist mit dem Datum?“ Monica stieß sich leichtfüßig ab und beschrieb einen Kreis rund um Crusher, während sie ihr Wissen kund tat. „Von heute an sind es nur noch dreizehn Tage bis Weihnachten und zwanzig bis Silvester.“, verkündete sie stolz, „Und es ist der dreihundertvierundfünfzigste Tag im Jahr!“ Crusher grinste leicht in sich hinein. Sein Schwesterchen war manchmal ziemlich klug. „Hast du wieder das Lexikon von Mama geklaut?“, hakte er nach, während er versuchte, sich zumindest um sich selbst zu drehen. Er scheiterte kläglich. Monica hingegen kicherte und nickte. „Ich kann nichts dafür, das Buch ist zu toll! Im Jahr 1868 hat Aleksandr II.von Russland verboten, dass Granaten im Krieg eingesetzt werden dürfen. Italien ist 1942 in den Krieg eingetreten, und 1946 wurde UNICEF gegründet.“ Sie hatte die Augen geschlossen und erzählte die Fakten aus dem Lexikon wie andere Kinder Geschichten erfanden – Monica war unglaublich intelligent, und nicht selten bewunderte Crusher sein kleines, großes Schwesterchen um ihr unglaubliches Wissen. Andererseits.. „Was ist denn eine Granate?“, fragte da Monica mit großen Augen, „Ich wollte das wissen, aber ich wollte Mama nicht fragen, sie wird doch immer so böse, wenn ich in ihren Büchern über Krieg lese“ Crusher lächelte schief. „Naja, irgendwie versteh ich sie ja. Kleine Mädchen erzählen normalerweise nicht von Krieg“, erklärte er, „Normalerweise reden kleine Mädchen wie du über Pferde und nicht über Friedensabkommen und die UNICEF“ Monica runzelte kurz die Stirn. „Aber Pferde sind doch langweilig!“, verkündete sie so ernst als habe sie gerade die Menschenrechte verlesen, „Es gibt so vieles, was ich wissen will!“ Crusher lächelte in sich hinein und rutschte unsicher zwei Schritte weiter auf sie zu, was eher dem watschelnden Gang eines Pinguins glich als dem eleganten Eiskunstläufer, der er gerne sein wollte. Crusher kicherte leicht in sich hinein als Monica ihn mit beiden Händen aufhielt, damit er nicht in einen Schneehaufen hineinfuhr. „Weißt du was?“, verkündete er, „Ich weiß etwas, was du nicht weißt!“ Mit dieser Formel hatte er Monica immer am Haken. Er liebte ihre vor Neugier glänzenden Augen, wenn sie ihn so ansah. „Und was?“, fragte sie und war schon wieder dabei, aufgeregt auf der Stelle auf und ab zu springen. Crusher beugte sich verschwörerisch vor. „Morgen ist der dreihundertfünfundfünfzigste Tag im Jahr.“, verriet er ihr ernsthaft, „Dann dauert es nur noch zwölf Tage bis Weihnachten. Oh – und es ist dein Geburtstag“ Kapitel 12: Heizung ------------------- Heizung Voltaire hustete. Verdammt, warum war die Heizung nur schon wieder ausgefallen? Es musste das fünfte Mal in diesem Jahr sein. Der alte Herr hatte schon mehrmals nach seinem Hausdiener gerufen, doch anscheinend schien dieser sich wieder einmal mit seiner Gicht aus der Affaire zu ziehen. Der alte Herr erhob sich ächzend aus dem Lehnstuhl, welcher mindestens genauso laut knarrte wie sein Rücken, und hielt sich schnaufend das Kreuz. Wer auch immer gesagt hatte, altern geschehe in Würde, war ein Idiot. Oder es war jemand gewesen, der einfach keine Ahnung hatte. Die vielen Wehwehchen, welche sich einstellten, kaum waren die sechzig einmal erreicht. Voltaire grinste schief in sich hinein und richtete sich etwas auf, stützte sich auf seinen Gehstock, und richtete sich vorsichtig auf. Wie ging dieses komische Lied noch gleich? Voltaire summte vor sich hin. Er hatte den Text vergessen – und Deutsch war er auch noch, verdammt. Seine letzte Deutschlandreise war gut zwanzig Jahre her. „Irgendwas mit sechsundsechzig und leben..“, murmelte er vor sich hin und zuckte mit den Schultern, „Egal“ Voltaire bahnte sich einen Weg in die Küche, in welcher noch etwas Restwärme vom Gasherd verblieben war. Er fröstelte und hüllte sich fester in seinen Hausmantel ein. „Misato?“, rief er probeweise nach dem Hausdiener, welcher wohl knapp zehn Jahre jünger als Voltaire selbst sein musste, und erwartete noch nicht einmal eine Antwort. Er grummelte leise in sich hinein und machte sich eine mentale Notiz, dringend einmal sein Budget für Personal zu überdenken und vielleicht einmal einen kleinen personalmäßigen Tapetenwechsel in Betracht zu ziehen. Andererseits, niemand konnte den Tee so zubereiten wie Misato. Wie auch immer der gute alte Hausdiener die Vorgehensweise Voltaires verstorbener Frau herausgefunden haben mochte. Voltaire setzte ein Kännchen auf den Herd und beobachtete, wie die Ceranplatte sich langsam rot verfärbte. Na, wenn schon niemand da war, um ihm Tee zu machen, so konnte er sich immer noch mit heißer Schokolade versorgen. Egal, was der Arzt über seine Gesundheit gesagt haben mochte. Der Blick des alten Hiwatari wanderte zum Fenster, wo sich hinter weißen Gardinen der Schnee bedeckte Garten im Dunkeln verbarg. War der Weg zum Anwesen überhaupt freigeschaufelt? Er würde Kai in Kürze wieder einmal zu sich zitieren müssen – bestimmt brauchte sein Enkel wieder einmal etwas finanzielle Zuwendung. Voltaire konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Solange sich Kai nicht lernte, mit Geld umzugehen, waren ihm wenigstens solcherlei Besuche sicher, wenn er ansonsten schon eher isoliert lebte. Voltaire hatte sich in dem Moment, in dem er sich aus dem Berufsleben zurückgezogen hatte, auch von gesellschaftlichen Verpflichtungen verabschiedet – ach was, er hatte sie lachend und mit wehenden Fahnen liegenlassen. Wenn er sich recht erinnerte, hatte er damals gemeinsam mit Kai Wodka gekippt. Wie auch immer es dazu gekommen war, inzwischen war es dem alten Hiwatari ein Rätsel. Der Weißhaarige schüttelte den Kopf schmunzelnd über sich selbst und trat an den Schrank, in welchem er Kakaopulver sowie die Kakaotassen verwahrte, zu welchen bloß er Zugriff hatte. Wie aus alter Gewohnheit stellte er zwei hervor, und wärmte sich kurz an dem Heizkörper unter dem Fenster direkt neben ihm. Er verstand nun die Tendenz des fünfjähigen Kai, sich an kalten Winterabenden an genau dieser Stelle einzurollen. „Kommst du für den Kakao?“, erkundigte sich Voltaire, als er Schritte vernahm, und hob belustigt eine Augenbraue, „Oder bist du hier, um die Heizung wieder zum Laufen zu bringen?