Schokoladendiebe von FreeWolf (Ein Adventskalender (2012)) ================================================================================ Kapitel 20: Das schönste Schmuckstück ------------------------------------- Das schönste Schmuckstück „Ja, ich weiß, dass du am liebsten hoch springen und dir die ganzen Glitzerdinger krallen würdest, Mieze“, seinen Kopf schüttelnd schob Garland die Katze zur Seite, welche unter dem kleinen Weihnachtsbaum darauf lauerte, in einem unbeobachteten Moment einen Sprung in ungeahnte Höhe zu tun und nach Lametta-Fäden zu tatzen. Oder nach einem der kleinen, hängenden Schmuckstücke, welche der Hellhaarige so liebte. Er verdrehte die Augen und drehte noch ein letztes Mal an der Haltevorrichtung am Christbaumständer. Der Nadelbaum schien leicht zu ächzen, während die letzten, schwingenden Bewegungen zum Stillstand kamen. Garland atmete einmal tief ein, sog den tiefen Duft des kleinen Nadelbaumes in seine Lungen. Seine Familie feierte Weihnachten eigentlich nicht – er auch nicht. Irgendwie hatte sich allerdings diese seltsame Tradition ins Haus Zeewald eingeschlichen, einen Baum aufzustellen. Genauso wie er es bei seinen Geschwistern gemacht hatte, hatte auch ein jedes seiner Geschwister ein Schmuckstück für den Baum beigesteuert, als er ausgezogen war. Seine jüngere Schwester – er war der zweitjüngste – hatte ihm einen Strohstern gebastelt. Er hatte bereits beim Auspacken so fragil ausgesehen, dass Garland sich nicht traute, ihn an die Zweige zu hängen. Zumal er auseinanderzufallen schien. So hängte er den Strohstern jedes Mal auf, wenn Micaela zu Besuch kam. Der Hellhaarige legte den festen Umschlag, in welchem er den Stern verwahrte, zur Seite. Sein ältester Bruder hatte einen kleinen, lackierten Rennwagen aus Holz beigesteuert. Bestimmt war es ein Werbegeschenk gewesen, welches er hatte loswerden wollen.. Garland kannte seinen Bruder zu gut – er war sparsam und hatte kaum Anknüpfungspunkt zu ihm, weil sie in relativ großer, altersmäßiger Distanz zueinander standen. Garland hatte ihm damals irgendeine Glasmurmel aufgefädelt, erinnerte er sich düster an sein Geschenk. Er grinste in sich hinein und hängte das Ornament an den Baum. „Na, Kätzchen?“, sprach er seine Mitbewohnerin an, welche sich inzwischen ganz den Kordeln des Vorhangs zugewandt hatte, und ihre kleinen, noch weichen Krallen dort hineingrub. Die Schwester, die gerade ihre letzte Tennis-Meisterschaft mit Bestleistung hinter sich gebracht hatte, hatte inzwischen keine Zeit mehr zum Nähen, doch sie hatte wunderbare Stofftiere gemacht, als Garland klein gewesen war. Anscheinend hatte sie sich zu seinem Auszug im letzten Jahr doch noch einmal an die Nähmaschine gesetzt, staunte der Hellhaarige und streichelte über den Kopf des kleinen Rentiers, ehe er es auf dem Baum platzierte. So landeten die vielen kleinen und großen Objekte aus seiner Sammlung – oder der, die ihm seine Geschwister gebastelt und gekauft hatten – an seinem Baum. Ein jedes Schmuckstück wurde mit viel Sorgfalt angehängt, betrachtet. Sie alle waren Einzelstücke und einzigartig in ihrer Bedeutung. Garland liebte diesen Teil der Vorbereitungen für Weihnachten, auch wenn er nicht wirklich an den Weihnachtsmann oder ähnliche Wunderlichkeiten glaubte. Schließlich fehlte ihm nur noch ein Objekt. Es war wohl das einzige, welches nicht aus seiner Familie stammte – wobei er diejenigen, von denen er es bekommen hatte, sehr wohl als seine Familie zu betrachten gelernt hatte. Es war eine schlichte Glaskugel, in der sein Team eine dieser Fotografien eingesetzt hatte, die er wohl für immer bereuen würde – sie war verwackelt und er konnte sich selbst wegen seines dämlichen Gesichtsausdrucks nicht ansehen. Dennoch war es das schönste Schmuckstück seines Baums. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)