Laterna Magica von Night_Baroness ================================================================================ Kapitel 8: Von Schmerz und Schatten ----------------------------------- There is a place. Like no place on Earth. A land full of wonder, mystery, and danger! Some say to survive it: You need to be as mad as a hatter.[/align] Kann ein Mensch seiner Identität vollständig entfliehen? Sich neu erfinden, seinen Namen, sein Gesicht, alles abstreifen wie der Magier seinen Umhang und ein neues Leben beginnen? Von vorne anfangen? Spöttisch schürzt du die Lippen, ob dieser Gedanken, allerdings kann ein Teil von dir nicht leugnen, dass die vollständige Metamorphose einen Reiz hat. Wie könnte es auch anders sein? Ärgerlich beißt du die Zähne zusammen und versuchst dich zu sammeln. Es ist zu früh, immer noch zu früh. Du musst die Kontrolle behalten, damit alles nach Plan verläuft, damit du auch sicher bekommst, was du willst. Das was du dir zurecht gelegt hast ist einfach, einfach aber genial, wie man so schön sagt. Es ist wie ein Klavierstück, eine dunkle Symphonie, die lautlos begonnen hat und sich nun immer weiter steigert um in einem Knall, einem furiosen Finale zu enden. Du hast alles darauf vorbereitet, auf diesen einen Tag, an dem es wahr werden wird, diesen Tag, an dem du ihnen zeigen wirst, was für ein Magier du wirklich bist. Der Tag, an dem die Laterna Magica nur ihre Tränen zeigt. But not the People they are bound. You want to save a lonely heart, It’s at a brave early world, where you start. „Was zur Hölle soll das bedeuten?“ Grimmig starrte Jodie auf das Papier vor ihr auf dem Schreibtisch. Ein kleines, unscheinbares weißes Papier, das mit unschuldigen schwarzen Buchstaben bedruckt war. So unschuldig und nichtssagend, dass sie es am liebsten angezündet und dabei genüsslich daran gedacht hätte, wie der Urheber dieser Botschaft in Flammen aufging. Aber leider würde ihnen das genauso wenig weiterhelfen, wie den Hutmacher innerlich für seine Taten zu verfluchen. Es mochte befreiend sein, aber es brachte sie ihm leider genauso wenig näher wie der verdammte Code, der seinen Schlüssel einfach nicht preisgeben wollte. Mit gerunzelter Stirn hob sie das Blatt hoch und versuchte es, in einem anderen Winkel zu betrachten, drehte es auf den Kopf, wollte Spiegelungen, Anagramme und wirre Buchstabenfolgen erkennen, aber nichts half. Der Text blieb, was er war, ein zweitklassiges Gedicht, das sie zu verspotten schien. Dummerweise waren Mels Anweisungen eindeutig gewesen. Sie verlangte von ihrem Team volle Konzentration auf den Text mit der lächerlichen Absicht Alice zu finden oder eine Verbindung zu Salamander zu entlarven, Jodie erschien beides wie eine falsche Fährte. So sehr sie der Gedanke erschreckte, dass sie Alice sein könnte, so sehr konnte sie nicht glauben, dass es wirklich um Alice ging. Ging es nicht um den Hutmacher selbst? Brauchte der Hutmacher Alice überhaupt? Das Feuer war keine Verbindung zu Salamander, es war eine Verbindung zu ihr, etwas, das sie immer noch schwer schlucken ließ. So sehr sie sich auch dagegen wehrte, sie konnte nicht aufhören, die Verbindung zu hinterfragen, darüber nachzugrübeln, ob der Mörder denjenigen kannte, der ihren Vater getötet hatte, ob sie vielleicht sogar eine Person waren oder gemeinsam diese Gräueltat ausgeheckt hatten und über das dumme Mädchen lachten, das ohne es zu wissen vor den Flammen geflohen war. Orangensaft? Ja, Orangensaft. Haha. Natürlich hätte sie das erwähnen sollen, hätte sagen sollen, wen sie in den Bildern erkannte. Das schlechte Gewissen nagte an ihr wie schon an dem Tag, an dem sie den Brief an Shuichi abschickte und sie wusste, dass sie damit begonnen