“ Voltaire konnte Kais Spiegelung im Küchenschrank die Schultern zucken sehen. „Gib mir erst mal eine Tasse“, erwiderte Kai und schüttelte den letzten Schnee aus seinem Haar, „Dann können wir über die Heizung sprechen“ Kapitel 13: Familienalbum ------------------------- Familienalbum Es war nur eine Kleinigkeit. Nichts Besonderes, sagte er sich, während er seine wenigen Habseligkeiten nach besagtem Objekt durchsuchte. Er verwahrte es an einem speziellen Ort, von welchem nur er etwas wusste, und wo es möglichst sicher vor allem war. Sonne, die bleichte. Regen, der das Trägermaterial zerstörte. Nur vor der Zeit konnte er es nicht schützen. Die Zeit, die verschwommen werden ließ und vergilbte und alles etwas unscharfer machte. Er musste nicht lange danach suchen – seine Seite des Schranks war aufgeräumt und fein säuberlich geordnet, und er wusste, wo er was verwahrte. Dies war ihm angewöhnt worden, und er hatte es dermaßen verinnerlicht, dass er es schon nicht einmal mehr bemerkte, wenn er selbst seine Schmutzwäsche noch zusammenfaltete, auch wenn Mao ihn darum belächelte. Und dann hielt er es plötzlich in den Händen – das gesuchte Objekt lag leicht in seiner Hand, klein und praktisch und ein Schatz, obwohl das Papier der Fotografie vergilbte und die Farben immer weiter erbleichten. Boris atmete tief durch und strich über die glatte Oberfläche des Bildes, so wie früher, als er des Nachts in den großen lauten Schlafsälen nicht hatte schlafen können und sich nach dem warmen Arm seiner Mutter gesehnt hatte. Er war meistens zu Yuriy ins Bett gekrochen, weil er es nicht ausgehalten hatte, und der kleine Rotschopf und er hatten sich aneinandergekuschelt, gegen Kälte und Frost und die Kälte in ihnen einander im Arm gehalten. Boris lächelte schief und schüttelte den Kopf über sich selbst. Dennoch blieb er sitzen, auf dem breiten Bett, welches er inzwischen auch teilte, und betrachtete das Foto seiner jungen Mutter, welche ihn auf dem Arm hielt, in einem jüngeren Format allerdings. Sein Vater war niemals dagewesen. Vielleicht war er nach seiner Geburt gegangen, vielleicht vorher – Boris wusste es nicht. Er wollte es auch nicht wissen. Seine Mutter war da gewesen. Und seine Tante, die Schwester seiner Mutter. Er erinnerte sich noch lebhaft an ihr Lachen und die Lieder, welche sie ihm vorgesungen und beigebracht hatte. Als Mao stunden später nach Hause kam, traf sie den Silberhaarigen auf dem Bett sitzend an, ein vergilbtes, zerknittertes Foto in der Hand, ein seltsam melancholisch-entrücktes Lächeln auf den Lippen. Er blickte erst auf, als sie direkt vor ihm stand, und streichelte kurz über ihren sich langsam wölbenden Bauch, ehe er sie auf seine Höhe zog, um sie zur Begrüßung zu küssen. „Hallo“, begrüßte die Pinkhaarige ihren Lebenspartner mit warmem Lächeln, und blickte nach unten auf die Fotografie, „Betrachtest du was Besonderes?“ - „Das ist meine Mutter“, Boris antwortete ohne zögern, zog Mao neben sich aufs Bett, um ihr das Bild besser zeigen zu können. Mao lächelte warm, wusste, wie viel die Geste bedeutete und betrachtete aufmerksam das aschblonde Haar der Frau und ihre stahlfarbenen Augen. Sie fand Boris' Züge nicht wirklich in ihr. Vielleicht die Augenbrauenpartie.. „Sie ist sehr schön“, Mao blickte kurz auf, „Du siehst ihr ähnlich. Wer ist da noch mit auf dem Bild?“ Boris reichte ihr das Bild vorsichtig, um sich leicht nach hinten aufstützen zu können und blickte an die gegenüberliegende Wand. „Meine Tante Natalja.. Ich dachte..“ Er zögerte, schien zu überlegen, und Mao legte erwartungsvoll den Kopf schief. „Spuck's schon aus“, sie zwinkerte schelmisch. „Ich dachte.. das Bild wäre vielleicht etwas für unser Familienalbum?“ Es war nur eine Kleinigkeit. Nichts Besonderes, sagte er sich, bloß ein Bild, welches die Zeit schon als ihr Eigentum gekennzeichnet hatte. Trotzdem lächelte er leise, während er Mao beobachtete, wie sie das Foto von ihm und seiner Mutter neben das von ihr und ihrer Familie klebte. Anschließend schlug sie das frisch begonnene Familienalbum zu. Nicht mehr lange, und sie würden viele erste Momente dokumentieren können. Kapitel 14: Rondevouz --------------------- Rondevouz Oliver schloss die Augen, und lehnte sich m Geländer nach vorne. Er atmete die frostige Luft tief ein, fühlte die Kälte der metallenen Stäbe durch die dicken, blauen Fäustlinge hindurch dringen und lächelte stumm vor sich hin. Es gab eindeutig Gründe dafür, weshalb dies hier einer seiner Lieblingsplätze hier in der Stadt an der Seine war. Der Hügel, auf welchem die Kirche Sacre Coeur ihre Kuppel gen Himmel reckte, mochte nicht hoch sein, doch er liebte die Aussicht auf Paris. Auch wenn er bloß einen kleinen Abschnitt seiner Heimatstadt zu sehen bekam. Oliver erfreute sich dennoch der vielen hellen, teils bunten Lichter, die mal gedämpft, mal strahlend zu ihm herübedrangen. Mal stammten sie von der Weihnachtsbeleuchtung, welche allgegenwärtig über den Straßen und Gassen schimmerte, manchmal kam es auch bloß von nur von Fernsehern erleuchteten Kammern unter den Dächern der Altbauhäuser Paris', in denen vor einhundert Jahren die Bohéme ihren Anfang gefunden hatte. Über ihnen glänzte der schwarze Nachthimmel, blank von Sternen, weil die Stadt selbst zu viele Lichter aussandte. Seine Begleitung, welche bislang stumm einige Schritte weiter hinten verharrt hatte, trat nun zu ihm. „Ich weiß, dass du wohl schon wegen deiner Herkunft dazu prädestiniert bist, romantische Fleckchen zu finden“, ließ Robert Jürgens verlauten, während er warmen Atem in seine Hände blies, „Aber sollte das nicht wenigstens im Rahmen eines Rondevouz' geschehen?“ Oliver kicherte leise in sich hinein. „Ich habe dich doch zum Essen eingeladen“, erwiderte er spaßhaft-ernst, „Macht dich das nicht automatisch zu meinem Rondevouz?“ Er lachte klar auf, als Roberts Gesichtszüge ihm kurz entgleisten, ehe er kurz den Kopf schüttelte und murmelte: „Der verrückte Italiener hat eindeutig auf dich abgefärbt. Wie hat das nur geschehen können?“ - „Genauso wie Johnnys permanente schlechte Laune auf dich übergegangen ist, mein Freund“,erwiderte Oliver und lächelte schief, zuckte mit den Schultern, „Warum ziehst du dich auch nicht wärmer an? Ich dachte, in Österreich ist es mindestens ebenso kalt wie hier?“ Der Habsburger fröstelte und vergrub seine Hände tiefer in den Tiefen seiner Manteltaschen, zog die Schultern hoch, um sein Gesicht etwas mehr in seinem dicken Schal zu vergraben. Der Franzose schmunzelte. „Warum ziehst du auch keine Mütze über? Hattest du Angst, sie könnte dir die Frisur zerstören?“, er kicherte in seinen blauen Fäustling. Robert verdrehte wohlgesinnt die Augen und stieß Oliver freundschaftlich mit der Schulter an. „Warum nimmst du deine Mütze nie ab?“, gab er zurück, „Du trägst die doch bestimmt sogar zum Schlafen.“ - „Nein, für die habe ich eine andere“, der junge Franzose feixte, und Robert grinste. „Ich glaube, ich besitze nicht einmal eine Mütze“, sinnierte er, während er die vielen Lichter Paris' bewunderte, welche sich vor ihnen erstreckten, auch wenn er dies schon häufiger gesehen hatte. Es berührte ihn nicht mehr auf dieselbe Weise wie an den ersten Male – er war kein kleines Kind mehr – doch die Lichter hatten einen ihnen eigenen Zauber inne. Oder es mochte daran liegen, dass sie beide gerade an einer der dunkleren Ecken des Hügels ihren Platz gefunden hatten. Ein Windstoß ließ ihre Augen tränen und Robert murrte leise vor sich hin. „In Österreich muss ich meist nicht mehr als zehn Minuten außerhalb von warmen Räumen zubringen“, erklärte er, auf das nun etwas zurückliegende Thema zurückgreifend, grummelig, und setzte hinzu: „Ich glaube, ich besitze nicht einmal eine Mütze.“ Als sie wenig später den Abstieg begannen, hatte Oliver schon eine SMS an Enrico getippt und abgeschickt, unter dem Vorwand, dem Chauffeur bescheid zu geben, sie in Pigalle zu erwarten. >Geschenk gefunden! Willst du es Johnny verraten?< Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. >Niemals!