Schokoladendiebe von FreeWolf (Ein Adventskalender (2012)) ================================================================================ Kapitel 17: Zucker-Rausch ------------------------- Zucker-Rausch „Das muss ein Traum sein“, Rai blinzelte, schloss die Augen, schüttelte den Kopf, und öffnete sie wieder. Doch die Illusion verschwand nicht bei diesem ersten Mal. So schloss er abermals die Augen, schüttelte seinen Kopf diesmal heftiger, sodass sein kurzer Zopf durch die Gegend flog. Er verhielt sich einen Moment lang ruhig, öffnete erst dann die Augen wieder. Seine bernsteinfarbenen Augen fingen das Licht der Lichterketten ein und schienen dunkel-rotbraune Tiefen zu entwickeln, während sich erste Schneeflocken auf seinem Haupt niederließen. „Das muss ein schlechter, schlechter Traum sein“, wiederholte er murmelnd, und sah Mao sich langsam nähern. „Rai! Hier bist du!“, sie lächelte fröhlich, eine rote Weihnachtsmütze auf dem Kopf, an dessen Spitze ein Glöckchen am Bommel befestigt war, welches mit einem jeden ihrer Schritte ein leises Klingeln verlauten ließ. Sie hatte sich in ihren Wintermantel gehüllt und ihre Wangen waren von der Kälte gerötet. „Wo sollte ich sonst sein?“, gab der junge Chinese zurück, während er Maos seltsame Mütze skeptisch beäugte. „Was soll die Mütze?“, hakte er nach, und Mao schüttelte den Kopf. Neben ihr sprang Kiki vom Dach einer dieser komischen rustikalen Holzhütten, welche sich in einem Kreis um den Platz herum anordneten. „Na, altes Haus!“, verkündete er, und auch er trug ominöser Weise eine dieser Geschmacksverirrungen von Mützen. Rai runzelte die Stirn. „Du trägst ja auch eine dieser komischen Mützen“, stellte er fest. Kiki zuckte bloß mit den Schultern. „Klar doch“, erwiderte er, als wäre es das Normalste der Welt, „Du ja auch!“ Rai runzelte die Stirn und fasste sich an den Kopf. Als er zuletzt in seinen Schrank hineingesehen hatte, war noch keine solche Mütze da gewesen. Wo er es sich recht überlegte: Mao auch nicht. Auch wenn ihr Schrank, seit sie ins Teenager-Alter eingetreten war, in beängstigendem Ausmaß gewachsen war. Kiki bestimmt nicht. Aber da war eindeutig eine seltsame Mütze auf seinem Kopf, und er hörte leises Bimmeln, als er das Glöckchen berührte. Rai fühlte sich leicht beunruhigt. War er etwa von Aliens entführt worden? Oder hatte Meister Sen ihm gestern Abend tatsächlich Reiswein untergeschmuggelt? „Wo ist Gao?“, hakte Rai nach, und Kiki grinste nur breit vor sich hin, während Mao in eine vage Richtung deutete. „Wahrscheinlich kostet er gerade Kekse in der Fabrik vor“, meinte sie grinsend. Rai warf ihr einen Blick zu. War sie high? Hatte sie gestern Abend zu viel Reiswein abbekommen? Oder hatte sie doch Tequila ins Dorf eingeschmuggelt? Oder verlor er so langsam den Verstand. „Keksfabrik“, erchote er trocken und kam sich noch mehr vor wie in einem Irrenhaus. Mao nickte freudig. „Da gehen wir nachher auch noch hin!“, verkündete sie und hielt die Hand hoch, damit Kiki ihr Fünf geben konnte. Er schlug freudig ein. Rai blinzelte verwirrt. Die beiden gingen sich nicht an den Kragen? Was war denn da falsch? Er blickte sich um. „Sagt nicht, der Weihnachtsmarkt hat sich jetzt sogar schon in unser kleines Dorf in China verirrt“, Rai verzog das Gesicht, während er seine Freunde musterte. Rei spazierte gerade in diesem Moment des Weges, zwei dampfende Tassen in den Händen. „Ich weiß nicht, was du meinst“, trällerte er in einem Sing-Sang, zuckte mit den Schultern und hielt Rai eine der Tassen vor die Nase, „Punsch?“ Rai schüttelte den Kopf, schloss die Augen. „Ihr alle seid komplett durchgedreht“, erwiderte er langsam. „Rai?“ Der Angesprochene hatte niemals dermaßen starke Kopfschmerzen erlebt – und das hieß etwas. Immerhin hatte er sich ein Wetttrinken mit den Russen geliefert. Rai verzog das Gesicht und blinzelte, um Mao anzublicken. Sie trug eine rote Mütze mit bimmelndem Glöckchen. Er ließ ein leises Stöhnen hören. „Was hatte ich gestern?“, murmelte er krächzend in sein Kissen. Mao schien ihn trotzdem zu verstehen. Sie tätschelte ihm vorsichtig den Kopf. Hatte sie etwa gerade Mitleid mit ihm? „Irgend ein Likör mit Zuckerstangen. Vielen, vielen Zuckerstangen“, informierte sie ihn, und Rai stöhnte abermals, kniff die Augen zusammen. „Lass mich nie mehr auf Zucker-Rausch sein, ja?“, bat er elendiglich, und wimmerte leise, „Was für ein Traum..“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)