hatte, sich zu verändern. Jetzt musste sie sich entscheiden, wer sie sein wollte, eine FBI-Agentin wie ihr Vater oder ein kleines Mädchen, das davonlief, ein kleines Mädchen, das immerzu in das brennende Gesicht ihres Vaters starren musste. Warum hast du mich im Stich gelassen? Sie schluckte und fuhr damit fort, immer und immer wieder den Text zu untersuchen. Zwar war das eigentlich die Aufgabe darauf spezialisierter Abteilungen, doch bei Serientätern war es wichtig, sich so intensiv wie es nur möglich war, mit ihnen auseinanderzusetzen. Man durfte seinen Geist nicht verschließen, den Blick angewidert abwenden, man musste die Augen aufreißen und alles aufsaugen, was es an Informationen an Bildern, ja an nicht greifbaren Ahnungen gab, denn eigentlich war alles da, man musste es nur finden. „Wer bist du?“, hauchte sie tonlos, während sie Wort für Wort scannte. Du bist der verrückte Hutmacher, eine Anspielung auf ein Kinderbuch. Hohn? Wahnsinn? Gefällt dir der Gedanke einer solchen Welt? Einer Welt in der nichts unseren Erwartungen entspricht? Du sprichst von Vergänglichkeit als wärst du ihr überlegen, als würdest etwas verstehen, das wir nicht verstehen, etwas sehen können, das uns verborgen bleibt. Fühlst du dich unsterblich, wenn du tötest? Die letzten Zeilen passen nicht. Irgendwas wirkt falsch, künstlich, als wärst du ein Kind, das versucht, ein Gedicht zu schreiben und belanglose Reime bildet, um in das Schema, das in seinen Augen Poesie ist zu passen. Ist das Absicht oder verspottest du uns nur? It’s a brave early world, where you start. Wir beginnen am Anfang, aber warum so? Womit sollen wir beginnen? Was ist das für eine Welt, die du uns zeigen willst? Das Wunderland, flüsterte es unwillkürlich in ihr. „Jodie?“ Erschrocken legte sie die Nachricht zur Seite. Sie war so versunken gewesen, dass sie gar nicht gemerkt hatte, dass jemand in ihr Büro getreten war. Als sie Mel sah, versteifte sie sich augenblicklich. „Guten Morgen.“, sagte sie eisiger, als sie wollte. Zwar war sie wütend auf Mel, aber der vernünftige Teil von ihr, die Agentin, musste einsehen, dass sie durchweg korrekt gehandelt hatte, da sie ein Risiko gewesen war, ein Risiko, das manchmal über Leben und Tod entscheiden konnte. Dennoch, während die Agentin sie zur Besonnenheit ermahnte, kochte Jodie vor Wut. „Morgen.“ Mel lächelte, aber es wirkte etwas gezwungen, als könnte auch sie die Ereignisse der letzten Tage nicht ganz abschütteln. Dennoch rechnete Jodie es ihr an, dass sie es zumindest versuchte. „Ich möchte dich bitten ins Sunshine zu fahren. Ich weiß, du hast hier zu tun, aber ich möchte dir die Chance geben, einmal rauszukommen und den Fall von einer anderen Seite zu betrachten.“ Jodie runzelte die Stirn. „Aber der Mord fand doch im Costa Blanca statt? Das liegt gut drei Meilen vom Sunshine weg, wenn ich Zeugen befragen, oder den Tatort inspizieren soll…“ Mel schnitt ihr das Wort ab. „Das Sunshine ist das Hotel in dem Sanders Frau derzeit untergebracht ist, sie hat es sich nicht nehmen lassen nach L.A. zu fliegen und sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass ihr Mann ermordet wurde.“ „Oh.