< Kapitel 15: Keks-Care-Paket --------------------------- Keks-Care-Paket Regen schlug gegen die Fensterscheiben, hartnäckig und so stetig als wolle er Sergej daran erinnern, dass in Russland bereits seit Wochen meterhoch Schnee lag und die Fahrbahnen versperrte und ein Vorankommen außerhalb der Städte unmöglich gestaltete. Zumindest, wenn er Boris Glauben schenkte, welcher sich irgendwo in einem dieser kleinen, unaussprechlichen und unbekannten Örtchen irgendwo in der Taiga verschanzt hatte. Sergej glaubte- Sein Gedankengang wurde vom Telefon unterbrochen, welches ein schrilles Pfeifen von sich gab. Wann auch immer wer auch immer dies eingestellt hatte – der hünenhafte Blondschopf würde ihm wehtun, wenn er ihn in die Finger bekam. Obwohl, wahrscheinlich war es Boris gewesen. Und der war weit genug weg, um sich in Sicherheit zu wiegen. „Hallo?“, Sergej brummelte in den Hörer, aus welchem zunächst bloß Knistern drang. Oh, ein Ferngespräch. Wer das wohl wieder sein konnte. Der Blondschopf verdrehte die Augen und wartete auf eine Antwort am anderen Ende. Von den vier Personen, die seine Nummer hatten – abgesehen von diversen Ämtern, einem Lieferservice seines Vertrauens und seiner Arbeitsstelle – riefen bloß drei in regelmäßigen Abständen an. Yuriy bloß selten, als wolle er sichergehen, dass er noch lebte und nicht zu viel Mist baute. Der alte Kontrollfreak. Sergej schmunzelte. Ivan plapperte hin und wieder einen Schwall von Informationen herunter, welcher von technischem Fachchinesisch durchsetzt war, und vergaß, sich nach seinem Befinden zu erkundigen. Das war Sergej mehr als bloß recht, so musste er nicht von seinem seltsamen Job in dem seltsamen Büro sprechen, welches ihn wie einen unlauteren Kerl aussehen ließ. Dabei war er durch und durch redlich! Allein Boris rief häufig an – anscheinend immer, wenn ihm gerade langweilig war. Und ihm musste dort oben, derart nahe an der Grenze zur Tundra, öfters langweilig werden. Die Leitung knackste ein letztes Mal, ehe sie sich endlich klärte, und das nasale Schnarren von mürrischem Russisch drang in sein Ohr. Ah, wunderbare Heimat. Sergej schmunzelte in sich hinein. „Sei gegrüßt, Serjoscha! Was macht das Leben mit dir?“, Boris schien ausnehmend gut gelaunt, wenn er schon mit Kosenamen um sich warf. Oder aber er war betrunken. Sergej beschloss, lieber nachzufragen. „Bist du besoffen?“, erwiderte er also trocken und setzte sich an den Küchentisch. Dieses Gespräch konnte länger dauern. „Warum sollte ich betrunken sein?“, fragte Boris betont unschuldig, „Darf ich noch nicht einmal gute Laune haben?“ - „Normalerweise hast du gute Laune, wenn du jemanden halb umgebracht hast“, erinnerte Sergej seinen ehemaligen Teamkollegen und schüttelte den Kopf, lenkte sogleich vom Thema ab, „Was verschafft mir die Ehre deines Anrufs, oh großer Waldläufer?“ - „Ich habe Kekse!“ Sergej runzelte die Stirn. „Kekse“, echote er skeptisch, „Ich wage kaum zu fragen, aber – Woher?“ Boris ließ ein helles Lachen hören. „Selbst gemacht natürlich! Gut, ich geb's zu, ich habe vielleicht etwas zu viel Rum in die Rumkugeln gegeben und beim Lebkuchenrezept etwas gemogelt, weil ich keinen Anis da hatte, sondern nur Anisschnaps, aber..“ Sergej verdrehte die Augen. „Du bist betrunken“, erklärte er, und Boris ließ einen winselnden Laut hören. „Bin ich nicht! Ich habe nicht getrunken!“ Der Blondschopf schüttelte den Kopf. Okay, so wurde das nichts. „Du willst mir nicht vielleicht die Weihnachtswoche erhellen und mir ein Keks-Care-Paket schicken, oder?“, fragte er stattdessen und erntete bloß ein amüsiertes Lachen. Kapitel 16: Nacht-und-Nebel-Aktion ---------------------------------- Nacht-und-Nebel-Aktion Die Mission glich der Nacht-und Nebel-Aktion, wie sie sie einmal vor Jahren unternommen hatten, um ins Dojo der Familie Kinomiya einzuschleichen. Damals war es ein Halloween-Scherz gewesen, welcher Großvater Kinomiya beinahe einen Herzinfarkt beschert hatte. Vielleicht wegen der No-Masken, die sie getragen hatten. Hiromi verzog das Gesicht, während sie an die Standpauke des alten Herren dachte, und schüttelte den Kopf. Heute würde alles wie am Schnürchen laufen – immerhin hatte sie ein besseres Team und mehr Erfahrungen gesammelt! Sie hatte sich vor etwa einer halben Stunde bereits in der Umgebung eingefunden, um genau über alles im Bilde zu sein. Sie war durchgefroren bis auf die Knochen, auch wenn sie dauernd in Bewegung gewesen war, und rund um das beeindruckende Anwesen geschlichen war. Das Walkie-Talkie, welches Kenny für sie besorgt hatte, knisterte leise. „Großer Falke an Reh im Scheinwerferlicht“, schnarrte eine akzentlastige Stimme durch den Funk, „Bist du da?“ - „Na endlich“, murrte sie ins Gerät, „Ich bin schon halb durchgefroren!“ Boris auf der anderen Seite der Leitung kicherte glucksend. „Bist du fertig?“, erkundigte er sich, und Hiromi konnte das hämische Grinsen auf seinem Gesicht förmlich spüren. „Ja“, antwortete sie leicht verdutzt. Boris gluckste nochmals. „Dann sag 'Over'“, verlangte er. Hiromi verdrehte die Augen. Und sie hatte geglaubt, ihre Jungs wären kindisch. „Schleichendes Reh an bissigen Kanarienvogel“, erklärte sie nochmals in offiziellem Ton, „Ich bin da. Over“ „Ich bin der große Falke!“, protestierte Boris und schnaufte, „Was soll der mistige Codename, Hiromi?“ Die Angesprochene grinste schief. „Es ist nicht so als würde uns jemand belauschen, Boris“, erwiderte sie und trat an das große Eingangstor, „Ist die Luft rein?“ Es knackste kurz in der Funkleitung, und sie schien einen Moment lang tot, ehe Boris sich wieder zu Wort meldete. „Kai hat unser Geburtstagskind vorhin abgefüllt. Sich selbst auch. Das heißt, die beiden werden so schnell nicht aufwachen.“, Hiromi konnte ein leises Grunzen irgendwo im Hintergrund hören und musste sich ein Kichern verbeißen. War das etwa ein schnarchender, betrunkener Kai? Wie zur Bestätigung klickte etwas, was vielleicht eine Tür war, und Boris sprach nochmals: „Die beiden werden erst mal ein paar Wälder kahl sägen. Die Luft ist rein.“ - „Gut“, fand Hiromi, „Dann lass mich endlich rein! Ich frier mir hier den Hintern ab!“ Boris brauchte noch etwa zwei Minuten, dann summte das Tor, und Hiromi konnte ohne Probleme auf das Grundstück des Anwesens. Boris erwartete sie an der Tür. „Mylady“, er lächelte ein Haifischgrinsen, welches Hiromi unter normalen Umständen einen Schauer über den Rücken hätte laufen lassen. Doch an diesem Abend waren sie in geheimer Mission verschworen. So erwiderte Hiromi bloß das Lächeln und hielt mit blitzenden Augen den Rucksack hoch. „Ich hab' die Ware. Und jetzt husch, ab in die Küche.“, erklärte sie und drängte sich an dem hochgewachsenen, kräftig gebauten Russen vorbei ins Warme. Oder zumindest war dies ihr Plan gewesen. Allerdings hielt der hakennasige Russe sie mit festem Griff am Oberarm fest. „Nur eines noch“, murmelte Boris mit einem Blick auf die geschlossene Tür zum Wohnzimmer, in welchem Kai und Yuriy wohl gerade schliefen. Sein grauer, emotionsloser Blick fixierte Hiromi, und auch wenn sie ihn tapfer erwiderte, so schauderte sie doch. Boris räusperte sich. „Nur weil du für Yura Kekse bäckst, heißt noch lange nicht, dass wir jetzt beste Freunde sind. Oder ich ein netter Kerl.