“ Wenig später quälte sie sich mit grimmiger Entschlossenheit durch den morgendlichen Arbeitsverkehr der in schleppendem Tempo wie ein träger Wurm durch die Landschaft kroch. Morgens in L.A. zu sein, war wirklich kein Spaß, sobald man zu einer normalen Zeit auf die Straße fuhr, hatte man das Gefühl, mehr geschoben und gezogen zu werden, als tatsächlich zu fahren. Es kam ihr fast wie ein Wunder vor, als sie schließlich das mit einer strahlenden Sonne gekennzeichnete Sunshine sah, das inzwischen ein bei Touristen beliebtes Beach-Hotel war. Behutsam schlängelte sie den Wagen aus dem Verkehr und stellte ihn auf dem hoteleigenen Parkplatz ab. Sie spürte, wie sich ihre Organe verknoteten, als sie ausstieg. Es war eine Sache, in einem hübschen Büro zu sitzen und über den Abschaum dieser Welt nachzugrübeln, während man eine Tasse Kaffee trank, aber eine ganz andere, den Menschen in die Augen zu blicken, die diesen Abschaum am eigenen Leib erlebt hatten, denen geliebte Menschen entrissen wurden und die nichts weiter tun konnten, als auf die Menschen zu vertrauen, die gemütlich dort saßen und über Dinge redeten, die ihr Leben zerfetzt hatten, als wären sie ganz gewöhnlich, nichts weiter als der Alltag. Und sie verstehen nicht einmal, warum sich die Welt überhaupt weiterdreht. „Guten Tag, ich möchte zu Caroline Sanders.“ Der südländisch aussehende Portier nickte und kritzelte eine Zimmernummer auf einen Zettel. „Sie erwartet sie bereits, Agent Starling.“ Immer noch nervös – obwohl sie schon oft mit Zeugen oder Familienmitgliedern der Opfern gesprochen hatte, kam es ihr jedes Mal vor, als wäre es wieder das erste Mal – stieg sie in den Fahrstuhl. Mrs Sanders hatte sich ein kleines Zimmer im ersten Stock genommen, entgegen der Wahl ihres Mannes war es schmucklos und bescheiden, als hätte sie mit ihm auch seinen Lebensstil beerdigt. Oder sie braucht keinen Prunk, weil die Trauer alles ausfüllt, weil sie die Welt ohnehin unsichtbar und jeden Luxus bedeutungslos macht. Nichts bringt die Toten zurück. „Mrs Sanders? Darf ich reinkommen?“ Zunächst schlug ihr nur Stille entgegen, doch dann vernahm sie eine sanfte Frauenstimme, leise und müde, aber doch ungebrochen. Caroline Sanders Äußeres bestätigte diesen ersten Eindruck, sie sah aus, als hätte sie viel geweint und wenig geschlafen, aber ihre Augen wirkten aufmerksam und stark. Sie war eine Frau, die alles verloren hatte, aber sie war eine Kämpferin, sie wollte den Tod ihres Mannes begreifen können. Und sie wollte Rache. „Guten Tag, Sie müssen die Agentin sein, die man zu mir schicken wollte.“ Ein leichtes Lächeln erschien auf ihren Lippen, allerdings blieben ihre Augen misstrauisch, etwas das Jodie noch weiter von ihrer Stärke überzeugte. „Ja, ich soll mit Ihnen über den Tod ihres Mannes sprechen.“ Sie nickte leicht und schwieg einen Moment, um sich zu sammeln. Vermutlich kostete es unbeschreibliche Kraft, auch nur darüber nachzudenken, geschweige denn davon zu sprechen. „Jeff war nicht so, wie die anderen Männer.“, begann sie stockend. „Viele behaupten, er sei ein Arschloch gewesen, korrupt und geldgeil wie alle Männer und das war er vermutlich auch. Aber das hatte er nicht verdient.“ Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie sich selbst ermutigen, weiterzusprechen. „Er war immer lieb und zuvorkommend, hat mir niemals Vorwürfe gemacht. Selbst, als sich herausstelle, dass ich keine Kinder bekommen konnte – dass es niemanden geben sollte, dem er seine Firma vererben konnte, hat er nur gelächelt und mich geküsst. Er hat gesagt, dass er mich immer lieben würde, ganz gleich, was geschieht, weil wir zusammengehören, kitschig nicht?“ Die Frau sah nicht aus, als wollte sie tatsächlich eine Antwort hören, also schwieg sie und hörte weiter aufmerksam zu. „Er ist auf eine Geschäftsreise gegangen – wie so oft. Viele dachten deshalb, er sei ein schlechter Ehemann, weil ihm seine Karriere wichtiger war, als alles andere, aber ich glaube, er hat es für mich getan, damit ich die Leere füllen konnte, die an dem Platz in meinem Herzen geblieben war, der immer für ein Kind reserviert war. Er schrieb mir Nachrichten. Wunderbar romantische SMS und E-Mails, als wären wir verschämte Teenager, die nur so ihre Gefühle ausdrücken können. Manchmal schickte er mir auch Pakete mit Kleinigkeiten, Leckereien oder Bildern von dem Ort, an dem er war, gab mir kleine Rätsel auf oder erzählte mir Geschichte, er war ein wundervoller, aufrichtiger Mann.