“ Hiromi musste sich ein Schmunzeln verkneifen und erwiderte, so ernst sie konnte. „Dein Geheimnis ist in meinen Händen sicher, bissiger Kanarienvogel“ Die Mission war schon jetzt ein voller Erfolg. Kapitel 17: Zucker-Rausch ------------------------- Zucker-Rausch „Das muss ein Traum sein“, Rai blinzelte, schloss die Augen, schüttelte den Kopf, und öffnete sie wieder. Doch die Illusion verschwand nicht bei diesem ersten Mal. So schloss er abermals die Augen, schüttelte seinen Kopf diesmal heftiger, sodass sein kurzer Zopf durch die Gegend flog. Er verhielt sich einen Moment lang ruhig, öffnete erst dann die Augen wieder. Seine bernsteinfarbenen Augen fingen das Licht der Lichterketten ein und schienen dunkel-rotbraune Tiefen zu entwickeln, während sich erste Schneeflocken auf seinem Haupt niederließen. „Das muss ein schlechter, schlechter Traum sein“, wiederholte er murmelnd, und sah Mao sich langsam nähern. „Rai! Hier bist du!“, sie lächelte fröhlich, eine rote Weihnachtsmütze auf dem Kopf, an dessen Spitze ein Glöckchen am Bommel befestigt war, welches mit einem jeden ihrer Schritte ein leises Klingeln verlauten ließ. Sie hatte sich in ihren Wintermantel gehüllt und ihre Wangen waren von der Kälte gerötet. „Wo sollte ich sonst sein?“, gab der junge Chinese zurück, während er Maos seltsame Mütze skeptisch beäugte. „Was soll die Mütze?“, hakte er nach, und Mao schüttelte den Kopf. Neben ihr sprang Kiki vom Dach einer dieser komischen rustikalen Holzhütten, welche sich in einem Kreis um den Platz herum anordneten. „Na, altes Haus!“, verkündete er, und auch er trug ominöser Weise eine dieser Geschmacksverirrungen von Mützen. Rai runzelte die Stirn. „Du trägst ja auch eine dieser komischen Mützen“, stellte er fest. Kiki zuckte bloß mit den Schultern. „Klar doch“, erwiderte er, als wäre es das Normalste der Welt, „Du ja auch!“ Rai runzelte die Stirn und fasste sich an den Kopf. Als er zuletzt in seinen Schrank hineingesehen hatte, war noch keine solche Mütze da gewesen. Wo er es sich recht überlegte: Mao auch nicht. Auch wenn ihr Schrank, seit sie ins Teenager-Alter eingetreten war, in beängstigendem Ausmaß gewachsen war. Kiki bestimmt nicht. Aber da war eindeutig eine seltsame Mütze auf seinem Kopf, und er hörte leises Bimmeln, als er das Glöckchen berührte. Rai fühlte sich leicht beunruhigt. War er etwa von Aliens entführt worden? Oder hatte Meister Sen ihm gestern Abend tatsächlich Reiswein untergeschmuggelt? „Wo ist Gao?“, hakte Rai nach, und Kiki grinste nur breit vor sich hin, während Mao in eine vage Richtung deutete. „Wahrscheinlich kostet er gerade Kekse in der Fabrik vor“, meinte sie grinsend. Rai warf ihr einen Blick zu. War sie high? Hatte sie gestern Abend zu viel Reiswein abbekommen? Oder hatte sie doch Tequila ins Dorf eingeschmuggelt? Oder verlor er so langsam den Verstand. „Keksfabrik“, erchote er trocken und kam sich noch mehr vor wie in einem Irrenhaus. Mao nickte freudig. „Da gehen wir nachher auch noch hin!“, verkündete sie und hielt die Hand hoch, damit Kiki ihr Fünf geben konnte. Er schlug freudig ein. Rai blinzelte verwirrt. Die beiden gingen sich nicht an den Kragen? Was war denn da falsch? Er blickte sich um. „Sagt nicht, der Weihnachtsmarkt hat sich jetzt sogar schon in unser kleines Dorf in China verirrt“, Rai verzog das Gesicht, während er seine Freunde musterte. Rei spazierte gerade in diesem Moment des Weges, zwei dampfende Tassen in den Händen. „Ich weiß nicht, was du meinst“, trällerte er in einem Sing-Sang, zuckte mit den Schultern und hielt Rai eine der Tassen vor die Nase, „Punsch?“ Rai schüttelte den Kopf, schloss die Augen. „Ihr alle seid komplett durchgedreht“, erwiderte er langsam. „Rai?“ Der Angesprochene hatte niemals dermaßen starke Kopfschmerzen erlebt – und das hieß etwas. Immerhin hatte er sich ein Wetttrinken mit den Russen geliefert. Rai verzog das Gesicht und blinzelte, um Mao anzublicken. Sie trug eine rote Mütze mit bimmelndem Glöckchen. Er ließ ein leises Stöhnen hören. „Was hatte ich gestern?“, murmelte er krächzend in sein Kissen. Mao schien ihn trotzdem zu verstehen. Sie tätschelte ihm vorsichtig den Kopf. Hatte sie etwa gerade Mitleid mit ihm? „Irgend ein Likör mit Zuckerstangen. Vielen, vielen Zuckerstangen“, informierte sie ihn, und Rai stöhnte abermals, kniff die Augen zusammen. „Lass mich nie mehr auf Zucker-Rausch sein, ja?“, bat er elendiglich, und wimmerte leise, „Was für ein Traum..“ Kapitel 18: Es ist Weihnachten ------------------------------ Es ist Weihnachten „Es ist Weihnachten!“, die Realisierung traf ihn und hinterließ ein unschönes Prickeln auf der Haut als hätte ihm gerade jemand einen Kübel eiskaltes Wasser ins Gesicht geschüttet. „Auch schon mitbekommen?“, kam es halblaut von Mariam, welche sich mal wieder auf ihrer Couch ausgebreitet hatte, als gehöre sie ihr. Sie hatte sogar die Füße auf den Couchtisch gelegt. Ivan wusste nicht, ob er sich über die mangelnde Höflichkeit des Dauergastes ihrer Wohngemeinschaft aufregen sollte, welche schon halb hier bei ihm und Yuriy eingezogen war, oder bloß die Augen über sie verdrehen. Ivan entschloss sich für letzteres. „Es ist Weihnachten“, wiederholte er in ernstem Ton, als müsse er einem Kind etwas erklären, und Mariam warf ihm einen schiefen Blick zu, eine der langen, dunkelblauen Strähnen um ihren Finger gewickelt. Sie zuckte mit den Schultern. „Ja und?“, gab sie zurück, ehe ihre Konzentration wieder in Richtung Fernseher wanderte. Der kleingewachsene Russe schüttelte bloß den Kopf und wollte schief verzweifeln angesichts der Uneinsichtigkeit – oder sollte er es als Vergesslichkeit bezeichnen? - der Freundin seines Teamkollegen. „Du verstehst nicht, Mariam. Es ist Weih-“, er betonte jede Silbe des Wortes einzeln, „-nach-“, und zog dabei die Augenbrauen so hoch wie er nur konnte, um das Wort möglichst zu betonen, „-ten. Weihnachten!“ Die Blauhaarige hob ihrerseits eine Augenbraue und schüttelte den Kopf. „Habt ihr das jemals groß gefeiert? Was Yuriy mir erzählt hat nicht.“, erwiderte sie mürrisch und schlug die Beine übereinander, lehnte sich etwas über den Rücken der Couch hinaus, um Ivan besser anblicken zu können, „Genausowenig wie mein Bruder und ich“ Ivan schüttelte den Kopf. „Nein, haben wir nicht“, antwortete er und hatte noch immer das Gefühl,zu einer uneinsichtigen Dreijährigen zu sprechen, „Aber ich weiß von einem besonderen Datum genau am Weihnachtsabend, das für dich wichtig sein könnte. Dich und Yura“ Na, wenn das nicht ein Wink mit dem Zaunpfahl war. Mariams tiefgrüne Augen musterten ihn kurz und sie schien einen Moment lang nachzudenken und seine äußerst kryptische Botschaft zu entschlüsseln. „Okay“, meinte sie schließlich, und Ivan wollte schon jubeln, da fuhr sie fort, „Ich weiß noch immer nicht wirklich, was du meinst“ Ivan klatschte sich die Hand vors Gesicht. „Ich fasse es nicht!“, grummelte er hinter seiner Hand hervor, „Ich fasse es einfach nicht! Ich kenne die ganzen verdammten Meilensteine eurer Beziehung besser als ihr selbst!“ Ivan nahm die Hand von seinem Gesicht und kniff die rotbraunen Augen zusammen. „Jetzt sag mir nicht, du hast verdrängt, dass ihr letztes Jahr an Weihnachten auf diesem bescheuerten Ball nicht die ganze Zeit umeinander herumgeschlichen seid“, forderte er Mariam heraus, welche nun endlich den erhellenden Moment zu haben schien. „Oh“, die Blauhaarige lachte verlegen, „Das meinst du“ „Und? Geschenke?“, Ivan zog auffordernd die Augenbrauen in die Höhe, und Mariam klatschte sich eine Hand auf die Stirn. „Oh“, erwiderte sie, und war in einem Satz aus ihrem Sitz aufgesprungen und bei der Garderobe. „Na los!“; trieb sie den Mitbewohner ihres festen Freundes an, „Du meintest doch gerade, du willst unbedingt mit!“ Ivan schüttelte bloß den Kopf, die Augen gen Zimmerdecke verdreht. Ach ja. Darum passten Mariam und Yuriy noch gleich so gut zusammen. Den Rotschopf hatte er gestern auch schon an ihren Jahrestag erinnern müssen. Kapitel 19: Es war einmal ein Mann ---------------------------------- Es war einmal ein Mann. Es war einmal ein Mann, welcher auszog, um das Sehnen zu suchen. Es war ein weißes, weites Sehnen, welches in seiner Magengegend lag und ihn über eine unsichtbare Schnur hinweg, welche an seinem Nabel nach draußen führte, mit der Welt verband. Es ließ ihm keine Ruhe, trieb ihn immer weiter und weiter fort – fort von allem, was ihm lieb und teuer war. Zunächst kämpfte er noch dagegen an, konnte sich nicht entscheiden, wen er sah, wenn er seinen Söhnen ins Gesicht sah, und schaffte es nicht, bloß sich selbst in ihnen zu sehen. Vielleicht, weil besonders der Jüngere nach seiner Mutter schlug, und die großen, schokoladenbraunen Augen ihm bei jedem Blick einen Stich versetzten, wenn sie ihn groß und rund und unschuldig und voller Neugierde anblickten. Er gab seinen Kampf bald auf, konnte – wollte – nicht mehr gegen das Sehnen ankämpfen, welches seinen Griff immer fester um ihn schloss und ihn immer weiter für sich einnahm, bis es in seinen Ohren klingelte und in seinem Kopf nichts war als das weiße Rauschen der Reisen und der Ferne. So begann es, anfangs noch mit Tagesausflügen, nicht weit fort. Vielleicht ging er bloß in die nächste Stadt, immer wieder in eine andere, für ein paar Tage. Nur hin und wieder, nichts Besonderes, sagte er sich und dem kleinen Überrest seiner Familie, und bereute gleichzeitig seine Lügen. Er wusste, dass er es nicht lange aushalten können würde. So geschah es – er folgte dem Ruf der Ferne, in immer neue Städte, immer einen Tag länger als beabsichtigt, zwei, drei, vier. Doch die Tage wurden schnell zu Wochen, und Wochen verschwammen in Monaten, schließlich zu Jahren. Er vergaß, die kleinen Postkarten zu schreiben, die er anfangs noch jeden Tag, jede Woche geschrieben hatte, und seine Briefe wurden kürzer und kürzer, bis sie schließlich aufhörten, außer es handelte sich gerade um den achtzehnten Geburtstag seines älteren Sohnes. Die Zeit verflog, und er vergaß, die Orte, an denen er war, auf der Karte, welche er überall mit sich hin nahm, zu vermerken. Die Welt wurde ihm einerlei, war einmal ein Haufen Steine, welchen es auszugraben galt, ein anderes Mal eine Ruine, die noch Mumien beinhaltete. Er war ganz in seinem Element. Über seiner zweiten großen Liebe – der Vergangenheit – vergaß er die Lebenden rund um ihn, und seine Familie verschwamm zu einem fernen Brei aus unbeantworteten Weihnachtsgrüßen und verpassten Telefonanrufen, welche seltener und seltener wurden, schließlich aufhörten. Und dann stolperte der Mann, welcher inzwischen an Bauchumfang wie an grauen Haaren in seinem dunklen Haarschopf zugelegt hatte, an einem ungewöhnlichen Ort über eine Ausgrabungsstätte. Er hatte endlich Gelegenheit, seinen halb ausgepackten Koffer auszupacken und traf dabei auf etwas, was seine Welt veränderte. Das Bild war vergilbt von Sonnenschein und der Reibung verschiedener Gegenstände, weil er es bloß auf den Boden seines Koffers gelegt hatte, doch es erinnerte ihn an die vergessene Familie. Er wollte zum Telefon greifen und anrufen, doch er hielt – die lange, lange Ferngesprächsnummer halb gewählt – inne. Was sollte er sagen? Was konnte er sagen? Er wusste nichts mehr über seine Familie. Es schien als habe die Vergangenheit alles Wissen zur Gegenwart aus seinem Kopf gesaugt. So saß er da. Einen Tag, zwei. Die Ausgrabungen waren wegen des schlechten Wetters vorerst eingestellt. Schließlich raffte er sich auf, nahm seinen Koffer, und trat den längsten aller Wege an. Es war einmal ein Mann, welcher auszog, um das Sehnen zu finden. Es war ein weißes, weites Sehnen, welches am Nabel anknüpfte und ihn durch Zeit und Raum trug, ihn jedoch nicht mit seiner Welt verband. Als der Mann vor den Türen des Dojos stand, vor diesem einstmals kleinen, großäugigen Jungen, welcher seiner Mutter derart ähnelte, starrte der nun nicht mehr ganz so kleine Junge tonlos an, ehe sich ein Strahlen auf sein Gesicht schlich, das er von seiner Mutter haben musste. Es war einmal ein Mann, welcher auszog,um das Sehnen zu finden, und es in den Augen seines Sohnes fand. Kapitel 20: Das schönste Schmuckstück ------------------------------------- Das schönste Schmuckstück „Ja, ich weiß, dass du am liebsten hoch springen und dir die ganzen Glitzerdinger krallen würdest, Mieze“, seinen Kopf schüttelnd schob Garland die Katze zur Seite, welche unter dem kleinen Weihnachtsbaum darauf lauerte, in einem unbeobachteten Moment einen Sprung in ungeahnte Höhe zu tun und nach Lametta-Fäden zu tatzen. Oder nach einem der kleinen, hängenden Schmuckstücke, welche der Hellhaarige so liebte. Er verdrehte die Augen und drehte noch ein letztes Mal an der Haltevorrichtung am Christbaumständer. Der Nadelbaum schien leicht zu ächzen, während die letzten, schwingenden Bewegungen zum Stillstand kamen. Garland atmete einmal tief ein, sog den tiefen Duft des kleinen Nadelbaumes in seine Lungen. Seine Familie feierte Weihnachten eigentlich nicht – er auch nicht. Irgendwie hatte sich allerdings diese seltsame Tradition ins Haus Zeewald eingeschlichen, einen Baum aufzustellen. Genauso wie er es bei seinen Geschwistern gemacht hatte, hatte auch ein jedes seiner Geschwister ein Schmuckstück für den Baum beigesteuert, als er ausgezogen war. Seine jüngere Schwester – er war der zweitjüngste – hatte ihm einen Strohstern gebastelt. Er hatte bereits beim Auspacken so fragil ausgesehen, dass Garland sich nicht traute, ihn an die Zweige zu hängen. Zumal er auseinanderzufallen schien. So hängte er den Strohstern jedes Mal auf, wenn Micaela zu Besuch kam. Der Hellhaarige legte den festen Umschlag, in welchem er den Stern verwahrte, zur Seite. Sein ältester Bruder hatte einen kleinen, lackierten Rennwagen aus Holz beigesteuert. Bestimmt war es ein Werbegeschenk gewesen, welches er hatte loswerden wollen.. Garland kannte seinen Bruder zu gut – er war sparsam und hatte kaum Anknüpfungspunkt zu ihm, weil sie in relativ großer, altersmäßiger Distanz zueinander standen. Garland hatte ihm damals irgendeine Glasmurmel aufgefädelt, erinnerte er sich düster an sein Geschenk. Er grinste in sich hinein und hängte das Ornament an den Baum. „Na, Kätzchen?