“ Nun war ihr Lächeln ehrlich und so furchtbar traurig, das Jodie einen Moment lang glaubte, sie könnte es nicht länger in diesem Raum aushalten. Ihr war danach, nach draußen zu rennen und die Welt anzuschreien für ihre sinnlose Grausamkeit und ihre lächerlich abscheuliche Ungerechtigkeit. Auf einmal fühlte sie sich umso schuldiger für ihr fehlerhaftes Verhalten, vermutlich war das genau das, was Mel letztendlich bezwecken wollte, aber das war ihr egal. Falscher Stolz war in diesem kranken Spiel unangebracht, genauso wie persönlicher Schmerz, Menschen wie Caroline Sanders, die die Morde unscheinbar wie Schatten, blutend und doch stark und unbeugsam zurückließen, mussten sich auf sie verlassen können. Es gab keine Ausflüchte mehr. Jodies Blick war nun voller Entschlossenheit. „Ich weiß, Mrs Sanders. Alle seine Opfer waren unschuldig, Menschen wie Ihr Mann, die einfach aus dem Leben gerissen wurden. Aber ich verspreche Ihnen, dass es keine weiteren Opfer mehr geben wird. Der Mörder mag sich für überlegen halten und unglaublich gerissen, aber es gibt kein perfektes Verbrechen.“ Als sie Mrs Sanders zweifelnden Blick spürte, fuhr sie unbeirrt fort. „Ich weiß, das muss für Sie wie eine hohle Phrase klingen und ich kann Ihnen nicht versichern, dass wir ihn tatsächlich schnappen, das stimmt. Es gibt genug scheußliche Kreaturen, die immer noch unerkannt rumlaufen und hinter ihren Masken lachen, aber sobald sie an die Öffentlichkeit treten, werden sie früher oder später geschnappt, denn je mehr sie offenbaren, desto mehr wissen wir auch über sie. Ihr Fluch ist, dass sie den Nervenkitzel, das Spiel lieben, aber ein Spiel funktioniert nur mit Regeln und Chancen, auch für den Gegner. Deshalb werfen sie uns Krümel hin, deren Spur wir schließlich folgen und die uns früher oder später ans Ziel führt.“ „Und der Mörder meines Mannes hat das getan?“ Die Skepsis in ihrem Blick war eine trügerischen Hoffnung gewichen, zart und unsicher wie ein kleiner Trieb, der zum ersten Mal aus der Erde stieß und eine ebenso endlose Dunkelheit erwartete. Mit festem Blick sah Jodie sie an. „Davon bin ich überzeugt. Wir werden den Mörder Ihres Mannes zur Rechenschaft ziehen.“ „Und, wie geht es dir mittlerweile?“ Sie stellte eine Tasse duftenden Tee vor ihm auf den Tisch und schenkte sich dann selbst ein. „Es ist beängstigend, nicht wahr?“ Er lächelte geheimnisvoll, während er einen Schluck der angenehm warmen Flüssigkeit trank. „Ein wenig. Aber ich bin dankbar, dass Vermouth es tatsächlich geschafft hat.“ Sie nickte, runzelte dabei aber leicht die Stirn, wie sie es immer tat, wenn sie über etwas nachdachte, das ihr Sorgen machte. „Ich hoffe, du weißt, was du tust. Die Organisation ist nichts, womit man spaßen kann, glauben sie, dass du nicht loyal bist, haken sie nach und wissen sie es, bringen sie dich um.“ „Mach dir keine Gedanken.“ „Das muss ich aber, du nimmst das alles auf dich, nur um mir und meiner Schwester zu helfen!“ Während er sie ansah, quälte ihn die Frage, ob das wirklich alles war, was sie dachte. Vertraute sie ihm wirklich so sehr? Fast wünschte er sich, sie würde zweifeln, würde sich fragen, warum ein angeblicher Ex-Polizist für zwei ihm unbekannte Frauen seinen Hals hinhielt, warum so jemand Vermouth kannte? Aber nichts davon schien sie zu beunruhigen, alles woran sie dachte war, dass er in Gefahr geraten könnte und das zerriss ihm schier das Herz. „Schon gut.“ Etwas unbeholfen strich er ihr übers Haar, was ihre Wangen zum Erröten brachte. „Ich verspreche dir, ich weiß ganz genau, worauf ich mich einlasse und bin vorsichtig.“ Sie nickte immer noch etwas verunsichert, schenkte ihm aber dann ihr bezauberndstes Lächeln, ein Lächeln, das so einnehmend war, dass er alles um sich herum vergaß. Nur der Klang seines Herzens blieb unnatürlich laut und nah. Poch. Poch. Er wusste, dass er nicht daran denken sollte, dass er es nicht durfte. Seine Gedanken sollten sich um sein Treffen mit Vermouth drehen, um ihre Forderungen, um das was darauf folgte, seine Überprüfung, seine Eingliederung in die Organisation auf Vermouths Empfehlung hin und die Prüfungen, die noch folgen würden, um seine Loyalität und seine Verderbtheit zu beweisen. Wobei nicht einmal das wirklich stimmte. Hier konnte er sich entschuldigen, konnte sagen, er wollte sich ablenken, sammeln, sich bereitmachen, eine perfekte Maske zu gestalten, die ihn näher an ein hochrangiges Mitgliedbrachte, vielleicht sogar an Gin, aber sie konnten nicht verhehlen, dass er bewusst einen ganz bestimmten Gedanken vermied. Den Gedanken an Jodie, der immer öfter von Akemis Lächeln , überlagert wurde, als wäre er nichts weiter als ein Schatten vergangener Tage. „Ich geh mal kurz eine rauchen, okay?“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, stand er auf und ging nach draußen. Auf einmal fühlte er sich eingeengt und hatte das dringende Bedürfnis nach frischer Luft und stillem Alleinsein. Akemi blickte ihm nachdenklich hinterher, ihr war nicht entgangen, dass etwas in seinem Blick härter geworden war, dass er sich auf eine seltsame Art und Weise verwandelt und die magische Verbindung, die sonst so mühelos zwischen ihnen entstand, abgeblockt hatte. Warum, fragte sie sich zum hundertsten Mal. Warum bist du manchmal so abweisend und dann wieder so warm und freundlich? Was verbirgst du vor mir? Sie schämte sich für diese Gedanken, wollte sie ihm doch glauben, was er sagte, wollte sie ihm eine Chance geben und ihm vertrauen. Aber ein Teil von ihr fühlte sich merkwürdig, enttäuscht und bitter, als hätte sie ein Recht darauf zu erfahren, wer er wirklich war und was er dachte und als würde er ihr dieses Recht bewusst verwehren. Blödsinn, dachte sie und ließ ihren Blick durchs Zimmer schweifen. Vielleicht würde sie so auf andere Gedanken kommen. Kaum hatte sie ihren Kopf etwas freigemacht, stellte sie überrascht fest, dass etwas weißes aus der Tasche seiner Jacke ragte, die er über seinen Stuhl gehängt hatte. Neugierig griff sie danach, auf einmal wieder beherrscht von all den zweifelnden Gefühlen, die sie eben erfolgreich verdrängt hatte. Der Zettel fühlte sich komisch an, wie etwas, das man zerknüllt, wieder geglättet und viel mit sich herumgetragen hatte – was vermutlich sogar der Fall war, so wie er mittlerweile aussah. Unschlüssig betrachtete sie ihn von allen Seiten und faltete ihn schließlich auseinander. Im selben Moment, in dem sie es tat, bereute sie es auch schon, denn es handelte sich um einen Brief. Einen persönlichen Brief, den man ihm geschrieben hatte, etwas, das nicht für ihre Augen bestimmt war. Dennoch konnten die Gewissenbisse sie nicht davon aufhalten, weiterzulesen, zu unerwartet, zu fremd war der Inhalt. Seit du gegangen bist, scheinen Wochen vergangen zu sein… Die Organisation, die du beschattest… Ein Killer… Laterna-Magica-Mörder. In Liebe, Jodie. Fassungslos ließ sie den Brief sinken. Die schreckliche Frage danach, wer dieser Mann wirklich war und was für ein Spiel er spielte, quälte sie, doch da war noch etwas ganz anderes, etwas Tieferes, Kälteres, das sie erschaudern ließ. In Liebe, Jodie. Auf einmal war sie erfüllt von Bitterkeit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)