“, sprach er seine Mitbewohnerin an, welche sich inzwischen ganz den Kordeln des Vorhangs zugewandt hatte, und ihre kleinen, noch weichen Krallen dort hineingrub. Die Schwester, die gerade ihre letzte Tennis-Meisterschaft mit Bestleistung hinter sich gebracht hatte, hatte inzwischen keine Zeit mehr zum Nähen, doch sie hatte wunderbare Stofftiere gemacht, als Garland klein gewesen war. Anscheinend hatte sie sich zu seinem Auszug im letzten Jahr doch noch einmal an die Nähmaschine gesetzt, staunte der Hellhaarige und streichelte über den Kopf des kleinen Rentiers, ehe er es auf dem Baum platzierte. So landeten die vielen kleinen und großen Objekte aus seiner Sammlung – oder der, die ihm seine Geschwister gebastelt und gekauft hatten – an seinem Baum. Ein jedes Schmuckstück wurde mit viel Sorgfalt angehängt, betrachtet. Sie alle waren Einzelstücke und einzigartig in ihrer Bedeutung. Garland liebte diesen Teil der Vorbereitungen für Weihnachten, auch wenn er nicht wirklich an den Weihnachtsmann oder ähnliche Wunderlichkeiten glaubte. Schließlich fehlte ihm nur noch ein Objekt. Es war wohl das einzige, welches nicht aus seiner Familie stammte – wobei er diejenigen, von denen er es bekommen hatte, sehr wohl als seine Familie zu betrachten gelernt hatte. Es war eine schlichte Glaskugel, in der sein Team eine dieser Fotografien eingesetzt hatte, die er wohl für immer bereuen würde – sie war verwackelt und er konnte sich selbst wegen seines dämlichen Gesichtsausdrucks nicht ansehen. Dennoch war es das schönste Schmuckstück seines Baums. Kapitel 21: Sternennacht ------------------------ Sternennacht „Was machst du so spät noch hier draußen?“, Mao lehnte sich an den Rand ihres schmalen Balkons und lehnte sich nach hinten, blickte über den dürftigen Sichtschutz vorbei in Richtung ihres Nachbarn, „Kannst du nicht schlafen?“ Ihr Nachbar war gerade bloß eine dunkle Silhouette, bloß der Stummel seiner Zigarette leuchtete hin und wieder im Dunkel auf und erleuchtete seine Mundpartie und eine Strähne, welche sich wohl aus seiner Frisur gelöst hatte. Immerhin, es war Nacht. Er paffte, das erkannte sie daran, dass die Spitze der Zigarette im Dunkel aufleuchtete, ohne groß weiter abzubrennen, und Mao beobachtete den hellen, rot glühenden Punkt, während das kalte Metall des Geländers in ihren Rücken drückte und sie daran erinnerte, dass das Thermometer eigentlich Minusgrade angezeigt hatte, und sie barfuß in ihrem Schlafanzug hier draußen auf dem kalten Betonuntergrund des Balkons stand. „Ich schlafe nie“, erwiderte ihr Nachbar irgendwann, als sie ihre Frage schon beinahe vergessen hatte, und Mao schreckte aus ihrer Starre. „Ach so?“, erwiderte sie, „Avancierst du jetzt zum Vampir?“ - „Müssen Vampire nicht auch schlafen?“, kurz blitzte ein Grinsen zu ihr herüber, welches sie in gleicher Manier zurückgab. Sie verharrten im Schweigen, und Mao fühlte hin und wieder einen Schauer über ihren Rücken jagen. Kam dies von der Kälte oder begann sie bereits Blicke von anderen physisch zu fühlen? Oh je, sie hatte in letzter Zeit definitiv zu viel Zeit auf Rais Comics verwandt und nicht auf anständige Bücher.. „Was machst du dann bei Minusgraden halb nackt hier draußen?“, fragte sie schließlich, weil sie nicht mehr an diesen einen, leicht seltsamen Comic denken wollte, welchen sie sich letztens angesehen hatte. Eines war trotzdem gewiss: sie würde sich niemals wieder diese Haarreifen mit Katzenohren ansehen können. Oder Rentier-Geweihe zum Aufsetzen. Mao schauderte. „Dasselbe könnte ich dich fragen“, kam es von hinter dem Sichtschutz, und Mao streckte der brennenden Zigarettenspitze die Zunge heraus, „Willst du dem Spanner von Gegenüber das Nasenbluten seines Lebens verpassen?“ Ein leises Lachen war zu hören, und Mao erstarrte. „Wir haben einen Spanner gegenüber? Ernsthaft?“, sie gab einen erschrockenen Laut von sich und blickte sich hektisch um, überlegte zugleich, wann sie zum letzten Mal nackt durch die Wohnung spaziert war. Die Zigarettenspitze wippte in der Salve unterdrückten Gelächters, und Mao wollte nichts lieber, als ihren Nachbarn erwürgen. Obwohl sie noch nicht einmal seinen Namen kannte – dabei fanden sie sich oft in solcherlei Situationen wieder. „Sieh mal nach oben“, ertönte da plötzlich die Stimme, und Mao hob ihren Kopf, und staunte. Über ihnen funkelte die Milchstraße, wenn auch etwas abgedämmt von den Lichtern, welche von der Straße zu ihnen heraufdrangen, waren die Sterne doch klar und deutlich erkennbar. „Aber wie-?“, Mao wusste nicht, wann sie zum letzten Mal die Sterne gesehen hatte. Hier in Beijing war es eine Seltenheit, wenn überhaupt der Abendstern irgendwo zu sehen war, und sie wohnte nun seit gut zwei Jahren hier. Mao hatte beinah vergessen, wie der Nachthimmel mit Sternen aussah. Neben ihr lachte es leise. „Ich denke, das ist die Magie der längsten Nacht des Jahres“, erklärte Maos Nachbar, „Vielleicht ist es etwas dunkler als sonst, vielleicht sind auch einfach weniger Menschen auf den Straßen unterwegs. Ich liebe diese Nacht, weil sie die Sterne zum Leuchten bringt“ Mao benetzte sich die Lippen, nickte abwesend, und vergaß, dass ihr Nachbar sie durch den Sichtschutz nicht sehen konnte. Sie verharrte ruhig, staunend, und nahm sich vor, viel öfter in den Himmel zu sehen. Mao räusperte sich, hoffte, dass ihr Nachbar noch nicht wortlos verschwunden war. „Danke“, meinte sie ins Blaue, und zu ihrer Überraschung war er noch da, auch wenn der rot glimmende Punkt inzwischen verschwunden war. Mao zögerte einen Moment, ehe sie noch hinzufügte. „Wie heißt du überhaupt?“ - „Rei. Freut mich, Miss Chou“, ein Lächeln schwang in der Stimme ihres Nachbarn – Rei – mit. Mao verdrehte die Augen. „Da hat jemand das Klingelschild richtig gelesen“, erwiderte sie trocken, „Meine Freunde nennen mich Mao.“ Kapitel 22: Dizzy ist die Beste! -------------------------------- Dizzy ist die Beste! Weblogeintrag vom 22.12.2013, 8.04 Uhr. Ort: Tokyo, Japan. Titel: Merry Christmas Autor: Der_Chef Der Gedanke an Weihnachten löst in mir jedes Jahr aufs Neue Todessehnsüchte der schlimmsten Art aus. Es würden schon diese ganzen seltsamen Ohrwürmer reichen, zu denen man, kaum passt man einmal nicht auf, wie man die eigenen Lippen bewegt. Ich muss nicht erwähnen, dass mir dies in den letzten Tagen häufiger passiert ist, oder? Außerdem erfasst die Menschheit dieses seltsame Friede-Freude-Eierkuchen-Gefühl, von dem wohl sehr viele hungernde Kinder profitieren würden, würden tatsächlich Pfannkuchen vom Himmel fallen. Stattdessen werden wir mit Keksen und Lebkuchen aus dem Laden versorgt, und meine Mutter und Rei setzen wie immer die jeweiligen Küchen als Schauplatz der gigantischen Keksteig-Schlachten auf. Darum sitze ich gerade auch in einer Abstellkammer irgendwo im Dojo und hoffe, dass keiner mich finden und zum Helfen verpflichten kann. - „Kenny! Komm, Rei will endlich Kekse backen!“, der Ausruf hallte förmlich durchs Dojo, und Kenny hörte Takaos Stimme selbst durch die weit aufgedrehte Lautstärke seiner Kopfhörer hindurch. Bislang hatte er frenetisch in die Tasten gehauen, den Rest der Welt ausgeblendet, der Fokus bloß auf dem Programmier-Programm und den wenigen Zeilen seines Weblogs, welche er noch zu füllen gedachte. „Kenny!“, kam es abermals aus dem Flur, und kurz darauf trampelten Takao und Max an der geschlossenen Tür zur Abstellkammer, in welche Kenny sich zurückgezogen hatte, vorbei. Er hielt den Atem einen Moment länger an, einen der Kopfhörer aus dem Ohr genommen, und wartete auf eine Antwort des Chinesen. Diese ließ auf sich warten. Kenny runzelte kurz die Stirn, dachte sich jedoch nichts Weiteres dabei. Er zuckte mit den Schultern, setzte den Cursor in das Fenster seines Weblogs. - Wo wir gerade von Keks-Teig sprechen – davon hatten wir hier im Dojo in diesem Jahr noch vergleichsweise wenig, insbesondere in gebackener Form. Es mag daran liegen, dass Rei endlich erkannt hat, dass seine chinesischen Freunde eindeutig leichter zu handhaben sind als Max und Takao. Wahrscheinlich liegt es auch daran, dass Kai „Das Leckermaul“ Hiwatari seine Weihnachtszeit lieber bei Wodka in Russland verbringt. Ich verstehe immer noch nicht, wie er es schafft, die Kälte dort zu ertragen. Schon allein die Erinnerung an letzten Winter lässt meine Frostbeulen wachsen. Oh, wo wir schon dabei sind. Mr. Dickenson hat uns zum Wichteln überredet – inoffiziell gezwungen, dem Alten schlägt man einfach nichts ab, und Punkt – und dabei irgendwie jedes der Teams eingeladen, die bei der letzten Weltmeisterschaft dabei waren. Natürlich auch die Russen. Und wer erwischt gleich den schlimmsten von allen? Kenneth natürlich. Ich darf Boris beschenken, na wunderbar. Was würdet ihr zu einer Wärmflasche sagen? - Kenny seufzte und hob den Kopf kurz, um sich zu strecken. „Du haust heute ganz schön fest in die Tasten. Könntest du nicht vielleicht einmal ein kleines Massageprogramm durchführen?“, meldete sich da Dizzy. Kenny lächelte schief. „Tut mir Leid, Dizzy, ich war vollkommen vertieft. Was soll ich dem komischen Kerl denn schenken?“ Dizzy ließ ein amüsiertes Lachen hören, und Kenny fragte sich unwillkürlich, ob es ein Fehler war, sein Bitbeast in seinem Computer als seine beste Freundin zu bezeichnen. „Ich habe, während du deinen Rant geschrieben hast – und ernsthaft, ich hoffe, du willst das nicht veröffentlichen? - alle Datenbanken, die ich zu ihm finden konnte, durchforstet.“ Dies war einer dieser Momente, in denen Kenny seinen Laptop am liebsten sehr, sehr fest und liebevoll an sich gedrückt hätte, hätte Dizzy etwas davon gespürt. „Und?“, erkundigte er sich neugierig, während er den bislang geschriebenen Text seines Weblogs markierte und nach kurzem Zögern auf die >Entfernen<-Taste drückte. „Schenk ihm am besten heiße Schokolade“, riet ihm Dizzy, und Kenny blinzelte verwirrt. „Okay..“, er war etwas skeptisch gegenüber von Schokolade als angemessenes Geschenk. Wäre nicht vielleicht ein Klappmesser besser? Oder ein Florett? Ein Satz Dolche? Einmal davon abgesehen, dass Kenny keinen blassen Schimmer davon hatte, wo er wohl solcherlei Kinkerlitzchen finden sollte. - Dizzy ist die Beste! Kapitel 23: Lichterkette ------------------------ Lichterkette Hitoshi Kinomiya war offiziell der Weltmeister im Dekorieren. Zumindest sagte er sich dies, während er, die Hände in die Hüften gestemmt,sein Werk betrachtete. Er hatte in den letzten Wochen immer wieder unauffällig – zumindest glaubte er, es sei unauffällig – kleinere und größere Weihnachtsdekorationen im Trainingsraum des ehemaligen BEGA-Teams hier in der Zentrale der BBA angebracht. Nun waren die Strohsterne und glitzernden, bunten Kugeln überall im Raum verteilt, Kerzen auf Tischen und auf den Bänken der Sportgeräte, Lametta überall. Er hatte es sogar geschafft, einen kleinen Baum in den Raum hineinzuschmuggeln. Dies war eigentlich seit dem Debakel von letztem Jahr, bei dem er mit einer Lichterkette dem gesamten Gebäude einen Kurzschluss beschert hatte, verboten war. Wobei er seine Beteiligung an der gesamten Aktion vielleicht oder vielleicht auch nicht leugnete. Das Wachpersonal hatte jedenfalls in diesem Jahr ein überraschend waches Auge auf ihn geworfen, was den Import der Schmuggelware eindeutig erschwert hatte. Dabei hatte sich der Japaner doch nichts zuschulden kommen lassen. Sah man einmal davon ab, dass ein paar Angestellte wohl drei Stunden in einem Fahrstuhl festgesessen hatten. Hitoshi schüttelte den Kopf und wandte sich dem kleinen Bäumchen zu, welches noch auf den letzten, vollendenden Schliff wartete. Es war der letzte Akt der Dekoration, der noch zur absoluten Perfektion fehlte: die Lichterkette. Hitoshi hielt sie bereits in seinen Händen, da öffnete sich die automatische Tür mit einem Zischen, und Brooklyn und Mystel traten ein, dicht gefolgt von Garland. „Hey, Leute!“, grüßte der blauhaarige Trainer mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht, „Ihr kommt gerade recht!“ Er übersah den Blickwechsel der Neuankömmlinge angesichts der Lichterkette gekonnt. Sein Großvater und Takao hatten diesen Blick auch sehr gut eingeübt, und auch bei ihnen war Hitoshi nicht gewichen. Er würde sich seine Liebe zur Lichterkette nicht ausreden lassen, auch nicht von seinen Schutzbefohlenen, Punkt! „Kannst du noch einen Moment mit der Lichterkette warten? Wir wollten etwas mit dir bereden..“, ergriff Mystel zögerlich das Wort – anscheinend war er zum Rädelsführer dieser Aktion gewählt worden, überlegte Hitoshi still vor sich hin, während er sich zu dem Dreiergespann umdrehte. „Was gibt’s?“, erkundigte er sich arglos, spielte mit einem Ende der Lichterkette, „Ist was Besonderes passiert?“ Brooklyn schüttelte den Kopf. „Nichts, eigentlich“, erklärte er, „Wir wollten uns bloß mit dir unterhalten“ Garland hinter ihm nickte bestätigend, und der Orangehaarige deutete auf die Lichterkette, welche Hitoshi in seinen Händen hielt. „Das ist doch die Lichterkette von letztem Jahr, oder? Die, die-“ - Hitoshi unterbrach ihn mit hochgehobenem Zeigefinger. „Du weißt von nichts und nichts konnte bewiesen werden!“, erklärte er entschlossen. Brooklyn zuckte bloß mit den Schultern. „Hast du sie denn überprüft?“, erkundigte er sich. Hitoshi überlegte kurz, ehe er nickte. „Natürlich. Alle Lampen sind ausgetauscht und jeder Draht sitzt!“, brachte er voller Überzeugung vor, obwohl er selbst wusste, er konnte niemanden austricksen. Das hatte er bereits bei Takao und der Geschichte mit dem Weihnachtshasen nicht geschafft. „Hast du sie getestet?“, erkundigte sich Garland, langsam nickend. Hitoshi zuckte mit den Schultern. „Es könnte sein, dass ich das.. eventuell.. etwas.. vergessen habe“, er lächelte verlegen. Mystel hob die Augenbrauen in die Höhe. „Das haben wir uns beinahe gedacht“, erklärte er und setzte ein freundliches Lächeln auf. Was kam jetzt? Hitoshi fühlte sich wie damals vor Takao, als er ihn darüber aufgeklärt hatte, dass der Storch auf ihrem Dach keine Babies bringen würde. Garland, Brooklyn und Mystel wechselten einen Blick, welcher ein leicht mulmiges Gefühl in ihm auslöste. „Deswegen kriegst du dein Geschenk etwas früher als es eigentlich üblich ist“, erklärte Garland, und Brooklyn zog ein kleines, in buntes Papier gehülltes Paket aus seinem Rucksack hervor, überreichte es dem überaschten Hitoshi. Der Blauhaarige öffnete es gespannt, und verharrte einige Momente staunend über dem Packungsinhalt, ehe er ihn hervorholte. „Eine Lichterkette?“, er grinste breit, während das Dreiergespann vor ihm unisono ein Grinsen auf den Lippen trug. „Na los, steck sie ein!“, forderte Mystel ihn auf – eine Forderung, welche er bloß wenige Minuten später bereuen würde. Hitoshi Kinomiya mochte vielleicht der Weltmeister der Weihnachtsdekoration sein, doch kein Gott der Lichterketten. Kaum hatte er sie eingesteckt, gab es einen Knall irgendwo – vielleicht war es eine elektrische Glühbirne – und nach und nach fielen die Lichter im BBA-Zentrum aus. Kapitel 24: Auf der Lauer ------------------------- Auf der Lauer „Hey! Ich hatte schon Angst du hättest es dir anders überlegt“, Eddy war an der Tür und strahlte sie an, und die fleischig-weichen Lippen des Afroamerikaners blieben zu einem breiten Lächeln verzogen selbst als er sie zur Begrüßung küsste. Eddys Augen strahlten vor Freude, und Julia warf alle Zweifel über Bord, welche sie auf dem kurzen Weg von der Metro-Station bis hier her im eisigen Wind, welcher Schnee durch die New Yorker Suburbs trieb und jeden frösteln machte, heimgesucht hatten. Julia fühlte in ihrer Manteltasche nach dem zerknitterten Ausdruck der Umgebung, in welcher die Wohnung, in welcher Eddy lebte, lag. Sie realisierte, dass in ihrer anderen Hand noch immer der kleine Zettel lag, auf welchem sie die Wegbeschreibung handschriftlich vermerkt hatte. Zur Sicherheit – sie konnte sich gut und schnell orientieren. Immerhin war sie Mitglied eines fahrenden Zirkus'. Sie steckte den Zettel in ihre Manteltasche und lächelte schief. „Ach, ich trotze doch stets Wind und Wetter für dich“, erwiderte sie augenzwinkernd und ließ sich in die Wohnung hineinziehen. Sie kicherte, während Eddy die Tür hinter ihr schloss und an sie herantrat, um ihr aus dem Mantel zu helfen. Manchmal konnte er ein wahrer Gentleman sein – wenn er denn wollte. Julia fühlte sich jedes Mal aufs Neue verlegen, wenn er dies tat. Sie war daran gewohnt, sich um sich selbst zu kümmern und oft auch um ihren Bruder. Sie konnte auf sich aufpassen. Andererseits.. „Danke“, sie lächelte den Afroamerikaner an und platzierte ihre Stiefel neben Sneakers, welche etwas zu klein für Eddys Füße waren. Wem sie wohl gehörten? Die Spanierin blickte sich neugierig um, allerdings konnte sie von ihrem Stand neben der Garderobe nur wenig von der Vierzimmerwohnung ausmachen. „Und hier wohnst du also?“, sie machte ein paar unschlüssige Schritte nach vorne, lächelte Eddy schief an, welcher erschrocken blinzelte, als erwache er aus einem Tagtraum. Seine weichen Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln, während er ihre Hand in seine nahm und sie mit sich in den nächsten Raum zog – das Wohnzimmer. „Ich führ' dich rum“, versprach er. Vom Wohnzimmer aus schien man in alle Zimmer zu gelangen, und Julia fragte sich unwillkürlich, welcher der Räume Eddies war, und wie es darin aussehen mochte. Ob es so chaotisch war wie ihre Wohnwagenhälfte? Oder säuberlich aufgeräumt? Julias Blick fiel auf einen kleinen Tisch mitten im Raum, auf welchem ein kleiner Baum thronte. „Und ich dachte immer, meine Familie wäre die einzige, die Baumspitzen aufstellt“, bemerkte sie schmunzelnd und knuffte ihren Gastgeber spielerisch. Eddy schien sich nicht ganz sicher zu sein, was er darauf erwidern sollte, darum beeilte Julia sich, hinzuzufügen: „Das ist besser als die Riesenbäume, für die alle Jahre wieder ganze Landstriche leergeräumt werden“ - „Herzlichen Dank!“, ertönte da eine Stimme aus der Tür hinten links, und Julia verkrampfte sich leicht als sie sich zu Eddys Mutter umdrehte. Sie lehnte mit lose verschränkten Armen im Türrahmen und musterte sie einen Moment lang, ehe sie sich aus ihrer Position löste und auf die junge Spanierin zutrat, ein Tuch zum Geschirrtrocknen über die Schulter gelegt. Sie musste wohl aus der Küche kommen. „Du musst Julia sein“, Mrs. Wheeler lächelte ein breites, gewinnendes Lächeln, welches Julia sehr gut von ihrem Freund kannte, „Eddy-boy hier hat schon so viel von dir erzählt!“ Julia war im ersten Moment schier überwältigt vom Empfang, der ihr hier geboten wurde. Sie hatte ein leicht anfeindendes Schweigen erwartet wie es von ihrer Familie gekommen war als sie Eddy dort vorgestellt hatte. Julias Lächeln wurde ungezwungen und sie ergriff die ihr dargebotene Hand, drückte sie. „Nenn' mich Rachel“, erklärte Mrs. Wheeler mit freundlichen, dunklen Augen, und Julia lächelte breit. „Freut mich sehr“ ~ Im Laufe des Abends kam auch Eddys kleiner Bruder hinzu – der nicht einmal so klein war wie gedacht. Julia kam sich zwischen all den hoch gewachsenen Afroamerikanern beinahe klein und hilflos vor wie eine Maus, hätte sie nicht gewusst, sie konnte Eddy locker im Armdrücken besiegen. Doch dies war eine Geschichte, welche im Moment noch unter Verschluss blieb, und Eddies Mutter hatte irgendwann diese wunderbar amüsanten Kinderfotos der beiden Brüder hervorgekramt.. Julia kicherte in sich hinein, während sie auf ein besonders niedliches Badewannen-Foto deutete. „Du siehst sowas von süß aus!“, teilte sie ihrem Freund mit, welcher den Arm um sie geschlungen und den Kopf in ihrem Nacken verborgen hatte. Von ihm kam bloß ein gedämpftes Grummeln. „Gar nicht wahr!“ - „Hey, mein Bruder und ich haben nur Showfotos, ich hätte gerne auch sowas Alltägliches“, erwiderte Julia und knuffte ihn spielerisch in die Seite. Sie fühlte das Grinsen von Eddys Lippen als er einen Kuss auf der Partie ihres Nackens platzierte, welche ihr Oberteil freiließ. Und dann war es urplötzlich zu spät, um die letzte U-Bahn zurück in die Stadt zu nehmen, und Julia fand sich in Eddys Zimmer wieder, welches die richtige Mischung aus chaotisch und aufgeräumt hatte, mit einem übergroßen T-Shirt ihres Freundes in den Armen, während dieser sich im Badezimmer umzog. Sie lächelte schief in sich hinein, als ihr Blick auf ein gerahmtes Bild von ihnen beiden fiel, welches von ihrem ersten Date stammen musste. Sie beide sahen noch etwas unsicher nebeneinander aus, noch unsicher, wie weit sie einander berühren konnten und wie weit es schon eine Grenze überschritt. „Ich wusste nicht, dass du das noch hast“, meinte sie zum hoch gewachsenen Afroameikaner, als dieser eintrat. Eddy lächelte verlegen und kratzte sich am Hinterkopf, ließ sich von ihr jedoch näher ziehen und erwiderte Julias Kuss mit hingerissenem Seufzer. Die junge Spanierin kicherte in sich hinein. „Sollen wir ins Bett?“, fragte sie und blickte Eddy mit diesem besonderen Blick an, von unten herauf und so betont unschuldig, dass es Eddy ein Auflachen entlockte. Er hob ihre verflochtenen Hände an seine Lippen und drückte seine Lippen auf Julias Fingerknöchel. „Etwas kommt noch“, erwiderte er mit strahlenden, dunkelbraunen Augen, die Julia an flüssige Schokolade erinnerten. Sie kauerten sich neben dem Tisch des Weihnachtsbaums auf den Boden, eingehüllt in eine weiche, warme Decke, und Julia fühlte sich bald schläfrig, derart an Eddy gelehnt. Sie schmunzelte. „Und was machen wir hier?“, fragte sie gegen die Brust des Basketballers. „Wir warten“, erklärte Eddy leise, mit kaum hörbarer Stimme. Julia schmunzelte. „Worauf denn?“ - „Den Weihnachtsmann“, antwortete Eddy so ernst, dass er Julia ein leises lachen entlockte. „Ernsthaft?“ „Als ich klein war, habe ich mich immer unter dem Tisch versteckt“, erzählte Eddy, „Und auf den Weihnachtsmann gewartet. Ich bin irgendwie immer eingeschlafen, aber einmal hat mich etwas geweckt, das so klang wie der Weihnachtsmann!“ Julia lächelte schief, schmiegte sich enger an ihre Wärmequelle und fragte murmelnd: „Wie hört sich ein Weihnachtsmann an?“ Eddys Brust vibrierte vor dem leichten Lachen, welches sich über seine Lippen schlich. „Ich hab's vergessen“, gab er zu, „Deswegen liegen wir jetzt ja auch auf der Lauer“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)